Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.06.2022, Az. B 1 KR 41/22 B

1. Senat | REWIS RS 2022, 5520

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Bezeichnung - Prozessurteil statt Sachurteil - Klageerhebungswille trotz untypischem Erscheinungsbild der Klageschrift und fehlender örtlicher Zuständigkeit des SG - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Berichtigung des Passivrubrums - Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswerts - Abgrenzung der fehlerhaften Beteiligtenbezeichnung von der irrtümlichen Benennung einer falschen Person als Beteiligter - Angabe des Institutionskennzeichens


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30. März 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3598,66 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die (teilweise) Erstattung der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

2

Am 7.11.2018 ist beim [X.] ein als "Klage" bezeichnetes Schreiben der [X.] eingegangen. Es enthält ein Rubrum, in dem die [X.] als Klägerin und als Beklagte das [X.], Forschung und Technologie des [X.] bezeichnet sind, nähere Angaben zum Gegenstand der Klage, einen Klageantrag sowie eine kurze Begründung. Ebenfalls angegeben sind ein [X.] ([X.]) mit dem Vermerk "[X.]", der Versicherte, die Versichertennummer ([X.]), der Rückforderungsbetrag und der Behandlungszeitraum. Die Angaben befinden sich teilweise in grau hinterlegten Textfeldern. Das Schreiben trägt weder Briefkopf noch Datum, der zuständige Sachbearbeiter und Verfasser ist nicht angegeben und das Schreiben trägt auch keine Unterschrift. Das [X.] ist benannt, ergänzend ist aber nur dessen Fax-Nummer angegeben. Das [X.] hat den Rechtstreit an das [X.] verwiesen (Beschluss vom [X.]). Mit Schriftsatz vom [X.] hat die inzwischen anwaltlich vertretene [X.] beantragt, das Passivrubrum zu berichtigen und in [X.] E (AöR) zu ändern, hilfsweise die Klage im Wege der Klageänderung entsprechend umzustellen. Das [X.] hat die [X.] darauf hingewiesen, es bestünden bereits Zweifel an einer wirksamen Klagerhebung. Die begehrte Berichtigung des Rubrums sei ausgeschlossen. Eine Beklagtenstellung des [X.]s E (AöR) lasse sich nur über die hilfsweise erklärte subjektive Klageänderung erreichen, für die die bisherige Beklagte ihre Zustimmung verweigert habe. Die [X.] hat daraufhin erklärt, sie halte an der [X.] subjektiven Klageänderung nicht mehr fest. Das [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, sie sei bereits nicht wirksam erhoben worden. Eine Berichtigung des [X.] scheide aus, da keine bloße Falschbezeichnung, sondern ein Irrtum vorliege (Gerichtsbescheid vom 19.7.2021).

3

Im Berufungsverfahren hat die [X.] beantragt, den Gerichtsbescheid des [X.] zu ändern, das Passivrubrum von Amts wegen zu ändern und das [X.] E (AöR), vertreten durch den Vorstand, als Beklagte zu führen, hilfsweise, die Klage im Wege der Klageänderung auf das [X.] E (AöR), vertreten durch den Vorstand, umzustellen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3598,66 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.10.2018 zu zahlen. Das L[X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Der erforderliche Klageerhebungswille sei objektiv anhand des Schreibens vom 7.11.2018 nicht erkennbar gewesen. Zwar sei für dessen Vorliegen keine Unterschrift erforderlich; er könne auch auf andere Weise ersichtlich sein. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts seien aber höhere Anforderungen zu stellen als bei natürlichen Personen. In der Gesamtschau sei danach nur von einem Entwurf auszugehen. Hierfür spreche die Formatierung mit grau hinterlegten Textteilen und das Fehlen eines Briefkopfes, aus dem der Urheber des Schreibens hervorgehe. Eine Auslegung späterer Schriftsätze als Klageerhebung komme wegen der Ausschlussfrist des § 325 [X.]B V auch im Interesse der Klägerin nicht in Betracht; sie sei im Übrigen ohnehin fernliegend. Mangels wirksamer Klageerhebung schieden sowohl eine Berichtigung des [X.] als auch eine (rückwirkende) Klageänderung aus (Urteil vom 30.3.2022).

4

Die [X.] beantragt erneut die Änderung des [X.] von Amts wegen und [X.]det sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.].

5

II. Die zulässige Beschwerde der klagenden [X.] ist begründet. Das Urteil des L[X.] beruht auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G; dazu 2.), den die [X.] entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G bezeichnet (dazu 1.). Die ausdrücklich erhobene Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist dagegen unzulässig (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G; dazu 3.). Dies eröffnet dem Senat die Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das L[X.] nach § 160a Abs 5 [X.]G (dazu 4.). Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des [X.] von Amts wegen im [X.] liegen nicht vor (dazu 5.).

6

1. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision nur zuzulassen, [X.]n ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die [X.] bezeichnet den geltend gemachten Verfahrensmangel der gebotenen Sachentscheidung über eine nach §§ 90, 92 [X.]G wirksam erhobene, zulässige Klage anstelle des ergangenen Prozessurteils hinreichend.

7

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] die ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht (stRspr; vgl B[X.] vom [X.] - B 9 V 37/21 B - juris RdNr 8; B[X.] vom [X.] [X.]/16 B - juris Rd[X.]2; B[X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]4). Diese Begründungsanforderungen erfüllt die Beschwerde der [X.]. Die [X.] hat zwar ausdrücklich nur eine Grundsatzrüge erhoben. Die von § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G geforderte Bezeichnung des [X.] erfordert allerdings nicht, dass der gerügte Verfahrensmangel ausdrücklich als Verfahrensmangel bezeichnet, also ausdrücklich die Rüge eines [X.] erhoben wird. Denn auch sich auf einen Verfahrensmangel beziehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung und deren Begründungen können implizit zugleich Verfahrensmängel bezeichnen. Dies ist hier der Fall. Die [X.] macht geltend, das L[X.] habe ihr unter Berufung auf die Voraussetzungen der §§ 90, 92 [X.]G den Rechtsweg abgeschnitten. Sie begründet auch ausführlich, warum das L[X.] aufgrund der konkreten Umstände einen Klageerhebungswillen nicht hätte verneinen dürfen und zu einer Entscheidung in der Sache hätte gelangen müssen.

8

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das L[X.] hätte in der Sache entscheiden müssen. Das Ergehen eines Prozessurteils anstatt des gebotenen [X.] ist ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G (stRspr; vgl nur B[X.] vom 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 - B[X.]E 1, 283; B[X.] vom 19.5.2021 - [X.] [X.]/20 B - juris RdNr 6). Von einem fortwirkenden Verfahrensmangel ist auszugehen, [X.]n anstelle eines erstinstanzlichen Prozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und das L[X.] das Prozessurteil des [X.] bestätigt (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 8/19 B - RdNr 6 mwN). So liegt der Fall hier. Das L[X.]-Urteil beruhte auch auf diesem Verfahrensmangel.

9

Zwar ergibt sich die fehlende Sachentscheidung nicht bereits aus dem Tenor des angefochtenen Urteils, mit dem das L[X.] die Berufung "zurückgewiesen" hat. Um den Sinn der Urteilsformel zu ermitteln, sind die Entscheidungsgründe aber mit heranzuziehen (so zu einem vergleichbaren Fall bereits B[X.] vom 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 - B[X.]E 1, 283, 285). Danach hat hier das L[X.] teilweise unter Bezugnahme auf die Gründe des [X.] schon die Rechtshängigkeit einer Klage durch den am 7.11.2018 eingegangenen Schriftsatz der [X.] verneint. Damit hat es nicht zur Sache entschieden, sondern ein Prozessurteil erlassen (vgl zum ähnlich gelagerten Fall der fehlerhaften Feststellung der Klagerücknahme als Verfahrensfehler B[X.] vom 14.5.2020 - [X.] [X.]/19 B - juris RdNr 9; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 50/17 B - juris RdNr 4; beide Entscheidungen zur Klagerücknahmefiktion; [X.] vom 11.7.2007 - [X.]/07 - [X.]E 218, 20 = juris Rd[X.]3 f). Zu Unrecht ist das L[X.] hierbei davon ausgegangen, es sei nicht feststellbar, dass die [X.] an diesem Tag den Willen zur Erhebung der Klage gehabt habe.

Ob und in welchem Umfang eine Klage erhoben ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, für die die Auslegungsregel des § 133 BGB gilt. Hierfür sind auch die in der Klageschrift enthaltenen Angaben zu berücksichtigen. Fehlt es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des Gewollten, hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass der Kläger die Zweifel beseitigt. Ist dies nicht mehr rechtzeitig möglich, ist rechtlich maßgebender Erklärungsinhalt der Wille des Erklärenden, [X.]n er innerhalb der Klagefrist in der Erklärung einen erkennbaren [X.]n auch unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, dh wie das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller ihnen erkennbaren Umstände das [X.] verstehen müssen (vgl B[X.] vom [X.] - B 12 KR 22/05 R - juris Rd[X.]9 mwN; [X.] vom 12.5.1981 - VIII R 24/78 - juris Rd[X.]0).

Nach diesem Maßstab handelt es sich bei dem am 7.11.2018 beim [X.] eingegangenen Schreiben um eine von der [X.] willentlich an das [X.] gesandte Klageschrift und nicht bloß um einen Entwurf. Ungeachtet des ungewöhnlichen Erscheinungsbildes erfüllt das Schreiben alle an eine Klageschrift nach dem [X.]G zu stellenden Anforderungen. Das Schreiben der [X.] vom 7.11.2018 ist als Klage bezeichnet und sollte nach § 57 Abs 1 Satz 2, § 90 [X.]G bei dem für vermeintlich zuständig gehaltenen [X.] eingehen (dazu a). Es enthält sämtliche von § 92 Abs 1 Satz 1 [X.]G geforderten Muss-Angaben sowie weitere [X.] (dazu b). Auch aus dem untypischen Erscheinungsbild der Klageschrift kann nicht abgeleitet werden, dass der [X.] der Klageerhebungswille fehlte. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die formalen Besonderheiten allein den allgemein bekannten, außergewöhnlichen Umständen des Zustandekommens des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals ([X.] vom 11.12.2018, [X.]) geschuldet sind. Dies war für die Vorinstanzen und das beklagte Krankenhaus erkennbar (dazu c).

a) Die Klage ist nach § 90 [X.]G bei dem zuständigen Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Wird sie - wie hier - bei einem örtlich unzuständigen Gericht erhoben, ergibt sich die Rechtshängigkeit aus § 94 Satz 1, § 98 Satz 1 [X.]G iVm § 17b Abs 1 Satz 2 GVG.

§ 57 Abs 1 Satz 1 [X.]G bestimmt ua, dass örtlich zuständig das [X.] ist, in dessen Bezirk der Kläger zur [X.] der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat. Im Falle einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist es der in der Satzung bestimmte Rechtssitz. Weicht davon der Verwaltungssitz ab, kommt es nach § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 17 Abs 1 Satz 2 ZPO nur dann auf ihn an, "[X.]n sich nichts anderes ergibt" (vgl B[X.] vom 8.10.1981 - 2 RU 20/81 - B[X.]E 52, 203, 205 f = [X.] 1500 § 57 [X.] f). Die Ausnahmeregelung des § 57 Abs 1 Satz 2 [X.]G greift hier nicht ein, wonach der Sitz der juristischen Person des Privatrechts maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit des [X.] ist, [X.]n eine Körperschaft des öffentlichen Rechts klagt. Hier klagt eine [X.] als öffentlich-rechtliche Körperschaft gegen das [X.], das ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft ist. Der hier maßgebliche satzungsmäßige Sitz der klagenden [X.] ist B, für das das [X.] zuständig ist, an das das [X.] zu Recht den Rechtsstreit verwiesen hat.

Unschädlich für den Klageerhebungswillen ist hingegen, dass die [X.] die Klage beim örtlich unzuständigen [X.] erhoben hat. Entscheidend ist allein, dass die [X.] bei diesem Gericht eine Klage erheben wollte. Dies ist hier der Fall. Das Schreiben vom 7.11.2018 ist ausdrücklich als "[X.]" bezeichnet.

b) Die Klage muss nach § 92 Abs 1 Satz 1 [X.]G den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dies ist hier der Fall. Die Angaben der [X.] sind sehr präzise und bestimmen den Streitgegenstand klar. Benannt werden als Klägerin "VIACTIV Krankenkasse, vertreten durch ihren Vorstand [X.], B" und als Beklagte "[X.], Forschung und Technologie des [X.]" mit Adresse. Außerdem werden die genaue Höhe des [X.] (3598,66 Euro), der Name des Versicherten mit Geburtsdatum, der Behandlungszeitraum und die "[X.]" zur Individualisierung des Sachverhalts angegeben.

Das Schreiben enthält außerdem einen ausdrücklichen, konkret formulierten Klageantrag (Soll-Angabe nach § 92 Abs 1 Satz 3 [X.]G). Die Klage ist, [X.]n auch knapp, begründet. Die [X.] habe ohne Rechtsgrund 3598,66 Euro gezahlt. Deshalb stehe ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Das Schreiben schließt mit dem Satz: "Die weitere Begründung der Klage erfolgt zeitnah."

Unerheblich ist die fehlende Unterschrift. Denn § 92 Abs 1 Satz 3 [X.]G bestimmt nur, dass die Klage vom Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und [X.]angabe unterzeichnet sein soll, aber nicht muss. Gleiches gilt für die nähere Darlegung der Tatsachen zur Begründung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs (Soll-Angabe nach § 92 Abs 1 Satz 4 [X.]G).

c) Die klagende [X.] sah sich durch das Vorgehen des Gesetzgebers bei der Verkürzung der Verjährungsregelungen durch das Pp[X.] im Gesetzgebungsverfahren mit der Aufgabe konfrontiert, binnen [X.]iger Tage [X.] durch mehrere hundert Klagen bis zum 9.11.2018 rechtshängig zu machen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, nachdem der entsprechende Änderungsantrag erst zwei Tage zuvor im [X.] eingebracht worden war. Dies dürfte einzelne formale Mängel im Erscheinungsbild der Klageschrift erklären.

Art 7 Nr 8a (§ 109 Abs 5 [X.]B V) und [X.] (§ 325 [X.]B V aF) des Pp[X.] bestimmen:

 "§ 109 Abs 5 [X.]B V: Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des [X.], in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend."

        

"§ 325 [X.]B V aF: Die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ist ausgeschlossen, soweit diese vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind und bis zum 9. November 2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden."

Diese Regelungen beruhten auf im [X.] zum Entwurf des Pp[X.] eingebrachten Änderungsanträgen der Fraktionen der [X.] und der [X.] vom 5.10.2018 ([X.] 19[14]38.1). Ein Änderungsantrag betraf die Verkürzung der Verjährung nach § 109 Abs 5 [X.]B V. Diese Änderung sollte auch rückwirkend und ohne Übergangsvorschrift wirksam werden, sodass vor 2017 entstandene Ansprüche im [X.]punkt des Inkrafttretens des Pp[X.] zum 1.1.2019 verjährt wären. Der [X.] übernahm in seinen Empfehlungen diesen Antrag im Wesentlichen, änderte ihn aber insoweit ab, als er die Rückwirkung der neuen Verjährungsregelung nur für Forderungen der [X.]n und in einem neuen § 325 [X.]B V eine "Übergangsregelung" vorsah, die es den [X.]n ermöglichte, bis zum [X.] des Pp[X.] vor 2017 entstandene Ansprüche bei den [X.]en verjährungshemmend rechtshängig zu machen (BT-Drucks 19/5593 [X.]). Die [X.] datiert vom 7.11.2018, die 2./3. Lesung erfolgte am 9.11.2018. Die Übergangsfrist betrug danach genau zwei Tage.

Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs und des damit einhergehenden enormen [X.]drucks, der auf den [X.]n lastete, war es nachvollziehbar, dass es nicht allen [X.]n gelingen werde, die in großer Zahl zu erstellenden Klageschriften in der erwarteten formalen Qualität zu fertigen. Der [X.]druck geht hier insbesondere aus den Textbausteinen mit ihren grau hinterlegten Freifeldern hervor, die individuell ausgefüllt werden mussten und von der [X.] auch ausgefüllt wurden. Die Klageschrift lässt ihrem Inhalt nach keinen Zweifel an dem Willen der [X.] erkennen, am 7.11.2018 einen bestimmten Anspruch auf Erstattung gezahlter Behandlungskosten gegen den Beklagten gerichtlich durchsetzen zu wollen. Gerade der [X.]punkt des Zugangs des Schreibens beim [X.] spricht maßgeblich dafür, dass es der [X.] darum ging, innerhalb des vorgenannten engen zeitlichen Korridors ihre Rechte zu wahren. Hinzu kommt, dass nicht bloß die hier vorliegende Klageschrift, sondern zumindest etliche Erstattungsforderungsklagen der klagenden [X.], die im [X.]fenster bis zum 9.11.2018 bei Gericht eingingen, dasselbe ungewohnte formale Erscheinungsbild hatten. Dies steht der Annahme entgegen, dass das vorliegende Schreiben vom 7.11.2018 durch ein Versehen zum [X.] gelangt sein könnte. All dies war hier für die Gerichte und das beklagte Land erkennbar. Hingegen sind sonstige Umstände nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, weshalb die [X.] einen Grund gehabt haben könnte, die Verjährung der von ihr behaupteten Erstattungsforderung eintreten zu lassen.

3. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] Rd[X.]7 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs [X.] vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die [X.] formuliert als Rechtsfragen:

        

1) Steht die Ver[X.]dung von erkennbaren Textbausteinen/ auszufüllenden Feldern im Rubrum einer Klageschrift einer ordnungsgemäßen Klageerhebung gem. §§ 90, 92 [X.]G entgegen?

        

2) Kann aus dem Erscheinungsbild einer Klageschrift, das auf Ver[X.]dung erkennbarer Textbausteine/ auszufüllender Felder basiert, und eines fehlenden Datums hergeleitet werden, dass kein ernsthafter Wille besteht, Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen, soweit die nach § 92 [X.]G erforderlichen "Muss"-Bestandteile einer Klageschrift erfüllt sind?

Die [X.] verweist auf höchstrichterliche Rechtsprechung (B[X.] vom [X.] - B 12 KR 22/05 R - juris). Sie setzt sich aber nicht mit der weiteren höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander (vgl dazu 2.). Sie zeigt keine eventuell verbliebene Klärungsbedürftigkeit auf. Mit den (Rechts-)Fragen greift die [X.] in der Sache nur die Auslegung der Klageschrift durch das L[X.] an. Die richtige Subsumtion eines Sachverhalts unter verfahrensrechtliche Regelungen und der sie [X.] höchstrichterlichen [X.] hat selbst dann keine grundsätzliche Bedeutung, [X.]n es eine Vielzahl gleichgelagerter rechtshängiger Sachverhalte gibt. Die unrichtige An[X.]dung von geklärten Verfahrensregelungen ist allein Gegenstand der Verfahrensrüge.

4. Nach § 160a Abs 5 [X.]G kann das B[X.] in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückverweisen, [X.]n die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

5. Es kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Antrag auf Berichtigung des Rubrums im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision prozessrechtlich nachgegangen werden kann. Insoweit mag ein Antrag auf Urteilsberichtigung nach § 138 [X.]G vorrangig sein (vgl B[X.] vom 10.1.2005 - [X.] U 294/04 B - juris). Jedenfalls im vorliegenden Fall kommt eine erneute Berichtigung des [X.] aber von vornherein nicht in Betracht (vgl zu einem gleich gelagerten Fall B[X.] vom [X.] - B 1 KR 23/22 B). Ist der Beklagte falsch bezeichnet, aber erkennbar, gegen [X.] sich die Klage richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen (vgl BVerwG vom [X.] - 8 C 98.85 - [X.] 401.71 AFWoG [X.] = juris Rd[X.]2). Demgemäß hat bereits das [X.] in seinem Verweisungsbeschluss das Passivrubrum zu Recht von Amts wegen berichtigt und das von der [X.] als Beklagten benannte [X.] durch das [X.] als dessen Rechtsträger ersetzt (§ 70 [X.] [X.]G; zur landesrechtlichen Aufgabe des Behördenprinzips nach § 70 [X.] [X.]G: Außerkrafttreten des § 3 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande [X.], [X.] 1953, 412, zum 1.1.2011).

Die Universitätskliniken in [X.] sind nach § 31a Abs 2 des Gesetzes über die Hochschulen des [X.] (Hochschulgesetz ) vom 16.9.2014 ([X.] [X.]7) Anstalten des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit und damit von dem in der Klageschrift als Beklagten bezeichneten [X.] und auch vom [X.] als dessen Rechtsträger zu unterscheiden. Die erste Rubrumsberichtigung ist insoweit nicht ihrerseits fehlerhaft erfolgt. Die [X.] hat das [X.] E (AöR) durch den Beklagten in der Klageschrift nicht lediglich falsch bezeichnet.

Auch für die Frage, wer nach dem Willen des [X.] Beklagter sein soll, ist der objektive Erklärungswert entscheidend, dh wie das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller ihnen erkennbaren Umstände das [X.] verstehen müssen (vgl [X.] vom [X.] - AP [X.]8 zu § 4 [X.] 1969 = juris RdNr 25). Für die Ermittlung der Beteiligten durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen den in Wahrheit gemeinten Beteiligten nicht an dessen fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, [X.]n diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, [X.]n statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welcher Beteiligte tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften Beteiligtenbezeichnung zu unterscheiden ist dagegen die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Beteiligter; diese wird Beteiligter, weil es entscheidend auf den Willen des [X.] so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (vgl [X.] vom [X.] - [X.] - [X.], 420, Rd[X.]3). Hierbei sind jedenfalls ergänzend auch die Angaben des [X.] im Prozess dann zu berücksichtigen, [X.]n sie sich im Einklang mit den sich aus der Klageschrift ergebenden objektiven Umständen befinden. Entscheidend ist damit die Wahrung der rechtlichen Identität zwischen dem ursprünglich bezeichneten und dem tatsächlich gemeinten Beklagten. Bleibt der Beklagte nicht derselbe, schließt dies eine Rubrumsberichtigung aus, weil dann mit dem Rubrumsberichtigungsantrag im Wege des [X.] ein anderer Beklagter in den Prozess eingeführt werden soll (vgl [X.] vom 21.2.2002 - 2 [X.] - EzA § 4 nF [X.] Nr 63 = juris Rd[X.]8). So verhält es sich hier.

Die Klageschrift bezeichnete vorliegend als Beklagten ausdrücklich und eindeutig das [X.] für Kultur und Wissenschaft des [X.] unter seiner früheren Bezeichnung (umbenannt durch Abschnitt 1 [X.].2.1 der Bekanntmachung über Änderungen der Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden vom 17.8.2005, [X.] S 732). Der Klageschrift waren keine Unterlagen und Rechnungen oder sonstige Anlagen beigefügt, die zur Auslegung dieser Angabe heranzuziehen gewesen wären. Auch eine Verwaltungsakte der [X.] war der Klage nicht beigefügt. Die [X.] trägt zudem selbst vor, dass sie versucht habe, den Rechtsträger zu ermitteln und dabei angesichts des [X.]drucks auf die - falschen - Angaben des Internetportals [X.] zurückgegriffen habe. Dort sei als Rechtsträger das [X.], Forschung und Technologie des [X.] ausgewiesen gewesen (das [X.] wird auch weiterhin als Rechtsträger ausgewiesen, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat).

Die [X.] wollte danach zwar den Rechtsträger des Krankenhauses verklagen, befand sich jedoch im Irrtum über dessen organisatorisch-rechtliche Ausgestaltung. Hieran ändert auch die Angabe der [X.] des Krankenhauses in der Klageschrift nichts. Nach § 293 Abs 6 [X.]B V führen der [X.] [X.]n und die [X.] ein bundesweites Verzeichnis der Standorte der nach § 108 [X.]B V zugelassenen Krankenhäuser und ihrer Ambulanzen. Das [X.] gibt zwar nicht unmittelbar und ohne Weiteres Aufschluss über den Rechtsträger des Krankenhauses (vgl zu ähnlichen Konstellationen L[X.] Berlin-Brandenburg vom 10.6.2021 - [X.] 424/20 - juris RdNr 21; L[X.] Berlin-Brandenburg vom 22.1.2021 - [X.] 370/19 - juris Rd[X.]9). Das [X.] ist kein Rechtsträgerkennzeichen. Mit ihm lässt sich aber der Rechtsträger des Krankenhauses relativ schnell ermitteln. Die [X.] hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, einen bestimmten, [X.]ngleich den falschen Rechtsträger dem [X.] zuzuordnen, also sich eine Auffassung über den vermeintlich richtigen Beklagten gebildet und diese zum Ausdruck gebracht. Die [X.] hat dagegen nicht den sicheren Weg gewählt, den richtigen Beklagten allein durch die [X.] zu umschreiben. Angesichts der häufig [X.]ig transparenten Konzernstrukturen, in die Krankenhausträger eingebunden sind, bestehen in Zweifelsfällen gegen eine solche Vorgehensweise keine durchgreifenden Bedenken.

Das L[X.] wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die seitens der [X.] hilfsweise beantragte Klageänderung zu entscheiden haben. Hierüber hat es in seinem von der [X.] angegriffenen Urteil bislang nicht entschieden.

5. Die Kostenentscheidung bleibt dem L[X.] vorbehalten. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

[X.]                [X.]

Meta

B 1 KR 41/22 B

22.06.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dortmund, 19. Juli 2021, Az: S 78 KR 154/19, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 57 Abs 1 S 1 SGG, § 57 Abs 1 S 2 SGG, § 90 SGG, § 92 Abs 1 S 1 SGG, § 92 Abs 1 S 3 SGG, § 92 Abs 1 S 4 SGG, § 94 S 1 SGG, § 98 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 17 Abs 1 S 2 ZPO, § 17b Abs 1 S 2 GVG, § 109 Abs 5 SGB 5, § 293 Abs 6 SGB 5, § 325 SGB 5 vom 11.12.2018, PpSG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.06.2022, Az. B 1 KR 41/22 B (REWIS RS 2022, 5520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5520

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Bezeichnung - Berichtigung des Passivrubrums - Maßgeblichkeit des …


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Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Bezeichnung - Prozessurteil statt Sachurteil - Klageerhebungswille trotz …


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1 BvR 2856/07

VII ZR 128/12

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