Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.11.2010, Az. V B 133/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 1163

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Gegenstand

Fehlerhafte Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen als Verfahrensfehler; Klagebefugnis bei GmbH in Liquidation; Abtretung von Geschäftsanteilen während der Liquidation


Leitsatz

1. NV: Bei fehlerhafter Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen (hier: Ablehnung der Prozessführungsbefugnis eines Liquidators) liegt ein Verfahrensfehler und nicht nur ein materiellrechtlicher Fehler vor.

2. NV: Die Eintragung der Geschäftsführungsbefugnis sowie der Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Handelsregister (§ 39 GmbH) hat nur deklaratorische Wirkung.

Tatbestand

1

I. [X.]as Finanzgericht ([X.]) hat die von [X.] im Namen der [X.] in Liquidation (Klägerin und [X.]eschwerdeführerin --Klägerin--) erhobene Klage als unzulässig abgewiesen, weil der als Prozessbevollmächtigte aufgetretene Rechtsanwalt C zwar eine Prozessvollmacht des [X.] vorgelegt habe, dieser aber nicht für die Klägerin vertretungsberechtigt gewesen sei. Vertretungsberechtigt für die Klägerin sei als Liquidatorin vielmehr [X.] gewesen, die nach dem Handelsregisterauszug seit dem 29. April 1999 Geschäftsführerin und nach Auflösung der GmbH am 13. Oktober 1999 zur Liquidatorin bestellt worden sei. Zwar habe [X.] im finanzgerichtlichen Verfahren eine notarielle Urkunde vom 30. Mai 2000 vorgelegt, wonach [X.] die Geschäftführung niedergelegt und die Gesellschaftsanteile auf [X.] übertragen habe, es verbleibe jedoch bei der Vertretungsbefugnis von [X.], solange nicht andere Personen zum Liquidator "bestellt" worden seien.

2

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- (Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung), inhaltlich jedoch auf Verfahrensfehler gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. [X.]as [X.] habe zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil E durch notariellen Vertrag vom 15. Mai 2000 sämtliche noch zu erwerbenden Gesellschaftsanteile an der Klägerin im Voraus an [X.] abgetreten habe. [X.]iese Vorausabtretung sei mit Übertragung der Gesellschaftsanteile von [X.] an E mit notariellem Vertrag vom 30. Mai 2000 wirksam geworden, so dass [X.] Alleingesellschafter geworden sei. [X.] habe sich dann am 30. Mai 2000 zum Alleingeschäftsführer bestellt und habe daher Rechtsanwalt C wirksam mit der Klageerhebung mit Wirkung für die Klägerin bevollmächtigen können.

Entscheidungsgründe

3

II. [X.]ie [X.]eschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

4

1. [X.]er [X.]evollmächtigte der Klägerin hat die [X.]eschwerde zwar ausdrücklich auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O ([X.]ivergenz) gestützt, in der Sache aber macht er Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) geltend. [X.]a keine [X.]indung an den geltend gemachten Zulassungsgrund besteht, wenn der [X.]eschwerdeführer sein tatsächliches Vorbringen einem Zulassungsgrund unzutreffend zuordnet, ist dies unschädlich ([X.]eschluss des [X.] --[X.]FH-- vom 5. November 2007 [X.], [X.], 248).

5

2. [X.]as [X.] hat die Klage verfahrensfehlerhaft zu Unrecht als unzulässig mit der [X.]egründung abgewiesen, der als [X.] der Klägerin aufgetretene [X.] sei nicht vertretungsbefugt gewesen, weil seit deren Auflösung am 13. Oktober 1999 Frau [X.] als [X.]in im Handelsregister eingetragen sei und eine nach den Grundsätzen des [X.]FH-[X.]eschlusses vom 11. April 2001 I [X.] 130/00 ([X.]FH/NV 2001, 1284) erforderliche Änderung der [X.]estellung nicht vorliege. In einer unzutreffenden Abweisung einer Klage als unzulässig aufgrund einer fehlerhaften [X.]eurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen --hier: der fehlenden Prozessführungsbefugnis des [X.]-- liegt auch ein Verfahrensfehler und nicht nur ein materiell-rechtlicher Fehler (vgl. [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 10. Februar 2009 X [X.] 211/08, [X.]FH/NV 2009, 782, und vom 19. März 2002 IV [X.] 112/01, [X.]FH/NV 2002, 1042).

6

3. [X.]ie Klägerin hat schlüssig dargelegt, dass [X.] im Zeitpunkt der Klageerhebung als [X.] zur [X.]evollmächtigung des Rechtsanwaltes C für eine Klageerhebung der Klägerin vertretungsbefugt war. Aus dem [X.]-Urteil ergibt sich, dass diesem der maßgebliche, zur Vertretungsbefugnis des [X.] führende notarielle Vertrag vorgelegen hat.

7

Nach § 70 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind zur gerichtlichen Vertretung der aufgelösten Gesellschaft die [X.]en befugt. [X.] ist der Geschäftsführer der GmbH, wenn die Liquidation nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss anderen Personen übertragen wurde (§ 66 Abs. 1 GmbHG).

8

a) Geschäftsführer der Klägerin war ursprünglich entsprechend der Handelsregistereintragung vom 29. April 1999 Frau [X.]. Laut Gesellschafterbeschluss der Klägerin vom 10. Juni 1999 wurde die [X.] aufgelöst und die bisherige Geschäftsführerin Frau [X.] von der Klägerin zur [X.]in bestellt ([X.]intragung der [X.]estellung im Handelsregister am 13. Oktober 1999).

9

b) Nach den von [X.] für die Klägerin im gerichtlichen Verfahren dem [X.] vorgelegten notariellen Urkunden wurden jedoch im Folgenden sämtliche Geschäftsanteile dem [X.] übertragen. [X.]enn nach der notariellen Urkunde vom 30. Mai 2000 wurden sämtliche Gesellschaftsanteile der Klägerin von [X.] an [X.] übertragen, der seinerseits durch Vorausabtretung vom 15. Mai 2000 die noch zu erwerbenden Anteile an [X.] übertrug. [X.]ie Abtretung von Geschäftsanteilen ist auch während der Liquidation zulässig ([X.]/[X.] in [X.], GmbHG, 10. Aufl., § 15 Rz 13). Nachdem Frau [X.] mit notariellem Vertrag vom 30. Mai 2000 auch die Geschäftsführung --und damit auch ihr [X.]enamt-- niedergelegt und [X.] sich nach dem [X.]rwerb sämtlicher Geschäftsanteile zum Alleingeschäftsführer bestellt hatte, war dieser nach § 66 Abs. 1, § 70 GmbHG als [X.] zur gerichtlichen Vertretung der GmbH befugt.

c) Unerheblich ist, dass die [X.]estellung vom [X.] zum Geschäftsführer sowie die Übertragung der Gesellschaftsanteile entgegen § 39 GmbHG nicht im Handelsregister eingetragen wurde, da die [X.]intragung im Handelsregister insoweit nur deklaratorisch und nicht konstitutiv ist (Urteil des [X.] vom 6. März 2006  8 [X.], juris; zum [X.] vgl. [X.]FH-[X.]eschluss in [X.]FH/NV 2001, 1284; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 39 Rz 13). Unerheblich ist auch, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile von [X.] an [X.] vertraglich auf fünf Jahre ausgeschlossen war, da das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft von der dinglichen Übertragung zu unterscheiden ist ([X.]/[X.] in [X.], a.a.[X.], § 15 Rz 90).

Meta

V B 133/09

23.11.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 24. September 2009, Az: 14 K 3423/06, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 39 GmbHG, § 66 GmbHG, § 70 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.11.2010, Az. V B 133/09 (REWIS RS 2010, 1163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1163

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