Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2006, Az. IV ZR 409/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4646

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 409/02 Verkündet am:

8. März 2006

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Ges[X.]häftsstelle in dem Re[X.]htsstreit - 2 -

[X.] hat dur[X.]h den [X.], [X.], [X.], die Ri[X.]hterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündli[X.]he Verhandlung vom 8. März 2006 für Re[X.]ht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 11. Oktober 2002 wird auf Kosten des [X.] zurü[X.]kgewiesen. Von Re[X.]hts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der beklagten Versorgungseinri[X.]htung für den Öffentli[X.]hen Dienst eine Zusatzrente gemäß der in der Satzung ge-troffenen Sonderregelung für Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet (§ 105b [X.], § 83 [X.] n.F. i.V. mit § 44 Abs. 1 [X.]). 1 Der am 1. Mai 1938 geborene Kläger war seit dem 5. Oktober 1992 im Öffentli[X.]hen Dienst im Beitrittsgebiet ([X.]) bes[X.]häftigt. Aufgrund dieses Bes[X.]häftigungsverhältnisses war er seit dem 1. Januar 1997 - dem Zeitpunkt der Einführung der Zusatzversorgung im [X.] - bei der [X.] zur Pfli[X.]htversi[X.]herung angemeldet. Im Rahmen dieser Versi[X.]herung hat er 54 Umlagemonate errei[X.]ht. Sein Ar-beitsverhältnis endete mit der Inanspru[X.]hnahme einer Rente für [X.] - 3 -

rig Versi[X.]herte na[X.]h § 36 [X.] zum 1. Juli 2001. Seinen Antrag auf eine Zusatzrente na[X.]h § 105b [X.] hat die Beklagte mit S[X.]hreiben vom 18. Juli 2001 abgelehnt, weil sein Arbeitsverhältnis erst na[X.]h dem 1. Januar 1992 begonnen hatte.
Diese Bestimmung, die dur[X.]h die 29. Satzungsänderung vom 1. Februar 1996 eingefügt wurde, lautet auszugsweise wie folgt: 3 "§ 105b Sonderregelung für Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet
(1) Der im Beitrittsgebiet Pfli[X.]htversi[X.]herte, bei dem der Versi[X.]herungsfall vor Erfüllung der Wartezeit (§ 38 Abs. 1) eingetreten ist und der vom 1. Januar 1992 an [X.] bei einem Beteiligten, bei dessen Re[X.]hts- oder [X.] – in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat, das - bei Geltung der Satzung - zur Pfli[X.]htversi[X.]herung ge-führt hätte, und der a) vom 1. Januar 1997 bis zum Eintritt des Versi[X.]herungs-falles ununterbro[X.]hen pfli[X.]htversi[X.]hert gewesen ist –, erhält eine Leistung in der Höhe, wie sie ihm als Versi[X.]he-rungsrente (§ 44 Abs. 1) zustehen würde, wenn er in den dem Eintritt des Versi[X.]herungsfalles bzw. dem Ende des Arbeitsverhältnisses vorangegangenen 60 Kalendermona-ten pfli[X.]htversi[X.]hert gewesen wäre – ."
Die Wartezeit beträgt na[X.]h § 38 Abs. 1 [X.] 60 Umlagemo-nate. Voraussetzung für die Pfli[X.]htversi[X.]herung war na[X.]h § 26 Abs. 1 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] [X.], dass der Arbeitnehmer des Beteiligten vom Beginn der Pfli[X.]htversi[X.]herung an bis zur Vollendung des 65. Lebensjah-res die Wartezeit erfüllen konnte. 4 - 4 -

Der Kläger verkennt ni[X.]ht, dass dem geltend gema[X.]hten [X.] na[X.]h § 105b [X.] entgegensteht, dass er ni[X.]ht s[X.]hon vom 1. Januar 1992 an in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat, das bei Geltung der Satzung zu einer Pfli[X.]htversi[X.]herung bei der [X.] ge-führt hätte. Er hält diese Sti[X.]htagsregelung jedo[X.]h na[X.]h § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam, weil sie ihn unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unbillig bena[X.]hteilige. Er begehrt deshalb festzustellen, dass die [X.] verpfli[X.]htet sei, ihm ab 1. Juli 2001 eine [X.] 105b [X.] zu gewähren, deren Höhe 106,73 DM (54,57 •) monatli[X.]h betragen würde. 5 Diesen in den Vorinstanzen abgewiesenen Anspru[X.]h verfolgt der Kläger mit der Revision weiter. 6 Ents[X.]heidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. 7 [X.] Na[X.]h Ansi[X.]ht des Berufungsgeri[X.]hts ist die beanstandete Sti[X.]h-tagsregelung ni[X.]ht na[X.]h § 9 [X.] (jetzt § 307 BGB) unwirksam, weil sie den Kläger ni[X.]ht unangemessen bena[X.]hteilige und ihn insbesondere ni[X.]ht in seinem Grundre[X.]ht auf Glei[X.]hbehandlung na[X.]h Art. 3 Abs. 1 GG verletze. Früher nur im [X.] bes[X.]häftigt gewesene Arbeitneh-mer hätten na[X.]h Einführung der Zusatzversorgung zum 1. Januar 1997 wegen der Wartezeit von fünf Jahren grundsätzli[X.]h erst na[X.]h Ende des Jahres 2001 einen Anspru[X.]h auf Rente erwerben können. Abwei[X.]hend 8 - 5 -

von dem seit 1967 für alle Versi[X.]herten geltenden Grundsatz der Erfül-lung der Wartezeit gewähre § 105b [X.] unter den darin genannten Voraussetzungen den Versi[X.]herten im Beitrittsgebiet Leistungen, wenn der Versi[X.]herungsfall s[X.]hon vor Erfüllung der Wartezeit eingetreten sei. Diese Vergünstigung habe na[X.]h dem Willen der Tarifvertragsparteien nur einem engen Kreis der neu aufzunehmenden Versi[X.]herten gewährt wer-den sollen. Ein Gebot, sol[X.]he Ausnahmeregelungen auszuweiten, sei weder dem Grundgesetz no[X.]h § 9 [X.] oder dem Grundsatz von Treu und Glauben zu entnehmen. Dem Kläger habe es au[X.]h [X.], erst se[X.]hs Monate später in Rente zu gehen und so einen Anspru[X.]h auf [X.] na[X.]h Errei[X.]hen der Wartezeit zu erwerben.

I[X.] Das Berufungsgeri[X.]ht hat ri[X.]htig ents[X.]hieden. Der Kläger hat keinen Anspru[X.]h auf Zusatzrente na[X.]h § 105b [X.], § 83 [X.] n.F. i.V. mit § 44 Abs. 1 [X.], weil die dem entgegenstehende Sti[X.]htagsregelung wirksam ist. Ob sie, wie die Beklagte meint, als maß-gebende Grundents[X.]heidung der beteiligten Sozialpartner der [X.] na[X.]h § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entzogen ist, kann offen bleiben. Die Sti[X.]htagsregelung verstößt jedenfalls ni[X.]ht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und bena[X.]hteiligt den Kläger ni[X.]ht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. 9 1. Auf die in den Vorinstanzen geltend gema[X.]hte glei[X.]hheitswidri-ge Behandlung von Bes[X.]häftigten im Beitrittsgebiet gegenüber denen in den alten Bundesländern kommt die Revision zu Re[X.]ht ni[X.]ht mehr [X.]. Der Senat hat unter Hinweis auf die Re[X.]htspre[X.]hung des Bundes-verfassungsgeri[X.]hts bereits ents[X.]hieden, dass der [X.] - 6 -

heitssatz eine sol[X.]he Glei[X.]hstellung ni[X.]ht verlangt (Urteile vom 14. Mai 2003 - [X.] - VersR 2003, 893 unter [X.]; vom 14. Mai 2003 - [X.]/02 - VersR 2003, 895 unter II 2 a; vom 11. Februar 2004 - [X.] - VersR 2004, 499 unter 2 d).
2. Es geht allein darum, ob der Kläger gegenüber sol[X.]hen [X.] im Beitrittsgebiet im Sinne von § 105b Abs. 1 [X.] un-angemessen bena[X.]hteiligt ist, die vom 1. Januar 1992 an bis zum Beginn der Pfli[X.]htversi[X.]herung am 1. Januar 1997 ununterbro[X.]hen im [X.] in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das zu einer Pfli[X.]ht-versi[X.]herung bei der [X.] geführt hätte, wenn die Satzung bereits am 1. Januar 1992 gegolten hätte. Dur[X.]h diese auf einer gemeinsamen Ents[X.]heidung der Tarifvertragsparteien beruhende Regelung (vgl. dazu Kiefer [X.], 97 ff.) werden der Kläger und alle anderen Bes[X.]häftig-ten, die eine ununterbro[X.]hene Tätigkeit im Sinne der Satzung ni[X.]ht [X.] haben, ni[X.]ht glei[X.]hheitswidrig bena[X.]hteiligt. 11 Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter wel[X.]hen Vorausset-zungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Glei[X.]hbehandlung verletzt ist, lassen si[X.]h ni[X.]ht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unters[X.]hiedli[X.]hen Sa[X.]h- und Regelungsberei[X.]he bestimmen ([X.] NJW 2002, 1103 f.). Sti[X.]h-tagsregelungen für die S[X.]haffung von Ansprü[X.]hen oder für das [X.] belastender Regelungen sind grundsätzli[X.]h zulässig, obwohl jeder Sti[X.]htag unvermeidli[X.]h gewisse Härten und Unglei[X.]hheiten mit si[X.]h bringt (vgl. [X.]E 87, 1, 43 ff.; 101, 239, 269 ff.). 12 - 7 -

a) § 105b [X.] hat für Bes[X.]häftigte im Beitrittsgebiet eine außergewöhnli[X.]he Sonderbegünstigung ges[X.]haffen, die die Beklagte wirts[X.]haftli[X.]h erhebli[X.]h belastet. Dadur[X.]h können Bes[X.]häftigte im [X.] s[X.]hon eine Zusatzrente erhalten, wenn sie von der fünfjähri-gen, für alle sonstigen Versi[X.]herten geltenden Wartezeit nur einen Tag erfüllt haben. Bei einer sol[X.]hen Begünstigung ist Art. 3 Abs. 1 GG nur verletzt, wenn die Regelung willkürli[X.]h ist. Das ist nur dann der Fall, wenn es keinen sa[X.]hli[X.]hen Grund dafür gibt, dass Voraussetzung für den Verzi[X.]ht auf die Erfüllung der Wartefrist eine ununterbro[X.]hene Bes[X.]häfti-gung im Öffentli[X.]hen Dienst im Sinne der Satzungsbestimmung seit 1. Januar 1992 ist. 13 b) Sol[X.]he sa[X.]hli[X.]hen Gründe bestehen. Die Bes[X.]häftigungsdauer vor dem 1. Januar 1997 umfasst einen Zeitraum von fünf Jahren, also genau die ansonsten geforderte Wartezeit. Daraus ist zu entnehmen, dass die vor Beginn der Pfli[X.]htversi[X.]herung im Öffentli[X.]hen Dienst im Sinne der Satzung der [X.] erwiesene Betriebstreue ein maßge-bender Gesi[X.]htspunkt war. Außerdem hat, wie den Erläuterungen von Kiefer (aaO S. 98 f.) zu entnehmen ist, die finanzielle Lage der [X.] und der [X.] bei der Bes[X.]hränkung des Kreises der Rentenbe-re[X.]htigten eine Rolle gespielt. Au[X.]h dies ist ein sa[X.]hli[X.]her Grund (vgl. [X.] VersR 2000, 835, 837; [X.]E 98, 365, 402). Gesi[X.]htspunkte des Vertrauenss[X.]hutzes waren ni[X.]ht zu berü[X.]ksi[X.]htigen, erworbene Re[X.]hte wurden ni[X.]ht ges[X.]hmälert, vielmehr wurden Ansprü[X.]he erstmals gewährt. 14 15 [X.]) Die Sti[X.]htagsregelung 1. Januar 1992 führt allerdings dazu, dass Bes[X.]häftigte, die erst na[X.]h diesem Sti[X.]htag im Öffentli[X.]hen Dienst - 8 -

des [X.] tätig waren, von der Vergünstigung des § 105b [X.] ausges[X.]hlossen sind, au[X.]h wenn sie im Zeitpunkt des [X.] ebenso lange im Öffentli[X.]hen Dienst und sogar mit höheren Umlagezeiten bes[X.]häftigt waren wie Arbeitnehmer, die die Sti[X.]htagsre-gelung erfüllen. So ist es z.B. mögli[X.]h, dass ein Bes[X.]häftigter, der (nur) die Sti[X.]htagsregelung erfüllt und bei dem der Versi[X.]herungsfall Anfang 1997 eingetreten ist, eine Zusatzrente erhält, ni[X.]ht aber ein Bes[X.]häftigter wie der Kläger, der über a[X.]ht Jahre im Öffentli[X.]hen Dienst bes[X.]häftigt war und 54 Umlagemonate errei[X.]ht hatte. Die vom Kläger als ungere[X.]ht empfundene außergewöhnli[X.]he Be-günstigung bei alsbaldigem Eintritt des Versi[X.]herungsfalls na[X.]h dem 1. Januar 1997 betrifft aber längst ni[X.]ht alle Bes[X.]häftigten, die die [X.] erfüllen. Es ist nämli[X.]h zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass zum 1. Januar 1997 nur Bes[X.]häftigte in die Zusatzversorgung aufgenom-men worden sind, die von diesem Tag an no[X.]h 60 Umlagemonate [X.]legen konnten, also frühestens am 2. Dezember 1936 geboren sind (vgl. Kiefer, aaO S. 100). Das bedeutet, dass diejenigen, die die Regelal-tersrente mit 65 Jahren beziehen, ni[X.]ht mehr unter § 105b [X.] fal-len, weil sie dann die Wartezeit erfüllt und Anspru[X.]h auf [X.] haben. Der Versi[X.]herungsfall des Beginns der Altersrente für [X.] Versi[X.]herte (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Bu[X.]hst. b [X.]) konnte [X.] drei Jahre na[X.]h dem 1. Januar 1997 eintreten, weil Voraussetzung hierfür zumindest die Vollendung des 63. Lebensjahres war (§ 36 [X.] in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung, jetzt § 236 [X.]). Die vom Kläger angeführte außergewöhnli[X.]he Begünstigung betrifft demna[X.]h nur sol[X.]he Arbeitnehmer, bei denen der Versi[X.]herungsfall na[X.]h § 39 Abs. 1 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] bis h vor Vollendung des 65. Lebensjahres 16 - 9 -

eintrat. Dabei handelt es si[X.]h um die Altersrente für Frauen ab dem 60. Lebensjahr (vgl. Kiefer, aaO S. 100), ferner im Wesentli[X.]hen um Be-s[X.]häftigte, die wegen S[X.]hwerbehinderung, Berufsunfähigkeit, Erwerbs-unfähigkeit oder Arbeitslosigkeit - zumeist unfreiwillig - vor Errei[X.]hen der Wartezeit aus dem Öffentli[X.]hen Dienst auss[X.]heiden. Dass diese Perso-nen im Verglei[X.]h zum Kläger, der freiwillig vor Errei[X.]hen der Wartezeit in Rente gegangen ist und bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses um weitere se[X.]hs Monate sogar einen Anspru[X.]h auf [X.] hätte erwerben können, begünstigt werden, ist ni[X.]ht sa[X.]hwidrig.
[X.][X.] [X.] Dr. Kessal-Wulf [X.] Vorinstanzen: [X.], Ents[X.]heidung vom 28.12.2001 - 2 C 661/01 - [X.], Ents[X.]heidung vom 11.10.2002 - 6 S 32/02 -

Meta

IV ZR 409/02

08.03.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2006, Az. IV ZR 409/02 (REWIS RS 2006, 4646)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4646

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