Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2015, Az. V ZB 169/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3493

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

22. Oktober 2015

in der Rücküberstellungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 62, § 70 Abs. 3 Satz 3
a)
Auch nach der Einführung von § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG kann die beteiligte Be-hörde ein in der Hauptsache erledigtes Freiheitsentziehungsverfahren nicht mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG fortsetzen.
b)
Eine auf die Kostenentscheidung beschränkte Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist auch nach der Einführung von § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur bei [X.] entsprechenden Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft.
c)
Hat sich die Hauptsache vor Einlegung des Rechtsmittels erledigt, kann die betei-ligte Behörde das Rechtsbeschwerdeverfahren jedenfalls dann nicht mit einem Kostenantrag fortsetzen, wenn das Rechtsmittel hinsichtlich des Kostenpunkts nicht zugelassen worden ist.
[X.], Beschluss vom 22. Oktober 2015 -
V [X.] -
LG Halle

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.]s hat am 22. Oktober 2015
durch die
Vor-sitzende Richterin [X.], die Richterinnen Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch
und Weinland, den
Richter Dr. Göbel
und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den [X.] der 1. Zivilkammer des [X.] vom [X.] wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in der [X.] werden dem [X.] auferlegt.

Damit erledigt sich der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 1. August 2014 gegen den Be-troffenen Haft zur Sicherung von dessen Rücküberstellung nach [X.] bis zum
4. September 2014 angeordnet. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das 1
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[X.] mit Beschluss vom 12. August 2014 unter Abänderung der Ent-scheidung des Amtsgerichts den Antrag auf Anordnung von Abschiebungshaft zurückgewiesen, die sofortige Entlassung des Betroffenen aus der Haft ange-ordnet und die Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft festgestellt. Mit der von dem [X.] nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die [X.] festzustellen, dass der Beschluss des [X.]s rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt, hilfsweise, festzustellen, dass der Beschluss ,
und dem Betroffenen
die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

II.

Nach Ansicht des [X.]s durfte Haft zur Sicherung der Rücküber-stellung des Betroffenen nach [X.] nicht angeordnet werden, weil die Rück-überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung ([X.])
Nr. 343/2003 ([X.]. [X.] Nr. L 50 S. 1 = heute Art. 29 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013, [X.]. [X.] Nr. 180 S. 31) abgelaufen gewesen sei.

III.

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist unzulässig.

1. Die Rechtsbeschwerde war bei Einlegung am 8. September 2014 [X.], weil sie nach §
70 FamFG in der seinerzeit geltenden Fassung nur bei Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft war (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 98 Rn. 2) und das Beschwerde-gericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hatte.

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2. Sie ist mit dem Inkrafttreten von § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG am 1.
August 2015 nicht zulässig geworden.

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG ist zwar auch die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft. Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist das jetzt geltende Verfah-rensrecht zugrunde zu legen, weil die Änderung des § 70 Abs. 3 FamFG durch Art. 7 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 ([X.]) mit sofortiger Wirkung in [X.] getreten ist und Überleitungsvorschriften, die Ausnahmen für anhängige Verfahren vorsehen, nicht erlassen worden sind.

b) Das führt aber nicht zur Zulässigkeit des Rechtsmittels.

aa) Die Hauptsache hatte sich schon vor der Einlegung der Rechtsbe-schwerde durch die beteiligte Behörde erledigt. Die durch das Amtsgericht an-geordnete Haft hatte nämlich am 4. September 2014 geendet
und war abgelau-fen, als die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde vom 8. September 2014 bei
dem [X.] einging.

bb) Ein Rechtsbeschwerdeverfahren
kann die beteiligte Behörde nach Erledigung der Hauptsache nicht mit einem Antrag nach § 62 FamFG fortsetzen (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.]Z 196, 118 Rn. 9, 11 f.).

(1) Daran hat sich entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde durch die Einführung von § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG mit dem Gesetz vom 27. Juli 2015 ([X.]) nichts geändert. Mit dieser Ergänzung hat der [X.] erreichen wollen, dass sowohl der Betroffene als auch die Behörde zu-5
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lassungsfrei Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen über die Anordnung oder Aufhebung von Haft zur Sicherung der Abschiebung, Zurückschiebung oder Rücküberstellung einlegen können (Beschlussempfehlung zu dem Gesetz
vom 27. Juli 2015 in BT-Drucks.
18/5420 S. 30). Damit hat der Gesetzgeber zwar den Gleichlauf der Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde mit derjeni-gen
des Betroffenen hergestellt, dessen Fehlen der Senat seinerzeit als zusätz-liches Argument für den Ausschluss eines Feststellungsantrags der beteiligten Behörde angeführt hatte (Beschluss vom 31. Januar 2013
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V [X.], [X.]Z 196, 118 Rn. 13). Diese Annäherung der Rechtsbehelfe ändert aber nichts Entscheidendes.

(2) Das in der Vorschrift geforderte berechtigte Interesse an der Feststel-lung, dass die Entscheidung sie in ihren Rechten verletzt hat, hat die an einem Freiheitsentziehungsverfahren beteiligte Behörde nicht. Es besteht nämlich an sich nicht, weil der Beschwerdeführer durch die Entscheidung lediglich noch Auskunft über die Rechtslage erhielte, ohne dass damit eine wirksame Rege-lung getroffen werden könnte. Es lässt sich
nicht schon aus der Beeinträchti-gung von -
auch der antragstellenden Behörde zustehenden -
Rechten im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG
ableiten. Das Interesse des Beteiligten an der Feststel-lung der Rechtslage muss vielmehr in besonderer Weise schutzwürdig sein, was regelmäßig eine Verletzung von Grundrechten voraussetzt (Senat, [X.] vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.]Z 196, 118 Rn. 11). Die ent-sprechende Anwendung der Norm im Rechtsbeschwerdeverfahren hat der [X.] im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] zum effektiven Rechtsschutz von Betroffenen und unter Zugrundlegung der Absicht des Gesetzgebers, diese Rechtsprechung einfachrechtlich mit § 62 FamFG umzusetzen, gerade daraus abgeleitet, dass der Betroffene ohne eine solche Vorschrift sein [X.] nicht effektiv durchsetzen könnte ([X.]
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schlüsse vom 25. Februar 2010 -
V [X.], [X.]
2010, 150 Rn. 9 und vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.]Z 196, 118 Rn. 12). Der Gesetzgeber hat die Änderung von § 70 Abs. 3 FamFG nicht zum Anlass genommen, die Voraussetzungen für die Feststellung der Rechtswidrigkeit zu verändern. Er hat nicht einmal erwogen, durch eine Ergänzung von § 74 Abs. 4 FamFG oder in anderer Weise ausdrücklich zu regeln, dass diese Vorschrift auch im [X.] gilt. Eine entsprechende Anwendung auf das Rechtsmittel der beteiligten Behörde lässt sich unter diesem Gesichtspunkt nicht rechtferti-gen (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.]Z 196, 118 Rn.
11).

(3) Sie lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der [X.] begründen. Diese
begründet ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit nur, wenn sie konkret ist ([X.], [X.], 330, 331) und wenn zu erwarten ist, dass gerade der [X.] von einer gleichartigen Rechtsverletzung betroffen sein wird. Daran fehlt es aber, wenn nur ein Interesse an der abstrakten Klärung einer Rechts-frage für die künftige Rechtspraxis einer Behörde angestrebt wird (vgl. für einen Notar [X.], [X.] 2010, 269; [X.], FamFG, 18. Aufl., § 62 Rn. 21). So liegt es hier.

cc) Die Rechtsbeschwerde
ist auch nicht mit dem Hilfsantrag der beteilig-ten Behörde zulässig,
festzustellen dass die Entscheidung des [X.]s im Hinblick auf den Kostenpunkt rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt hat.

(1) Wenn mit diesem Antrag eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Kostenentscheidung angestrebt werden sollte, wäre die Rechtsbe-12
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schwerde unzulässig. Das folgt zwar nicht,
wie bis zu dem Inkrafttreten des [X.],
daraus, dass eine isolierte Anfechtung der Kostenent-scheidung unzulässig wäre (vgl. zum früheren Recht: §
20a Abs.
1 Satz
1 FGG). Ein vergleichbarer Ausschluss ist im geltenden Recht nicht mehr vorge-sehen. Ein solches Rechtsmittel müsste auch keinen [X.] errei-chen, wenn es sich -
wie hier -
um eine nicht vermögensrechtliche Angelegen-heit handelt
([X.], Beschlüsse
vom 25. September 2013 -
XII [X.], NJW 2013, 3523 Rn.
7 und 27. November 2013 -
XII [X.] 597/13, NJW-RR 2014, 129 Rn. 4). Der Antrag wäre jedoch
deswegen unzulässig, weil eine Rechtsbe-schwerde der beteiligten Behörde, die sich allein gegen die Kostenentschei-dung im Beschwerdeverfahren richtet, nach wie vor der Zulassung bedürfte. Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist zwar nach §
70 Abs.
3 Satz
3 FamFG ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich
gegen den eine freiheitsentzie-hende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in §
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG genannten Verfahren richtet. Gegenstand einer auf den Kostenpunkt beschränkten Rechtsbeschwerde wäre aber nicht die Verweigerung der freiheitsentziehenden Maßnahme oder deren
Aufhebung, sondern allein die Kostenentscheidung des [X.]. Diese wäre regelmäßig auch nur daraufhin überprüfbar, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines in der Regel bestehenden Ermessens bei der Auferlegung und Verteilung der Verfahrenskosten überschritten hat. Nichts spricht dafür, dass der Gesetzgeber auch solche Rechtsmittel der beteiligten Behörde ohne Zulas-sung für statthaft hat erklären wollen (vgl. BT-Drucks. 18/5420 S.
30).

(2)
Eine Umdeutung des Antrags in eine Erledigungserklärung verbun-den mit dem Antrag, dem Betroffenen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, scheidet ebenfalls aus.

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Hier war die Hauptsache schon bei Abfassung der Rechtsbeschwerde-schrift der beteiligten Behörde erledigt, weil die ursprünglich angeordnete Haft zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen wäre. In dieser Konstellation kommt eine Erledigungserklärung verbunden mit einem Kostenantrag nur in Betracht, wenn die angegriffene Entscheidung im Kostenpunkt isoliert angreif-bar wäre. Ist das aber -
wie hier -
nicht der Fall, scheidet sie aus (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2011 -
V [X.] 170/11, NJW-RR 2012, 651 Rn.
7).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 430 FamFG, Art.
5 [X.] analog. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §
36 Abs.
3 GNotKG.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Weinland

Göbel

Haberkamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.08.2014 -
14 [X.] (B) 19/14 -

LG Halle, Entscheidung vom 12.08.2014 -
1 [X.]/14 -

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Meta

V ZB 169/14

22.10.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2015, Az. V ZB 169/14 (REWIS RS 2015, 3493)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3493

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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