Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2023, Az. IV ZR 312/21

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1120

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Gegenstand

Rechtsschutz für Geltendmachung eines Direktanspruchs gegen Berufshaftpflichtversicherer


Leitsatz

Bei der Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers eines Schädigers gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG handelt es sich dann um einen Anwendungsfall des Schadenersatz-Rechtsschutzes nach § 2 lit. a (der hier vereinbarten) ARB, wenn die Inanspruchnahme des Schädigers auf einem Anspruch aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung beruht.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] - 11. Zivilkammer - vom 14. September 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 1.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Rechtsschutz für die Geltendmachung eines Direktanspruchs nach § 115 [X.] gegen einen Berufshaftpflichtversicherer.

2

Der Kläger unterhielt bei der [X.] zwischen 1992 und dem 30. Juni 2019 eine Rechtsschutzversicherung unter anderem für die Leistungsarten "[X.]" und "Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht". Die dem Vertrag zugrundeliegenden "[X.] PLUS Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ([X.])" (im Folgenden: [X.]) lauteten auszugsweise wie folgt:

"§ 1 Aufgaben der Rechtsschutzversicherung

Der Versicherer sorgt dafür, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz).

§ 2 Leistungsarten

[…] Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz

a) [X.]

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, soweit diese nicht auch auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen;

[…]

d) Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht

für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, soweit der Versicherungsschutz nicht in den Leistungsarten a), b) oder c) enthalten ist;

[…]

§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz

(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles

a) im [X.] gemäß § 2 a) von dem

Schadenereignis an, das dem Anspruch zugrunde liegt;

[…]

c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.

[…]

§ 18 Verfahren bei Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer wegen Mutwilligkeit bzw. fehlender Erfolgsaussichten

(1) Lehnt der Versicherer den Rechtsschutz ab,

a) weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht

oder

b) weil in den Fällen des § 2 a) bis g) […] die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist dies dem Versicherungsnehmer unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.

[…]"

3

Der Kläger schloss am 19. Februar 2014 mit einer Stiftung einen Vertrag über den Erwerb von Anlagegold mit Beginn zum 1. April 2014, einer Laufzeit von vier Jahren und einer Investition in Höhe von insgesamt 23.000 €. Veranlasst hierzu wurde er durch falsche Angaben in [X.] zu den Vertragsverhältnissen, der Sicherheit der Anlage, zu den Eigentumsverhältnissen an dem Gold, den kapitalmarktrechtlichen Verhältnissen und der Insolvenzfestigkeit der Anlage. Für den Inhalt der Unterlagen war die [X.] (im Folgenden: GmbH) als Garantin und berufsmäßige Sachkennerin verantwortlich. Sie unterhielt eine Berufshaftpflichtversicherung bei der [X.] (im Folgenden: [X.]). Mit Schreiben der [X.] vom 6. Februar 2015 erging eine Abwicklungsanordnung gegenüber den Einlagengeschäften, die die Rückzahlung der Anlegergelder beinhaltete. Am 14. August 2015 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 erfolglos eine Begleichung des Schadens von der [X.]. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 meldete er eine Forderung über 23.000 € beim Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH an. Am 23. Mai 2019 beantragte er bei der [X.] Rechtsschutz im Rahmen der Geltendmachung des Schadensersatzes im Insolvenzverfahren sowie gegenüber der [X.]. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 1. Juli 2019 mit, dass die geltend gemachten Ansprüche aus ihrer Sicht bereits verjährt seien, und lehnte einen Versicherungsfall mangels ablehnenden Schreibens der [X.] ab.

4

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm wegen Schadensersatzes Rechtsschutz zur außergerichtlichen Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der [X.] zu gewähren.

5

Das Amtsgericht hat insoweit die Klage abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein diesbezügliches Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Versicherungsfall bezüglich des Anspruchs gegenüber der [X.] im versicherten [X.]raum nicht eingetreten. Anwendung finde § 4 c) [X.], nicht § 4 a) [X.], da es sich bei dem [X.] nicht um einen Schadensersatzanspruch handele. Die Geltendmachung eines [X.]s gegen den [X.] gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] stelle einen eigenständigen Rechtsschutzfall im Sinne des § 4 Nr. 1 c) [X.] und nicht nur eine Fortsetzung des [X.] betreffend die Interessenwahrnehmung gegen den Schädiger dar. Nach dem für den Eintritt des [X.] maßgeblichen Vortrag des [X.] sei ein Rechtsverhältnis zwischen diesem und der [X.] erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die GmbH entstanden. Der maßgebliche Rechtsverstoß für das Vorliegen eines [X.] könne daher nur in der Ablehnung der Eintrittspflicht gegenüber dem Kläger liegen.

8

Die Nichtleistung könne für einen Verstoß im Sinne des § 4 c) [X.] genügen, jedenfalls wenn die Forderung fällig gestellt worden sei. Letzteres sei hier der Fall. Die Kammer halte indes eine entsprechende Anwendung des § 14 [X.] für geboten. Eine Fälligkeit des Anspruchs nach Abschluss der Ermittlungen durch die [X.] und die sich daran anschließende Nichtleistung innerhalb des versicherten [X.]raums habe der Kläger, auf dessen Behauptungen es bei der Bestimmung des [X.] ankomme, nicht vorgetragen.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht einen Anspruch des [X.] auf Rechtsschutz für die außergerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der [X.] nicht verneinen dürfen.

1. An[X.] als das Berufungsgericht gemeint hat, macht der Kläger gegen die [X.] gemäß § 2 a) [X.] einen Schadenersatzanspruch geltend, der nicht auch auf einer Vertragsverletzung beruht. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom [X.] auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 26. Januar 2022 - [X.], [X.], 344 Rn. 10; st. Rspr.).

b) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei der Lektüre der [X.] erkennen, dass die Geltendmachung des [X.]s gegenüber der [X.] nur dann vom Versicherungsschutz umfasst ist, wenn sie unter eine der vereinbarten Leistungsarten nach § 2 [X.] fällt (vgl. zum Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos Senatsurteil vom 29. Oktober 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 322 Rn. 15). Da der Kläger einen Schaden geltend macht und Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht gemäß § 2 d) [X.] nur in Frage kommt, soweit der Versicherungsschutz nicht in der Leistungsart des § 2 a) [X.] enthalten ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer seine Aufmerksamkeit zunächst auf diese Klausel richten.

c) Vom Wortlaut des § 2 a) [X.] wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer das vom Kläger verfolgte Interesse umfasst ansehen.

aa) Die Inanspruchnahme der [X.] wird er als "Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen" bzw. eines Schadensersatzanspruchs verstehen.

(1) Der Ausdruck "Schadensersatzansprüche" verweist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf den Bereich der Rechtssprache, weil es dort schon keinen in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadensersatzbegriff gibt (vgl. Senatsurteile vom 18. November 2020 - [X.], [X.], 279 Rn. 17; vom 8. Dezember 1999 - [X.], [X.], 311 unter [X.] [X.], [X.] [juris Rn. 18 f.]; [X.]/[X.]/Armbrüster, [X.] 31. Aufl. Einleitung Rn. 272; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 6; [X.], [X.], 73, 74; [X.]., [X.], 860, 861; a.A. [X.] r+s 1999, 329, 330; [X.]/[X.], Rechtschutzversicherung 9. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 37; [X.], [X.], 318, 322; [X.], NVersZ 1999, 308). In der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck "Schadensersatz" allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils. Dementsprechend wird der Versicherungsnehmer unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der geltend gemachte Anspruch auf Ausgleich eines eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2020 aaO Rn. 18, 23 m.w.N.).

(2) Nach diesem Maßstab handelt es sich bei dem gegenüber der [X.] gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] geltend gemachten Anspruch um einen Schadensersatzanspruch nach § 2 a) [X.].

(a) Wie bereits die Formulierungen "[…] seinen Anspruch […]" und "[…] auch gegen den Versicherer […]" in § 115 Abs. 1 Satz 1 [X.] zeigen, geht es bei dem gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemachten Ersatzanspruch um den des Geschädigten gegen den Schädiger, für den der Versicherer im Rahmen des § 115 Abs. 1 [X.] nur im Wege eines gesetzlichen Schuldbeitritts haftet (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juli 2019 - [X.], [X.], 1359 Rn. 20 m.w.N.). Hier nimmt der Kläger die GmbH als Schädigerin aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinne (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. September 2020 - [X.], [X.], 49 Rn. 34 ff.; Beschluss vom 22. Januar 2019 - [X.], NJW-RR 2019, 621 Rn. 17 f.) in Anspruch. Rechtsfolge einer solchen Haftung wäre die Verpflichtung der GmbH zur Naturalrestitution nach § 249 BGB. Eine solche ist aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - [X.], [X.]Z 153, 182 unter II 3 b [juris Rn. 20] m.w.N.; vom 8. Dezember 1999 - [X.], [X.], 311 unter [X.] b [X.] - 5 a [juris Rn. 19-21]).

(b) Soweit das Berufungsgericht einen Rechtsschutzfall nach § 2 a) [X.] abweichend mit der Begründung verneint hat, dass es sich bei dem Anspruch aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht selbst um einen Schadensersatzanspruch handele (vgl. auch OLG Köln [X.], 752, 753 [juris Rn. 3 ff.]; an[X.] im Sinne einer Einordnung als deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch eigener Art oder gesetzlicher Schadensersatzanspruch MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 115 Rn. 1; [X.]/Matusche-[X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 24 Rn. 176; [X.]/[X.]/[X.], jurisPK-Straßenverkehrsrecht 2. Aufl. § 115 [X.] Rn. 9 [Stand 16. September 2022]), kommt es auf die rechtliche Qualifikation des Anspruchs aus § 115 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. hierzu noch zu § 3 PflVG a.F. [X.], Urteil vom 23. November 1971 - [X.], [X.]Z 57, 265 unter [X.], 2 a [juris Rn. 20 f.]) schon nicht an. An[X.] als das Berufungsgericht gemeint hat, steht der Einordnung des [X.]s als Schadensersatzanspruch nach § 2 a) [X.] auch nicht entgegen, dass der [X.] nur im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis besteht (§ 115 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und lediglich in Geld zu erfüllen ist (§ 115 Abs. 1 Satz 3 [X.]). § 115 Abs. 1 Satz 2 [X.] zeigt im Zusammenhang mit dem Schuldbeitritt des Versicherers nur die Grenzen auf, innerhalb derer der Geschädigte seinen Anspruch auch gegen den Versicherer geltend machen kann. An der Qualifikation dieses Anspruchs als Schadensersatzanspruch nach § 2 a) [X.] aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ändert dies nichts (vgl. noch zu § 3 Nr. 1 PflVG a.F. [X.], Urteil vom 23. November 1971 aaO; BT-Drucks. [X.]/2252 [X.]). Entsprechendes gilt für § 115 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Dieser trägt lediglich dem Grundsatz der Schadenversicherung Rechnung, dass ein Versicherungsunternehmen Ersatzleistungen nicht durch Naturalherstellung zu erbringen hat (vgl. noch zu § 3 Nr. 1 Satz 2 PflVG a.F. [X.], Urteil vom 14. Juni 1983 - [X.], [X.], 758 unter [X.] a aa [juris Rn. 14]; BT-Drucks. [X.]/2252 [X.]). Auch wenn der Versicherer danach nicht verpflichtet ist, selbst den früheren Zustand vor der Schädigung wiederherzustellen, ist seine Geldleistung doch auf eine Wiederherstellung gerichtet (vgl. noch zu § 3 Nr. 1 Satz 2 PflVG a.F. [X.], Urteil vom 14. Juni 1983 aaO).

(c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Vorliegen der Voraussetzungen von § 2 a) [X.] keine Rechtsprechung des [X.] zu § 157 [X.] a.F. - jetzt § 110 [X.] - entgegen. Der Senat hat in einer auf § 157 [X.] a.F. gestützten Einziehungsklage gegen einen Haftpflichtversicherer keinen auf die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs gerichteten Rechtsschutzfall gesehen, weil die Kläger nicht mehr den gegen den Schädiger gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern den ihnen zu Vollstreckungszwecken zugewiesenen vertraglichen Deckungsanspruch dieses Schädigers aus dessen Haftpflichtversicherungsverhältnis geltend gemacht haben (Senatsurteil vom 5. November 2014 - [X.] ZR 22/13, [X.], 1498 Rn. 14). Vorliegend ist dies gerade nicht der Fall, die Senatsentscheidung also nicht auf die hiesige Konstellation übertragbar (a.A. OLG Köln [X.], 752, 753 [juris Rn. 6 f.]). Wie die Revision zu Recht einwendet, macht der Kläger gegenüber der [X.] nicht den vertraglichen Anspruch der GmbH aus dem Deckungsverhältnis geltend. Er nimmt die [X.] vielmehr - im Haftpflichtverhältnis - als weiteren Schuldner neben der GmbH aus Prospekthaftung in Anspruch. Von dem Wortlaut des § 2 a) [X.] ist auch diese Inanspruchnahme umfasst. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar differenziert die Klausel nicht danach, gegenüber wem der Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird.

bb) Dem Wortlaut nach beruht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch - an[X.] als noch das Amtsgericht gemeint hat - nicht (auch) auf einer "Vertragsverletzung".

(1) Der Begriff "Vertragsverletzung" verweist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls nicht auf den Bereich der Rechtssprache (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 6; [X.], [X.], 860, 862; a.A. [X.], NVersZ 1999, 308). Während der Ausdruck "Vertrag" dort noch eindeutig festgelegt ist (vgl. zur Definition nur [X.], Urteil vom 24. August 2016 - [X.], [X.]Z 211, 331 Rn. 21 m.w.N.), gilt Entsprechendes nicht für eine "Vertragsverletzung". Zwar ist dieser Begriff in der Rechtssprache ebenfalls sehr geläufig (vgl. BT-Drucks. 14/6040, [X.] f.). § 280 Abs. 1 BGB als grundlegende Vorschrift für einen Schadensersatzanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (vgl. BT-Drucks. 14/6040, [X.]) knüpft aber schon nicht an diesen Begriff, sondern die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis an. Hinzu kommt, dass es der wertenden Auslegung durch die Rechtsprechung bedarf, welche Pflichten (im Sinne von § 241 BGB) sich überhaupt aus einem konkreten Schuldverhältnis - beziehungsweise einem Vertrag - ergeben (vgl. nur [X.]/[X.], 82. Aufl. § 241 Rn. 1, 7 f.; [X.], [X.], 860, 862). Gibt es demnach schon in der Rechtssprache keinen umfassenden, in seinen Konturen eindeutig festgelegten Vertragsverletzungsbegriff, führt der Rückgriff auf die Rechtssprache allein nicht zur Klärung, was in den Bedingungen der Beklagten unter dem dort verwendeten Ausdruck "Vertragsverletzung" zu verstehen ist.

(2) Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer unter einem "Vertrag" eine rechtlich gültige Vereinbarung zweier oder mehrerer Partner verstehen, in der die gegenseitigen Verbindlichkeiten und Rechte festgelegt sind (vgl. [X.], [X.], 5. Aufl. "Vertrag"). Als "Verletzung" wird er in diesem Kontext jedenfalls das Nichtbeachten von Pflichten beziehungsweise das Übertreten von Grenzen aus einem solchen Vertrag ansehen (vgl. [X.] aaO "Verletzung"). Ob er hierzu - wegen des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs - auch solche Pflichtverletzungen zählen wird, die gemäß § 311 Abs. 2 BGB bereits bei Anbahnung eines solchen Vertrags oder im Zuge der Verhandlungen hierüber erfolgt sind (verneinend [X.]/Matusche-[X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 37 Rn. 76; [X.]/[X.], Rechtsschutzversicherung 9. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 49; HK-[X.]/[X.], [X.] 4. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 3; [X.]/Plote/[X.], [X.] 3. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 6; [X.], [X.], 193, 194; a.A. [X.]/[X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. [X.] 2010 § 2 Rn. 7; differenzierend Looschel[X.]/Paffenholz/Looschel[X.], [X.] 2. Aufl. § 2 [X.] 2010, Rn. 15), bedarf keiner Entscheidung. Abgesehen davon, dass eine Prospekthaftung im engeren Sinn den Grundgedanken einer Vertrauenshaftung nur weiterführt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337 unter I 1 [juris Rn. 18]) und - an[X.] als eine Haftung nach § 311 Abs. 2 BGB - lediglich an die Inanspruchnahme typisierten Vertrauens des Anlegers anknüpft (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2022 - [X.], [X.], 28 Rn. 40), wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine Vertragsverletzung nach dem Sprachgebrauch jedenfalls nur durch den (späteren) Vertragspartner für möglich erachten. (Späterer) Vertragspartner des [X.] war indessen die Stiftung, nicht die GmbH.

d) Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des mit dem Bedingungswerk verfolgten Zwecks und des Sinnzusammenhangs ergibt sich, dass die Inanspruchnahme des [X.] auf der Grundlage von § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] für den Fall der Verfolgung eines Schadenersatzanspruchs, der nicht auf einer Vertragsverletzung beruht, dem [X.] nach § 2 a) [X.] zuzuordnen ist. Wegen der für den Versicherungsnehmer mit Blick auf § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] erkennbaren Gleichartigkeit des Anspruchs gegen den Schädiger und - auf der Grundlage eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitritts - dessen Haftpflichtversicherer wird der Versicherungsnehmer annehmen, dass auch im Rahmen der Rechtsschutzversicherung von einheitlichen Voraussetzungen - hier denen des [X.]es - auszugehen ist, unter denen der Rechtsschutzversicherer für die Inanspruchnahme des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherer Deckung zu gewähren hat. Nur bei dieser Auslegung von § 2 a) [X.] ist die mit § 1 [X.] vorausgesetzte Unterstützung des Versicherungsnehmers bei der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Juli 2019 - [X.] ZR 111/18, [X.]Z 222, 354 Rn. 28) nachvollziehbar gewährleistet.

Die Gefahr einer zu weiten Vorverlagerung des Versicherungsschutzes zu Lasten des Versicherers droht hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, denn dieser ist einheitlich auf den [X.]punkt des [X.] begrenzt (vgl. § 4 Abs. 1 a) [X.]).

2. Der Rechtsschutzfall ist ferner in versicherter [X.] eingetreten.

a) Für das Schadenereignis, das dem Anspruch gemäß § 4 Abs. 1 a) [X.] zugrunde liegt, kommt es - nach der erneut maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2019 - [X.] ZR 111/18, [X.]Z 222, 354 Rn. 14 f.) - darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Schadensersatzanspruch begründet; als frühestmöglicher [X.]punkt kommt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer den Anspruch herleitet (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2015 - [X.] ZR 266/14, [X.], 604 Rn. 21 m.w.N.). Dies ist hier die Behauptung des [X.], die GmbH sei als Garantin und berufsmäßige Sachkennerin für den Inhalt der - falschen - Prospektunterlagen der Stiftung verantwortlich. Anspruchsbegründende Wirkung haben diese Unterlagen mit dem Abschluss des Vertrags über den Erwerb des Goldes durch den Kläger entfaltet, hier mithin im Jahr 2014.

b) Weitere Voraussetzungen für den Eintritt des [X.] stellt § 4 Abs. 1 a) [X.] wie ausgeführt nicht auf. Jedenfalls im Rahmen des hier einschlägigen [X.]es ist es hierfür nach der zutreffenden Ansicht der Revision unerheblich, ob der Anspruch - wie es das Berufungsgericht gemeint hat - nicht mehr in versicherter [X.] fällig geworden ist. Die Fälligkeit könnte allein für die Erfolgsaussichten des Begehrens des [X.] relevant sein (vgl. § 18 Abs. 1 b) [X.]).

III. Ob sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO), vermag der Senat aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat es - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht für maßgeblich erachtet, ob dem Kläger deshalb kein Anspruch auf Rechtsschutz zusteht, weil die Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der [X.] - wie die Beklagte behauptet - mutwillig ist oder insbesondere wegen einer Verjährung des [X.]s keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 18 Abs. 1 [X.]). Hierzu hat das Berufungsgericht bislang ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zu der sich insofern zunächst stellenden Frage, ob sich die Beklagte entgegen der Annahme des [X.] überhaupt noch auf eine solche Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht berufen kann. Wie der Senat bereits im Wege der Auslegung vergleichbarer Versicherungsbedingungen entschieden hat, kann sich der Versicherer nicht mehr auf eine Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers berufen, wenn er diesem den Ablehnungsgrund - hier entgegen § 18 Abs. 1 [X.] - nicht unverzüglich schriftlich und mit dem nach § 128 Satz 2 [X.] vorgeschriebenen Hinweis auf ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit mitgeteilt hat (vgl. Senatsurteile vom 20. Juli 2016 - [X.] ZR 245/15, [X.], 1184 Rn. 32 ff.; vom 19. März 2003 - [X.] ZR 139/01, [X.], 363 unter 2 [juris Rn. 11 ff.]). Die Zurückverweisung bietet dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen nachzuholen.

Prof. Dr. Karczewski     

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann

      

Dr. Bommel     

      

[X.]     

      

Meta

IV ZR 312/21

15.02.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Mannheim, 14. September 2021, Az: 11 S 8/20

§ 2 Buchst a ARB, § 115 Abs 1 S 1 Nr 2 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2023, Az. IV ZR 312/21 (REWIS RS 2023, 1120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1120 NJW 2023, 1510 REWIS RS 2023, 1120

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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