Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.05.2017, Az. 1 B 98/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 10661

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Gründe

1

Die [X.]eschwerde, mit der allein eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

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1. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

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Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.]undesverwaltungsgericht keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/[X.] auseinanderzusetzen.

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Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 [X.]vR 31/14 - [X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in diesem [X.]eschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.]undesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

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Im Ergebnis unterschiedliche [X.]ewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - hier nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die [X.]eweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 [X.] 249.03 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 [X.] 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Der Kläger rügt insoweit zwar, dass der [X.]ildung der Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts eine widersprüchliche Denkweise zugrunde liege und seine Feststellungen teilweise gegen "den Grundsatz der Logik" verstießen. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt aber erst dann vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen. Sind bei der [X.]eweiswürdigung mehrere Folgerungen denkgesetzlich möglich, so ist es nicht nur nicht fehlerhaft, wenn das [X.] unter mehreren möglichen eine Folgerung wählt, sondern gerade auch seine ihm durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragene Aufgabe, sich unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung zu bilden ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 [X.] 4.11 - juris Rn. 12). Der Schluss des [X.]erufungsgerichts, dass eine auch für eine Flüchtlingsanerkennung beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen für jeden rückkehrenden Asylbewerber nicht mehr festgestellt werden kann, ist aber nicht aus Gründen der Logik ausgeschlossen. Der Sache nach setzt der Kläger lediglich der Würdigung der Umstände durch das [X.]erufungsgericht seine eigene [X.]eweis- und Sachverhaltswürdigung entgegen. Das [X.]eschwerdevorbringen legt insoweit keinen Verfahrensfehler dar.

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2. Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

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Die [X.]eschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"[ob] auf [der] Grundlage der Tatsachenfeststellungen des [X.] für das [X.] in seinem Urteil vom 21.02.2017 [...] [X.] Asylbewerbern [nur] subsidiärer Schutz oder die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 [X.] zu gewähren ist."

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Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird eine grundsätzliche [X.]edeutung nicht dargelegt. Von einer grundsätzlichen [X.]edeutung ist regelmäßig auszugehen, wenn eine bundesrechtliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte uneinheitlich beantwortet wird und es an einer Klärung des für die materiellrechtliche Subsumtion sowie die Tatsachenfeststellung und -würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstabes durch das [X.]undesverwaltungsgericht fehlt.

Dass sich vor diesem Hintergrund im vorliegenden Verfahren eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage stellt, wird von der [X.]eschwerde nicht substantiiert dargelegt. Der bloße Hinweis darauf, dass zwei Obergerichte - bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage - zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, weist gerade nicht auf eine (klärungsfähige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts, wenn und weil es an Darlegungen zur Frage fehlt, auf welchem (klärungsbedürftigen) Unterschied in den der [X.] zugrunde liegenden Rechtsauffassungen die im Ergebnis abweichende [X.]eurteilung beruht. Es fehlen schon nähere Darlegungen, inwiefern mit [X.]lick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg aus dem Jahre 2013 weiterhin von einer identischen Tatsachengrundlage auszugehen ist. Soweit die [X.]eschwerde voraussetzt, das [X.]erufungsgericht gehe davon aus, dass sich die Umstände bis in das [X.] hinein nicht geändert hätten, bezieht sich diese Feststellung auf den Umgang der [X.] [X.]ehörden mit Personen in [X.], die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen. Hinsichtlich der Situation von [X.], die nach illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt nach [X.] zurückkehren, ist das [X.]erufungsgericht hingegen unter Einbeziehung neuerer Erkenntnisquellen und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 2017 - 2 A 515/16 - juris Rn. 21 ff.; [X.], Urteil vom 16. Dezember 2016 - 1 A 10922/16 - juris Rn. 43; [X.], Urteile vom 12. Dezember 2016 - 21 [X.] 16.30364 - juris Leitsatz und Rn. 32, - 21 [X.] 16.30338 - juris Leitsatz und Rn. 30 und - 21 [X.] 16.30371 - juris Leitsatz und Rn. 20; [X.], Urteil vom 23. November 2016 - 3 L[X.] 17/16 - juris Rn. 40 f.) zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse gebe, dass die [X.] Sicherheitsbehörden letztlich jeden Rückkehrer, der [X.] verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, ohne weitere Anhaltspunkte der Opposition zurechneten. Dabei hat es insbesondere berücksichtigt, dass inzwischen mehr als ein Fünftel der [X.]evölkerung aus [X.] geflohen ist. Insoweit sei auch dem [X.] Staat bekannt, dass der Großteil der [X.] das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Regime, sondern aus Angst vor dem [X.]ürgerkrieg verlassen habe.

Die [X.]eschwerde zeigt auch im Übrigen keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage auf, sondern wendet sich lediglich gegen die den [X.]en vorbehaltene Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung. Das [X.]eschwerdevorbringen erschöpft sich insoweit vielmehr in der Art der [X.]egründung eines bereits zugelassenen Rechtsmittels und mit teils neuem, von den Tatsachenfeststellungen des [X.]erufungsgerichts abweichendem tatsächlichen Vorbringen in Ausführungen dazu, weshalb die Auffassung des [X.]erufungsgerichts fehlerhaft ist. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 98/17

18.05.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 21. Februar 2017, Az: 14 A 2316/16.A, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.05.2017, Az. 1 B 98/17 (REWIS RS 2017, 10661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10661

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