Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.03.2013, Az. 2 B 12/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 7339

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Gegenstand

Zur Wiederholung der Beweisaufnahme bei Richterwechsel im Fortsetzungstermin


Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler (§ 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde des [X.]eklagten ist unbegründet.

2

1. Der [X.]eklagte, ein im Dienst der Klägerin stehender Kriminaloberkommissar, wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Unterschlagung ihm anvertrauter Sachen verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hat der [X.]eklagte mit einem ihm übergebenen Schlüssel den auf der Dienststelle befindlichen Tresor geöffnet und aus verschiedenen Asservatenbeuteln 4 435 € [X.]argeld sowie die für den [X.]etriebsausflug gesammelten 310 € entnommen und das Geld für die [X.]egleichung privater Schulden verwendet.

3

Das Verwaltungsgericht hat den [X.]eklagten wegen schwerer innerdienstlicher Dienstvergehen aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. Die [X.]erufung des [X.]eklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zunächst über die Angaben, die der [X.]eklagte vor seiner Entdeckung gegenüber seinem Sachgebietsleiter gemacht hatte, durch eine Zeugenvernehmung [X.]eweis erhoben. In einem Fortsetzungstermin hat es darüber hinaus - mit Einverständnis des [X.]eklagten - dessen Kontoauszüge eingeführt und ausgewertet. An diesem Termin nahm eine [X.]erufsrichterin anstelle des im ersten Termins anwesenden [X.]erufsrichters teil.

4

2. Die mit der [X.]eschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht war nicht verpflichtet, die [X.]eweisaufnahme aufgrund des eingetretenen [X.]wechsels im Fortsetzungstermin zu wiederholen.

5

Entgegen der von der [X.]eschwerde vertretenen Auffassung verweist § 54 HmbDG hinsichtlich der [X.]eweisaufnahme nicht umfassend auf die [X.]estimmungen der Strafprozessordnung. Ebenso wie § 3 [X.] für [X.]undesbeamte ordnet vielmehr auch § 22 HmbDG hinsichtlich des gerichtlichen Disziplinarverfahrens eine ergänzende Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung an, soweit das [X.] nicht etwas anderes bestimmt. Daher finden Regelungen der Strafprozessordnung nur Anwendung, wenn und soweit dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist. Dementsprechend verweist § 54 Abs. 2 HmbDG für die gerichtliche [X.]eweiserhebung nur punktuell auf die Strafprozessordnung. Die Frage, ob ein [X.] an der Entscheidung mitwirken darf, der nicht an einer [X.]eweisaufnahme teilgenommen hat, richtet sich somit nicht nach § 226 Abs. 1 und § 250 StPO, sondern nach den Vorgaben aus §§ 98 und 112 VwGO (vgl. zur bewussten Abkehr von den [X.]estimmungen der Strafprozessordnung auch [X.]TDrucks 14/4659, S. 34 f.).

6

Danach war eine Wiederholung der [X.]eweisaufnahme im Fortsetzungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht hier nicht geboten. Nach § 112 VwGO entscheidet das Gericht durch diejenigen [X.], die zum Zeitpunkt der dem Urteil zugrunde liegenden, d.h. der letzten mündlichen Verhandlung unter [X.]eachtung der gesetzlichen Vorgaben sowie der [X.]eschlüsse des [X.] und des zuständigen Spruchkörpers über die Geschäftsverteilung für die Entscheidung zuständig sind. Die Verwaltungsgerichtsordnung fordert nicht, dass die [X.] an zuvor durchgeführten mündlichen Verhandlungen teilgenommen haben. Zur Mitwirkung berufen sind nicht diejenigen [X.], die an einer vorangehenden, sondern diejenigen [X.], die an der letzten mündlichen Verhandlung nach den Regelungen über die Geschäftsverteilung zuständig sind ([X.]eschlüsse vom 2. April 1971 - [X.]VerwG 4 [X.] - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 78 = [X.], 711; vom 16. Oktober 1997 - [X.]VerwG 7 C 7.97 - [X.] 428 § 4 VermG Nr. 50; vom 18. Dezember 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] - juris Rn. 12 und vom 14. März 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] - juris Rn. 23 m.w.[X.]).

7

Auch die in § 54 Abs. 1 HmbDG in Übereinstimmung zu § 96 Abs. 1 VwGO angeordnete Unmittelbarkeit der [X.]eweisaufnahme fordert nicht zwingend die Wiederholung der [X.]eweisaufnahme im Falle des [X.]wechsels, sondern lässt andere Möglichkeiten der Unterrichtung von hinzugetretenen [X.]n zu ([X.]eschluss vom 8. Juli 1988 - [X.]VerwG 4 [X.] 100.88 - [X.] 310 § 96 VwGO Nr. 34). Eine Wiederholung der Zeugenvernehmung vor den das Urteil fällenden [X.]n ist daher nur dann geboten, wenn der persönliche Eindruck des Zeugen für alle [X.] unverzichtbar ist ([X.]eschlüsse vom 1. Juni 2007 - [X.]VerwG 8 [X.] 85.06 - juris Rn. 11 und vom 12. Juli 1985 - [X.]VerwG 9 C[X.] 104.84 - [X.] 310 § 103 VwGO Nr. 8 jeweils m.w.[X.]). Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vernommenen Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen vorliegen ([X.]eschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 69.10 - juris Rn. 13 und 21).

8

Derartiges hat die [X.]eschwerde, die pauschal die Anwendung der Strafprozessordnung für die Zulässigkeit eines [X.]wechsels fordert, aber nicht dargetan. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat der [X.]eklagte im Fortsetzungstermin auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts keine Einwände gegen den sachlichen Gehalt der Zeugenaussage erhoben. Allein der Umstand, dass der Zeuge offen gelegt hat, nicht mehr sicher sagen zu können, ob er den [X.]eklagten angerufen hatte oder umgekehrt dieser ihn, begründet [X.] nicht. Die Frage ist im Urteil im Übrigen nicht zu Lasten des [X.]eklagten verwertet worden; vielmehr ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der [X.]eklagte die Tat dem Zeugen vor ihrer Entdeckung offenbart hat (S. 12 des [X.]erufungsurteils).

9

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache gemäß § 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Es kann als durch die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt gelten und bedarf daher nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass die [X.]eweisaufnahme nach einem [X.]wechsel unter Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht zwingend wiederholt werden muss. Wie bereits dargelegt verweisen §§ 22 und 54 Abs. 2 HmbDG insoweit nicht auf die Vorschriften der Strafprozessordnung.

Auch die zweite Frage rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Es ist in der Rechtsprechung vielmehr geklärt, dass eine überlange Verfahrensdauer nicht zum Absehen der disziplinarrechtlich gebotenen Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis führen kann. Ein [X.]eamter, der wegen eines gravierenden dienstlichen Fehlverhaltens nicht mehr tragbar ist, kann nicht deshalb im [X.]eamtenverhältnis bleiben, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (Urteil vom 29. März 2012 - [X.]VerwG 2 A 11.10 - juris; Rn. 84 f. und [X.]eschluss vom 16. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - NVwZ - RR 2012, 609 Rn. 10 f.; vgl. hierzu auch [X.]VerfG, [X.] vom 28. Januar 2013 - 2 [X.]vR 1912/12 -).

Meta

2 B 12/12

15.03.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 11. November 2011, Az: 12 Bf 242/10.F, Urteil

§ 22 DG HA, § 54 Abs 1 DG HA, § 65 Abs 1 DG HA, § 98 VwGO, § 112 VwGO, § 96 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.03.2013, Az. 2 B 12/12 (REWIS RS 2013, 7339)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7339

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Abgabenerhebung muss zeitlich begrenzt sein; Verfahrensrüge; Richterwechsel; Gerichtsbesetzung; Beweisaufnahme


Referenzen
Wird zitiert von

B 12 R 55/12 B

B 12 R 52/12 B

Zitiert

2 BvR 1912/12

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