Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.01.2012, Az. IX R 34/10

9. Senat | REWIS RS 2012, 9854

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Gegenstand

Darlehensgewährung in der Krise


Leitsatz

NV: Die Kreditunwürdigkeit einer GmbH kann sich auch daraus ergeben, dass die für die Geschäftsführung der GmbH erforderlichen Kreditaufnahmen ohne zusätzliche selbstschuldnerische Bürgschaften der Gesellschafter nicht möglich sind.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe eines [X.]es i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Gesellschafter der GmbH. Insgesamt wandte er originäre Anschaffungskosten von 127.823 € für diese Beteiligung auf.

3

Die [X.] hatte der GmbH im Februar 1995 einen Kontokorrentkredit über 2.000.000 [X.] gewährt. [X.]ur Absicherung hatte die GmbH ihre Ansprüche aus dem [X.] vom Dezember 1994 (19.156.940 [X.]) in Höhe von 2.000.000 [X.] abgetreten; auch hatten der Kläger sowie [X.] --zu der [X.]eit der weitere Gesellschafter-- im Januar 1995 selbstschuldnerische Bürgschaften von je 2.000.000 [X.] erteilt. Darüber hinaus hatte die [X.] einen weiteren Kredit über 8.300.000 [X.] (Juni 1995) gewährt, zu dessen Absicherung die GmbH Grundschulden an ihrem Objekt [X.] (7) eingeräumt (8.300.000 [X.]) und der Kläger sowie [X.] Bürgschaften von jeweils 3.300.000 [X.] (Juli 1995) eingegangen waren. Über diese beiden Bürgschaften hinaus gewährte der Kläger der [X.] im Juni 1999 eine weitere Bürgschaft von 150.000 [X.] zur Sicherung des Geschäftskontos.

4

Am 1. März 2004 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die [X.] kündigte schon im Januar 2004 die Geschäftsverbindung fristlos und nahm den Kläger in der Folge aus den Bürgschaften auf [X.]ahlung von 1.100.000 € in Anspruch; dieser Betrag wurde im Streitjahr (2006) entrichtet.

5

Im Verfahren 15 K 3952/06 E des Finanzgerichts ([X.]) verständigten sich die Beteiligten dahin, den [X.] von § 17 EStG zeitlich im Streitjahr zu berücksichtigen.

6

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den [X.] mit ./. 92.176 € an, auf den Einspruch hin nur noch mit ./. 82.386 €. Die Bürgschaften wurden nur mit 2,75 % berücksichtigt.

7

Der hiergegen gerichteten Klage gab das [X.] mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1502 veröffentlichten Urteil statt. Das [X.] habe die im Jahr 1995 hingegebenen Bürgschaften des Klägers zu Unrecht nicht in die Berechnung des [X.]s nach § 17 EStG einbezogen.

8

Die GmbH habe sich im [X.]eitpunkt der Übernahme der beiden Bürgschaften vom Januar und Juli 1995 bereits in der Krise befunden. [X.]war habe die GmbH in jener [X.]eit (Februar und Juni 1995) Kredite der [X.] über 2.000.000 [X.] und 8.300.000 [X.] erhalten. Indes seien die Darlehen nur unter der Voraussetzung der Bürgschaftsübernahmen u.a. durch den Kläger gewährt worden.

9

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG) rügt. Eine Krise i.S. des § 17 EStG liege nur dann vor, wenn ein unabhängiger Dritter nach Würdigung der Gesamtumstände die Firma in der Krise sehen würde. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.

Das [X.] beantragt, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zutreffend hat das [X.] die Aufwendungen des [X.] aus der Inanspruchnahme aus den streitbefangenen Bürgschaften aus dem [X.] als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Berechnung des [X.]s des [X.] berücksichtigt.

1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb --unter weiteren hier nicht problematischen [X.] auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft; Entsprechendes gilt für aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehende Verluste (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 26. Januar 1999 [X.], [X.], 295, [X.] 1999, 559, unter [X.], m.w.[X.]). [X.] von § 17 Abs. 1, 2, 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der [X.] (persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (s. BFH-Urteile vom 3. Juni 1993 [X.], [X.] 1994, 459; vom 12. Dezember 2000 [X.], [X.], 108, [X.] 2001, 385).

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 4. März 2008 [X.], [X.], 446, [X.] 2008, 575, und [X.]/06, [X.], 451, [X.] 2008, 577, jeweils m.w.[X.]). Dazu rechnen Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) in der im Streitfall anzuwendenden Fassung, wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 [X.], [X.], 120, [X.] 2001, 286). Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung ausführt (§ 32a Abs. 1 und 3 GmbHG; BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 [X.], [X.], 383, [X.] 1999, 817).

Ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, hat das [X.] aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 [X.], [X.] 2009, 896).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Einordnung der streitbefangenen Bürgschaften seitens des [X.] als in der Krise hingegeben und damit als funktionales Eigenkapital revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das [X.] hat in möglicher, mit schlüssigen Verfahrensrügen im Übrigen nicht angegriffener und damit den Senat bindender Weise (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) festgestellt, dass die streitbefangenen Bürgschaften in einer Situation gewährt wurden, in der bei objektiver Betrachtung ex ante [X.] angesichts der Risikobehaftung der Rückzahlung der gesicherten Bankdarlehen durch die GmbH dieser Eigenkapital zugeführt hätte. Dass das [X.] die Kreditunwürdigkeit der GmbH daraus folgert, dass die für die Geschäftsführung der GmbH erforderlichen Kreditaufnahmen ohne die [X.] nicht möglich gewesen wären, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Tatsachenwürdigung des [X.] ist weder deshalb unschlüssig, weil die GmbH sich nur bei ihrer Hausbank um die entsprechenden Finanzmittel bemüht hat, noch deshalb, weil die GmbH nicht vorrangig nach einem weniger kapitalintensiven Geschäftsfeld gesucht hat. Die die Krise verursachende Kreditwürdigkeit der Gesellschaft erweist sich im Streitfall darin, dass sich die GmbH aus [X.] die für ihre gesellschaftsintern geplante und abgestimmte Geschäftsführung erforderlichen Mittel nicht verschaffen konnte. Dass insoweit eine andere Tatsachenwürdigung, wie sie das [X.] vorgenommen hat, möglich gewesen wäre, verhilft der Revision insoweit nicht zum Erfolg, als die Würdigung des [X.] nicht widersprüchlich ist oder gegen Denk- bzw. Erfahrungssätze verstößt.

3. Da im Streitfall bereits der hälftige Ansatz der zum [X.] des [X.] führenden Anschaffungskosten zu einer Steuer von 0 € führt, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht darauf an, dass diese Aufwendungen nicht dem [X.] des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG unterliegen, weil der Kläger keine dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einnahmen aus der Beteiligung an der GmbH erhalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 6. April 2011 [X.], [X.], 439, [X.] 2011, 814).

Meta

IX R 34/10

24.01.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 30. Juni 2010, Az: 15 K 1566/09 E, Urteil

§ 3c Abs 2 EStG 2002, § 17 Abs 1 EStG 2002, § 17 Abs 4 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.01.2012, Az. IX R 34/10 (REWIS RS 2012, 9854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9854

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