Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.01.2015, Az. 2 StR 290/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17210

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Gegenstand

Strafurteil: Voraussetzungen einer wirksamen Berichtigung der Urteilsgründe im Zusammenhang mit der Gesamtstrafenbildung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Februar 2014 im Einzelstrafausspruch zu [X.] sowie im [X.] aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen (Fälle [X.] - 4. und 6. der Urteilsgründe) sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ([X.]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.

3

2. [X.] zu [X.] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; im Übrigen weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

4

a) Die Zumessung der [X.]n ist rechtsfehlerhaft.

5

aa) Die von der [X.] wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verhängten [X.]n von einem Jahr und sechs Monaten (Fälle [X.] - 4. der Urteilsgründe) und einem Jahr ([X.] 6. der Urteilsgründe) bewegen sich nicht in dem gemäß § 176a Abs. 2 StGB vorgesehenen Strafrahmen von zwei bis 15 Jahren, von dessen Regelwirkung auch die [X.] ausgegangen ist.

6

bb) Im [X.], dem ein sexueller Missbrauch eines Kindes zugrunde lag, hat die [X.] eingangs ausgeführt, dass der Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB von zwei bis 15 Jahren zugrunde zu legen sei. Abschließend hat sie zwar dargelegt, dass wegen der unter Ziffer [X.] 5. festgestellten Tat von dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB auszugehen sei, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsehe. Es ist gleichwohl zu besorgen, dass die [X.] bei der Festsetzung der [X.] zu [X.] 5. rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB zugrunde gelegt oder sich jedenfalls nicht im Klaren darüber war, welcher Strafrahmen ihr für die Verhängung der [X.] zur Verfügung gestanden hat. Dafür spricht, dass die [X.] auch bei Bemessung der [X.]n in den Fällen [X.] - 4. und [X.] 6. den von ihr selbst bestimmten Strafrahmen aus dem Auge verloren hat und dass die im [X.] 5. für den sexuellen Missbrauch verhängte [X.] von vier Jahren in keinem angemessenen Verhältnis zu den in den Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs verhängten [X.]n von einem Jahr und sechs Monaten bzw. einem Jahr steht. Denn während dem [X.] 5. die (bloße) Manipulation am Geschlechtsteil des Angeklagten zugrunde lag, betreffen die demgegenüber milder bestraften Fälle [X.] - 4. und [X.] 6. das Eindringen mit dem Finger bzw. die Vollziehung des [X.], also grundsätzlich schwerere Straftaten. Gleichwohl ist die vergleichsweise hohe Bestrafung im [X.] 5. jenseits der in allen Fällen allgemein berücksichtigten strafschärfenden Umstände nicht besonders begründet worden, was aber erforderlich gewesen wäre.

7

b) Die [X.] hat zwar nach Eingang der Revisionsbegründung, in der insbesondere die rechtsfehlerhafte Strafzumessung im [X.] gerügt wird, mit Beschluss vom 28. Mai 2014 die Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass sie in den Fällen [X.] - 4. tatsächlich [X.]n von jeweils zwei (statt einem) Jahren und sechs Monaten, im [X.] 5. eine [X.] von einem (statt vier) Jahren und im [X.] 6. eine solche von vier (statt einem) Jahr verhängt habe. Die nachträgliche Berichtigung der Urteilsgründe ist jedoch unwirksam.

8

Nach der Rechtsprechung des [X.] dürfen, sobald ein Urteil vollständig verkündet worden ist, nur noch offensichtliche Schreibversehen und offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden (st. Rspr.; [X.], Urteil vom 16. Juni 1953 - 1 StR 508/52, [X.]St 5, 5, 10; Beschluss vom 28. Mai 1974 - 4 [X.], [X.]St 25, 333, 336). "Offensichtlich" im Sinne dieser Rechtsprechung sind aber nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss - auch ohne Berichtigung - eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht ([X.], Urteil vom 3. Februar 1959 - 1 [X.], [X.]St 12, 374, 376).

9

Bei Anlegung dieses strengen Maßstabs fehlt es an einer offensichtlichen Unrichtigkeit der schriftlichen Urteilsgründe. Dass die [X.] in den Fällen [X.] - 4. tatsächlich [X.]n von zwei Jahren und sechs Monaten und nicht - wie in den Urteilsgründen niedergelegt - von einem Jahr und sechs Monaten verhängen wollte, ergibt sich weder aus der [X.] selbst noch aus sonstigen offenkundigen Tatsachen. Auch die mögliche Verwechslung der in den Fällen [X.] 5. und [X.] 6. festgesetzten [X.]n drängt sich nicht derart auf, dass die Gefahr einer unzulässigen nachträglichen Abänderung der [X.] auszuschließen wäre.

Die mündliche Urteilsbegründung, auf die die [X.] für das von ihr tatsächlich Gewollte und Entschiedene in dem [X.] Bezug nimmt, wurde im Hinblick auf die [X.]n weder im [X.] festgehalten noch durch einen der Verfahrensbeteiligten bestätigt. Sie findet auch keine Stütze in den schriftlichen Urteilsgründen oder in sonstigen Tatsachen, die den Verdacht einer späteren sachlichen Änderung des Urteils ausschließen könnten. Der Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen deutet vielmehr darauf hin, dass die [X.] - wie ausgeführt - bei der Bemessung der [X.]n den jeweiligen Strafrahmen nicht klar vor Augen hatte. Die Strafzumessung lässt ebenso wenig erkennen, dass die [X.] die [X.]n tatsächlich so - wie es im [X.] ausgeführt wird - gewollt und entschieden hat, denn die Höhe der verhängten [X.]n wird weder begründet noch finden sich jenseits allgemeiner Erwägungen Hinweise dafür, dass und aus welchen Gründen die [X.] die [X.]n unterschiedlich hoch bemessen hat. Es kann daher nicht ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden, dass die [X.] schon bei der Entscheidung über die Festsetzung der [X.]n Verwechslungen oder Missverständnissen unterlegen war.

Da nur eine zulässige und damit wirksame Berichtigung geeignet ist, das schriftliche Urteil abzuändern, war nicht zunächst auf eine förmliche Zustellung des [X.]es durch das [X.] hinzuwirken. Unzulässige Änderungen sind für das Revisionsgericht unbeachtlich. Sie führen nicht dazu, dass durch Zustellung des [X.]es die [X.] erneut in Gang gesetzt würde ([X.], Urteil vom 14. November 1990 - 3 [X.], NStZ 1991, 195).

c) Soweit in den Fällen [X.] - 4. und 6. der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft unangemessen milde [X.]n von einem Jahr und sechs Monaten bzw. einem Jahr festgesetzt worden sind, ist der Angeklagte nicht beschwert. Im [X.] 5. kann demgegenüber nicht ausgeschlossen werden, dass die verhängte [X.] ohne die aufgezeigten Rechtsfehler milder ausgefallen wäre.

3. Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs im [X.] 5. zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

Fischer                     Appl                       Schmitt

                  Ott                      Zeng

Meta

2 StR 290/14

14.01.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Meiningen, 28. Februar 2014, Az: 531 Js 5125/11 - 2 KLs jug

§ 260 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.01.2015, Az. 2 StR 290/14 (REWIS RS 2015, 17210)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1467 REWIS RS 2015, 17210

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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