Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2021, Az. 4 BN 41/20

4. Senat | REWIS RS 2021, 9484

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Gegenstand

Rechtmäßigkeit von landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsbeschränkungen in einer Naturschutzgebietsverordnung


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den [X.] nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die angegriffene Verordnung des [X.] über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "[X.] im [X.] " nicht beanstandet, insbesondere hat es die Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung in dem unter Naturschutz gestellten Gebiet für rechtmäßig erachtet. Aus § 30 Abs. 5 [X.]atSchG lasse sich, auch mit Blick auf § 14 Abs. 3 Nr. 1 [X.]atSchG, kein Rechtssatz des Inhalts herleiten, dass [X.] in einer [X.] unzulässig seien, wenn die Schutzwürdigkeit der Flächen, auf denen sie gälten, auf eine Extensivierung der Bodennutzung aufgrund vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zurückzuführen seien ([X.]). Im Übrigen würde eine Privilegierung einer landwirtschaftlichen Bodennutzung hier ohnehin ausscheiden, weil sich die rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer solchen Nutzung durch die im Dezember 2004 erfolgte Aufnahme der im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücke in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß Art. 4 Abs. 2 der [X.] sowie dadurch, dass die Flächen Teil des im Juni 2001 gemeldeten [X.] geworden seien, nachträglich erhöht hätten ([X.]). Ferner sei die Verallgemeinerung des hinter § 30 Abs. 5 [X.]atSchG stehenden Rechtsgedankens mit den Bestimmungen der [X.] und der [X.] nicht vereinbar ([X.] f.). Letztlich sei davon auszugehen, dass jedenfalls ein Teil der im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücke schon vor der Extensivierung der Bewirtschaftung im Jahr 1990 schutzwürdig gewesen sei (UA S. 23).

3

Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 8. August 1973 - 4 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 115, vom 9. März 1982 - 7 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 209 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein [X.] gegeben, dann kann diese hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert ([X.], Beschlüsse vom 9. September 2009 - 4 [X.] 4.09 - [X.] 2010, 67 und vom 11. September 2019 - 4 [X.] 17.19 - [X.] 406.11 § 215 BauGB Nr. 22 Rn. 3). Bereits in Bezug auf die Annahme des [X.], § 30 Abs. 5 [X.]atSchG könne kein über den gesetzlichen Biotopschutz hinaus zu beachtender Rechtssatz entnommen werden, ist ein [X.] nicht dargelegt.

4

Die insoweit vom Antragsteller als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

ob durch in einer [X.] vorgesehene [X.] die nach § 30 Abs. 5 [X.]atSchG von den Verboten des § 30 Abs. 2 [X.]atSchG ausgenommene Wiederaufnahme einer zulässigen land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Nutzung eingeschränkt werden kann,

führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie lässt sich mit dem Oberverwaltungsgericht im bejahenden Sinne beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Das [X.] regelt den Schutz von Teilen von Natur und Landschaft in Kapitel 4 Abschnitt 1 in unterschiedlicher Weise: Zum einen in der Form der Unterschutzstellung durch Erklärung zum Schutzgebiet oder sonstigen Schutzobjekt gemäß §§ 22 bis 29 [X.]atSchG (§ 20 Abs. 2 [X.]atSchG), zum anderen in Bezug auf bestimmte näher bezeichnete Biotope durch einen gesetzesunmittelbaren Schutz (§ 30 [X.]atSchG). Die Vorschriften über die konstitutive Unterschutzstellung und der gesetzliche Biotopschutz stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander mit der Folge, dass sich Schutzgebiete und gesetzlich geschützte Biotope überlagern können (s. etwa § 23 Abs. 1 Nr. 1 [X.]atSchG). Dabei wird der Schutz, der sich aus § 30 [X.]atSchG ergibt, durch eine Gebietsausweisung nicht abgeschwächt, er kann aber, was § 30 Abs. 8 [X.]atSchG klarstellt, verstärkt werden etwa in dem das Privileg des § 30 Abs. 5 [X.]atSchG eingeschränkt wird (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.]atSchG, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn. 14; [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand August 2020, § 30 [X.]atSchG Rn. 26; [X.]. 16/12274 S. 64; siehe auch [X.], Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 233 Rn. 100 ). Hieraus folgt, dass § 30 Abs. 5 [X.]atSchG allein auf das Instrument des gesetzlichen Biotopschutzes bezogen ist. Die Vorschrift enthält über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus keinen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgrundsatz, an dem (auch) [X.] in einer Naturschutzverordnung zu messen wären.

5

Dies ist Ausdruck der jeweils unterschiedlichen Regelungskonzepte. Der gesetzliche Biotopschutz ist zu beachten, wenn und sobald eine Fläche die charakteristischen Merkmale eines der in § 30 Abs. 2 [X.]atSchG genannten Biotope erfüllt. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Biotop entstanden ist. Grundsätzlich genießen folglich auch solche Biotope kraft Gesetzes Schutz, die sich während der Laufzeit vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung herausbilden. Um die Bereitschaft zur Teilnahme an solchen Maßnahmen im Sinne eines Naturschutzes auf Zeit zu fördern, nimmt § 30 Abs. 5 [X.]atSchG die Wiederaufnahme der vorherigen landwirtschaftlichen Nutzung von den Veränderungs- und Beeinträchtigungsverboten des § 30 Abs. 2 [X.]atSchG aus (siehe etwa [X.], in: [X.]/[X.], [X.]atSchG, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn. 27).

6

Während der gesetzliche Biotopschutz und seine Grenzen in dieser Weise generalisierend geregelt werden - Entsprechendes gilt für die Privilegierung einer zuvor ausgeübten landwirtschaftlichen Nutzung bei der Eingriffsregelung nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 [X.]atSchG (siehe dazu [X.], Urteil vom 13. Juni 2019 - 4 C 4.18 - [X.] 406.403 § 14 [X.]atSchG 2010 Nr. 1 Rn. 24 f.) - setzt die Ausweisung eines Naturschutzgebiets nach dem "Ob", seiner räumlichen Abgrenzung und der näheren Ausgestaltung des [X.] - vorbehaltlich der Anwendbarkeit spezieller Vorschriften (siehe § 32 Abs. 2 und 4 [X.]atSchG) - eine auf die jeweiligen besonderen örtlichen Verhältnisse bezogene Entscheidung der zuständigen Behörde voraus. Im Rahmen des ihr dabei eingeräumten Normsetzungsermessens sind nach Maßgabe des Abwägungsgebots (§ 2 Abs. 3 [X.]atSchG) sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die entgegenstehenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der von Nutzungsbeschränkungen betroffenen Grundeigentümer - auch unter Berücksichtigung der [X.] des § 5 Abs. 1 [X.]atSchG - auf der anderen Seite zu würdigen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - [X.]E 119, 312 <315>; Beschlüsse vom 16. Juni 1988 - 4 B 102.88 - [X.] 406.401 § 15 [X.]atSchG Nr. 5 und vom 29. Januar 2007 - 7 B 68.06 - [X.] 406.400 § 22 [X.]atSchG 2002 Nr. 1 Rn. 15); dabei kann den konkret betroffenen Nutzungsinteressen auch durch ein System von allgemeinen Verbots- und nachgelagerten Ausnahme- und Befreiungsregelungen Rechnung getragen werden (vgl. [X.], in: [X.], GK-[X.]atSchG, 2. Aufl. 2017, § 20 Rn. 42). Das schließt eine verpflichtende Orientierung am [X.] des § 30 Abs. 5 [X.]atSchG aus.

7

Ist § 30 Abs. 5 [X.]atSchG danach eine auf den gesetzlichen Biotopschutz beschränkte Sonderregelung, der keine Vorgaben für die Regelungen in einer [X.] entnommen werden können, kommt es auf das weitere Vorbringen des Antragstellers zu den sonstigen Erwägungen des [X.] nicht mehr an.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 41/20

18.01.2021

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend OVG Lüneburg, 4. März 2020, Az: 4 KN 390/17, Urteil

§ 20 Abs 2 BNatSchG 2009, §§ 22ff BNatSchG 2009, § 22 BNatSchG 2009, § 30 Abs 2 BNatSchG 2009, § 30 Abs 5 BNatSchG 2009, § 30 Abs 8 BNatSchG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2021, Az. 4 BN 41/20 (REWIS RS 2021, 9484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9484

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