Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.12.2022, Az. I R 53/19

1. Senat | REWIS RS 2022, 9116

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Keine Drittanfechtung bei Feststellungsbescheiden zum steuerlichen Einlagekonto


Leitsatz

Der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist nicht befugt, den gegen die Kapitalgesellschaft ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos anzufechten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 19.09.2019 - 1 K 73/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Bescheid über die Feststellung des Bestands des steuerlichen [X.] gemäß § 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) von einem Gesellschafter angefochten werden kann.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft [X.] Rechts, war im Jahr 2007 (Streitjahr) --und ist auch heute noch-- Gesellschafterin der Beigeladenen, einer GmbH mit Sitz im Inland.

3

Die Beigeladene gab im Oktober 2008 eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen [X.] zum 31.12.2007 ab, in der der Bestand des [X.] mit 0 € beziffert wurde. Dabei wurde eine im Streitjahr in die Kapitalrücklage geleistete Zahlung in Höhe von rund 800.000 € versehentlich nicht berücksichtigt.

4

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 22.12.2008 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) den Bestand des steuerlichen [X.] zum 31.12.2007 erklärungsgemäß mit 0 € fest (im Folgenden: Feststellungsbescheid). Aus nicht verfahrensgegenständlichen Gründen wurde der Feststellungsbescheid im Februar 2009 geändert, der Nachprüfungsvorbehalt blieb bestehen.

5

Am 26.11.2015 machte die Beigeladene gegenüber dem damals zuständigen Finanzamt geltend, dass die genannten Bescheide nichtig seien, da die in 2007 geleistete Einlage nicht berücksichtigt worden sei; hilfsweise sei diese im Wege einer Berichtigung nach § 129 der Abgabenordnung ([X.]) im Nachhinein zu erfassen. Mit Bescheid vom 07.07.2016 lehnte das damals zuständige Finanzamt die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit und auf Berichtigung ab. Dagegen legte die Beigeladene am 10.02.2017 Einspruch ein, den das nunmehr zuständige [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 06.02.2018 als unzulässig verwarf.

6

Bereits am 18.01.2018 hatte die Klägerin Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt und beantragt, die im Jahr 2007 geleistete Einlage zusätzlich zu erfassen. Zur Begründung trug sie vor, dass sie als Gesellschafterin der Beigeladenen von der fehlerhaften Feststellung des steuerlichen [X.] unmittelbar betroffen sei, was ihr die erforderliche [X.] verleihe. Da der Feststellungsbescheid ihr gegenüber nicht bekanntgegeben worden sei, habe eine Rechtsbehelfsfrist nicht zu laufen begonnen. Der Einspruch sei daher nicht verfristet.

7

Das [X.] verwarf den Einspruch der Klägerin als unzulässig, ein Drittanfechtungsrecht sei nicht anzuerkennen.

8

Das [X.] ([X.]) wies die dagegen gerichtete Klage durch Prozessurteil mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht i.S. des § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) befugt sei, den gegenüber der Beigeladenen ergangenen Feststellungsbescheid anzufechten (Urteil vom 19.09.2019 - 1 K 73/18, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2019, 1920).

9

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 40 Abs. 2 [X.]O. Sie macht zudem geltend, dass die Anwendung von § 166 [X.] im vorliegenden Fall gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verstoßen würde.

Sie beantragt, den gegenüber der Beigeladenen ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 [X.] auf den 31.12.2007 vom 23.02.2009 unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2018 dahingehend zu ändern, dass der Bestand des steuerlichen [X.] mit 800.709,96 € festgestellt wird.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass der Klägerin kein Drittanfechtungsrecht zusteht und sie daher nicht befugt ist, den gegenüber der Beigeladenen ergangenen Feststellungsbescheid anzufechten.

1. Die Kapitalgesellschaft als Adressatin des Feststellungsbescheids ist ungeachtet der vorrangig anteilseignerbezogenen Wirkungen des Bescheids klagebefugt.

a) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein (Klagebefugnis i.S. des § 40 Abs. 2 [X.]O).

b) Nach der [X.]srechtsprechung richtet sich der Feststellungsbescheid des § 27 Abs. 2 [X.] ausschließlich gegen die dort genannte Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, hat der [X.] dieser die Befugnis zuerkannt, gegen den Feststellungsbescheid außergerichtlich und gerichtlich vorzugehen (z.B. [X.]surteile vom 30.01.2013 - I R 35/11, [X.], 304, [X.], 560; vom 19.07.2017 - I R 96/15, [X.], 237). Dieser Bescheid entfaltet über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Nach dieser Vorschrift gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital i.S. des § 27 [X.] als verwendet gilt. Materielles Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist damit der im Bescheid nach § 27 Abs. 2 [X.] ausgewiesene Bestand. Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf [X.] der Gesellschafter zu beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb in einem die eigene Besteuerung betreffenden Verfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen [X.] unzutreffend ausgewiesen ([X.]surteil vom 19.05.2010 - I R 51/09, [X.], 128, [X.], 937; a.[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 27 [X.] Rz 81).

2. Eine materiell-rechtliche Tatbestandswirkung des Feststellungsbescheids für die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft begründet kein Drittanfechtungsrecht.

a) In der Rechtsprechung der Finanzgerichte und in der Literatur wird die Rechtsfrage kontrovers beurteilt (befürwortend: z.B. Hessisches [X.], Urteil vom 01.12.2015 - 4 K 1355/13, E[X.] 2016, 687; [X.], [X.] --DStR-- 2017, 1129; [X.], Steuern und Bilanzen --[X.]-- 2018, 273; [X.]/[X.], [X.], 1542; Streck/[X.], [X.], 10. Aufl., § 27 Rz 123; Bauschatz in [X.], [X.], 4. Aufl., § 27 Rz 70; demgegenüber ablehnend: z.B. [X.] München, Beschluss vom 28.05.2019 - 7 V 803/19, E[X.] 2020, 68; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 27 Rz 159; [X.] in [X.]/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 [X.] Rz 113a; [X.]/[X.]mann/[X.], § 27 [X.] Rz 46; Koenig/[X.], Abgabenordnung, 4. Aufl., § 350 Rz 24).

b) Der [X.] schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.

aa) Allerdings hat der [X.] ([X.]) in einigen Fallkonstellationen ein Drittanfechtungsrecht anerkannt (s. z.B. die Übersicht bei [X.], a.a.[X.]). So hat der [X.], worauf sich die Befürworter eines Drittanfechtungsrechts des [X.] maßgeblich berufen, insbesondere dem [X.]n die Befugnis zuerkannt, den [X.] des aufnehmenden Unternehmens mit der Begründung anzufechten, der dort zugrunde gelegte Wertansatz für das eingebrachte Vermögen sei zu hoch bemessen ([X.]surteile vom 08.06.2011 - I R 79/10, [X.]E 234, 101, [X.], 421; vom 25.04.2012 - I R 2/11, [X.]/NV 2012, 1649). Die Zuerkennung des Drittanfechtungsrechts in dieser Konstellation beruht zum einen darauf, dass im [X.] materiell-rechtlich bindend für den [X.]n der Wertansatz für das eingebrachte Vermögen als "Veräußerungspreis" gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung [X.] (entspricht § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG a.F.) festgeschrieben wird. Zum anderen ist die Körperschaft rechtlich nicht in der Lage, den [X.] erfolgreich anzufechten, weil sie selbst durch einen zu hohen Wertansatz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt i.S. des § 40 Abs. 2 [X.]O beschwert ist. Aus den genannten Gründen ist es zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke gemäß Art. 19 Abs. 4 GG geboten, das Drittanfechtungsrecht des [X.]n anzuerkennen.

[X.]) Eine hiermit vergleichbare Situation besteht im Streitfall nicht. Denn der [X.] hat der Körperschaft als der Inhaltsadressatin des gemäß § 27 Abs. 2 [X.] ergangenen Feststellungsbescheids die Klagebefugnis ausdrücklich zuerkannt (s. zu [X.]). Damit ist der Anteilseigner zwar --wie der [X.] im Hinblick auf den [X.] des aufnehmenden [X.] materiell-rechtlich vom Feststellungsbescheid mittelbar betroffen ([X.]surteil vom 07.04.2010 - I R 96/08, [X.]E 229, 179, [X.], 467; [X.]sbeschluss vom 25.09.2018 - I B 49/16, [X.]/NV 2019, 288 - zur fehlenden unmittelbaren Betroffenheit), jedoch kann die Körperschaft den Feststellungsbescheid vollumfänglich außergerichtlich und gerichtlich überprüfen lassen. Aus diesem Grunde erachtet der [X.] die Zuerkennung eines eigenen Anfechtungsrechts des [X.] nicht für geboten, zumal damit Rechtsfolgen verbunden wären, die dem [X.] unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht hinnehmbar erscheinen (hierzu nachfolgend unter II.4.).

cc) Soweit in der Rechtsprechung des [X.] ein Drittanfechtungsrecht des Arbeitnehmers gegen den gegenüber dem Arbeitgeber ergangenen [X.] und des [X.] gegen den gegenüber dem Vergütungsschuldner ergangenen Kapitalertragsteuer-Haftungsbescheid anerkannt wird, beruht dies im Wesentlichen auf der Überlegung, dass der Arbeitnehmer und der [X.] in ihrer Eigenschaft als Schuldner der Lohnsteuer bzw. Kapitalertragsteuer unmittelbar vom Haftungsbescheid betroffen sind, weil dieser in ihren Rechtsbereich eingreift (vgl. [X.]-Urteile vom [X.], [X.]E 109, 502, [X.] 1973, 780 - zum [X.]; [X.]sbeschluss vom 07.11.2007 - I R 19/04, [X.]E 219, 300, [X.] 2008, 228 - zur Anfechtung der Steueranmeldung des Vergütungsschuldners i.S. des § 50a EStG). Damit ist die Stellung des [X.] in Bezug auf den Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 [X.] nicht zu vergleichen.

3. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet die Zuerkennung eines Drittanfechtungsrechts des [X.] nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) schließt die grundgesetzliche Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes Einschränkungen nicht aus, wenn im Einzelfall widerstreitende grundrechtlich fundierte Interessen zum Ausgleich zu bringen sind. Hierbei müssen nicht nur die betroffenen Belange angemessen gewichtet werden, vielmehr ist in Bezug auf die Auswirkungen der Regelung auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Mit Blick auf die hiernach zulässige Ausgestaltung des Justizgewährungsanspruchs kann eine multipolare Konfliktlage Bedeutung erlangen, in der sich z.B. die Interessen des Staates und gleichgerichtete, aber ggf. auch widerstreitende Interessen privater Personen gegenüberstehen (vgl. hierzu [X.]-Beschluss vom 23.05.2006 - 1 BvR 2530/04, [X.]E 116, 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GG, Art. 19 Abs. 4 Rz 22).

b) Ein multipolares Rechtsverhältnis mit einander widerstreitenden Interessenlagen liegt auch im sachlichen Anwendungsbereich des § 27 [X.] vor. Dieser Befund erlaubt Einschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten.

aa) Mit der von § 27 Abs. 2 Satz 1 [X.] angeordneten gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen [X.] und deren Bindungswirkung für die nächstfolgende Feststellung (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]) wollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit für die regelungsbetroffenen Steuerpflichtigen und den Fiskus herstellen (allgemeine Meinung, s. nur BTDrucks 7/1470, S. 379 und 14/2683, S. 121 - zur vergleichbaren Rechtslage bei der früheren gesonderten Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47 [X.] a.F.; s.a. z.B. Bauschatz in [X.], a.a.[X.], § 27 Rz 67; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 27 [X.] Rz 81).

Dabei dient § 27 Abs. 2 [X.] in besonderer Weise der Ordnung der steuerlichen Verhältnisse einer (im praktischen Regelfall der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) Vielzahl von Betroffenen. Die Gesamtregelung des steuerlichen [X.] in § 27 [X.] hat zunächst Bedeutung für die Kapitalgesellschaft, insbesondere in ihrer Eigenschaft als potentielle Haftungsschuldnerin ([X.]surteil in [X.], 304, [X.], 560). Zum anderen werden die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, deren Zahl bei großen Publikumsgesellschaften in die Tausende gehen kann, von der Regelung betroffen. So hängt die steuerliche Qualifikation der von der Kapitalgesellschaft an sie gezahlten Bezüge als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr von dem festgestellten Bestand des steuerlichen [X.] ab (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). In vergleichbarer Weise sind auch die zukünftigen Gesellschafter regelungsbetroffen. Denn materiell-rechtlich hängt auch die Qualifikation der von ihnen vereinnahmten Bezüge von der Bestandsfeststellung auf [X.] der Körperschaft ab. Insgesamt dienen die in § 27 [X.] enthaltenen Einzelregelungen dem Zweck, die Besteuerungsebenen von Kapitalgesellschaft und einem großen Kreis von Anteilseignern möglichst verfahrenssicher und praktikabel aufeinander abzustimmen ([X.]surteil vom 11.02.2015 - I R 3/14, [X.]E 249, 448, [X.] 2015, 816, zu den [X.] in § 27 Abs. 3 und 5 [X.]).

Mit der Regelung in § 27 [X.] wird zudem --im Unterschied zu den oben angeführten [X.] kein "Einmal-Sachverhalt" geordnet. Vielmehr werden mit der gesonderten Feststellung zunächst sämtliche unterjährigen Veränderungen des [X.] erfasst und zum Jahresende verbindlich festgeschrieben. Die Bindung des Folgebescheids an den Bescheid des Vorjahres (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]) sorgt sodann für eine kontinuierliche Festschreibung des Bestands und der Bestandsveränderungen über Jahre hinweg (Dauersachverhalt).

[X.]) Mit der Zuerkennung eines Drittanfechtungsrechts der --aktuellen wie zukünftigen-- Anteilseigner würde jederzeit auch für weit zurückreichende [X.] die jeweils maßgebliche Höhe des [X.] in Zweifel gezogen werden können. Denn die Gesellschafter wären bei Zuerkennung eines eigenen Anfechtungsrechts wegen fehlender Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an sie jederzeit (und nur im Bereich sog. Verwirkung begrenzt) befugt, die Feststellung mit dem Einspruch anzugreifen (vgl. § 355 Abs. 1 [X.], s. z.B. [X.]-Urteil vom 06.07.2011 - II R 44/10, [X.]E 234, 107, [X.], 5; [X.]surteil in [X.]/NV 2012, 1649; s.a. [X.], juris [X.] Steuerrecht 1/2012, [X.]. 5; [X.] in Tipke/[X.], § 355 [X.] Rz 3). Eine Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an die Gesellschafter als denkbare Drittbetroffene (vgl. § 122 Abs. 1 Satz 1 [X.] - "oder der von ihm betroffen wird"; s. Koenig/[X.], a.a.[X.], § 122 Rz 33) würde keine Bestandskraft herbeiführen können, da bei größeren Kapitalgesellschaften der Gesellschafterbestand unüberschaubar bzw. die Bekanntgabe an künftige Gesellschafter unmöglich ist.

Auch die Verjährungsvorschriften würden das etwaige Anfechtungsrecht des [X.] in zeitlicher Hinsicht nicht eingrenzen. Zwar gelten für den Feststellungsbescheid die Bestimmungen der [X.] (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]) mit der Rechtsfolge einer regelmäßigen Verjährungsfrist von vier Jahren, die typischerweise mit einer Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] einhergeht. Nach Eintritt der [X.] müsste einer Drittanfechtung grundsätzlich der Erfolg versagt werden. Jedoch bewirkt § 181 Abs. 5 Satz 1 [X.] eine "faktische" Unverjährbarkeit, da der Feststellungsbescheid eines Jahres unmittelbare Bedeutung für den Feststellungsbescheid des Folgejahres und zudem auch mittelbare Bedeutung für alle künftigen Feststellungen hat (vgl. [X.]-Urteil vom 29.06.2011 - IX R 38/10, [X.]E 233, 326, [X.], 963; Urteile des [X.] Münster vom 02.04.2014 - 9 K 2089/13 F, juris, und des [X.] Köln vom 07.04.2016 - 13 K 37/15, E[X.] 2016, 980; s.a. [X.]/Ratschow, [X.], 15. Aufl., § 181 Rz 36, jeweils m.w.N.).

Der damit einhergehende Zustand "vollständiger Bestandskraftlosigkeit und Unverjährbarkeit" wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit, das für das gesamte steuerliche Verfahrensrecht systemprägend ist, nicht zu vereinbaren. Denn danach sind materiell-rechtliche Fehler eines Steuerverwaltungsakts grundsätzlich --Korrekturnormen wie z.B. §§ 172 ff. [X.] lassen die Bestandskraftdurchbrechung nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen zu-- nur im Rahmen einer Anfechtung korrigierbar, die innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen erfolgt ist. Ein Interesse an der hierdurch bewirkten Rechtssicherheit hat neben dem Fiskus insbesondere auch die unmittelbar vom Regelungsbefehl des § 27 Abs. 2 [X.] betroffene Körperschaft, die Bescheinigungen i.S. des § 27 Abs. 3 [X.] rechtssicher auf der Basis eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids erteilen will, oder Gesellschafter, die den Feststellungsbescheid für zutreffend halten oder die [X.] welchen Gründen auch [X.] absehen möchten.

cc) Je nachdem, welche und wie viele der potentiell anfechtungsberechtigten Gesellschafter von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch machen würden, bestünde zudem die Gefahr inhaltlich divergierender Entscheidungen. Dieser Gefahr könnte durch verfahrensrechtliche Sicherungen nicht hinreichend begegnet werden. So hat der [X.] z.B. bereits entschieden, dass die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 27 Abs. 2 [X.] durch die Kapitalgesellschaft nach geltender Rechtslage nicht zur sog. notwendigen Beiladung der Gesellschafter führt bzw. im Hinblick auf künftige Gesellschafter nicht führen kann und deshalb eine Rechtskrafterstreckung auf nicht selbst klagende Gesellschafter nicht stattfindet ([X.]sbeschluss in [X.]/NV 2019, 288). Soweit in der Literatur darauf hingewiesen wird, dass die erfolgreiche Anfechtung des Feststellungsbescheids durch einen drittanfechtungsberechtigten Gesellschafter als materiell-rechtlich rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu Folgeanpassungen bei den gegenüber allen Gesellschaftern ergangenen Ertragsteuerbescheiden führen würde ([X.], [X.] 2020, 852, 854), ist dem entgegenzuhalten, dass hierdurch die Gefahr widerstreitender Sachentscheidungen nicht vollständig gebannt wird. Denn im Grundsatz könnten andere, ebenfalls drittanfechtungsberechtigte Gesellschafter unabhängig voneinander den Feststellungsbescheid aus eigenem Recht erneut anfechten und dessen [X.] in Frage stellen, während der zuerst anfechtende Gesellschafter wegen der Rechtskraft des von ihm erstrittenen Urteils nicht schlechtergestellt werden dürfte. Auch eine rechtskräftig abgewiesene Anfechtungsklage der Kapitalgesellschaft gegen den Feststellungsbescheid würde einer neuen Klage eines nach Jahren hinzugetretenen [X.] nicht entgegenstehen.

c) In der Konstellation des Streitfalls kommt es nicht zu einem (verfassungswidrigen) Rechtswegausschluss. Denn der Kapitalgesellschaft als Inhaltsadressatin des Feststellungsbescheids stehen --und standen im Streitfall auch tatsächlich-- umfassende [X.] zur Verfügung, die die von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Kontrolle des Verwaltungshandelns dem Grund nach sicherstellen. So hat der [X.] die Befugnis der Kapitalgesellschaft, gegen den Feststellungsbescheid zu klagen, ausdrücklich bejaht (s. zu II.1.). Diese kann zudem --auch noch nach Eintritt der formellen [X.] jederzeit im Rahmen der [X.] (vgl. z.B. [X.] in Tipke/[X.], § 129 [X.] Rz 29 f.; vgl. zur Anwendung des § 181 Abs. 5 [X.] die Ausführungen oben unter [X.] [X.]) die Berichtigung des Feststellungsbescheids gemäß § 129 [X.] beantragen. Der [X.] hat den Anwendungsbereich dieser Norm im Hinblick auf die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle der versehentlichen Nichterfassung einer getätigten Einlage in der Feststellungserklärung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 4 [X.] in seiner jüngeren Rechtsprechung erweitert ([X.]surteil vom 08.12.2021 - I R 47/18, [X.]E 275, 293, [X.] 2022, 827).

Es ist auch einzuberechnen, dass das Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern zwar vom sog. Trennungsprinzip beherrscht wird, was aber nicht zur Folge hat, dass sich die beiden Ebenen "beziehungslos" gegenüberstehen. Vielmehr sind Gesellschaft und Gesellschafter gesellschaftsvertraglich miteinander verbunden und die Gesellschafter können ihre hieraus resultierenden Befugnisse (z.B. Informationsrechte) einsetzen, um die Kapitalgesellschaft zur Einlegung von Einsprüchen gegen vermeintlich rechtswidrige Feststellungsbescheide zu veranlassen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei einer versehentlichen Nichterfassung der Einlage im Feststellungsbescheid typischerweise kein endgültiger Steuerschaden eintreten wird. Zwar steht eine bestandskräftig nicht erfasste Einlage auf Dauer (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]) nicht mehr zur Verfügung, um damit eine Einlagenrückgewähr zu "speisen". Allerdings erhöht die Einlage aus der Gesellschaftersicht die Anschaffungskosten der Beteiligung und hat dadurch im Veräußerungs- oder [X.] möglicherweise eine steuermindernde Wirkung (vgl. [X.], [X.] 2022, 409).

4. Die Frage, ob bei Gewährung eines Drittanfechtungsrechts die Regelung des § 166 [X.] zur Anwendung kommen würde (vgl. [X.]sbeschluss vom [X.] - I B 35/19, [X.]E 267, 199, [X.] 2020, 517), stellt sich auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen nicht.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 und 3 [X.][X.] Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 [X.]O). Diese hat keine Sachanträge gestellt oder anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert.

Meta

I R 53/19

21.12.2022

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 19. September 2019, Az: 1 K 73/18, Urteil

§ 27 Abs 2 KStG 2002, § 40 Abs 2 FGO, § 166 AO, § 20 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG 2002, KStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.12.2022, Az. I R 53/19 (REWIS RS 2022, 9116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9116

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I B 35/19 (Bundesfinanzhof)

Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter gegen den Bescheid zur Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos


7 V 803/19 (FG München)

Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bezüglich der gesonderten Feststellung des Einlagekontos für die Kapitalgesellschaft


I B 49/16 (Bundesfinanzhof)

Notwendige Beiladung bei Klagen gegen die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos


I R 3/14 (Bundesfinanzhof)

Einlagekonto: kein Direktzugriff, Bindung der Steuerbescheinigung - Verfassungsmäßigkeit von sog. materiellen Präklusionsbestimmungen


I R 51/09 (Bundesfinanzhof)

(Bindung an die Feststellungen des Bestands des steuerlichen Einlagekontos auch auf der Ebene der Gesellschafter …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.