Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.05.2022, Az. II ZB 11/21

2. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2847

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Gegenstand

Handelsregistersache: Beendigung der Liquidation bei vermögensloser GmbH


Leitsatz

Sonstige im Interesse eines Dritten liegende Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug können bei einer vermögenslosen Gesellschaft der Beendigung der Liquidation nur dann entgegenstehen, wenn dieses Interesse berechtigt ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 27. April 2021 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts [X.] - Registergericht - vom 5. Oktober 2020 aufgehoben.Das Registergericht wird angewiesen, über die Anmeldung der Antragstellerin vom 15. Juni 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Auflösung am 7. März 2016 im Handelsregister eingetragen wurde. Die Aufforderung an die Gläubiger, sich bei der [X.] zu melden, wurde am 16. März 2016 im [X.] bekannt gemacht. Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 meldete die Liquidatorin den Schluss der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister an. Das Finanzamt [X.]stimmte der Löschung nicht zu, weil ein Rechtsbehelf hinsichtlich Erbschaftssteuer anhängig sei.

2

Das Amtsgericht - Registergericht - hat die Anmeldung daraufhin zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat das Finanzamt [X.]ergänzend erklärt, es sei ein Einspruchsverfahren der Liquidatorin der Antragstellerin gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts ihres Anteils an der Antragstellerin auf den Bewertungsstichtag 5. August 2011 für Zwecke der Schenkungsteuer anhängig. Die Antragstellerin sei gemäß § 360 Abs. 3 [X.] zum Verfahren hinzugezogen worden, wogegen sie ihrerseits Einspruch eingelegt habe. Mit der Löschung der Antragstellerin könnten dieser die noch ausstehenden Entscheidungen über die Einsprüche nicht zugestellt werden. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

3

Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Löschungsantrag weiter.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Anweisung an das Registergericht, über die Anmeldung der Antragstellerin vom 15. Juni 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, einer Löschung der Antragstellerin gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG stehe ihre Beteiligung im laufenden Steuerverfahren der Liquidatorin entgegen, weil dadurch weiterer [X.] bestehe. Mit der dort für Zwecke der Schenkungsteuer zu treffenden gesonderten Feststellung des Werts der nicht notierten Anteile an Kapitalgesellschaften gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] werde zugleich das Betriebsvermögen der Antragstellerin bewertet. Diese sei gemäß § 153 Abs. 3 [X.] erklärungspflichtig, am Feststellungsverfahren gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 [X.] beteiligt und gemäß § 155 [X.] befugt, Rechtsbehelfe einzulegen. Deshalb sei die Antragstellerin auch zu Recht gemäß § 360 Abs. 3 [X.] im Einspruchsverfahren hinzugezogen worden.

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Antragstellerin ergibt sich bereits daraus, dass ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde ([X.], Beschluss vom 20. September 2011 - [X.], [X.]Z 191, 84 Rn. 5; Beschluss vom 26. Juni 2018 - [X.], [X.], 1591 Rn. 7; Beschluss vom 27. Juli 2020 - [X.], [X.], 1658 Rn. 12).

7

3. Die Entscheidung des [X.] hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach den getroffenen Feststellungen steht die Beteiligung der Antragstellerin im laufenden Steuerverfahren ihrer Liquidatorin ihrer Löschung nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht entgegen.

8

a) Voraussetzung für die Beendigung der Liquidation im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und damit für eine Löschung nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist, dass kein verteilbares Vermögen der [X.] mehr vorhanden ist. [X.] Vermögen ist nicht vorhanden, wenn die [X.] über keine Vermögenswerte mehr verfügt, die für eine Gläubigerbefriedigung oder eine Verteilung unter die [X.]er in Betracht kommen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2021 - [X.], [X.], 122 Rn. 7, 11). Davon ist im vorliegenden Verfahren auszugehen. Das Beschwerdegericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Dass die weitere Beteiligung der Antragstellerin im Steuerverfahren ihrer Liquidatorin Auswirkungen auf das Vermögen der [X.] haben könnte, ist nach den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich.

9

aa) Die Antragstellerin ist in dem Schenkungssteuerverfahren ihrer Liquidatorin weder Steuerschuldnerin, noch haftet sie für die dort festzusetzende Steuer, hat diese für die Liquidatorin einzubehalten und abzuführen oder Sicherheit dafür zu leisten. Damit können sich etwaige Steuererstattungen oder Steuer(nach)forderungen infolge der Steuerfestsetzung in diesem Verfahren weder unmittelbar noch mittelbar auf das Vermögen der Antragstellerin auswirken.

bb) Die Feststellung des [X.] nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] hat für das Vermögen der Antragstellerin ebenfalls keine Relevanz.

Das Beschwerdegericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass mit der gesonderten Feststellung des [X.] zugleich das Betriebsvermögen der Antragstellerin zum Bewertungsstichtag bewertet wird. Dieser Stichtagswert hat für die [X.] selbst jedoch keine steuerliche Bedeutung (vgl. [X.] in [X.], [X.], Stand Januar 2021, § 154 Rn. 9). Die Bekanntgabe an die [X.] dient daher im Wesentlichen der Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der gesonderten Wertfeststellung der [X.] beim aktuellen [X.] (vgl. Schmid/Mannweiler, Nachfolgebesteuerung, § 154 Rn. 16; Höne/[X.], [X.] 2010, 298, 300). Gleiches gilt für die der [X.] nach § 155 Satz 1, § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] gegen den Feststellungsbescheid zustehende [X.]. Dass sich die [X.] in irgendeiner Form auf ein eigenes noch nicht abgeschlossenes Steuerverfahren der Antragstellerin auswirken könnte, macht auch das Finanzamt nicht geltend.

cc) Etwaige vermögensrelevante Auswirkungen sind auch im Hinblick auf die mit der Abgabe der Feststellungserklärung nach § 153 [X.] verbundenen Kosten für die Antragstellerin nicht ersichtlich.

Da der Feststellungsbescheid bereits ergangen und von der Liquidatorin mit dem Einspruch angegriffen worden ist, ist entsprechend dem [X.] davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihre diesbezüglichen Erklärungs- und Auskunftspflichten zur Anteilsbewertung und für die nach § 13a Abs. 4, § 13b Abs. 10 [X.] zu treffenden Feststellungen bereits erfüllt hat und die damit verbundenen Kosten bereits angefallen sind. Dass noch weitere Angaben seitens der Antragstellerin erforderlich wären, hat das Finanzamt nicht geltend gemacht.

Das (eigene) Einspruchsverfahren der Antragstellerin richtet sich nur gegen ihre Hinzuziehung zum Besteuerungsverfahren der Liquidatorin gemäß § 360 Abs. 3 [X.]. Dass sich die Antragstellerin in diesem Rahmen auch gegen ihre Heranziehung als Erklärungspflichtige nach § 153 Abs. 3 [X.] wenden und einen Anspruch auf Rückerstattung der ihr entstandenen Erklärungskosten geltend machen würde, ist nicht festgestellt.

dd) Schließlich ist auch keine Vermögensrelevanz der Beteiligung für die Antragstellerin wegen eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs in den Einspruchsverfahren gegeben. In steuerrechtlichen Einspruchsverfahren ist auch bei Obsiegen grundsätzlich keine Kostenerstattung vorgesehen (vgl. [X.] in Tipke/[X.], [X.], Stand 2.2021, vor § 347 [X.] Rn. 23 ff.; § 367 [X.] Rn. 55; [X.] in [X.], [X.], Stand [X.], § 367 [X.] Rn. 81). Die lediglich abstrakte Möglichkeit, dass sich an die Einspruchsverfahren ein gerichtliches Verfahren anschließen könnte, in dem nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO auch Kosten eines Vorverfahrens erstattungsfähig wären, begründet als solche noch keinen hinreichenden [X.]alt für einen etwaigen künftigen Anspruch (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2021 - [X.], [X.], 122 Rn. 11).

b) Die weitere Beteiligung der Antragstellerin an dem Besteuerungsverfahren begründet auch keinen [X.], der ihrer Löschung nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entgegenstehen könnte. Sonstige im Interesse eines Dritten liegende Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug können bei einer vermögenslosen [X.] der Beendigung der Liquidation nur dann entgegenstehen, wenn dieses Interesse berechtigt ist. Ein solches berechtigtes Interesse des Finanzamts am Fortbestehen der Antragstellerin liegt nicht vor.

aa) Dabei bedarf die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene und vom Senat bislang offengelassene Frage, ob vor dem Abschluss eines die [X.] betreffenden Besteuerungsverfahrens die Liquidation mit der Folge der [X.] beendet werden kann, auch hier keiner Entscheidung (vgl. zum Meinungsstand [X.], Beschluss vom 9. November 2021 - [X.], [X.], 122 Rn. 18). Denn das Steuerverfahren der Liquidatorin "betrifft" die Antragstellerin lediglich insoweit, als sie daran als Erklärungspflichtige gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 153 Abs. 3 [X.] zum Zwecke der gesonderten und einheitlichen Wertfeststellung der [X.] beteiligt ist. Diese Beteiligung steht einer Löschung der [X.] nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG jedenfalls dann nicht entgegen, wenn sie - wie hier - die ihr obliegenden steuerrechtlichen Erklärungs- und Auskunftspflichten erfüllt hat.

bb) Ob sonstige Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug bei einer vermögenslosen [X.] der Beendigung der Liquidation und damit ihrer Löschung nach § 74 Abs. 1 GmbHG entgegenstehen, ist in Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten (bejahend: BayObLG, [X.] 1983, 938, 940; [X.] 1984, 450, 451; [X.] 1985, 33, 35; [X.], 1979, 1981; [X.], [X.] 2015, 1827, 1828; [X.], [X.] 2019, 391, 392; KG, [X.], 520, 521; [X.] 2021, 2486; Lehre vom sog. erweiterten Doppeltatbestand, siehe etwa [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 23. Aufl., § 74 Rn. 2, 20 und § 60 Rn. 105 f.; MünchKommGmbHG/[X.], 3. Aufl., § 60 Rn. 51 ff.; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 20. Aufl., § 74 Rn. 5, 19; [X.], GmbHG, 10. Aufl., § 74 Rn. 27; [X.], GmbHG, 4. Aufl., § 74 Rn. 2, 6, 8; [X.] in Rowedder/[X.]-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 74 Rn. 12, 21 f.; [X.] in [X.]/Torwegge, GmbH in der Liquidation, 3. Aufl., § 11 Rn. 770; differenzierend: [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 12. Aufl., § 74 Rn. 4, 26 ff. und § 60 Rn. 70 ff.; [X.] in [X.], [X.]srecht, 5. Aufl., § 74 GmbHG Rn. 2, 26; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 5. Aufl., § 74 Rn. 23; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 3. Aufl., § 60 Rn. 98; verneinend: MünchKommGmbHG/[X.], § 74 Rn. 47; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 3. Aufl., § 74 Rn. 42 ff.; [X.]/[X.], GmbHG, 8. Aufl., [X.]. § 60 Rn. 40; [X.], GmbHR 1988, 209, 212 f.; [X.], [X.] 2019, 212, 213).

Der [X.] hat die Frage bislang nicht entschieden. Er hat allerdings, nachdem er in einer früheren Entscheidung ausdrücklich offengelassen hat, ob im Fall eines berechtigten Interesses an einer Abwicklungsmaßnahme auch bei Vermögenslosigkeit der [X.] eine Nachtragsliquidation entsprechend § 273 Abs. 4 AktG oder aber eine Bestellung entsprechend § 74 Abs. 2 Satz 2 GmbHG oder analog § 1913 BGB in Betracht kommt ([X.], Urteil vom 10. Oktober 1988 - [X.], [X.]Z 105, 259, 262), später die Durchführung einer Nachtragsliquidation auch in diesem Fall für angezeigt erachtet ([X.], Urteil vom 2. Dezember 2009 - [X.], NJW-RR 2010, 544 Rn. 18). Auch nach der Rechtsprechung des [X.] setzt eine Abwicklungsmaßnahme im Sinne des § 273 Abs. 4 AktG nicht voraus, dass noch Vermögen vorhanden ist; sie kann zum Beispiel lediglich im Interesse eines Gläubigers erfolgen ([X.], 389, 392).

cc) Ob sonstige Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug bei einer vermögenslosen [X.] der Beendigung der Liquidation entgegenstehen, bedarf hier keiner Entscheidung, weil es bereits an einem berechtigten Interesse des Finanzamts an einer weiteren Beteiligung der Antragstellerin in den Einspruchsverfahren fehlt, das die Erforderlichkeit weiterer Abwicklungsmaßnahmen begründen könnte.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]s sind Abwicklungsmaßnahmen immer dann durchzuführen, wenn daran ein berechtigtes Interesse besteht ([X.], Urteil vom 10. Oktober 1988 - [X.], [X.]Z 105, 259, 262). Eine bereits gelöschte [X.] ist daher im Fall eines berechtigten Interesses des Gläubigers an einer von ihr abzugebenden Erklärung zum Zweck der prozessualen Durchsetzung dieses Anspruchs als existent anzusehen ([X.], Urteil vom 26. April 2001 - [X.], [X.] 2001, 1089, 1090; siehe auch [X.], 125, 129).

(2) Da - wie oben ausgeführt - davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin die ihr obliegenden Erklärungspflichten nach § 153 Abs. 3 [X.], § 13a Abs. 4, § 13b Abs. 10 [X.] erfüllt hat, kann dahinstehen, ob ein berechtigtes Interesse des Finanzamts zu bejahen wäre, wenn die Antragstellerin diesen Pflichten noch nicht nachgekommen wäre.

(3) Die damit allein verbleibende Beteiligung der Antragstellerin zum Zweck der Bekanntgabe der [X.], d.h. der rein passiven Entgegennahme der Zustellungen, begründet kein berechtigtes Interesse des Finanzamts an einem Fortbestehen der [X.].

(a) Eine Kapitalgesellschaft bleibt auch nach ihrer Löschung im [X.] beteiligtenfähig. Denn die [X.] richtet sich nicht nach der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, sondern nach der [X.]. [X.] besteht eine GmbH nach ständiger Rechtsprechung des [X.] trotz ihrer Löschung im Handelsregister weiter fort, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (vgl. [X.], 389, 392 mwN; [X.] 2004, 670, 671; [X.], 174 Rn. 32; [X.] 2022, 24 Rn. 17; ferner [X.], GmbHR 2022, 487 Rn. 9). Die Löschung der [X.] im Register steht auch ihrer Beiladung nicht entgegen ([X.] 2022, 24 Rn. 17). Da die GmbH mit der Löschung nicht aus dem [X.] ausscheidet, ist ein Aufschub der Löschung unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.

Die [X.] bleibt auch bestehen, soweit es die Bekanntgabe der [X.] gegenüber der Antragstellerin betrifft. Diese richtet sich gemäß § 153 Abs. 5 [X.], § 181 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1, §§ 365, 366 [X.] nach § 122 [X.]. Für die Finanzverwaltung ist damit Ziffer 2.8.3.2. des [X.]es zur Abgabenordnung vom 1. Januar 2014 (BStBl. I 2014 S. 290; im Folgenden: AE[X.] 2014) zu § 122 [X.] anwendbar. Auch danach gilt eine im Handelsregister gelöschte juristische Person steuerrechtlich so lange als fortbestehend, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat. Nach der im [X.] in Bezug genommenen Entscheidung des [X.] ist eine Kapitalgesellschaft steuerrechtsfähig, solange ihre Rechtsbeziehungen zur Finanzbehörde nicht vollständig abgewickelt sind, sie steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder ihr gegenüber ergangene Bescheide angreift (vgl. [X.]E 169, 294, 296 f.; siehe auch [X.] in Tipke/[X.], [X.], Stand 2.2019, § 33 [X.] Rn. 49; [X.], [X.], Stand 1.6.2021, § 33 [X.] Rn. 43 f.). Dabei gehören zu den das [X.]sverhältnis betreffenden steuerrechtlichen Rechtsbeziehungen alle Verpflichtungen, durch die eine [X.] zum Steuerpflichtigen im Sinne des § 33 [X.] wird (vgl. [X.]E 169, 294, 297). Danach ist die Antragstellerin nicht nur bis zur Abgabe ihrer Feststellungserklärung nach § 153 Abs. 1 und 3 [X.], sondern darüber hinaus auch noch bis zur Beendigung ihrer Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren der Liquidatorin und ihres eigenen Einspruchsverfahrens steuerrechtsfähig (§ 154 Abs. 2 [X.]; vgl. [X.], 389, 392).

(b) Die Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an die Antragstellerin ist auch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids gegenüber der Liquidatorin.

Die Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Feststellungsbescheids an einen Empfänger und die Verbindlichkeit des Bescheids diesem gegenüber sind jeweils für sich unabhängig von der Bekanntgabe des Bescheids an andere Adressaten zu beurteilen (vgl. [X.]E 152, 10, 13; 234, 107 Rn. 31 f.). Das gilt auch für die Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an die Antragstellerin nach § 154 Abs. 2 [X.] und der Entscheidung über den diesbezüglichen Einspruch der Liquidatorin an die Antragstellerin (§ 365 Abs. 1 [X.]). Der Anteilsinhaber hat kein subjektives Recht, dass der Feststellungsbescheid nach § 154 Abs. 2 [X.] auch der Kapitalgesellschaft bekannt gegeben wird. Es handelt sich lediglich um eine objektive Verpflichtung der Finanzbehörde; ein Einspruch wäre insoweit unzulässig (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.], [X.], Stand 1.5.2014, § 154 [X.] Rn. 26). Gegenteiliges wird auch vom Finanzamt hier nicht geltend gemacht.

(c) Ein berechtigtes Interesse des Finanzamts an einem Fortbestehen der Antragstellerin ergibt sich auch unter Berücksichtigung der gebotenen Einheitlichkeit der Feststellungsentscheidung (§ 154 Abs. 1 Satz 2 [X.]) nicht aus dem Gesichtspunkt der formellen Bestandskraft der [X.] (auch) gegenüber der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hat durch ihren Löschungsantrag zu erkennen gegeben, dass ihrerseits an einer weiteren Beteiligung am Steuerverfahren einschließlich der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen das Ergebnis der Wertfeststellung kein Interesse besteht; ein solches Interesse ist - insbesondere mangels Vermögensrelevanz der Feststellung (s.o.) - auch sonst nicht ersichtlich.

Selbst wenn man insoweit ein berechtigtes Interesse des Finanzamts bejahen wollte, könnte dem nach Ziffer 2.8.3.2. AE[X.] 2014 zu § 122 [X.] auch dadurch Rechnung getragen werden, dass vor der Löschung ein Bevollmächtigter der [X.] bestellt wird, dessen Bevollmächtigung auch die Entgegennahme von Entscheidungen der Finanzbehörde umfasst.

Für die Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch der Antragstellerin gegen ihre Hinzuziehung nach § 360 Abs. 3 [X.] gilt nichts anderes. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.]s zum Fortbestehen der [X.] bei anhängigen Aktiv- oder Passivprozessen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2010 - [X.], GmbHR 2011, 83 Rn. 22 mwN). Wie oben ausgeführt berühmt sich die Antragstellerin in diesem Einspruchsverfahren weder eines vermögenswerten Anspruchs, noch steht ihr im Fall ihres Obsiegens ein Kostenerstattungsanspruch zu. Soweit sie die Aufhebung ihrer Hinzuziehung erreichen will, um ein darin möglicherweise liegendes Löschungshindernis zu beseitigen, entfällt dieses Interesse mit ihrer Löschung.

(d) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Löschung nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GmbHG zwar, wie das Beschwerdegericht zutreffend angemerkt hat, andere Voraussetzungen hat als eine von Amts wegen erfolgende Löschung wegen Vermögenslosigkeit der [X.] gemäß § 394 Abs. 1 FamFG, die insbesondere kein Liquidationsverfahren voraussetzt. Auch wenn die Vermögenslosigkeit und geschäftliche Inaktivität der [X.] im Fall des § 74 Abs. 1 GmbHG (nur) Folge der durchgeführten Liquidation sein können, greift aber der einer Löschung nach § 394 Abs. 1 FamFG zugrundeliegende Zweck, das Handelsregister zum Schutz des Rechtsverkehrs von vermögenslosen [X.]en zu bereinigen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], FamFG, 4. Aufl., § 394 Rn. 1.2; [X.], FamFG, 20. Aufl., § 394 Rn. 1; [X.], FamFG, 5. Aufl., § 394 Rn. 2), auch in diesem Fall (vgl. [X.], [X.] 2010, 431, 432; v. [X.], [X.] 2017, 185, 186). Hinzu kommt, dass die [X.] bis zur Löschung als Liquidationsgesellschaft mit allen Rechten und Pflichten fortbesteht und damit, trotz Abschluss ihrer vermögensbezogenen Liquidationsmaßnahmen, auch die dafür anfallenden Kosten, etwa für die Erstellung von Bilanzen, Kammerbeiträge sowie Rechts- und Steuerberatungskosten, zu tragen hat (vgl. [X.], GmbHR 2022, 257, 260; siehe auch [X.], GmbHR 2020, 1263 Rn. 29 f.).

(e) Stellt die noch ausstehende Bekanntgabe der [X.] an die Antragstellerin danach keine sonstige Abwicklungsmaßnahme dar, die der Beendigung ihrer Liquidation entgegensteht, greift auch das Argument des [X.] nicht, dass im Fall ihrer Löschung noch eine Nachtragsliquidation entsprechend § 273 Abs. 4 AktG für den Abschluss der steuerrechtlichen Einspruchsverfahren erforderlich werden könnte.

4. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die für die Eintragung der Löschung der Antragstellerin maßgeblichen weiteren Voraussetzungen bislang nicht festgestellt sind. Da diese Feststellung zweckmäßigerweise durch das Registergericht erfolgt, ist die Sache an dieses zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).

[X.]     

      

B. Grüneberg     

      

V. Sander

      

von Selle     

      

C. Fischer     

      

Meta

II ZB 11/21

17.05.2022

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 27. April 2021, Az: 2 W 94/21

§ 74 Abs 1 S 2 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.05.2022, Az. II ZB 11/21 (REWIS RS 2022, 2847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2847 WM 2022, 1335 REWIS RS 2022, 2847 MDR 2022, 1225-1226 REWIS RS 2022, 2847

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