Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2003, Az. IV ZR 139/01

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3851

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:19. März [X.] Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]: jaBGHZ: [X.]. ([X.]) §§ 14 Abs. 1, 17a) Unter einem den Versicherungsfall nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] auslösen-den Schadenereignis ist nur ein solches zu verstehen, für das derjenige, der [X.] in Anspruch genommen wird, in haftungsrechtlich zurechenba-rer Weise verantwortlich sein soll.b) Der Versicherer verliert das Recht, die Leistung wegen fehlender Erfolgsaus-sicht oder Mutwilligkeit abzulehnen, wenn er dies dem Versicherungsnehmerentgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht unverzüglich schriftlich mitteilt. [X.] sich dieses Recht auch dann nicht wirksam vorbehalten, wenn er die [X.] aus anderen Gründen ablehnt (Aufgabe von [X.], 132).BGH, Urteil vom 19. März 2003 - [X.]/01 - [X.] [X.] hat durch den [X.], [X.] und [X.], die RichterinDr. [X.] und [X.] auf die mündliche [X.] 19. März 2003für Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 29. März 2001 wird [X.] der Beklagten zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1983eine Rechtsschutzversicherung, die Familien- und Verkehrs-Rechts-schutz umfaßt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für [X.] ([X.]) zugrunde.Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine Klage auf [X.] gegen den Zigarettenhersteller [X.]. Seit 1964 raucht der Kläger,und zwar ausschließlich Zigaretten der von der Firma [X.] hergestell-ten Marke "[X.]". [X.] erlitt er einen Herzinfarkt. Danach [X.] mehrere operative Eingriffe vornehmen lassen, unter anderem eineBypass-Operation im März 1999.- 3 -Mit der beabsichtigten Klage gegen die Firma [X.] sollen [X.] aus § 823 BGB und nach dem Produkthaftungsgesetz geltendgemacht werden. Der Kläger lastet der Firma [X.] an, keine [X.] auf ihren Produkten angebracht zu haben, obwohl ihr aufgrund [X.] eines [X.] Tabakkonzerns aus demJahr 1983 seit 1984 bekannt gewesen sei, daß beim Rauchen der sucht-erregende Wirkstoff Acetaldehyd freigesetzt werde. Außerdem seien [X.] seit 1984 Ammoniak und andere Zusatzstoffe beige-mischt worden, um dadurch die Suchterzeugung zu verstärken und eineSuchtverhaftung auszulösen. Ohne diese Beimischung und bei rechtzei-tigem Hinweis auf die suchterregende Wirkung von Acetaldehyd wäre esihm - dem Kläger - gelungen, sich das Rauchen rechtzeitig abzugewöh-nen. Dann wäre es nicht zu der erst 1989/1990 aufgetretenen kardio-vaskulären Erkrankung und dem späteren Herzinfarkt gekommen.Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage für die erste Instanzim beabsichtigten Schadensersatzprozeß gegen die Firma [X.] abge-lehnt, weil das den Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1[X.] darstellende Schadenereignis schon vor Beginn des [X.] eingetreten sei. Die Beklagte sieht [X.] die Nikotinsucht des [X.] an, die bereits seit 1975bestanden habe. Zu den Erfolgsaussichten der Klage gegen die Firma[X.]hat sie in den vorgerichtlichen [X.] und 10. September 1999 Bedenken und Zweifel geäußert, dieabschließende Prüfung der Erfolgsaussichten jedoch im zuletzt genann-ten Schreiben ausdrücklich offengelassen. Im Deckungsprozeß hat sieihre Ablehnung in der Berufungsinstanz auch auf fehlende Erfolgsaus-sicht [X.] 4 -Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht([X.], 91) hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen [X.] die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger imbeantragten Umfang Rechtsschutz zu gewähren.1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der [X.] erst während der Dauer des Versicherungsschutzes ein-getreten ist, der gemäß § 5 [X.] hier am 1. Dezember 1983 begonnenhat.a) Der Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz umfaßt nach § 26Abs. 3 a [X.] die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchenaufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen im Rahmen des § 14Abs. 1 [X.]. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] gilt bei [X.]ansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen als [X.] der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Scha-denereignisses. Als ein dem Anspruch zugrunde liegendes Schadener-eignis kann bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchsnach dem Wortlaut und dem Sinn der Bestimmung von vornherein [X.] Ereignis in Betracht kommen, das geeignet ist, den Anspruch recht-lich zu begründen. Auf eigenes Verhalten des [X.] in seiner Person liegende Umstände, die für den Schaden mitur-- 5 -sächlich waren, kann der Anspruch gegen den Schädiger nicht gestütztwerden. Sie sind kein dem geltend gemachten Anspruch zugrunde [X.] Schadenereignis und damit kein Versicherungsfall im Sinne von§ 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der verständige Versicherungsnehmer [X.] unter dem Schadenereignis nur ein solches verstehen, für dasder [X.], gegen den er Ansprüche erhebt, in haf-tungsrechtlich zurechenbarer Weise verantwortlich ist (vgl. zu § 4 (1) a[X.] 94 Senatsurteil vom 25. September 2002 - [X.]/01 - [X.], 1503 unter 2 b bb).Demgemäß kommt es für den Eintritt des Versicherungsfalls daraufan, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Scha-densersatzanspruch begründet. Als frühest möglicher Zeitpunkt kommtdas dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in [X.], aus dem der Anspruch hergeleitet wird. Ob der [X.] Versicherungsnehmers schlüssig und beweisbar ist, ist für den [X.] nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] unerheblich.Diese Frage ist nur für die Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 1 Abs. 1Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] von [X.]) Der Versicherungsfall ist hier nicht vor dem 1. Dezember 1983und damit in versicherter Zeit eingetreten. Der Kläger lastet der [X.]als schadenursächliches Verhalten an, sie habe ab 1984 [X.] auf die ihr bekannte suchterregende Wirkung von [X.] unterlassen und dem Zigarettentabak bewußt suchtsteigern-de Stoffe beigemischt. Mit einem früheren pflichtwidrigen Verhalten [X.] [X.]begründet er die beabsichtigte Klage nicht. Deshalb kommtes entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob der [X.] -schon seit 1975 nikotinsüchtig war. Dies ist gegebenenfalls im Scha-densersatzprozeß gegen die Firma [X.] zu klären und rechtlich zuwürdigen. Ebenso bedarf es keiner Stellungnahme dazu, ob bei § 14Abs. 1 Satz 1 [X.] das [X.] oder das Folgeereignis maß-gebend und welcher sinnfällige objektive Vorgang hier als Folgeereignisanzusehen ist. Es wäre jedenfalls nach Vertragsbeginn eingetreten.2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die [X.] sich nicht mehr darauf berufen kann, die beabsichtigte Klage bietekeine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das ist ihr verwehrt, weil sie [X.] diesen Ablehnungsgrund entgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.]nicht unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat.a) Die Auslegung dieser Bestimmung ergibt nach den Verständ-nismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers (vgl. [X.], 83, 85), daß sich der Versicherer bei Verletzung der [X.] nicht mehr auf die fehlende [X.] berufen kann. Dies entspricht auch der ganz überwiegen-den Meinung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ([X.], 233 unter [X.], [X.], 1362 unter[X.], [X.], 419, 420 f., jeweils mit Hinweisen auf [X.]; [X.], 857 unter II; a.[X.] [X.], 613 unter [X.] b).aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann der Versicherer seineLeistungspflicht verneinen, wenn er der Auffassung ist, die Wahrneh-mung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers biete keinehinreichende Aussicht auf Erfolg oder erscheine mutwillig. Macht er von- 7 -seinem Ablehnungsrecht Gebrauch, hat der dies nach Satz 2 der Be-stimmung dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unver-züglich schriftlich mitzuteilen. Schon dieser Zusammenhang zwischenSatz 1 und Satz 2 legt es nahe, daß die Ablehnung innerhalb des [X.] erfolgen muß und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer beisachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschlie-ßung benötigt. Die Prüfungspflicht des Versicherers beginnt, sobald [X.] seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a [X.]erfüllt hat, den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäßüber sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten sowieBeweismittel und Unterlagen anzugeben und auf Verlangen zur Verfü-gung zu stellen ([X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 17 [X.]Rdn. 5). Bei Verletzung dieser Obliegenheit hat sich der Versicherer [X.]sfreiheit nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 [X.] ausbedungen (vgl.dazu [X.], Rechtsschutzversicherung 6. Aufl. § 15 [X.] Rdn. 7-9). Beim Blick auf den [X.] bei Verletzung der [X.] unverzüglichen vollständigen und wahrheitsgemäßen [X.] drängt es sich auf, daß der Versicherer seinerseitsnicht nur gehalten ist, die Leistungsablehnung wegen fehlender [X.] oder Mutwilligkeit dem Versicherungsnehmer unverzüglichmitzuteilen, sondern auch die Prüfung der Erfolgsaussicht unverzüglichvorzunehmen, und daß ein Verstoß dagegen auf seiten des [X.] dieses Ablehnungsrechts zur Folge hat. Denn der verständi-ge Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, daß ihm selbst mitder Sanktion des [X.] verknüpfte unverzüglich zu [X.] aufgegeben werden, der Versicherer aberseine Entschließung über das Vorliegen von Ablehnungsgründen beliebig- und ohne gleichzeitigen Verlust des Ablehnungsrechts - hinausschie-- 8 -ben kann. Was insoweit für den Versicherungsnehmer gilt, muß in ent-sprechender Weise für den Versicherer gelten.bb) Die Regelungen in § 17 Abs. 2 und 3 [X.] bestätigen die-ses Auslegungsergebnis.Gegen diese Ablehnung kann der Versicherungsnehmer, andersals bei sonstigen Ablehnungsgründen, nicht nur mit der Deckungsklagevorgehen. Er hat vielmehr nach § 17 Abs. 2 [X.] - allerdings erstnach einer Leistungsablehnung gemäß Abs. 1 - das Recht, auf [X.] Versicherers einen sogenannten Stichentscheid des für ihn tätigenoder noch zu beauftragenden Rechtsanwalts herbeizuführen. [X.] ist für beide Teile bindend, sofern sie nicht offenbar vonder wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht. Damit wirddem Versicherungsnehmer ein schnelles, einfaches und für ihn nicht [X.] verbundenes Verfahren an die Hand gegeben, die [X.] Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. § 1 Abs. 1 [X.])verbindlich klären zu lassen. Eine solche rasche Klärung ist [X.] dann geboten, wenn bei einer Verzögerung der [X.] oder Rechtsverteidigung Nachteile drohen. [X.] des Verfahrens nach § 17 Abs. 1 [X.] widerspräche es, wennder Versicherer sich trotz schuldhaft verzögerter Prüfung der Erfolgsaus-sicht und der Mitteilung der Leistungsablehnung noch auf diesen Ableh-nungsgrund berufen könnte.Mit § 17 Abs. 3 [X.] hat sich der Versicherer schließlich aus-bedungen, dem Versicherungsnehmer zur Beschleunigung des Verfah-rens nach Absatz 2 eine Frist dafür zu setzen, den mit dem Stichent-- 9 -scheid beauftragten Rechtsanwalt vollständig zu unterrichten. Die [X.] der Frist führt nach Absatz 3 Satz 2 zum Entfallen des [X.]. Wiederum wird also mit der Androhung des [X.]sverlustes darauf hingewirkt, eine schnelle abschließende Ent-scheidung herbeizuführen. Das muß nach dem Gesamtzusammenhangdann aber auch für die vom Versicherer zu treffende Entscheidung nachAbsatz 1 gelten. Trifft sie der Versicherer nicht ohne schuldhaftes Zö-gern, verliert er das [X.]) Der bei nicht unverzüglicher Prüfung und schriftlicher Ableh-nung eintretende Verlust des Ablehnungsrechts wegen fehlender [X.] oder Mutwilligkeit hat zur Folge, daß der Versicherer sichdie spätere Berufung auf diese Ablehnungsgründe auch dann nicht wirk-sam vorbehalten kann, wenn er die Leistung aus anderen Gründen ab-lehnt. An der im Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 ([X.] -VersR 1986, 132 unter 1) vertretenen gegenteiligen Ansicht wird nichtfestgehalten.b) Die Beklagte hat die Leistung wegen fehlender Erfolgsaussichterst im hier zu entscheidenden Deckungsprozeß und damit nicht unver-züglich abgelehnt. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die [X.] Beklagten vom 2. August und 10. September 1999 enthielten keineAblehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht, ist richtig. Die [X.] der Beklagten begann mit Zugang des Schreibens des für [X.] tätigen Rechtsanwalts [X.]vom 19. Juli 1999. Dem [X.] waren der Entwurf der Klageschrift und Kopien sämtlicher darin [X.] Unterlagen beigefügt. Die Beklagte hat mit Recht nicht geltend- 10 -gemacht, der Kläger habe damit seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a[X.] nicht erfüllt gehabt.Terno [X.] [X.] Dr. [X.] [X.]

Meta

IV ZR 139/01

19.03.2003

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2003, Az. IV ZR 139/01 (REWIS RS 2003, 3851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3851

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