Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.05.2010, Az. IX ZB 11/07

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6450

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Gegenstand

Insolvenz- und Gesamtvollstreckungsverwaltervergütung: Reichweite der Rechtskraftwirkung der Vergütungsfestsetzung und Zulässigkeit eines Zweitverfahrens


Leitsatz

1. Die Festsetzung der Verwaltervergütung im Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverfahren entfaltet materielle Rechtskraft für den Vergütungsanspruch als solchen und seinen Umfang; die Berechnungsgrundlage und der Vergütungssatz einschließlich der hierbei bejahten oder verneinten Zu- oder Abschläge nehmen als Vorfragen an der Rechtskraft nicht teil .

2. Ein Zweitverfahren über die Festsetzung der Verwaltervergütung kann nicht auf Umstände gestützt werden, die bereits im Erstverfahren geltend gemacht worden sind oder hätten geltend gemacht werden können .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 8. Januar 2007 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 40.331,12 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Nach rechtskräftiger Festsetzung seiner Vergütung als Gesamtvollstreckungsverwalter beantragte der weitere Beteiligte die Festsetzung einer zusätzlichen Verwaltervergütung einschließlich Erstattung von Umsatzsteuern in Höhe von 71.355,04 €. Der Verwalter stützte sich zur Begründung dieser Nachforderung auf Umstände, die teils bei der [X.] seiner [X.]nsicht nach nicht konkret beschieden, teils in seinem ersten Festsetzungsantrag nicht gesondert erwähnt worden waren. Das [X.]mtsgericht gewährte dem weiteren Beteiligten daraufhin einen weiteren [X.]uschlag für den Erhalt von 30 [X.]rbeitsplätzen im [X.]uge einer übertragenden Sanierung. Weitere beanspruchte [X.]uschläge für [X.]rbeitnehmerangelegenheiten, hier aufgrund der [X.]nordnung von Kurzarbeit, der Durchführung einer Differenzlohnberechnung sowie des [X.]bschlusses und der Vorfinanzierung eines Sozialplanes, für die Sanierung von [X.] und für lange Verfahrensdauer lehnte das [X.]mtsgericht unter Verweisung auf die rechtskräftige [X.] ab.

2

[X.]uf die sofortige Beschwerde des Verwalters gewährte ihm das [X.] einen weiteren [X.]uschlag für die überlange Verfahrensdauer von insgesamt zwölf Jahren. Im Übrigen bestätigte es die versagende amtsgerichtliche [X.]weitfestsetzung. Hiergegen wendet sich der Verwalter mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit welcher er seine Beschwer von 40.331,12 € vollen Umfanges angreift.

II.

3

Die nach [X.]ulassung gemäß § 574 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]PO statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. [X.], [X.]. v. 15. Januar 2004 - [X.], [X.], 1072; v. 26. Januar 2006 - [X.], [X.], 203 Rn. 6) ist unbegründet. Die Rechtskraft der [X.] stand im Beschwerdefall dem Nachforderungsverlangen des Verwalters entgegen, welches auf keine neuen Tatsachen gestützt ist.

4

1. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf die im vergütungsrechtlichen Schrifttum wohl allgemein vertretene [X.]nsicht, dass die materielle Rechtskraft des [X.] nur die einzelnen Berechnungsposten des Vergütungsanspruchs ergreift, nicht jedoch dessen Gesamtumfang, so dass in einer [X.]weitfestsetzung Erhöhungsgründe nachgeschoben werden können, welche in die [X.] nicht einbezogen waren (vgl. [X.]/[X.], 5. [X.]ufl. § 8 [X.] Rn. 10; [X.]/[X.], [X.] 13. [X.]ufl. § 64 Rn. 13; [X.]/[X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.] § 8 [X.] Rn. 27; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. [X.]ufl. § 64 Rn. 16; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. [X.]ufl. § 64 Rn. 17; FK-[X.]/[X.], 5. [X.]ufl. § 8 [X.] Rn. 28; [X.]/Wutzke/[X.], [X.] 4. [X.]ufl. § 8 Rn. 31; [X.], Vergütung im Insolvenzverfahren von [X.] bis [X.] Rn. 179 f; [X.] EWiR 2000, 587, 588 unter 3. 2). Das Rechtsmittel gibt dem [X.] erstmals Gelegenheit, zu dieser Rechtsfrage Stellung zu nehmen. Seine vereinzelt zugunsten der vorstehend wiedergegebenen [X.]nsicht zitierten [X.]üsse vom 10. November 2005 (IX [X.]B 168/04, [X.]IP 2006, 93 f) und vom 26. Januar 2006 (aaO) betreffen andere Fälle. Dort ging es jeweils um Massezuflüsse nach abschließender Rechnungslegung des Verwalters, verfahrensrechtlich mithin um neue Tatsachen (so ausdrücklich der [X.]uss vom 26. Januar 2006, aaO [X.] Rn. 18 und 27). Ähnlich verhielt es sich bei den im Schrifttum zitierten Entscheidungen des [X.] ([X.][X.] 2000, 410) und des [X.] ([X.], 1915). [X.]llein der [X.]uss des [X.]G Potsdam vom 27. Oktober 1999 ([X.]IP 2000, 630) betraf eine erweiterte Berechnungsgrundlage der Sequestervergütung, die bereits bei der [X.] hätte berücksichtigt werden können.

5

Die [X.]nsicht des Schrifttums geht anscheinend zurück auf [X.] ([X.] 1. [X.]ufl. § 6 Rn. 25), der eine [X.]nalogie zur Rechtskraftwirkung bei [X.] nach den §§ 103 ff [X.]PO befürwortete. Den Grund hierfür sah er darin, dass die Verwaltervergütung sich wie das Kostenfestsetzungsverfahren aus Einzelpositionen zusammensetze, die jeweils einer gesonderten rechtlichen Würdigung bedürfen. Diesem [X.]rgument (noch heute [X.]/[X.], aaO) folgen von den oben genannten [X.]utoren ausdrücklich [X.] (aaO) und [X.]/Wutzke/[X.] (aaO). Die rechtliche Prüfung erweist diese [X.]nsicht als in Begründung und Ergebnis unzutreffend.

6

2. Für das Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Vergütungsfestsetzungsverfahrens gemäß § 64 [X.]bs. 1 [X.], § 8 [X.]bs. 1 und 2 [X.] oder § 6 [X.] sind die Vorschriften der [X.]ivilprozessordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht unmittelbar anzuwenden. Das Festsetzungsverfahren über die Verfahrenskosten gemäß § 54 Nr. 2 [X.] ist kein Rechtsstreit; sonst wäre nach [X.]rt. 92 GG schon seine Übertragung auf den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 Buchst. e, § 18 [X.]bs. 1 [X.]) verfassungswidrig. Ein Parteienstreit zwischen dem vergütungsberechtigten Insolvenzverwalter und der mit der Vergütungspflicht belasteten, vom Insolvenzverwalter selbst repräsentierten Masse kann nicht stattfinden. Es handelt sich vielmehr um ein besonderes Rechtspflegeverfahren, für welches eigene Grundsätze über das Wiederaufgreifen nach rechtskräftigem [X.]bschluss gelten. Deshalb hat der [X.] in seinen [X.]üssen vom 10. November 2005 (aaO) und 26. Januar 2006 (aaO) einen [X.]weitantrag im Festsetzungsverfahren trotz Rechtskraft der [X.] für zulässig erachtet, wenn sich durch neue Tatsachen - dort nachträgliche Massezuflüsse, die den Vergütungsberechtigten zuzurechnen waren - die Sachlage nach der [X.] zugunsten der [X.]ntragssteller geändert hatte.

7

3. Um eine andere Frage handelt es sich bei der [X.]nnahme, dass auf die [X.] die entsprechenden Grundsätze für [X.] zu übertragen seien. Der [X.] hat bereits klargestellt, dass das Verfahren der Vergütungsfestsetzung einem Kostenfestsetzungsverfahren nach der [X.]ivilprozessordnung nicht gleichsteht (vgl. [X.][X.] 175, 48, 50 Rn. 9). Die Begriffsähnlichkeit, die aus § 54 Nr. 2 [X.] abgeleitet werden kann, ist für die behandelte Frage unerheblich.

8

Nach der Grundsatzentscheidung der Vereinigten [X.]ivilsenate des [X.] vom 9. Februar 1899 (RG[X.] 27, 402 f) kommt es im hier erörterten [X.]usammenhang auf die Rechtsnatur des prozessualen [X.] einerseits und des Vergütungsanspruchs für Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverwalter andererseits an. Das [X.] hat zutreffend danach unterschieden, ob Gegenstand der Entscheidung der [X.] auf die gesamte [X.] sei, für welche die einzelnen Posten nur die rechnerische Grundlage bildeten. Unter dieser Voraussetzung umfasse die richterliche Festsetzung wenigstens alle die Kosten, welche der die Kostenfestsetzung [X.] bei seinem [X.] geltend zu machen in der Lage war. Diese Voraussetzung hat das [X.] für die Festsetzung des [X.] verneint, weil er sich aus einer [X.]neinanderreihung selbständiger [X.] summiere. Es liegt nach dieser Sichtweise nur eine gegenständlich begrenzte Häufung von [X.] vor, wenn in einem Kostenfestsetzungsgesuch ein bestimmter Gebührentatbestand fehlt und der [X.]ntragsteller auf weitergehende Erstattung nicht verzichtet hat. Insoweit besteht die Möglichkeit, die Festsetzung dieser Gebühr nachzuholen, selbst wenn die [X.] rechtskräftig geworden ist. Für den Kostenerstattungsanspruch nach der [X.]ivilprozessordnung hat diese Sichtweise wegen der einzelnen Gebühren- und [X.]uslagentatbestände, aus denen sich die erstattungsfähigen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zusammensetzen, zumindest vieles für sich.

9

Die Unterscheidung zwischen selbständigen [X.] und unselbständigen Berechnungsposten eines einheitlichen [X.]nspruchs führt jedoch bei der Vergütung des Insolvenz- oder [X.] zu einem anderen Ergebnis. Hier erbringt die Masse ihre Leistung aufgrund eines einheitlichen [X.]nspruchs, dessen Höhe sich nach unselbständigen Berechnungsfaktoren bestimmt. Der Vergütungsanspruch des Verwalters umfasst keine [X.]neinanderreihung von Gebührentatbeständen, sondern stellt ein Produkt aus der Berechnungsgrundlage (§ 1 [X.]; §§ 1, 2 [X.]) und dem durch [X.]u- und [X.]bschläge (§ 3 [X.]; § 4 [X.]) erhöhten oder verminderten Regelsatz (§ 2 [X.]; § 3 [X.]) dar. [X.]u- und [X.]bschläge beim Vergütungssatz können zwar zunächst der Höhe nach einzeln bewertet werden. Dies ist jedoch nicht notwendig. Es genügt die Prüfung dem Grunde nach, so dass anschließend in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer auf das Ganze bezogenen [X.]ngemessenheitsbetrachtung der Gesamtzuschlag oder [X.] bestimmt werden kann ([X.], [X.]. v. 24. Juli 2003 - IX [X.]B 607/02, [X.]IP 2003, 1757, 1758 f unter II. 2. b; v. 23. März 2006 - IX [X.]B 20/05, [X.]IP 2006, 858, 859 Rn. 5; v. 11. Mai 2006 - IX [X.]B 249/04, [X.], 642, 643 Rn. 12; v. 26. [X.]pril 2007 - IX [X.]B 160/06, [X.]IP 2007, 1330, 1332 Rn. 16). Die [X.]u- und [X.]bschlagsgründe der Verordnung (§ 3 [X.]bs. 1 Buchst. a bis c [X.]bs. 2 Buchst. d [X.]; § 4 [X.]bs. 2 Buchst. a und b, [X.]bs. 3 Buchst. d [X.]) stehen überdies in engem [X.]usammenhang mit Umfang und Entwicklung der Masse, so dass der Vergütungssatz auch nicht unabhängig von der Berechnungsgrundlage bestimmt werden kann (vgl. [X.], [X.]. v. 22. Februar 2007 - IX [X.]B 106/06, [X.]IP 2007, 784, 786 Rn. 19; v. 24. Januar 2008 - IX [X.]B 120/07, [X.]IP 2008, 514 Rn. 7, 8). Deshalb ist es möglich, dass bei nachträglichem Massezufluss in einer [X.]weitfestsetzung bisher gewährte [X.]uschläge modifiziert werden (offengelassen in [X.], [X.]. v. 26. Januar 2006, aaO [X.] Rn. 27).

Beim Vergütungsanspruch des Insolvenz- oder [X.] liegt es also nicht anders als bei sonstigen Vergütungsansprüchen, die sich, wie etwa das [X.]rchitektenhonorar (vgl. dazu [X.][X.] 45, 223, 230 unter [X.], [X.]), trotz Ermittlung aus komplexen Bemessungsfaktoren nicht in selbständige [X.] aufspalten lassen. Über eine solche einheitliche Vergütung kann entgegen der [X.]nsicht des insolvenzrechtlichen Schrifttums vorbehaltlich einer Teilklage oder Teilfestsetzung nur als einheitlicher [X.]nspruch entschieden werden. [X.]uf ihn und seinen Umfang allein bezieht sich die materielle Rechtskraft der Festsetzung gemäß § 64 [X.]bs. 1 [X.], § 8 [X.]bs. 1 und 2 [X.], § 6 [X.]. Die [X.]usführungen des Gerichts zur Berechnungsgrundlage und zum Vergütungssatz einschließlich der hierfür bejahten oder verneinten [X.]u- oder [X.]bschläge nehmen als bloße Vorfragen nach allgemeinen Grundsätzen an der materiellen Rechtskraft der Vergütungsfestsetzung nicht teil. Nach der vom [X.] (aaO) für einen Gesamtanspruch genannten Regel umfasst der [X.] folglich alle Tatsachen, die der [X.]ntragsteller im Verlauf des [X.] geltend machen konnte. Die Berufung auf solche Tatsachen ist nicht geeignet, ihm ein [X.]weitverfahren zu eröffnen.

4. Nach diesen Grundsätzen war das [X.]weitverfahren im Beschwerdefall unzulässig; denn der [X.] hat sich ausschließlich auf Tatsachen gestützt, die er schon im Erstverfahren geltend gemacht hat oder hätte geltend machen können.

[X.]                                Lohmann

                     Pape                                Grupp

Meta

IX ZB 11/07

20.05.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Chemnitz, 8. Januar 2007, Az: 3 T 428/06, Beschluss

§ 64 Abs 1 InsO, § 8 Abs 1 InsVV, § 8 Abs 2 InsVV, § 6 KonkVwVergV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.05.2010, Az. IX ZB 11/07 (REWIS RS 2010, 6450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6450

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