Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.09.2014, Az. VII R 8/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 2877

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Gegenstand

Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch eine EMA-Online-Anfrage


Leitsatz

NV: Die für eine Verjährungsunterbrechung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO erforderliche Außenwirkung liegt auch dann vor, wenn die Finanzbehörde durch eine EMA-Online-Anfrage direkt auf die städtische Meldedatenbank zugreift. Darüber hinaus hängt die Verjährungsunterbrechung nicht davon ab, ob die Finanzbehörde die zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche zweckmäßigste Maßnahme ergriffen hat .

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ am 24. Mai 2011 auf Antrag des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) einen [X.] gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung [X.]) über Steuern, Säumniszuschläge, [X.] und Zinsen in Höhe von insgesamt 109.500,88 €. Für diese Ansprüche hatte mit Ablauf des Jahres 2004 eine neue Verjährungsfrist i.S. des § 228 [X.] begonnen, die nach fünf Jahren am 31. Dezember 2009 geendet hätte. Laut [X.] wurde die Verjährungsfrist am 27. Oktober 2009 durch eine Wohnsitzanfrage des [X.] beim Einwohnermeldeamt unterbrochen.

2

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) stellte aufgrund einer umfangreichen Beweiserhebung fest, das [X.] habe am 27. Oktober 2009 online eine Wohnsitzanfrage beim Einwohnermeldeamt der [X.] gestellt ([X.]). Dies sei eine die Verjährung unterbrechende Ermittlungshandlung i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.], da dem [X.] der Wohnsitz des [X.] unbekannt gewesen sei und die [X.] der Realisierung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gedient habe. Die Zweckmäßigkeit der [X.] sei keine Voraussetzung des § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Im Übrigen handele es sich bei der [X.] --ebenso wie bei einer schriftlichen [X.] um einen nach außen wirkenden Realakt des [X.], auch wenn die Finanzbeamten über einen Link direkt auf die Meldedatenbanken der Meldebehörden zugriffen. § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.] setze nicht voraus, dass der Zahlungspflichtige von den Ermittlungsmaßnahmen erfahre.

3

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die [X.] habe nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.] geführt. Unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie sowie des Sinns und Zwecks dieser Vorschrift, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sei § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.] eng auszulegen. Damit könnten Scheinhandlungen wie routinemäßige [X.] nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung führen. Des Weiteren greife das [X.] bei der [X.] auf die bei der [X.] gespeicherten Daten wie auf eigene interne Daten zu, so dass im Gegensatz zur schriftlichen EMA-Anfrage die erforderliche Außenwirkung fehle. Schließlich habe die [X.] zumindest im Streitfall lediglich die Verjährungsunterbrechung und nicht die Durchsetzung der Zahlungsansprüche bezweckt. Dies folge aus einem Vergleich des Vorgehens des [X.] im Zeitablauf. Nachdem es in den Jahren 2001 bis 2003 zunächst mehrere Maßnahmen zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche durchgeführt habe, seien diese Maßnahmen erst im [X.] fortgesetzt worden. Die [X.] im [X.] habe dagegen allein der Abarbeitung der finanzamtsintern geführten [X.] und somit der Verjährungsunterbrechung gedient.

4

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den [X.] vom 24. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2008 aufzuheben.

5

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

7

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O).

8

Der [X.] ist rechtmäßig. Die aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind nicht durch Verjährung erloschen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die [X.] vom 27. Oktober 2009 die Verjährung gemäß § 231 Abs. 1 Satz [X.] unterbrochen hat.

9

Die fünfjährige Zahlungsverjährung (§ [X.]) wird durch die in § 231 Abs. 1 Satz [X.] abschließend aufgezählten Maßnahmen unterbrochen. Hierzu gehören unter anderem "Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen". Liegen die Voraussetzungen einer Verjährungsunterbrechung vor, beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, eine neue fünfjährige Verjährungsfrist (§ 231 Abs. 3 AO).

Nach der Rechtsprechung des [X.]s setzt die Verjährungsunterbrechung eine nach außen wirkende Maßnahme voraus; rein innerdienstliche Maßnahmen reichen nicht. Allerdings ist die verjährungsunterbrechende Wirkung --zumindest im Fall der [X.] nicht davon abhängig, dass der Zahlungspflichtige von dieser Anfrage erfährt. Maßgebend ist allein, dass das Finanzamt den Entschluss fasst, seinen Zahlungsanspruch durchzusetzen, und dies über den rein innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen sichtbar wird ([X.]surteil vom 28. November 2006 VII R 3/06, [X.], 4, [X.], 575). Bei einer Verjährungsunterbrechung durch Ermittlungen zum Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen muss hinzukommen, dass das Finanzamt einen besonderen Anlass hatte, zur Realisierung des Zahlungsanspruchs entsprechende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Ein solcher Anlass besteht nur dann, wenn ihm der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unbekannt ist. Eine rein schematische Anfrage an das Einwohnermeldeamt kann die Verjährung nicht unterbrechen ([X.]surteile vom 24. November 1992 VII R 63/92, [X.], 493, [X.] 1993, 220; vom 8. November 1994 VII R 1/93, [X.] 1995, 657; vgl. auch [X.]sbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 106/11, [X.] 2012, 691).

Der [X.] hält an seiner Rechtsprechung fest. Daraus folgt im Streitfall, dass durch die [X.] vom 27. Oktober 2009 die Verjährung unterbrochen wurde.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass es sich bei der [X.] um eine rein schematische Wohnsitzanfrage zur Verjährungsunterbrechung gehandelt habe. Denn nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) war der Wohnsitz des [X.] dem [X.] zum Zeitpunkt der [X.] unbekannt. Damit gab es einen konkreten Anlass für diese Ermittlungsmaßnahme. Auf eine etwaige Kenntnis anderer Finanzbehörden kommt es nicht an.

Im Ergebnis war die [X.] vom 27. Oktober 2009 auf die Durchsetzung konkreter Zahlungsansprüche gerichtet. Daran ändert auch nichts, dass die Anfrage in Folge der Bearbeitung einer intern vom [X.] erstellten [X.] gestellt worden ist, die den Eintritt der Verjährung verhindern sollte. Denn unabhängig davon war die Ermittlung des Wohnsitzes für die weitere Durchsetzung der Zahlungsansprüche erforderlich. Dass der Wohnsitz auf andere Weise leichter zu ermitteln gewesen wäre und in den Jahren bis 2004 und ab 2011 umfangreichere Maßnahmen zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche durchgeführt worden sind, ist ebenfalls unschädlich. Wie der [X.] bereits im Urteil in [X.], 493, [X.] 1993, 220 ausgeführt hat, kommt es für den Eintritt einer Verjährungsunterbrechung nicht darauf an, dass zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche die zweckmäßigste Maßnahme ergriffen wird.

Schließlich fehlt bei der [X.] vom 27. Oktober 2009 auch nicht die erforderliche Außenwirkung. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) wurde die durchsuchte [X.] allein von der städtischen Meldebehörde betrieben. Das [X.] konnte darauf zwar im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens zugreifen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das [X.] ähnlich wie bei einer schriftlichen [X.] nach außen manifestiert hat, die streitigen Zahlungsansprüche durchsetzen zu wollen. Der vom [X.] im Urteil in [X.], 4, [X.], 575 hervorgehobene Zweck, durch das Erfordernis der Außenwirkung Rechtssicherheit zu schaffen, rechtfertigt in solch einem Fall keine weitere Einschränkung der verjährungsunterbrechenden Maßnahmen. Allerdings tragen die Finanzbehörden die Feststellungslast, dass tatsächlich eine [X.] durchgeführt worden ist. Dieser Nachweis ist dem [X.] nach dem von der Revision nicht angegriffenen Ergebnis der Beweisaufnahme des [X.] gelungen.

Ob die erforderliche Außenwirkung auch dann vorgelegen hätte, wenn auf die Datenbank des Bundeszentralamts für Steuern (§ 139b Abs. 3 AO) bzw. auf eine andere (zumindest auch) von den Finanzbehörden auf Grundlage des automatisierten [X.] nach § 139b Abs. 6 bis 8 AO geführte Datenbank zugegriffen worden wäre, kann im Streitfall offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 8/13

17.09.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 27. November 2012, Az: 8 K 2837/11, Urteil

§ 231 Abs 1 S 1 AO, § 139b AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.09.2014, Az. VII R 8/13 (REWIS RS 2014, 2877)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2877

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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