Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2012, Az. B 14 AS 148/11 R

14. Senat | REWIS RS 2012, 6189

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Pflegegeld für die Betreuung mehrerer Pflegekinder in Tagespflege - Anteil für den erzieherischen Einsatz - Ermittlung des Durchschnitts aller Erziehungsbeiträge - Mehrbedarf für Alleinerziehende


Leitsatz

Bezieht ein Leistungsberechtigter für mehrere Kinder Pflegegelder nach dem SGB VIII, so ist bei der Ermittlung des als Einkommen zu berücksichtigenden Erziehungsbeitrags von dem Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Beträge auszugehen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem [X.] - ([X.]), insbesondere die Berücksichtigung eines Teils von [X.] nach dem [X.] - ([X.]) als Einkommen.

2

Die im Jahr 1959 geborene, alleinstehende Klägerin bezieht seit dem 1.1.2005 [X.] ([X.]). Aufgrund von [X.] mit einem Jugendamt der [X.] betreut sie seit dem 1.10.2004 als Tagespflegekinder gemäß § 23 [X.] D. (geboren 31.12.1996), [X.] (geboren 26.9.2000) und [X.]-[X.] (geboren [X.]). [X.] kam der am 5.2.2006 geborene [X.] hinzu. Alle Kinder sind Geschwister. Die Klägerin erhielt von September 2006 bis August 2007 monatlich folgende Leistungen vom Jugendamt: Für D. und [X.] jeweils Pflegegeld in Höhe von 228 [X.], einschließlich eines Erziehungsbeitrags - vom [X.] ([X.]) "Erziehungsgeldanteil" genannt - von jeweils 118 [X.], für [X.]-[X.] ein Pflegegeld von 343 [X.], einschließlich eines Erziehungsbeitrags von 200 [X.], und für [X.] ein Pflegegeld von 403 [X.], einschließlich eines Erziehungsbeitrags von 260 [X.]. Die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters bewilligte der Klägerin für die [X.] vom 1.1. bis [X.] [X.] in Höhe von monatlich 290,50 [X.]. Es ging von einer Regelleistung von 345 [X.] plus anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung von 299 [X.], insgesamt 644 [X.] aus und setzte einen Betrag in Höhe von 353,50 [X.] als Einkommen ab. Der Einkommensanrechnung zugrunde gelegt wurde ein Erziehungsbeitrag für alle Kinder von jeweils 202 [X.] und dieser Betrag wurde einmal voll und einmal zu 75 % angesetzt (202 x 75 vH = 151,50 + 202 = 353,50; Bescheid vom 8.12.2006 idF des Änderungsbescheids vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 14.2.2007).

3

Das Sozialgericht ([X.]) hat den Beklagten unter Änderung der genannten Bescheide verurteilt, der Klägerin vom 1.1. bis [X.] monatlich weitere 49 [X.] zu zahlen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 9.4.2008). Das [X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 16.6.2011). Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] im Wesentlichen ausgeführt: Der Bedarf der Klägerin sei mit 644 [X.] pro Monat zutreffend berechnet worden, dies hätten die Beteiligten mittels Teilvergleich unstreitig gestellt. Auf diesen Bedarf sei nach § 11 Abs 4 [X.] in der damals geltenden Fassung nur Einkommen in Höhe von 304,50 [X.] monatlich anzurechnen. Zur Berechnung des zu berücksichtigenden Erziehungsbeitrags sei von dem Durchschnitt der tatsächlich zugeflossenen [X.] auszugehen und nicht von der zeitlichen Reihenfolge der [X.]. Ein Abstellen auf das Datum des [X.] führe zu keiner Lösung, wenn wie vorliegend mehrere von demselben Tag seien. Zudem erscheine es wenig sachgerecht, da dies bei unterschiedlich hohen [X.]n zu zufälligen Ergebnissen führen könne. Sinn und Zweck des § 11 Abs 4 [X.] in der damaligen Fassung sei es vielmehr, den Betrag zu bestimmen, ab welchem die Lage der [X.] erhaltenden leistungsberechtigten Person sich so günstig darstelle, dass [X.]-Leistungen nicht mehr gerechtfertigt seien. Auch der Gesetzgeber sei von gleich hohen [X.]n ausgegangen (vgl BT-Drucks 16/1410 [X.]). Mit den im Gesetz verwandten Begriffen "erstes", "zweites" usw Pflegekind werde keine Rangfolge gebildet, sondern lediglich die Anzahl der vereinnahmten [X.] bestimmt und deren unterschiedliche [X.]. Der durchschnittliche Erziehungsbeitrag der Klägerin liege bei 174 [X.] (2 x 118 + 200 + 260 = 696 : 4), sodass als Einkommen für das dritte Kind 130 [X.] (75 % von 174) und für das vierte Kind 174 [X.], insgesamt 304,50 [X.] zu berücksichtigen seien. Dies führe zu einem weiteren Zahlbetrag von monatlich 49 [X.] an die Klägerin (Bedarf 644 [X.] abzüglich zu berücksichtigender [X.] von 304,50 [X.], ergibt 339,50 [X.], abzüglich schon gezahlter 290,50 [X.], verbleiben 49 [X.]).

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 11 Abs 4 [X.] in der damaligen Fassung und macht geltend: Entgegen der Auffassung des [X.] könne für die Bestimmung des ersten, zweiten usw Pflegekindes nur das Datum des [X.] herangezogen werden, da diese Daten die tatsächliche Rangfolge und damit auch die anzurechnenden tatsächlich gezahlten [X.] festlegten. Daher sei [X.] unstreitig das vierte Pflegekind. Die vom [X.] angeführten Zufälligkeiten seien ähnlich wie bei Stichtagsregelungen hinzunehmen.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.]s Hamburg vom 16. Juni 2011 und des [X.] vom 9. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist auf verschiedene von dem Beklagten im Laufe des Verfahrens angewandte Berechnungsmodelle hin. Auch bestehe die Gefahr, dass die Kinder nach der Höhe der [X.] ausgewählt würden, was aus pädagogischer und sozialpolitischer Sicht nicht wünschenswert sei.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.]n gegen das Urteil des [X.] ist zurückzuweisen. Die [X.]lägerin hat unter Abänderung des angefochtenen Bewilligungsbescheides vom 8.12.2006 idF des Änderungsbescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] den [X.]n Anspruch auf weiteres [X.] in [X.]öhe von 49 [X.] monatlich für die [X.] vom 1.1. bis [X.].

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das die Berufung des [X.]n zurückweisende Urteil des [X.] sowie das Urteil des [X.], die Abänderung der angefochtenen Bescheide sowie die der [X.]lägerin vom [X.] zugesprochenen weiteren 49 [X.] [X.] pro Monat für die genannte [X.]. Dem Teilvergleich der Beteiligten vor dem [X.] über das "Unstreitigstellen" des Bedarfs der [X.]lägerin kann keine Beschränkung des Streitgegenstandes entnommen werden, weil dies an den genannten Entscheidungen und dem umstrittenen Betrag auch nach dem Willen der Beteiligten nichts ändert.

Rechtsgrundlage für die von der [X.]lägerin geltend gemachten und vom [X.] und [X.] zugesprochenen höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form von [X.] sind § 7 Abs 1 Satz 1, § 19 Satz 1, §§ 20, 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II erfüllt die im Leistungsbezug nach dem [X.]B II stehende [X.]lägerin wie dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] zu entnehmen ist.

Der Zahlbetrag von zumindest 49 [X.] pro Monat in der strittigen [X.] ergibt sich aus einem Bedarf der [X.]lägerin von 644 [X.] (dazu 1) und einem zu berücksichtigenden Einkommen von 304,50 [X.] (dazu 2), die als Differenz zumindest zu einem [X.]-Anspruch von 339,50 [X.] führen, während der [X.] in den entsprechend abzuändernden Bescheiden nur 290,50 [X.] bewilligte (644 - 204,50 = 339,50 - 290,50 = 49). Inwieweit die [X.]lägerin ggf Anspruch auf einen höheren Betrag hat, zB wegen der [X.] in § 41 Abs 2 [X.]B II in der in der strittigen [X.] geltenden Fassung aufgrund des Grundsicherungsfortentwicklungsgesetzes vom [X.] ([X.] 1706 - GSiFoG), kann dahinstehen, weil nur der [X.], nicht aber die [X.]lägerin Rechtsmittel eingelegt hat. Das [X.]B II ist hier in dieser damals geltenden Fassung anzuwenden, weil um Leistungen in einem abgeschlossenen Bewilligungszeitraum gestritten wird.

1. Der Bedarf der alleinstehenden [X.]lägerin belief sich in der strittigen [X.] vom 1.1. bis [X.] auf monatlich 644 [X.].

a) Dies folgt nicht aus dem vom [X.] angeführten Teilvergleich der Beteiligten über das "Unstreitigstellen" dieses Betrags. Denn die [X.]öhe des Bedarfs ist neben der vorliegend zwischen den Beteiligten umstrittenen [X.]öhe des zu berücksichtigenden Einkommens ein wesentliches Element zur Berechnung des Anspruchs der [X.]lägerin auf [X.] gegen den [X.]n.

Einzelne Berechnungselemente eines Anspruchs können jedoch nicht "herausverglichen" werden, wenn wie vorliegend - zu Recht - eine Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben wurde und das [X.] neben dem Gestaltungsausspruch hinsichtlich der angefochtenen Verwaltungsakte ein Leistungsurteil über einen bestimmten Betrag gefällt hat. Die Überlegungen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Elementfeststellungsklage (vgl [X.] vom 24.10.1996 - 4 RA 108/95 - [X.] 3-2600 § 58 [X.]) sind auf eine Leistungsklage nicht übertragbar.

Im Übrigen ist der Senat bei einer zulässigen Revision verpflichtet, das angefochtene Urteil im Rahmen der Anträge nicht nur hinsichtlich der erhobenen [X.], sondern materiell-rechtlich umfassend zu überprüfen, speziell bei einem Anspruch auf [X.] hinsichtlich aller Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der [X.]öhe nach (vgl § 170 Abs 1 Satz 2, § 202 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G> iVm § 557 Abs 3 Zivilprozessordnung; vgl speziell zum [X.]B II: B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8 ff mwN; B[X.] vom [X.] AS 36/08 R - B[X.]E 104, 41 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3). Erklären die Beteiligten eines Rechtsstreits übereinstimmend, dass sie die Ermittlung zB des Bedarfs für zutreffend halten, so kann das Gericht hieraus im Rahmen seiner Beweiswürdigung den Schluss ziehen, dass eine weitere Überprüfung der entsprechenden Feststellungen der Verwaltung entbehrlich ist.

b) Die [X.]öhe des Bedarfs der [X.]lägerin errechnet sich aufgrund der Feststellungen des [X.] wie folgt: Die Regelleistung für alleinlebende Personen, wie die [X.]lägerin, betrug in der strittigen [X.] 345 [X.] (§ 20 Abs 2 [X.]B II idF des [X.]B II-Änderungsgesetzes vom [X.], [X.] 558). Als Leistungen für Unterkunft und [X.]eizung sind gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II 249 [X.] zu erbringen. Mehr hat die [X.]lägerin als tatsächliche Aufwendungen, soweit ersichtlich, nicht geltend gemacht und Bedenken gegen die Angemessenheit dieses Betrages in einer Großstadt wie [X.] bestehen nicht, zumal der [X.] insofern keine [X.] erhoben hat. Weitere Bedarfe sind den Feststellungen des [X.] nicht zu entnehmen und seitens der Beteiligten wurden keine dahingehenden [X.] erhoben. Insbesondere besteht kein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 [X.]B II, weil es sich nur um eine [X.] und nicht um eine Vollzeitpflege mit Aufnahme der Pflegekinder in den [X.]aushalt wie im Urteil des Senats vom 27.1.2009 ([X.]/7b [X.] - [X.] 4-4200 § 21 [X.]) handelte.

2. Diesem Bedarf ist ein zu berücksichtigendes Einkommen von 304,50 [X.] monatlich gemäß § 9 Abs 1, § 11 [X.]B II gegenüberzustellen. Zu berücksichtigendes Vermögen (§ 9 Abs 1, § 12 [X.]B II) kann den Feststellungen des [X.] nicht entnommen werden.

Als Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahme bestimmter Leistungen, wie zB der Grundrente nach dem [X.] (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II in der damaligen Fassung). Die allein festgestellten Einnahmen der [X.]lägerin in Form des [X.]geldes für die Pflegekinder nach § 23 [X.]B VIII, gezahlt von der Stadt [X.], sind grundsätzlich zu berücksichtigen, weil sie nicht unter die dort aufgeführten Ausnahmen fallen.

Nach dem in der strittigen [X.] geltenden § 11 Abs 4 [X.]B II wird als Einkommen jedoch "abweichend von den Absätzen 1 bis 3 … der Teil des Pflegegeldes nach dem [X.], der für den erzieherischen Einsatz gewährt wird,
1. für das erste und zweite Pflegekind nicht,
2. für das dritte Pflegekind zu 75 v[X.],
3. für das vierte und jedes weitere Pflegekind in voller [X.]öhe
berücksichtigt." Der Teil des Pflegegeldes, der für den erzieherischen Einsatz gewährt wird, wird im Folgenden ebenso wie in der Ausgangsentscheidung des B[X.] (Urteil vom [X.] [X.] - [X.] 4-4200 § 11 [X.]) und in der Gesetzesbegründung für diese Regelung (BT-Drucks 16/1410 [X.]) als "[X.]" bezeichnet.

Dass es sich bei dem Pflegegeld für die [X.] nach § 23 [X.]B VIII um Pflegegeld im Sinne dieser Vorschrift handelt, wird schon aus der nun differenzierten Formulierung in der Nachfolgevorschrift des § 11a Abs 3 Satz 2 [X.]B II idF des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.]B II und [X.] ([X.] 453) deutlich. Dass nur der [X.] und nicht das gesamte Pflegegeld als Einkommen zu berücksichtigen ist, folgt aus dem Wortlaut des § 11 Abs 4 [X.]B II in der früheren Fassung. Die Nicht-Berücksichtigung des [X.]s für ein erstes und zweites Pflegekind als Einkommen ist zwischen den Beteiligten ebenso wenig umstritten, wie die Berücksichtigung des [X.]s für ein drittes zu 75 % und eines [X.]s für ein viertes zu 100 %. Davon geht auch das [X.] zu Recht in seinem Urteil aus.

[X.]insichtlich der umstrittenen Feststellungen der als Einkommen zu berücksichtigenden [X.] für das dritte [X.]ind mit 130,50 [X.] (75 % von 174) und für das vierte [X.]ind von 174 [X.], insgesamt 304,50 [X.], ist dem [X.] ebenfalls entgegen dem Vorbringen der Revision zu folgen.

Das [X.] hat zu Recht den Durchschnitt aller [X.], die die [X.]lägerin für ihre vier Pflegekinder erhalten hat, der Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens zugrunde gelegt und diesen mit 174 [X.] zutreffend berechnet (<118 + 118 + 200 + 260>: 4 = 174). Denn die für die Auffassung des [X.]n notwendige Reihung und Rangfolgenbildung mit der Bestimmung eines ersten bis vierten Pflegekindes ist dem Wortlaut des § 11 Abs 4 [X.]B II in der damaligen Fassung nicht zu entnehmen und steht im Widerspruch zu dessen systematischer und teleologischer Auslegung sowie der Gesetzesbegründung.

Der Wortlaut des § 11 Abs 4 [X.]B II aF mit den Begriffen "erstes", "zweites", "drittes", "viertes" beinhaltet nicht zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge der Pflegekinder, sondern zunächst nur eine Regelung über das Ausmaß der anzurechnenden [X.]. Im Übrigen würde eine zeitliche Reihenfolge ein [X.]riterium für diese Reihung aufstellen, das dem Gesetz nicht zu entnehmen ist und hinsichtlich dessen keine [X.]larheit besteht. Während die Revisionsbegründung auf das Datum des [X.] abstellen will (ebenso ohne weitere Begründung: [X.]engelhaupt in [X.]auck/[X.], [X.]B II, Stand 6/2010, [X.] § 11 RdNr 732), will das von der Revision angeführte [X.] Mecklenburg-Vorpommern den [X.] zum Maßstab machen (Urteil vom 18.12.2008 - L 8 AS 60/08 - RdNr 84). Beide [X.]riterien müssen aber nicht zu derselben zeitlichen Reihenfolge führen. Welchem der Vorzug zu geben ist, kann dem Gesetz nicht entnommen werden, zumal auch ein Abstellen auf das Alter der [X.]inder als dritte Möglichkeit denkbar erscheint (so für die Anrechnung von [X.]indergeld: [X.]asske in [X.], [X.]B II, Stand 4/2008, § 11 Rd[X.]30).

Gegen eine solche Reihung oder Rangfolge sprechen systematische Gründe und der Zweck der Regelung.

Denn unter systematischen Gründen muss der Zusammenhang mit § 11 Abs 3 [X.]B II in der damaligen Fassung über die als Einkommen nicht zu berücksichtigenden zweckbestimmten Einnahmen beachtet werden, der für das Urteil des B[X.] vom [X.] (B 7b [X.] - [X.] 4-4200 § 11 [X.]) entscheidend war, das nachfolgend zu § 11 Abs 4 [X.]B II in der hier einschlägigen Fassung führte. In diesem Urteil, das Leistungen vor dem Inkrafttreten dieser Fassung des § 11 Abs 4 [X.]B II betraf, hat das B[X.] den [X.], wenn in einem [X.]aushalt nur bis zu zwei Pflegekinder betreut werden, als nicht zu berücksichtigende zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs 3 [X.] Buchst a [X.]B II angesehen (bestätigt durch B[X.] vom [X.] - B 4 [X.]/09 R - [X.]b 2010, 367 mit Anmerkung [X.]). Auf der andere Seite wurde in dem Urteil vom [X.] schon auf die "Gerechtfertigkeitsprüfung" gemäß § 11 Abs 3 [X.]B II in der früheren Fassung hingewiesen, nach der eine zweckbestimmte Einnahme als Einkommen zu berücksichtigen ist, wenn sie die Lage der leistungsberechtigten Person so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem [X.]B II nicht gerechtfertigt wären (B[X.] vom [X.], aaO, RdNr 21). In die Gesetzesbegründung zur Schaffung des § 11 Abs 4 [X.]B II idF des GSiFoG wurden diese Überlegungen übernommen (BT-Drucks 16/1410 [X.]).

Zweck der Regelung ist es, aufgrund dieses Zusammenhangs bei bis zu zwei [X.]indern die [X.] nicht als Einkommen zu berücksichtigen und bei einer größeren Anzahl von [X.]indern den gesamten [X.] nur zu einem Teil zu berücksichtigen, weil dann die Grenze des nicht zu berücksichtigenden Einkommens auch im [X.]inblick auf die so genannte Gerechtfertigkeitsprüfung überschritten ist.

Diese Grenze kann jedoch nicht von Zufälligkeiten abhängen, sondern muss aufgrund des Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz in vergleichbaren Situationen auch zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Dies wird jedoch nur gewährleistet, wenn auf den Durchschnitt der jeweils gezahlten [X.] abgestellt wird und nicht auf den [X.] für das jeweilige [X.]ind, das mehr oder weniger zufällig als das vierte [X.]ind gerechnet wird. Die Zufälligkeit der Ergebnisse zeigt auch der vorliegende Fall, in dem der [X.] für den nach Auffassung des [X.]n unstreitig als viertes [X.]ind anzusehenden [X.] 260 [X.] beträgt. Wenn jedoch D. oder [X.] als viertes [X.]ind zu berücksichtigen wären, läge der als Einkommen voll zu berücksichtigende [X.] bei nur 118 [X.]. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision und des von ihr angeführten Urteils des [X.] Mecklenburg-Vorpommern vom 18.12.2008 (L 8 AS 60/08) nicht nur eine Zufälligkeit wie bei Stichtagsregelungen, sondern ein systematisches Problem von unterschiedlichen Grenzen bei der Gerechtfertigkeitsprüfung trotz sonst vergleichbarer Lage.

Des Weiteren würde eine Reihung der Pflegekinder zB nach dem Datum der [X.] weitere Abgrenzungsfragen aufwerfen und im Widerspruch zu den Zielen des [X.]B VIII stehen, die Entwicklung der [X.]inder und Jugendlichen zu fördern. [X.] könnte versucht werden, durch die Beendigung des [X.] und den Abschluss eines neuen Vertrages die Reihenfolge zu ändern oder auch durch andere Strategien die [X.] für das erste und das zweite Pflegekind zu optimieren.

Im Übrigen ging auch die Gesetzesbegründung von einem solchen einheitlichen Betrag für die [X.] aus, wie der Bezugnahme auf die Empfehlung des [X.] mit 202 [X.] pro [X.]ind und Monat zu entnehmen ist (BT-Drucks 16/1410 [X.]) und dem das Abstellen auf den Durchschnitt der [X.] Rechnung trägt.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 148/11 R

23.05.2012

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Hamburg, 9. April 2008, Az: S 53 AS 580/07, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 05.12.2006, § 11 Abs 4 SGB 2 vom 05.12.2006, § 11a Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 21 Abs 3 SGB 2, § 23 SGB 8, § 39 SGB 8

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2012, Az. B 14 AS 148/11 R (REWIS RS 2012, 6189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6189

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