Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2006, Az. IX ZR 53/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3441

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 18. Mai 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 675; ZPO §§ 286c, 287 a) Ein Steuerberater ist nicht verpflichtet, dem Mandanten den Austritt aus der [X.] zu empfehlen. b) Hat ein Steuerberater aufgrund des ihm erteilten Auftrags die steuerlichen Vor- und Nachteile bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten zu prüfen, muss er auf die anfallende [X.]nsteuer hinweisen, wenn sie die übliche [X.]. c) Der Mandant hat nach § 287 Abs. 1 ZPO darzulegen und zu beweisen, dass er bei vollständiger Beratung über anfallende [X.]nsteuern aus der [X.] ausgetreten wäre; auf einen Beweis des ersten Anscheins kann er sich nicht berufen. [X.], [X.]eil vom 18. Mai 2006 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2006 durch [X.] [X.], die [X.], Dr. [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 24. Februar 2005 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der beklagte Steuerberater war ständig mit der steuerlichen Beratung und Betreuung der Kläger sowie der [X.] (fortan: GmbH), an welcher der Kläger zu 2 beteiligt ist, beauftragt. Die Parteien hatten schon in den Jahren 1999 und 2000 über die Frage der Ausschüttung des [X.] in der GmbH entstandenen Gewinns gesprochen. Entsprechend dem Rat des Beklagten war zunächst von einer Ausschüttung abgesehen worden. Im Hinblick auf die am 1. Januar 2002 in [X.] tretende Umstellung des [X.] und des Einkommensteuerrechts vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren emp-fahl der Beklagte mit Schreiben vom 29. Oktober 2001, den besagten Gewinn, der mit 45 v. H. Körperschaftsteuer belastet war (fortan auch: [X.] 45), zum 31. Dezember 2001 auszuschütten. Dadurch könne ein steuerlicher Nachteil in Höhe von 171.321,00 DM vermieden werden. Auf die dabei anfallende [X.]n-steuer wies der Beklagte nicht hin; er hatte vergessen, sie in die [X.] - 3 - rechnung einzustellen. Die Kläger folgten der Empfehlung des Beklagten. [X.] der Gewinnausschüttung hatten sie zusätzliche [X.]nsteuer in Höhe von 153.644,58 DM zu zahlen; nachdem sie diesen Betrag im [X.] als Sonderausgabe geltend gemacht hatten, verblieb eine Mehrbelastung von 40.195,77 Euro. Mit Wirkung vom 30. Dezember 2003 sind die Kläger aus der [X.] ausgetreten.
Die Kläger verlangen den Betrag von 40.195,77 Euro ersetzt. Sie haben die Ansicht vertreten, der Beklagte habe sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des [X.] vom 23. Oktober 2000, [X.] aber im Schreiben vom 29. Oktober 2001 auf die bei [X.] im Jahre 2001 zu erwartende [X.]nsteuerbelastung hinweisen müssen. Sie haben behauptet, sie hätten in diesem Fall unverzüglich den [X.]naustritt erklärt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren [X.] weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision bleibt ohne Erfolg. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt ([X.], 621 = [X.], 557): Allgemeine Belehrungen über die Möglichkeit des [X.]naustritts und die daraus folgende Steuerersparnis schulde ein Steuerberater nicht. Ohne einen 4 - 4 - besonderen Auftrag sei der Beklagte Ende 2000/Anfang 2001 auch nicht ver-pflichtet gewesen, die Kläger konkret auf mögliche Folgen einer beabsichtigten Gewinnausschüttung hinzuweisen. Eine derartige Verpflichtung folge insbeson-dere nicht aus Gesprächen in früheren Jahren über die Frage einer Gewinn-ausschüttung. Allerdings habe der Beklagte Pflichten aus dem Mandat verletzt, indem er im Oktober 2001 auf die konkrete Anfrage hin nicht vollständig und richtig über die steuerlichen Folgen einer Gewinnausschüttung belehrt habe. Bei einer Vergleichsrechnung hätte die [X.]nsteuer berücksichtigt werden müssen. Dieser Fehler habe sich jedoch nicht ausgewirkt. Die Kläger hätten die gemäß § 287 ZPO erforderlichen Anhaltspunkte dafür, dass sie bei pflichtge-mäßer Aufklärung über die anfallende [X.]nsteuer bereits im Jahre 2001 aus der [X.] ausgetreten wären, nicht dargetan. Der Beweis des ersten An-scheins gelte insoweit nicht. I[X.] Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand. 5 1. Durch das Schreiben vom 29. Oktober 2001, das die Folgen einer Gewinnausschüttung nur unvollständig darstellte, hat der Beklagte seine [X.] verletzt. Diese Pflichtverletzung war jedoch nicht ursächlich für den jetzt erstattet verlangten Schaden. 6 a) Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Ansicht des Beklagten entfiel eine Pflicht zur Belehrung über Entstehen und Umfang der mit der [X.] verbundenen [X.]nsteuerbelastung und die Möglichkeit ihrer [X.] - 5 - meidung nicht deshalb, weil die Entscheidung, [X.]nmitglied zu bleiben oder aber den [X.]naustritt zu erklären, höchstpersönlicher Natur ist. Ein [X.] ist grundsätzlich zwar nicht verpflichtet, einem Mandanten den [X.]n-austritt zu empfehlen. Hat er jedoch aufgrund des ihm erteilten Auftrags die steuerlichen Vor- und Nachteile verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten dar-zustellen, so muss er in der Regel auf die anfallende [X.]nsteuer hinweisen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese das übliche Maß übersteigt, also nicht le-diglich 8 oder 9 v.H. der zu zahlenden Lohn- oder Einkommensteuer beträgt (vgl. auch Zugehör [X.], 1124, 1126; [X.] ZevKR 51 (2006) 103, 104). In einem solchen Fall kann die Höhe der [X.]nsteuer von erheblicher Bedeutung für die zu treffende Entscheidung sein. Oft wird der Mandant über-dies nicht nur vor der Frage stehen, ob er aus der [X.] austritt oder nicht. Die erhaltenen Informationen können ihn vielmehr auch veranlassen, eine andere Gestaltung zu wählen, die geringere Belastungen mit sich bringt. Die [X.] soll die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet ersetzen, so dass er seine eigenen Angelegenheiten sachgerecht [X.] kann ([X.], [X.]. v. 20. Oktober 2005 - [X.] ZR 127/04, [X.], 2345, 2346). Die Belehrung war nicht wegen fehlender Belehrungsbedürftigkeit der Kläger entbehrlich. Jeder Steuerzahler weiß zwar, dass er nur bei Zugehörigkeit zu einer [X.] [X.]nsteuer zahlen muss und dass er die [X.]nsteuerpflicht durch den Austritt aus der [X.] beenden kann. Er geht jedoch regelmäßig davon aus, lediglich einen Zuschlag zur Lohn- oder Einkommensteuer in Höhe von 8 oder 9 v.H. entrichten zu müssen. Im vorliegenden Fall hatten die Kläger für das [X.] jedoch nicht nur einen Bruchteil der Einkommensteuer an [X.]nsteuer zu zahlen, sondern fast deren dreifachen Betrag. Das lag an dem bis zum Steuersenkungsgesetz vom 26. Oktober 2000 geltenden [X.] - 6 - verfahren. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. war auf die Einkommensteuer die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körper-schaft oder Personenvereinigung anzurechnen. Die [X.]nsteuer wurde [X.] auf der Grundlage der nicht durch Anrechnungen verminderten Ein-kommensteuerschuld berechnet (§ 51a Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von [X.]nsteuern im Land [X.], fortan: [X.]). Die [X.] nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. und deren Nichtanwendbarkeit für [X.]nsteuern waren einem steuerrechtlich nicht vorgebildeten Steuerzahler in der Regel nicht [X.]. Davon hatte auch der Beklagte auszugehen. b) Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Beratung [X.] hätte, zählt zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Mandant nach § 287 ZPO zu beweisen hat ([X.] 129, 386, 399; [X.], [X.]. v. 21. Juli 2005 - [X.] ZR 49/02, [X.], 2110). Um beurteilen zu können, wie ein Mandant sich nach [X.] anwaltlicher oder steuerlicher Beratung verhalten hät-te, müssen die Handlungsalternativen geprüft werden, die sich ihm stellten; de-ren Rechtsfolgen müssen ermittelt sowie miteinander und mit den [X.] verglichen werden ([X.], [X.]. v. 13. Januar 2005 - [X.] ZR 455/00, [X.], 1615, 1616; [X.]. v. 21. Juli 2005, [X.]O S. 2111). 9 [X.]) Auf einen Beweis des ersten Anscheins können sich die Kläger nicht berufen. 10 (1) Im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen Beratern gilt die Vermu-tung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, nur, wenn im [X.] auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend informierten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu 11 - 7 - erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellun-gen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahe gelegt hätten. Die Beweiserleichterung zugunsten des Mandan-ten gilt also nicht generell. Sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der [X.] zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen ([X.] 123, 311, 314 f). (2) Im November 2001 ließen schon die wirtschaftlichen Gegebenheiten mehr als nur eine mögliche vernünftige Entscheidung der Kläger zu. 12 (a) Die [X.]nsteuerbelastung infolge einer Gewinnausschüttung im Monat Dezember 2001 konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch zu einem geringen Teil vermieden werden. Nach § 3 Abs. 2 [X.] in der vom 1. Januar 2001 an geltenden Fassung endet die [X.]nsteuerpflicht bei einem nach Maßgabe der st[X.]tlichen Vorschriften erklärten [X.]naustritt zwar mit Ablauf des Kalen-dermonats, in dem die Erklärung des [X.]naustritts wirksam geworden ist. Wirksam wird der [X.]naustritt mit dem Ablauf des Tages, an dem die Nie-derschrift der Austrittserklärung unterzeichnet oder die schriftliche Erklärung beim Amtsgericht eingegangen ist (§ 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Austritts aus [X.]n, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemein-schaften des öffentlichen Rechts des [X.]). Wären die Kläger sofort im November 2001 aus der [X.] ausgetreten, wären sie vom 1. Dezember 2001 an nicht mehr kirchensteuerpflichtig gewesen. Bei der Be-rechnung der [X.]nsteuer für das [X.] wäre eine Gewinnausschüttung im Dezember 2001 jedoch gleichwohl berücksichtigt worden. Besteht die [X.] - 8 - chensteuerpflicht nicht während des ganzen Kalenderjahres, wird für jeden Ka-lendermonat, in dem die [X.]nsteuerpflicht noch bestand, ein Zwölftel des Betrages erhoben, der sich bei ganzjähriger [X.]nsteuerpflicht als Jahres-steuerschuld ergeben hätte (§ 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] in der vom 1. Januar 2001 an geltenden Fassung). Diese sog. Zwölftelungsregelung ist, soweit sie auf gesetzlicher Grundlage beruht, verfassungsgemäß (BVerwGE 79, 62, 63 ff; [X.], 167, 168 ff; [X.] 2005, 898, 899). Nach den unangegriffe-nen Feststellungen des Berufungsgerichts hätten die Kläger im Ergebnis nur noch [X.]nsteuer in Höhe von 3.350 Euro gespart, wenn sie im November 2001 den [X.]naustritt erklärt hätten. (b) Bei einer vollständigen Unterrichtung über die steuerlichen Gegeben-heiten standen die Kläger nicht einfach vor der Entscheidung, zur Meidung ei-nes wirtschaftlichen Nachteils von rund 3.350 Euro aus der [X.] auszutreten. Es ging vielmehr darum, ob eine Vollausschüttung des mit 45 v.H. Körper-schaftsteuer belasteten verwendbaren Eigenkapitals ([X.] 45) in Höhe von 2.651.630 DM erfolgen sollte. Der vom Beklagten ohne Berücksichtigung der [X.]nsteuer errechnete Vorteil von 171.341 DM setzte sich aus einem ge-genüber dem neuen Recht höheren [X.]Minderungsbetrag von 222.479 DM und einer Einkommensteuer-Mehrbelastung von 51.138 DM zu-sammen. Zusätzlich wäre die durch eine Ausschüttung verursachte [X.]n-steuer-Mehrbelastung von 153.544,58 DM zu berücksichtigen gewesen (vgl. das Schreiben des Beklagten vom 14. Oktober 2003). Auch wenn die [X.]n-steuer im Folgejahr als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) hätte geltend gemacht werden können, wäre auch eine Entscheidung der Kläger vertretbar gewesen, von der Ausschüttung abzusehen. Mit dieser Möglichkeit haben sich die Kläger in den Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt. 14 - 9 - (3) Auf die Frage, ob es im November 2001 aus der Sicht der Kläger nur eine einzige wirtschaftlich vertretbare Entscheidung gab, kommt es im Übrigen nicht einmal an. Entgegen der Ansicht des [X.] (NJW-RR 2003, 1071, 1073) gilt die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht unabhän-gig von religiösen, ideellen oder sonstigen Motiven des Mandanten. Der An-scheinsbeweis ist nicht nur dann unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verschiedene Verhaltensweisen ernsthaft in Betracht kommen (so aber [X.], [X.]O). Die für die Beraterhaftung entwickelte und auf diesem Gebiet mittlerweile allgemein anerkannte Vermutung beratungsgerech-ten Verhaltens stellt vielmehr eine Ausnahme zu dem allgemeinen Grundsatz dar, dass es keinen Anscheinsbeweis für individuelle Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt ([X.] 123, 311, 316 f mit weiteren Nachweisen). Entscheidungen, die auch von nicht wirtschaftlichen Überlegun-gen bestimmt werden, können nicht auf ihre wirtschaftliche Vernünftigkeit redu-ziert werden. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass die Entschei-dung über eine [X.]nmitgliedschaft oder andere Entscheidungen höchstper-sönlicher Natur wie etwa diejenige, eine Ehe einzugehen (vgl. [X.], [X.]. v. 12. Juli 2001 - [X.] ZR 26/99, n.v.), oder diejenige, sich auf Dauer von seinem Ehegatten zu trennen (vgl. [X.] NJW-RR 2003, 351, 352), in der ganz überwiegenden Mehrheit aller Fälle ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen getroffen wird. Nur unter dieser Voraussetzung wäre der Schluss von wirtschaftlichen Gegebenheiten auf die hypothetische Entscheidung jedoch gerechtfertigt. Ob und in welchem Maße wirtschaftliche Überlegungen insoweit eine Rolle spielen, hängt vielmehr von der persönlichen Einstellung des [X.] ab, der häufig auch dann Mitglied einer [X.] werden oder bleiben will, wenn die Mitgliedschaft finanzielle Nachteile mit sich bringt (Zugehör [X.], 1171, 1172). 15 - 10 - [X.]) Den ihnen danach obliegenden Beweis (§ 287 ZPO) dafür, dass sie bei vollständiger Aufklärung über die kirchensteuerrechtlichen Folgen einer Ausschüttung im Dezember 2001 noch im November 2001 den Austritt aus der [X.] erklärt hätten, haben die Kläger in den Vorinstanzen nicht geführt. 16 17 (1) Die Kläger hatten zunächst behauptet, sie wären dann, wenn der Kläger sie im Schreiben vom 29. Oktober 2001 auch auf die anfallenden Kir-chensteuern hingewiesen hätte, unverzüglich aus der [X.] ausgetreten, um die zusätzliche Steuerbelastung von zunächst 78.557,23 Euro, endgültig 40.195,77 Euro, zu vermeiden. Im November 2001 hätten sie die [X.]nsteu-ermehrbelastung jedoch nur noch zu einem geringen Teil, nämlich in Höhe von etwa 3.350 Euro, vermeiden können. (2) Nachdem das [X.] sie auf die Zwölftelungsregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] hingewiesen hatte, haben die Kläger behauptet, sie hätten bei ordnungsgemäßer Belehrung im Wege der "Schadensbegrenzung" durch einen sofortigen [X.]naustritt versucht, zumindest nicht die gesamte [X.]nsteuer für das [X.] zahlen zu müssen. Das [X.] hat jedoch nicht die Überzeugung einer überwiegenden, auf gesicherter Grundlage beru-henden Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO für eine derartige Ent-scheidung der Kläger gewinnen können. Die Rüge der Revision, die nach § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO von Amts wegen mögliche Parteivernehmung sei unterblie-ben, ist nicht berechtigt. Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Mandant bei vertragsgerechtem Verhalten des Beraters getroffen hätte, liegt es zwar nahe, ihn gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht ([X.], [X.]. v. 16. Ok-tober 2003 - [X.] ZR 167/02, [X.], 472, 474; v. 21. Juli 2005, [X.]O S. 2111). § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erlaubt eine Parteivernehmung unabhängig von den 18 - 11 - von den Voraussetzungen des § 448 ZPO (HK-ZPO/[X.], § 287 Rn. 20; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 287 Rn. 6). Zwingend vorgeschrieben ist eine (förmliche) Parteivernehmung jedoch nicht. Das [X.] hat die Kläger ge-mäß § 141 ZPO angehört und ihre Aussagen in den [X.]eilsgründen verwertet. 19 (3) Entgegen der Ansicht der Revision haben die Vorinstanzen den - un-bestritten gebliebenen - Vortrag der Kläger dazu, sie und ihre Kinder seien im [X.] an die Festsetzung der für das [X.] zu zahlenden [X.]nsteu-ern aus der [X.] ausgetreten, nicht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des [X.] in den Gründen des [X.]eils auch ausdrücklich zu bescheiden. Nur wenn das Gericht auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen ([X.] 96, 205, 216 f). Das [X.]eil des [X.]s setzt sich vor allem mit der Frage auseinander, wie die Kläger auf eine zu erwartende steuerliche Mehrbelastung von 3.350 Euro reagiert hätten. Bei vollständiger Belehrung im November 2001 wären diese nicht nur auf die Mehrbelastung, sondern auch auf die zu 11/12 nicht mehr zu vermeidende hohe Gesamtbelastung durch zusätzliche [X.]nsteuer hingewiesen worden. Darauf hätten sie - wie schließlich nach Erhalt des Steu-erbescheides für das [X.] - durch [X.]naustritt reagieren können. Dass es im Rahmen des § 287 ZPO auf die Gesamtbelastung ankommen könnte, hat das Berufungsgericht jedoch gesehen.
2. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgeset-zes im [X.] 2000 war der Beklagte nicht verpflichtet, die Kläger auf die [X.] - 12 - chensteuerbelastung hinzuweisen, die durch Gewinnausschüttungen im [X.] entstehen könnte, und bereits vorsorglich Wege zu deren Vermeidung aufzuzeigen; denn die Notwendigkeit eines alsbaldigen Handelns war seinerzeit noch nicht absehbar. 21 a) Nach den unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen hatten die Parteien bereits in den Jahren vor 2001 anlässlich vorangegangener Änderun-gen des Körperschaftsteuergesetzes über die Frage der [X.] gesprochen. Einen konkreten Beratungsauftrag hinsichtlich der Folgen des [X.] haben die Kläger jedoch - anders, als die Revision meint - erst im [X.] 2001 erteilt. Vom Berufungsgericht übergangenen Vor-trag aus den Tatsacheninstanzen zu einem früheren Auftrag zeigt die Revision nicht auf. Das Beratungsschreiben des Beklagten vom 29. Oktober 2001 nimmt auf eine frühere Auskunft Bezug; wann und aus welchem Anlass diese Auskunft erteilt worden war, ergibt sich jedoch weder aus dem Schreiben selbst noch aus dem sonstigen Vorbringen der Kläger. b) Aufgrund des ihm erteilten Dauermandats in Steuersachen war der Beklagte allerdings verpflichtet, die Kläger auch ungefragt auf eine für sie so wichtige steuerrechtliche Entwicklung wie die Änderung des Körperschaftsteu-er- und des Einkommensteuerrechts durch das Steuerentlastungsgesetz und dessen Folgen hinzuweisen. 22 [X.]) Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflich-tet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten [X.] vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg [X.] - digen Schritte vorzuschlagen (vgl. [X.] 129, 386, 396; [X.], [X.]. v. 15. Juli 2004 - [X.] ZR 472/00, [X.], 896). 24 [X.]) Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 konnte ein Steuerbera-ter erkennen, dass im [X.] Gewinnausschüttungen für vergangene Jahre empfehlenswert werden könnten. Das Steuersenkungsgesetz vom 26. Oktober 2000 ersetzte das Anrechnungsverfahren durch das Halbeinkünfteverfahren. Die Gewinne einer Körperschaft unterfallen seither einem gegenüber dem frü-heren Recht abgesenkten Steuersatz von 25 v.H. unabhängig davon, ob sie ausgeschüttet oder einbehalten werden. Auf [X.] der Anteilseigner wird der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne da-durch Rechnung getragen, dass die entsprechenden Einkünfte nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für die persönliche Einkommensteuer einberechnet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen - je nach der Struktur des [X.] und der persönlichen Steuersituation des [X.] - war das alte Körperschaftsteuerrecht für die Gesellschafter güns-tiger als das neue Recht (vgl. im Einzelnen [X.] [X.], 1686, 1687). Das neue Recht bewirkte eine Umgliederung des Eigenkapitals; dadurch konnte es zu einer Reduzierung des "[X.]" kommen. Durch rechtzeitig vorbereitete Gewinnausschüttungen konnten diese Nachteile vermieden werden (sog. Leerschütten des belasteten Eigenkapitals). Die damit verbundenen Fragen wurden in der Fachliteratur bereits im [X.] diskutiert (vgl. die Nachweise bei [X.], [X.]O S. 1688). 25 c) Eine Beratung zu diesem Thema musste aus damaliger Sicht aber nicht notwendig bereits Ende 2000/Anfang 2001 erfolgen. 26 - 14 - 27 [X.]) Nach der Übergangsregelung des § 36 Abs. 10a [X.] galt für Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschrif-ten entsprechenden [X.] für ein abgelaufenes Wirt-schaftsjahr beruhen und im [X.] erfolgten, noch das alte Körperschaft- steuerrecht. Die endgültige Entscheidung darüber, wie mit thesaurierten Ge-winnen aus früheren Jahren verfahren werden sollte, konnte - körperschaftsteuerrechtlich gesehen - auf das [X.] verschoben werden. Gleiches gilt für die vorbereitenden Beratungen, die der Beklagte aufgrund des [X.] möglicherweise schuldete. Noch im Dezember 2001 konnten Gewinne früherer Jahre nach altem Recht ausgeschüttet werden. [X.]) Dass etwa im [X.] vorzunehmende Gewinnausschüttungen für vergangene Jahre zu ungewöhnlich hohen [X.]nsteuerbelastungen führen könnten, die nur durch einen sofort zu erklärenden [X.]naustritt abgewendet werden konnten, war im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Steuerentlastungs-gesetzes vom 23. Oktober 2000 und in den folgenden Monaten noch nicht ab-zusehen. Der [X.] ist erst durch das [X.] [X.]nsteuern im [X.] vom 6. März 2001 in das [X.]nsteuergesetz des Landes [X.] aufgenommen worden. Zuvor hatte es möglicherweise ent-sprechende Verwaltungsanordnungen gegeben (vgl. [X.]/[X.], [X.]nsteu-errecht in der Praxis (1993), [X.]). Ohne eine gesetzliche Grundlage durfte der [X.] jedoch nicht uneingeschränkt angewendet werden ([X.]E 117, 331, 337 zum früheren bremischen [X.]nsteuerrecht; [X.] 1991, 215; [X.]/[X.], [X.]O [X.]). [X.] die Dauer der [X.]nsteu-erpflicht einerseits, der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht andererseits auseinander, war die Einkommensteuer als [X.] der [X.]nsteuer 28 - 15 - so aufzuteilen, dass der Berechnung und Festsetzung der [X.]nsteuer nur diejenige (fiktive) Einkommensteuer zugrunde gelegt werden durfte, die auf die während der Zeit des Bestehens der [X.]nsteuerpflicht erzielten Einkünfte entfiel. Einkünfte nach Ende der [X.]nsteuerpflicht - etwa durch eine nach Wirksamwerden des [X.]naustritts erhaltene Gewinnausschüttung - durften nicht berücksichtigt werden. Im November 2000 und in den folgenden Monaten durfte ein Steuerbera-ter also davon ausgehen, dass eine umfassende Beratung im Laufe des Jahres 2001 dem Mandanten eine Vermeidung der auf die Gewinnausschüttung entfal-lenden [X.]nsteuer durch Erklärung des [X.]naustritts vor Dezember 2001 ermöglichte, wenn die Ausschüttung erst im Dezember 2001 vorgenommen wurde. Ohne besonderen Auftrag war der Beklagte daher Ende des Jahres 2000 nicht verpflichtet, die Kläger über die Folgen einer Gewinnausschüttung im Jahre 2001 umfassend steuerrechtlich zu beraten. 29 3. Auf unterlassene Hinweise im Zusammenhang mit der Verabschie-dung des Dritten Gesetzes zur Änderung des [X.]nsteuergesetzes vom 30 - 16 - 6. März 2001 haben die Kläger ihre Klage nicht gestützt. Es fehlt jeglicher Vor-trag dazu, wann der Beklagte diese Rechtsänderung und ihre Bedeutung für die steuerlichen Belange seiner Mandantschaft hätte bemerken müssen. [X.] Raebel [X.]
Ri[X.] [X.] ist in Urlaub und daher verhindert zu unterschrei-ben [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.07.2004 - 15 O 232/04 - [X.], Entscheidung vom 24.02.2005 - 8 U 61/04 -

Meta

IX ZR 53/05

18.05.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2006, Az. IX ZR 53/05 (REWIS RS 2006, 3441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3441

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