Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.01.2010, Az. 2 AZR 1008/08

2. Senat | REWIS RS 2010, 9891

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Gegenstand

Konkurrenztätigkeit im gekündigten Arbeitsverhältnis


Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 13. November 2008 - 11 [X.]/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. [X.]ie betreute psychisch kranke Menschen und [X.]uchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im [X.]eptember 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit [X.]chreiben vom 20. [X.]eptember 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende [X.]trukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. [X.]eptember 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der [X.] bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der [X.], der Firma „[X.]“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit [X.]chreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. [X.]eptember 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. [X.]eptember 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „[X.]“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der [X.] eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. [X.]eptember 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „[X.]“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „[X.]“ beigefügt.

6

Mit [X.]chreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „[X.]“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit [X.]chreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. [X.]ie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. [X.]ie habe auch die Kündigungen der [X.] durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. [X.]ie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „[X.]“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der [X.] gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. [X.]eptember 2007 von den aus ihrer [X.]icht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das [X.]chreiben des Prozessbevollmächtigten der [X.] vom 24. [X.]eptember 2007 zeige, dass dieser der [X.] spätestens am 24. [X.]eptember 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. [X.]ie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie [X.] ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten [X.] beim [X.] eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. [X.]ie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der [X.] übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. [X.]ie durfte darauf vertrauen, dass die von der [X.] für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das [X.]chriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der [X.] das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. [X.] 7. Januar 2003 - 2 [X.] - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; [X.] - 10 [X.] - zu II der Gründe; [X.] 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das [X.] angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund i[X.]d. § 626 Abs. 1 BGB vor.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem [X.]inne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter [X.]achverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht([X.]Rspr., vgl. [X.]enat 10. Dezember 2009 - 2 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.] 2010, 1128).

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig [X.]ache des Tatsachengerichts. [X.]ie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des [X.]achverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat([X.]enat 10. Dezember 2009 - 2 [X.] - Rn. 14, [X.] 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 [X.] BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des [X.]s stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „[X.]“ der Beklagten noch während des laufenden [X.] Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund i[X.]d. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht([X.]enat 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 15, [X.] § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 [X.] - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des [X.]s, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt([X.]Rspr., [X.]enat 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 15 mwN, [X.] § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für [X.] geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor [X.] seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht [X.] anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen ([X.]enat 21. November 1996 - 2 [X.] - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 [X.] 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen ([X.]enat 21. November 1996 - 2 [X.] - Rn. 20, aaO; [X.] 16. Januar 1975 - 3 [X.] 72/74 - [X.] HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die [X.] nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten (vgl. [X.]enat 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 15 mwN, aaO). [X.] ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht ([X.]enat 26. Juni 2008 - 2 [X.]/07 - Rn. 15, aaO).

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des [X.] an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden([X.]enat 25. April 1991 - 2 [X.] 624/90 - [X.] § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten ([X.] 4. Juli 1995 - 9 [X.]a 484/95 - zu II der Gründe, [X.] HGB § 75 Nr. 9; [X.][X.]/[X.] 3. Aufl. § 1 K[X.]chG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird ([X.][X.] 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im [X.]treitfall nicht entschieden zu werden. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „[X.]“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 [X.]atz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein [X.] Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „[X.]“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

c) Dennoch durfte das [X.] annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. [X.]enat 26. März 2009 - 2 [X.] 953/07 - Rn. 28, [X.] § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 [X.] 623/04 - Rn. 38, [X.] § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

bb) Dem wird die Interessenabwägung des [X.]s gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer [X.]. Das [X.] hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „[X.]tartkapital“ - zur Firma „[X.]“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das [X.] diesen Umstand auch angesichts der schwierigen [X.]ituation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. [X.]oweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim [X.] einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende [X.]elbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund i[X.]v. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das [X.] darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende [X.]elbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe [X.]). Allein mit dem Antrag beim [X.], sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin i[X.]d. § 1 Abs. 2 K[X.]chG bedingt.

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers i[X.]v. § 1 Abs. 2 K[X.]chG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere [X.]törungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint([X.]enat 10. [X.]eptember 2009 - 2 [X.] 257/08 - Rn. 12, EzA K[X.]chG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 [X.] 200/06 - Rn. 14, [X.] K[X.]chG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA K[X.]chG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

2. Auf der Basis des vom [X.] festgestellten [X.]achverhalts sind die Voraussetzungen für die [X.] Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. [X.]ie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren [X.]ituation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. [X.]elbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 K[X.]chG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur [X.]ozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom [X.] vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. [X.]eine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

[X.]oweit die Klägerin geltend macht, das [X.] hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    [X.]chmitz-[X.]cholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

Meta

2 AZR 1008/08

28.01.2010

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Essen, 4. April 2008, Az: 5 Ca 3715/07, Urteil

§ 626 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 60 Abs 1 HGB, § 74 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.01.2010, Az. 2 AZR 1008/08 (REWIS RS 2010, 9891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9891


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 AZR 1008/08

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 1008/08, 28.01.2010.


Az. 5 Ca 3715/07

Arbeitsgericht Essen, 5 Ca 3715/07, 04.04.2008.


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