Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2017, Az. XII ZB 567/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16710

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Gegenstand

Familiensache: Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens in einer Beschwerdebegründungsschrift


Leitsatz

Die Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens steht dem fristgerechten Eingang einer Beschwerdebegründungsschrift nicht entgegen, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände die Zuordnung zu dem Beschwerdeverfahren zweifelsfrei möglich ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 11. Januar 2006, XII ZB 27/04, BGHZ 165, 371 = FamRZ 2006, 543).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 12. [X.] des [X.] vom 11. November 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 3.392 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um Kindes- und Trennungsunterhalt sowie - in einem Parallelverfahren - um nachehelichen Unterhalt.

2

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17. Juli 2015 ist der Antragsgegner zur Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt verpflichtet worden. Gegen diesen am 22. Juli 2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit [X.] vom 23. Juli 2015 Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt. Mit [X.] vom 20. September 2015 hat der Antragsgegner die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss begründet und beantragt, den "Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 17.07.2015, [X.].: 114 [X.]/13" abzuändern und die Anträge der Antragstellerin abzuweisen. In diesem [X.] ist auf der ersten Seite als Aktenzeichen I. Instanz das Aktenzeichen des parallelen Verfahrens (114 F 2128/13) betreffend den nachehelichen Unterhalt genannt.

3

Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen, weil die Beschwerdebegründung vom 20. September 2015 nach dem dort angegebenen Aktenzeichen nur das Verfahren über den nachehelichen Unterhalt betreffe. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

4

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Denn der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - [X.] 53/16 -FamRZ 2016, 1681 Rn. 3 mwN).

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Die vom Beschwerdegericht angeführte Begründung trägt die Verwerfung der Beschwerde nicht.

6

a) Entgegen der Ansicht des [X.]s durfte die Beschwerdebegründung vom 20. September 2015 im vorliegenden Verfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Insoweit ist zwar nicht festgestellt, wann die Beschwerdebegründung beim [X.] eingegangen ist, und es ist anhand der Akte auch nicht nachvollziehbar, wann die Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt wurde. Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist insoweit aber zu unterstellen, dass die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde jeweils gewahrt sind.

7

Die Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens steht für sich genommen dem (fristgerechten) Eingang der Beschwerdebegründung nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss [X.], 371 = [X.], 543). Das Gesetz schreibt weder in § 64 FamFG noch in §§ 129 Abs. 1, 130 ZPO, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf Familienstreitsachen Anwendung finden, die Angabe eines bereits zugeordneten und mitgeteilten Aktenzeichens vor. Die Angabe eines Aktenzeichens soll vielmehr lediglich die Weiterleitung eines [X.]es innerhalb des Gerichts erleichtern und für eine rasche Bearbeitung sorgen. Es handelt sich um eine Ordnungsmaßnahme, die für die Sachentscheidung ohne Bedeutung ist ([X.] Beschlüsse vom 10. Juni 2003 - [X.]/02 - NJW 2003, 3418, 3419; vom 18. November 2015 - [X.] - juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 15. April 1982 - [X.] - [X.], 673). Für die Fristwahrung ist es dabei unerheblich, ob der [X.] anhand eines Aktenzeichens bereits innerhalb der Begründungsfrist in die für diese Sache angelegte Akte eingeordnet werden kann (Senatsbeschluss vom 15. April 1982 - [X.] - [X.], 673).

8

Der Begründung muss allerdings zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welchem Verfahren sie eingereicht werden soll. [X.] Angaben schaden nur dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Gegner zweifelsfrei feststeht, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Mai 2015 - [X.] 368/14 - FamRZ 2015, 1276 Rn. 18; [X.] Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - [X.]/07 - [X.], 355 Rn. 12 mwN und vom 18. November 2015 - [X.] - juris Rn. 11). Wurde durch die Angabe eines falschen Aktenzeichens eine Unsicherheit darüber herbeigeführt, in welcher Sache die Beschwerdebegründung eingereicht wurde, ist diese nach dem Inhalt der schriftsätzlichen Ausführungen des Rechtsanwalts dem richtigen Verfahren zuzuordnen (vgl. [X.] Beschluss vom 10. Juni 2003 - [X.]/02 - NJW 2003, 3418, 3419).

9

b) Nach diesen Maßgaben ist die Beschwerdebegründung vom 20. September 2015 eindeutig dem hiesigen Verfahren zuzuordnen. Denn der [X.] enthält ein vollständiges und richtiges Rubrum und nennt im Antrag sowohl die Entscheidung, gegen die sich das Rechtsmittel richten soll, als auch das korrekte erstinstanzliche Aktenzeichen. Das Rechtsmittel ist auch von derselben Rechtsanwältin eingelegt worden, die den Antragsgegner bereits in der Vorinstanz vertreten hat, so dass durch einen Abgleich der Begründungsschrift mit der zwischenzeitlich beim [X.] eingegangenen Akte nicht zweifelhaft sein konnte, für welchen Beteiligten das Rechtsmittel eingelegt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - [X.] 325/12 - FamRZ 2013, 371, Rn. 15). Zudem ist der Verfahrensgegenstand mit "Kindes- und Trennungsunterhalt" angegeben, und zwar in der Betreffzeile, sodann im Antrag und schließlich auch in der Begründung des [X.]es. Damit ist diese Beschwerdebegründung - auch wenn sie auf der ersten Seite das erstinstanzliche Aktenzeichen des [X.] zum nachehelichen Unterhalt trägt - ohne Zweifel dem Verfahren bezüglich Kindes- und Trennungsunterhalt zuzuordnen und von dem Parallelverfahren zu unterscheiden. Das [X.] ist sogar selbst davon ausgegangen, dass die eingereichte Begründung dem Verfahren "Kindes- und Trennungsunterhalt" zuzuordnen ist, wie sich aus dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - [X.] 325/12 - FamRZ 2013, 371 Rn. 15).

3. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Dose      

        

[X.]      

        

Schilling

        

Botur      

        

Guhling      

        

Meta

XII ZB 567/15

25.01.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 11. November 2015, Az: II-12 UF 186/15

§ 64 FamFG, § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 117 Abs 1 FamFG, § 129 Abs 1 ZPO, § 130 ZPO, § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2017, Az. XII ZB 567/15 (REWIS RS 2017, 16710)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16710


Verfahrensgang

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Az. XII ZB 567/15

Bundesgerichtshof, XII ZB 567/15, 25.01.2017.


Az. 12 UF 186/15

Oberlandesgericht Hamm, 12 UF 186/15, 16.11.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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