Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.09.2012, Az. 8 B 65/12, 8 B 65/12 (8 B 36/12)

8. Senat | REWIS RS 2012, 2710

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Gegenstand

Anforderungen an das Hinwirken auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung


Gründe

1

Die Anhörungsrüge der Klägerin mit dem Antrag, das Verfahren in die Lage vor Erlass des [X.]eschlusses des [X.]s vom 10. Juli 2012 - [X.]VerwG 8 [X.] 36.12 - zurückzuversetzen und die Revision zuzulassen, ist unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt.

2

Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 17. November 1992 - 1 [X.]vR 168/89 u.a. - [X.]VerfGE 87, 363 <392 f.> m.w.N.; [X.]VerwG, Urteile vom 29. November 1985 - [X.]VerwG 9 [X.] 49.85 - [X.]uchholz 310 § 108 [X.] Nr. 177 m.w.N. und vom 20. November 1995 - [X.]VerwG 4 [X.] 10.95 - [X.]uchholz 310 § 108 [X.] Nr. 367). Eine Verletzung des Anspruchs ist allerdings nur dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene [X.] auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 10. Juni 1975 - 2 [X.]vR 1086/74 - [X.]VerfGE 40, 104 <104 f.>). Dazu muss das Gericht nicht auf sämtliches Tatsachenvorbringen und alle Rechtsauffassungen eingehen, die im Verfahren von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 [X.]vR 558/75 - [X.]VerfGE 42, 364 <373>). [X.] des Tatsachenvorbringens einer Partei, der nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts von zentraler [X.]edeutung für den Ausgang des Verfahrens ist, muss in den Gründen der Entscheidung behandelt werden (Urteil vom 20. November 1995 a.a.[X.]). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 GG ist dann festzustellen und gegeben, wenn auf den Einzelfall bezogene Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines [X.]eteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 [X.]vR 426/77 - [X.]VerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <146>). Solche Umstände sind vorliegend nicht erkennbar.

3

Die Klägerin meint, sie habe mit ihrem [X.]eschwerdeschriftsatz vom 26. März 2012 die Anforderungen hinsichtlich der Darlegung des geltend gemachten [X.] der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung durch das [X.]erufungsgericht erfüllt, indem sie die aufklärungsbedürftigen Tatsachen im Hinblick auf den Willen des [X.], das erforderliche und geeignete Mittel zur Aufklärung - die Einholung einer Auskunft der Klägerin - und das voraussichtliche Ergebnis der Sachverhaltsaufklärung ausdrücklich und ausführlich benannt habe. Die Annahme des [X.]s, die [X.]eschwerdeführerin habe diese Anforderungen verfehlt, beruhe damit auf einem Rechtsanwendungsfehler, der für die [X.]eschwerdeführerin nicht vorhersehbar gewesen sei, oder auf einer ungenügend sorgfältigen Lektüre der Ausführungen in der [X.]eschwerdebegründung. Der [X.] hat das Vorbringen der Klägerin in ihrem [X.]eschwerdeschriftsatz vom 26. März 2012 jedoch zur Kenntnis genommen. Es kam jedoch nicht entscheidungserheblich darauf an, weil die Klägerin unabhängig davon nicht dargelegt hat, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht durch einen [X.]eweisantrag auf die Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat oder dass sich dem [X.]erufungsgericht eine Sachverhaltsaufklärung auch ohne Hinwirken der Prozessbeteiligten hätte aufdrängen müssen.

4

Der [X.] hat auch das [X.]eschwerdevorbringen der Klägerin berücksichtigt, dass das Stellen von [X.]eweisanträgen nicht verlangt werden könne, weil die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts völlig überraschend gewesen sei und außerhalb des Vorstellbaren liege. Hierzu hat der [X.] darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung des [X.] für die Klägerin nicht so fernliegend gewesen sein könne, dass ihr ein Hinwirken auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich gewesen wäre. Selbst wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in [X.]etracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 19. Mai 1992 - a.a.[X.] <144 f.>; Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 [X.]vR 1640/97 - [X.]VerfGE 98, 218 <263>; [X.]eschluss vom 7. Oktober 2009 - 1 [X.]vR 178/09 - juris). Die Klägerin hätte sich schon wegen des streitgegenständlichen [X.]escheids und der Entscheidung des [X.] auf die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte im [X.]erufungsverfahren einstellen können. Dem kann sie sich nicht dadurch entziehen, dass sie von ihr selbst nicht geteilte Ansichten für fernliegend erklärt.

5

Das rechtliche Gehör der Klägerin wird auch nicht verletzt, wenn das Gericht ihren Standpunkt nicht teilt.

6

Mit ihrem weiteren Vorbringen wendet sich die Klägerin sowohl gegen die materiellrechtliche Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts zur Teilbarkeit der Hauptsatzung als auch gegen die [X.]ewertung durch das Revisionsgericht, dass wegen dieser materiellrechtlichen Sicht der Dinge, das [X.]erufungsgericht zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts keinen Anlass hatte. Die Ausführungen des [X.]s im [X.]eschluss vom 10. Juli 2012 machen gerade deutlich, dass der Aspekt der weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch das [X.]erufungsgericht von ihm abgewogen und bewertet wurde.

7

Gleiches gilt für den Einwand, das Revisionsgericht stelle unter [X.]egehung von Fehlern, die für die [X.]eschwerdeführerin unvorhersehbar gewesen seien, in Abrede, dass das Oberverwaltungsgericht eine überraschende Entscheidung erlassen habe. In dem angefochtenen [X.]eschluss hat sich der [X.] im Einzelnen damit auseinander gesetzt, weshalb die Klägerin mit der Entscheidung des [X.] so wie geschehen, rechnen musste.

8

Mit ihrer Kritik an dem [X.]eschluss des [X.]s, den sie für unverständlich und unvorhersehbar hält, berücksichtigt die Klägerin nicht, dass sich der [X.] gerade mit dem Inhalt der Entscheidung des [X.] einerseits und den bis zu dieser Entscheidung zwischen den Parteien streitigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten andererseits auseinandergesetzt hat, um zu prüfen, ob eine Überraschungsentscheidung vom [X.]erufungsgericht gefällt wurde. Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a [X.] ist es nicht, das Gericht zu einer erneuten Prüfung oder Erläuterung seiner Entscheidung zu veranlassen (vgl. Guckelberger in: [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2010, § 152a Rn. 10). Die Anhörungsrüge steht deshalb nicht offen, wenn das Gericht einem [X.]eteiligtenvorbringen, das es zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, nicht gefolgt ist ([X.]eschluss vom 11. Juni 2007 - [X.]VerwG 5 [X.] 143.07 - [X.]uchholz 310 § 152a [X.] Nr. 3).

9

Schließlich ergibt sich auch aus dem angefochtenen [X.]eschluss, dass der [X.] die Ausführungen der Klägerin zum [X.] der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) zur Kenntnis genommen und beschieden hat. Dass die Klägerin dieses Ergebnis nicht teilt, begründet keinen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Meta

8 B 65/12, 8 B 65/12 (8 B 36/12)

27.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

Art 103 Abs 1 GG, § 108 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.09.2012, Az. 8 B 65/12, 8 B 65/12 (8 B 36/12) (REWIS RS 2012, 2710)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2710

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1 BvR 1640/97

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