Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.07.2020, Az. 2 WRB 1/20

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 4018

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Gegenstand

Unwirksamkeit einer durch einfache E-Mail erhobene Beschwerde


Leitsatz

Die Formwirksamkeit einer Beschwerde ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung und im Unterschied zur Fristwahrung im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu prüfen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Soldaten gegen den Beschluss der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 7. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

Tatbestand

1

Die Rechtsbeschwerde betrifft Verfahrensfragen bei der Überprüfung einer [X.].

2

Gegen den Soldaten wurde am 24. Juli 2018 wegen [X.] einer E-Mail eine [X.] in Höhe von 800 € verhängt. Ihm wurde vorgeworfen, das in der E-Mail befohlene Datum für eine von ihm verlangte Meldung um einen Monat manipuliert zu haben, um auf diese Weise eine Meldepflichtverletzung zu verheimlichen. Gegen die [X.] erhob der Soldat mit einfacher E-Mail (Programm [X.]) am 17. August 2018 Beschwerde, die sein Disziplinarvorgesetzter als inhaltlich unbegründet zurückwies.

3

Die weitere Beschwerde wies das [X.] mit Beschluss vom 7. November 2019 ebenfalls zurück. Die Erstbeschwerde sei zwar formwidrig erhoben worden; dieser Formfehler sei jedoch durch eine Entscheidung zur Sache geheilt worden. Die ordnungsgemäß erhobene weitere Beschwerde sei nicht - wie angekündigt - detailliert begründet worden. Die Kammer gehe nach Auswertung der vorhandenen Beweismittel davon aus, dass der Soldat wie angeschuldigt gegen seine Wahrheitspflicht verstoßen und eine E-Mail auf seinem Dienstrechner manipuliert habe. Dafür spreche das auf dem Rechner des Soldaten gefundene [X.]. Soweit der Soldat einwende, dass ein Dritter auf seinem Rechner die Änderungen vorgenommen habe, sei dies eine Schutzbehauptung. Das [X.] ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu.

4

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügte der Soldat eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Er habe unter dem 8. Februar 2019 seine weitere Beschwerde ausführlich begründet und insbesondere darauf hingewiesen, dass die E-Mail nach dem [X.] zuvor schon durch einen anderen Nutzer geändert worden sei. Im Hinblick auf diese Gehörsrüge hat das [X.] die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 15. April 2020 zugelassen (BVerwG 2 WNB 4.20).

5

In der fristgerecht eingegangenen Begründung beruft sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, dass die verhängte [X.] rechtswidrig sei, weil es keine ausreichenden Beweise für seine Täterschaft gebe. Bei Würdigung der vorhandenen Beweise müsse davon ausgegangen werden, dass er vor dem Vorzeigen der E-Mail am Vormittag des 10. April 2018 das maßgebliche Datum für die Auftragserfüllung nicht verfälscht habe. Dem Erfolg seiner Rechtsbeschwerde stehe auch nicht entgegen, dass er die Erstbeschwerde gegen die [X.] per E-Mail eingelegt habe. Dieser Formmangel sei durch die Entscheidung der Beschwerdestelle zur Sache geheilt worden. Sein Vertrauen darauf, dass über sein Anliegen in der Sache entschieden werde, sei schützenswert. Die Rechtsprechung nehme auch bei verfristeten Beschwerden eine gerichtliche Überprüfung in der Sache vor, wenn die Beschwerdestelle sich nicht auf den Fristablauf berufen habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er die formunwirksame Beschwerde bereits am 17. August 2018 und damit sieben Tage vor Fristablauf eingelegt habe. In dieser [X.] hätte er den Mangel beheben können, wenn er rechtzeitig darauf hingewiesen worden wäre.

6

Das [X.] und der Bundeswehrdisziplinaranwalt haben keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

7

Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde hat in der Sa[X.]he keinen Erfolg.

8

1. Sie ist zwar zulässig. Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist innerhalb eines Monats na[X.]h ihrer Zulassung begründet worden (§ 22b Abs. 5 Satz 2 [X.]). Sie enthält allerdings keine Verfahrensrügen, sondern nur die allgemeine Sa[X.]hrüge. In der Begründung der Re[X.]htsbes[X.]hwerde ents[X.]heidet der Bes[X.]hwerdeführer darüber, ob er si[X.]h auf die im Zulassungsverfahren geltend gema[X.]hte Verfahrensrüge stützt, weitere Verfahrensrügen erhebt oder nur eine Überprüfung der Re[X.]htsanwendung des [X.]s im Rahmen der allgemeinen Sa[X.]hrüge erstrebt. Für die Geltendma[X.]hung der Sa[X.]hrüge genügt der Vortrag, dass die angefo[X.]htene Ents[X.]heidung des [X.]s auf einer unri[X.]htigen Anwendung von Re[X.]htsnormen beruht ([X.], Bes[X.]hluss vom 27. August 2013 - 1 [X.] 1.12 - juris Rn. 30 m.w.[X.]). Nur Letzteres ist hier ges[X.]hehen.

9

Wird eine Verfahrensrüge erhoben, sind na[X.]h § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO die Tatsa[X.]hen zu bezei[X.]hnen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen ([X.], Bes[X.]hluss vom 5. August 2015 - 2 [X.] 4.14 - juris Rn. 22). Dafür kann zwar eine Bezugnahme auf eine bereits im Zulassungsverfahren ausrei[X.]hend geltend gema[X.]hte Verfahrensrüge genügen ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 [X.] 9.11 - juris Rn. 11). Eine sol[X.]he Bezugnahme auf die im Zulassungsverfahren erhobene [X.] ist hier indessen ni[X.]ht erfolgt. Au[X.]h ist keine Zurü[X.]kverweisung zur Behebung des Gehörsverstoßes und zu einer weiteren Aufklärung des Falles beantragt worden. Damit ist allein die allgemeine Sa[X.]hrüge Gegenstand des Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahrens.

2. Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist ni[X.]ht begründet. Die vom Bes[X.]hwerdeführer erhobene Sa[X.]hrüge greift ni[X.]ht dur[X.]h. Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde dient der re[X.]htli[X.]hen Überprüfung truppendienstgeri[X.]htli[X.]her Ents[X.]heidungen. Daher ist das [X.] im Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahren ebenso wie in der Revision an die tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen der angegriffenen Ents[X.]heidungen gebunden, wenn dagegen keine dur[X.]hgreifenden Verfahrensrügen vorgetragen werden (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO). Aus dieser Bindungswirkung folgt, dass das Re[X.]htsbes[X.]hwerdegeri[X.]ht seine eigene Beweiswürdigung ni[X.]ht an die Stelle der Beweiswürdigung des Tatsa[X.]hengeri[X.]hts stellen darf. Daher kann eine allgemeine Sa[X.]hrüge, die auf eine anderweitige Tatsa[X.]henfeststellung abzielt, aus Re[X.]htsgründen keinen Erfolg haben.

Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn eine Umdeutung des Vorbringens des Bes[X.]hwerdeführers in eine gegen die Beweiswürdigung geri[X.]htete Verfahrensrüge mögli[X.]h wäre. Ein revisibler Verfahrensfehler bei der ri[X.]hterli[X.]hen Überzeugungsbildung liegt allerdings nur vor, wenn die Beweiswürdigung des [X.]s die re[X.]htli[X.]hen Grenzen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 261 [X.]) übers[X.]hreitet. Das ist insbesondere der Fall, wenn ein Tatsa[X.]hengeri[X.]ht ni[X.]ht alle Beweismittel ers[X.]höpft, evident aktenwidrige Feststellungen trifft oder gesetzli[X.]he Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze missa[X.]htet. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist hingegen ni[X.]ht s[X.]hon dann in einer revisionsgeri[X.]htli[X.]h bea[X.]htli[X.]hen Weise verletzt, wenn au[X.]h eine inhaltli[X.]h andere Überzeugung mögli[X.]h gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juli 2010 - 6 [X.] 22.09 - [X.]E 137, 275 Rn. 35 f.; Bes[X.]hluss vom 24. Juli 2018 - 6 B 75.17 - [X.] Ho[X.]hs[X.]hulre[X.]ht Nr. 201 Rn. 9 f. zu § 108 Abs. 1 VwGO; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl. 2020, § 337 Rn. 26 ff.).

Derartige Verfahrensfehler bei der Beweiswürdigung zeigt die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ni[X.]ht auf. Das [X.] hat alle Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung berü[X.]ksi[X.]htigt. Es hat insbesondere die Zeugenaussagen des [X.], des für die [X.] zuständigen Stabsfeldwebels, das auf dem Re[X.]hner des Soldaten gefundene [X.] und die Aussagen des Soldaten gewürdigt. Soweit es seine ri[X.]hterli[X.]he Überzeugung auf die Zeugenaussagen und das [X.] gestützt hat, verstößt der darauf gestützte [X.] ni[X.]ht gegen Denkgesetze (vgl. dazu [X.], Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 [X.] 28.89 - [X.]E 84, 271 <273 f.>). Dass das [X.] isoliert betra[X.]htet no[X.]h keinen zwingenden Beweis erbringt und dass au[X.]h eine andere Würdigung der Beweise mögli[X.]h gewesen wäre, genügt für die Annahme eines Verstoßes des [X.]es gegen den ihm bei der Tatsa[X.]henwürdigung zustehenden [X.] ni[X.]ht. Soweit es auf das Vorbringen des Bes[X.]hwerdeführers in der Begründung der weiteren Bes[X.]hwerde ni[X.]ht näher eingegangen ist, liegt darin kein revisibles Defizit bei der Beweiswürdigung, sondern ein Begründungsmangel, der allein mit einer [X.] hätte weiterverfolgt werden können.

3. Die Ents[X.]heidung des [X.]s erweist si[X.]h im Übrigen au[X.]h aus anderen Gründen als ri[X.]htig (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 144 Abs. 4 VwGO). Denn es liegt s[X.]hon keine wirksame Bes[X.]hwerde gegen die [X.] vor (a). Der Formmangel ist im Bes[X.]hwerdeverfahren ni[X.]ht geheilt worden (b) und dies ist im wehrdienstgeri[X.]htli[X.]hen Verfahren als Sa[X.]hents[X.]heidungsvoraussetzung au[X.]h von Amts wegen zu berü[X.]ksi[X.]htigen ([X.]). Das [X.] durfte daher die bestandskräftig gewordene [X.] s[X.]hon aus Re[X.]htsgründen ni[X.]ht mehr abändern.

a) Na[X.]h § 6 Abs. 2 [X.] kann eine Bes[X.]hwerde entweder mündli[X.]h zur Nieders[X.]hrift oder s[X.]hriftli[X.]h erhoben werden. Dem S[X.]hriftformerfordernis genügt eine elektronis[X.]he Einlegung dur[X.]h einfa[X.]he E-Mail ni[X.]ht (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 26. Oktober 2010 - 1 [X.] 4.10 - juris Rn. 4). Zwar kann eine Bes[X.]hwerde unter den in § 3a [X.] genannten Voraussetzungen au[X.]h elektronis[X.]h erhoben werden. Denn diese Vors[X.]hrift gilt na[X.]h § 79 [X.] au[X.]h für förmli[X.]he Re[X.]htsbehelfe gegen Verwaltungsakte ergänzend, soweit gesetzli[X.]h ni[X.]hts Anderes bestimmt ist. Außerdem war es der Wille des Gesetzgebers, mit dieser Vors[X.]hrift in allen Fa[X.]hgebieten und jeder Verfahrensart des [X.] elektronis[X.]he Kommunikationsformen glei[X.]hbere[X.]htigt neben der S[X.]hriftform zum Einsatz zu bringen ([X.]. 14/9000 S. 26). Deswegen hat das [X.] die Einlegung eines Widerspru[X.]hs dur[X.]h einen qualifiziert signierten E-Mail-Anhang au[X.]h s[X.]hon vor der gesetzli[X.]hen Klarstellung in § 70 Abs. 1 VwGO für zulässig era[X.]htet ([X.], Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 [X.] 12.15 - Bu[X.]hholz 442.2 Rundfunkre[X.]ht Nr. 78 Rn. 18). Der Einlegung einer Bes[X.]hwerde dur[X.]h eine si[X.]here elektronis[X.]he Kommunikationsform im Sinne des § 3a [X.] stehen au[X.]h keine Besonderheiten des Bes[X.]hwerdere[X.]hts entgegen. Da die Anordnung der S[X.]hriftform in § 6 Abs. 2 [X.] bereits seit 1972 besteht und damals eine elektronis[X.]he Einlegung ni[X.]ht zur Verfügung gestanden hat, kann die mangelnde Erwähnung einer elektronis[X.]hen Einlegung ni[X.]ht als bewusster Auss[X.]hluss dieser Kommunikationsform interpretiert werden (vgl. Dau/S[X.]heuren, [X.], 7. Aufl. 2020, § 6 Rn. 35).

Allerdings genügt die einfa[X.]he E-Mail des Bes[X.]hwerdeführers ni[X.]ht den Anforderungen des § 3a [X.] an eine si[X.]here elektronis[X.]he Form. Dabei ist s[X.]hon fragli[X.]h, ob der [X.]hef des [X.] im Sinne des § 3a Abs. 1 [X.] ausdrü[X.]kli[X.]h oder konkludent einen Zugang für die Übermittlung elektronis[X.]her s[X.]hriftformersetzender Dokumente eröffnet hat (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 2016 - 6 [X.] 12.15 - Bu[X.]hholz 442.2 Rundfunkre[X.]ht Nr. 78 Rn. 18). Jedenfalls kann na[X.]h § 3a Abs. 2 Satz 2 [X.] die S[X.]hriftform nur dur[X.]h ein elektronis[X.]hes Dokument ersetzt werden, das mit einer qualifizierten elektronis[X.]hen Signatur versehen ist. Na[X.]h den bindenden Feststellungen des [X.]s entspre[X.]hen die vom Bes[X.]hwerdeführer beim Versand der Lotus-Notes-Na[X.]hri[X.]ht verwendeten Si[X.]herheitsoptionen aber ni[X.]ht diesen Vorgaben. Ohne eine sol[X.]he qualifizierte elektronis[X.]he Signatur kann ni[X.]ht mit der gebotenen Si[X.]herheit festgestellt werden, ob die betreffende E-Mail vollständig und ri[X.]htig ist und ob sie tatsä[X.]hli[X.]h von dem in ihr angegebenen Urheber stammt (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 19. Dezember 2017 - 1 [X.] 10.17 - juris Rn. 18 m.w.[X.]). Soweit § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 bis 4 [X.] in der Fassung vom 18. Juli 2017 ([X.] I S. 2745) darüber hinaus weitere si[X.]here Verfahren für eine zulässige elektronis[X.]he Form vorsieht, ist die von dem Bes[X.]hwerdeführer versandte E-Mail hiervon ebenfalls ni[X.]ht erfasst.

b) Der Formmangel ist au[X.]h ni[X.]ht im Bes[X.]hwerdeverfahren geheilt worden. Dies hätte nur dur[X.]h Na[X.]hrei[X.]hung einer formgere[X.]hten s[X.]hriftli[X.]hen oder qualifiziert signierten elektronis[X.]hen Bes[X.]hwerde erfolgen können. Ni[X.]ht ausrei[X.]hend ist, dass im vorliegenden Fall keine Zweifel am Bes[X.]hwerdewillen und an der Urhebers[X.]haft des Soldaten bestanden haben. Unter diesem Gesi[X.]htspunkt hat die Re[X.]htspre[X.]hung zwar bestimmte Mängel der S[X.]hriftform für unerhebli[X.]h angesehen (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 31. Januar 2019 - 1 [X.] 28.17 - [X.]E 164, 304 Rn. 16 m.w.[X.]). Dies kann aber ni[X.]ht gelten, wenn - wie hier - mit einer einfa[X.]hen E-Mail eine elektronis[X.]he Einlegungsform gewählt wird, die das Gesetz gerade aus Gründen der Re[X.]htssi[X.]herheit bewusst ni[X.]ht zugelassen hat. Ansonsten würde das Erfordernis einer qualifizierten elektronis[X.]hen Signatur oder einer sonstigen si[X.]heren elektronis[X.]hen Übertragung unterlaufen. Mit den in § 3a [X.] enthaltenen Si[X.]herheitserfordernissen ist au[X.]h keine unzumutbare Ers[X.]hwerung der Re[X.]htsverfolgung verbunden, au[X.]h wenn deren Einhaltung ein ni[X.]ht generell vorhandenes te[X.]hnis[X.]hes Equipment voraussetzt. Denn § 6 Abs. 2 [X.] lässt mit der s[X.]hriftli[X.]hen oder mündli[X.]hen Einlegung zur Nieders[X.]hrift au[X.]h andere einfa[X.]he und allgemein zugängli[X.]he Wege der Bes[X.]hwerdeerhebung zu.

Den Bes[X.]hwerdeführer entlastet es s[X.]hließli[X.]h ni[X.]ht, dass er auf den Formmangel von seinem Disziplinarvorgesetzten ni[X.]ht re[X.]htzeitig gemäß § 25 Abs. 1 [X.] hingewiesen worden ist. Die Regelungen über die Formen und Fristen einer Bes[X.]hwerde gegen truppendienstgeri[X.]htli[X.]he Erstmaßnahmen können als jedem Soldaten bekannt vorausgesetzt werden, weil eine umfangrei[X.]he Belehrung darüber Gegenstand der militäris[X.]hen Ausbildung ist (stRspr, vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 25. April 1974 - 1 [X.] 47.73 - [X.]E 46, 251 <251 f.> und vom 4. Mai 2017 - 1 [X.] 5.16 - Bu[X.]hholz 450.1 § 17 [X.] Nr. 95 Rn. 38). Dem im Stabsdienst tätigen Bes[X.]hwerdeführer mussten diese Regelungen präsent sein. Daher durfte er ni[X.]ht darauf vertrauen, eine Bes[X.]hwerde in einer gesetzli[X.]h ni[X.]ht vorgesehenen unsi[X.]heren Kommunikationsform einlegen zu können; derartige Fehleins[X.]hätzungen liegen im Risiko- und Verantwortungsberei[X.]h des Bes[X.]hwerdeführers und können keinen unabwendbaren Zufall im Sinne des § 7 [X.] begründen (vgl. [X.], Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 [X.] 35.96 - [X.]E 105, 288 <300 f.> zum Begriff der höheren Gewalt).

[X.]) Das Vorliegen einer formwirksamen Bes[X.]hwerde ist eine Sa[X.]hents[X.]heidungsvoraussetzung und somit au[X.]h im geri[X.]htli[X.]hen Verfahren zu prüfen. Denn ohne formwirksame Bes[X.]hwerde fehlt es an einer grundlegenden Voraussetzung für das Tätigwerden der Bes[X.]hwerdestelle und für die ans[X.]hließende geri[X.]htli[X.]he Überprüfung. Fehlt eine wirksame Bes[X.]hwerde, sind weder die Bes[X.]hwerdestelle no[X.]h das Geri[X.]ht zu einer Ents[X.]heidung befugt. Da ihre Kontrollkompetenz wesentli[X.]h vom Vorliegen und vom Inhalt der Bes[X.]hwerde abhängt, haben si[X.]h na[X.]h der bisherigen Re[X.]htspre[X.]hung sowohl die Bes[X.]hwerdestelle als au[X.]h das Geri[X.]ht über das Vorliegen einer formwirksamen Bes[X.]hwerde von Amts wegen zu vergewissern ([X.], Bes[X.]hluss vom 26. Oktober 2010 - 1 [X.] 4.10 - juris Rn. 12 m.w.[X.]).

Daran ist festzuhalten. Für das Erfordernis einer Prüfung im geri[X.]htli[X.]hen Verfahren spri[X.]ht bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 [X.], der die Zuständigkeit der Wehrdienstgeri[X.]hte an das Vorliegen einer Bes[X.]hwerde in Bezug auf bestimmte in der Wehrbes[X.]hwerdeordnung genannte Re[X.]hte und Pfli[X.]hten (sog. truppendienstgeri[X.]htli[X.]he Angelegenheiten) knüpft. Mit der in § 17 Abs. 1 [X.] genannten Bes[X.]hwerde kann aber nur die formgere[X.]hte Bes[X.]hwerde gemeint sein. Denn die Funktion der Wehrbes[X.]hwerde als Vors[X.]haltre[X.]htsbehelf eines Geri[X.]htsverfahrens ma[X.]ht es erforderli[X.]h, dass ihre Einlegung und ihr Inhalt förmli[X.]h dokumentiert sind. Nur dies entspri[X.]ht dem Gebot der Re[X.]htsklarheit prozessre[X.]htli[X.]h relevanter Erklärungen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 1988 - 6 [X.] 24.87 - Bu[X.]hholz 448.6 § 18 [X.] Nr. 2 S. 3).

Dabei stellen die S[X.]hriftform, die Nieders[X.]hrift mündli[X.]her Bes[X.]hwerden und die qualifizierte elektronis[X.]he Signatur insbesondere si[X.]her, dass die Identität des Erklärenden festgestellt werden kann (Identitätsfunktion), dass die E[X.]htheit der Erklärung überprüft werden kann ([X.]), dass die Vollständigkeit der Erklärung gesi[X.]hert wird (Abs[X.]hlussfunktion), dass der gesamte Inhalt bewiesen werden kann (Beweisfunktion) und dass der Erklärende si[X.]h der re[X.]htli[X.]hen Verbindli[X.]hkeit seiner Erklärung bewusst wird (Warnfunktion) und auf diese Weise vor Übereilung ges[X.]hützt ist ([X.]. 14/9000 S. 31). Die Formvors[X.]hriften bewirken zuglei[X.]h, dass die förmli[X.]he Wehrbes[X.]hwerde lei[X.]hter von einer formlosen Kritik, von einer auf eine rein behördeninterne Na[X.]hprüfung geri[X.]hteten Gegenvorstellung oder einer Aufsi[X.]htsbes[X.]hwerde abgegrenzt werden kann. Ferner erlei[X.]htern sie es den Bes[X.]hwerdestellen und den Geri[X.]hten, den inhaltli[X.]hen Gegenstand des vom Soldaten gewüns[X.]hten Kontrollverfahrens zu bestimmen.

Da die Formvors[X.]hriften dem Übereilungss[X.]hutz und der Re[X.]htsklarheit im Verwaltungs- und Geri[X.]htsverfahren dienen, steht ihre Einhaltung ni[X.]ht zur Disposition der Bes[X.]hwerdestelle. Sie unterliegt deshalb au[X.]h der Überprüfung im Geri[X.]htsverfahren. Dies entspri[X.]ht im Übrigen der verwaltungsprozessualen Re[X.]htspre[X.]hung des [X.]s, na[X.]h der die formgere[X.]hte Erhebung des Widerspru[X.]hs gemäß § 70 Abs. 1 VwGO au[X.]h im Geri[X.]htsverfahren voll zu überprüfen ist ([X.], Urteile vom 9. Juni 1982 - 6 [X.] 119.81 - Bu[X.]hholz 448.0 § 33 [X.] Nr. 28 S. 2 und vom 20. Juni 1988 - 6 [X.] 24.87 - Bu[X.]hholz 448.6 § 18 [X.] Nr. 2 S. 3).

Dem kann ni[X.]ht entgegengehalten werden, dass die Frage der fristgere[X.]hten Erhebung einer Bes[X.]hwerde prozessual anders beurteilt wird. Die Einhaltung der Bes[X.]hwerdefrist wird vom Wehrdienstgeri[X.]ht nur geprüft, wenn die Bes[X.]hwerdestelle die Bes[X.]hwerde deswegen zurü[X.]kgewiesen hat ([X.], Bes[X.]hluss vom 31. August 2017 - 1 [X.] 1.16 - Bu[X.]hholz 450.1 § 17 [X.] Nr. 96 Rn. 18) oder wenn bei einer dienstli[X.]hen Maßnahme mit dem Ablauf der Bes[X.]hwerdefrist zu Gunsten eines Dritten Bestandskraft eingetreten ist ([X.], Bes[X.]hluss vom 27. November 2014 - 1 [X.] 61.13 - Bu[X.]hholz 450.1 § 17 [X.] Nr. 91 Rn. 38 f.). Diese Eins[X.]hränkung der geri[X.]htli[X.]hen Kontrolle hat ihren Grund darin, dass die fristgere[X.]hte Erhebung der Bes[X.]hwerde keine Prozessvoraussetzung ist. § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt für den Antrag auf geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidung allein die Erfolglosigkeit, ni[X.]ht aber die Re[X.]htzeitigkeit des vorangegangenen Bes[X.]hwerdeverfahrens voraus (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 31. August 2017 - 1 [X.] 1.16 - Bu[X.]hholz 450.1 § 17 [X.] Nr. 96 Rn. 18). Im Unters[X.]hied dazu ist das Vorhandensein einer Bes[X.]hwerde in § 17 Abs. 1 [X.] ausdrü[X.]kli[X.]h erwähnt. Das Vorliegen einer formgere[X.]hten Bes[X.]hwerde ist au[X.]h grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Ents[X.]heidungsbefugnis auf die Bes[X.]hwerdestelle und später auf das Geri[X.]ht übergeht. Demgegenüber ist die Frage der Fristversäumnis ni[X.]ht in glei[X.]her Weise essenziell für das na[X.]hfolgende behördli[X.]he und geri[X.]htli[X.]he Verfahren, weil sie ledigli[X.]h für deren Prüfungsrahmen von Einfluss ist. Dies kann im Bes[X.]hwerdere[X.]ht ebenso wie im Widerspru[X.]hsre[X.]ht (§ 70 Abs. 1 VwGO) eine weniger weitgehende geri[X.]htli[X.]he Na[X.]hprüfung der Frist re[X.]htfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 4. August 1982 - 4 [X.] 42.79 - Bu[X.]hholz 406.19 Na[X.]hbars[X.]hutz Nr. 49 und Bes[X.]hluss vom 12. Oktober 2006 - 8 [X.] - Bu[X.]hholz 428 § 36 VermG Nr. 10 Rn. 3).

4. Die Kostenents[X.]heidung folgt aus § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

2 WRB 1/20

02.07.2020

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WRB

vorgehend BVerwG, 15. April 2020, Az: 2 WNB 4/20, Beschluss

§ 3a Abs 1 VwVfG, § 3a Abs 2 VwVfG, § 79 VwVfG, § 6 Abs 2 WBO, § 7 WBO, § 22b Abs 5 S 2 WBO, § 91 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 261 StPO, § 70 VwGO, § 108 Abs 1 VwGO, § 137 Abs 2 VwGO, § 139 Abs 3 S 4 VwGO, § 17 Abs 1 WBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.07.2020, Az. 2 WRB 1/20 (REWIS RS 2020, 4018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4018

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