Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2011, Az. VII B 106/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 823

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Gegenstand

Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch Ermittlungen nach dem Wohnsitz des Zahlungspflichtigen


Leitsatz

1. NV: Eine Wohnsitzanfrage des FA beim Einwohnermeldeamt führt nur dann zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung, wenn das FA besonderen Anlass zu einer solchen Ermittlungshandlung hat, weil ihm der Wohnsitz des Steuerschuldners nicht bekannt ist .

2. NV: Nicht jeder sachliche Umstand, auf den das Gericht seine Entscheidung stützt, muss im Tatbestand des Urteils erwähnt werden. Festgestellte entscheidungserhebliche Tatsachen oder aus Tatsachen gezogene Folgerungen können auch an der insoweit in Betracht kommenden Stelle der Entscheidungsgründe aufgeführt werden .

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das [X.]inanzamt --[X.]--) übersandte dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unter dem 16. April 2007 eine Vollstreckungsankündigung wegen (u.a.) nicht beglichener Einkommensteuer 1986. Nachdem der Kläger die Steuerschuld bestritten und sich auf Verjährung berufen hatte, erließ das [X.] einen Abrechnungsbescheid, der die mit Einkommensteuerbescheid vom 7. September 1990 festgesetzte Einkommensteuer 1986 zuzüglich entstandener Säumniszuschläge als nicht verjährt und nicht getilgt auswies. Die Verjährungsfrist sei in der Vergangenheit durch mehrere Versuche zur Ermittlung des Wohnsitzes des [X.] unterbrochen worden.

2

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) ab. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis habe im Streitfall mit Ablauf des 31. Dezember 1990 begonnen und sei vor ihrem Ablauf durch einen von Seiten des [X.] im Juli 1994 im Bundeszentralregister gesetzten Suchvermerk zur Ermittlung des Aufenthalts des [X.] unterbrochen worden. Das [X.] habe Anlass gehabt, den Aufenthaltsort des [X.] als unbekannt anzusehen, nachdem eine Wohnsitzanfrage beim Einwohnermeldeamt [X.] ergeben habe, dass sich der Kläger nach [X.]rankreich abgemeldet habe, und die [X.] Behörden auf ein späteres Vollstreckungsersuchen nach dem EG-Beitreibungsgesetz geantwortet hätten, der angegebene [X.] Wohnort sei dort nicht bekannt. Vor Ablauf der damit neu in [X.] gesetzten Verjährungsfrist habe das [X.] am 2. Juni 1997 beim Einwohnermeldeamt [X.] über den Wohnsitz des [X.] erbeten, nachdem es einen Hinweis auf einen möglichen Aufenthalt des [X.] in [X.] gegeben habe. Dadurch sei die Verjährungsfrist erneut unterbrochen worden, so dass mit Ablauf des 31. Dezember 1997 eine weitere fünfjährige Verjährungsfrist begonnen habe, die wiederum im August 2002 durch einen nochmaligen Suchvermerk zur Aufenthaltsermittlung im Bundeszentralregister unterbrochen worden sei.

3

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], welche er auf die Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative und 3 der [X.]sordnung --[X.]O--) stützt.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind zum Teil nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O verlangt, liegen aber jedenfalls nicht vor.

5

1. Anders als die Beschwerde meint, weicht das angefochtene [X.] nicht von dem Senatsurteil vom 24. November 1992 [X.] ([X.], 493, [X.] 1993, 220) ab. Das [X.] hat sich bei seiner Entscheidung vielmehr ausdrücklich auf den Rechtssatz aus vorgenanntem Senatsurteil gestützt, dem zufolge eine Wohnsitzanfrage des [X.] beim Einwohnermeldeamt nur dann zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung führt, wenn das [X.] besonderen Anlass zu solchen [X.] hat, weil ihm der Wohnsitz des [X.] nicht bekannt ist. Das [X.] hat im Streitfall einen besonderen Anlass zu [X.] gesehen, weil der Beitreibungsversuch in [X.] zu der Auskunft der [X.] Behörden geführt hatte, der in dem [X.] genannte Ort sei unbekannt. Wenn die Beschwerde demgegenüber meint, die Speicherung eines Suchvermerks im [X.] sei unnötig gewesen, weil bekannt gewesen sei, dass sich der Kläger in [X.] aufhalte, beantwortet sie die Frage nach einem hinreichenden Anlass zur Ermittlung des Wohnsitzes des [X.] anders, als es das [X.] getan hat, bezeichnet jedoch keinen im [X.] aufgestellten, von dem Senatsurteil in [X.], 493, [X.] 1993, 220 abweichenden Rechtssatz.

6

2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

7

Im Tatbestand eines Urteils ist der Sach- und Streitstand nur seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen (§ 105 Abs. 3 Satz 1 [X.]O). Es muss daher nicht jeder sachliche Umstand, auf den das Gericht seine Entscheidung stützt, im Tatbestand erwähnt werden. Vielmehr ist es zulässig, festgestellte entscheidungserhebliche Tatsachen oder aus Tatsachen gezogene Folgerungen an der insoweit in Betracht kommenden Stelle der Entscheidungsgründe aufzuführen. Anders als die Beschwerde meint, ist es daher nicht verfahrensfehlerhaft, dass das [X.] den Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort des [X.] in [X.], der zur entsprechenden Anfrage beim dortigen Einwohnermeldeamt geführt hatte, im Tatbestand des Urteils nicht ausdrücklich erwähnt hat.

8

Insoweit liegt auch der seitens der Beschwerde gerügte [X.] nicht vor. Die Beschwerde will offenbar in Zweifel ziehen, dass es den im [X.] erwähnten, die Anfrage beim Einwohnermeldeamt [X.] rechtfertigenden Hinweis auf einen Aufenthalt des [X.] in [X.] gegeben habe. Damit legt die Beschwerde jedoch keinen [X.] dar. Ein Verfahrensfehler hinsichtlich dieser Frage ließe sich nur mit einem Verstoß des [X.] gegen den klaren Inhalt der Akten begründen. Die Beschwerde bezeichnet jedoch keine konkreten Teile der Akten, die der Annahme des [X.] entgegenstehen, dem [X.] habe ein Hinweis auf einen möglichen Aufenthalt des [X.] in [X.] vorgelegen.

9

Anders als die Beschwerde meint, hat das [X.] klägerisches Vorbringen zur angeblichen Ungeeignetheit der [X.] bei [X.] [X.]eldebehörden oder dem [X.] nicht in einer den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O) verletzenden Weise unberücksichtigt gelassen. Vielmehr hat sich das [X.] mit dem Erfordernis eines besonderen Anlasses zu [X.] ausdrücklich auseinandergesetzt, hat aber --wie ausgeführt-- in Anbetracht der negativen Antwort der [X.] Behörden auf das [X.] einen für das [X.] damals hinreichend konkreten Anlass angenommen, den Aufenthaltsort des [X.] als unbekannt anzusehen.

Meta

VII B 106/11

02.12.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 5. Mai 2011, Az: 6 K 1314/10, Urteil

§ 231 AO, § 96 Abs 2 FGO, § 105 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2011, Az. VII B 106/11 (REWIS RS 2011, 823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 823

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