Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2006, Az. IX ZR 77/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2484

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 77/05 Verkündet am: 20. Juli 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2006 durch [X.] [X.], die Richter [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das [X.]eil des 23. Zi-vilsenats des [X.] vom 18. März 2005 und das [X.]eil der 14. Zivilkammer des [X.] vom 5. August 2004 aufgehoben, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der beklagte Steuerberater war umfassend mit der steuerrechtlichen Be-ratung der Kläger sowie mehrerer Gesellschaften der S.

-Gruppe, u.a. der [X.]und F.

GmbH (fortan: GmbH) beauftragt, an denen der Kläger zu 2 beteiligt war. Bei der GmbH waren seit 1991 Gewinne thesauriert worden, die am 31. Dezember 2000 1.926.203,23 DM betrugen. Bei einer Besprechung am 10. Dezember 2001 riet der Beklagte im Hinblick auf die am 1. Januar 2002 in [X.] tretende Umstellung vom [X.] zum Halbeinkünfteverfahren 1 - 3 - im Körperschaft- und Einkommensteuerrecht zu einer Ausschüttung der [X.] Gewinne noch im Dezember 2001. Er erklärte dem Kläger zu 2, die mit der Ausschüttung verbundene Einkommensteuerbelastung würde durch anre-chenbare Körperschaft- und Kapitalertragsteuern im Wesentlichen kompensiert. Auf die zusätzlich anfallenden [X.]nsteuern wies er nicht hin. Die [X.] wurde dem Rat des Beklagten entsprechend vorgenommen. Die Kläger hatten deshalb für das [X.] zusätzliche [X.]nsteuer in Höhe von 38.601,06 Euro zu zahlen. Am 19. Dezember 2002 sind sie aus der [X.] aus-getreten. Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger zunächst Zahlung von 35.188,74 Euro (= 38.601,06 Euro abzüglich eines erstatteten Kappungsbetra-ges von 3.412,32 Euro) verlangt, hilfsweise die Feststellung der Schadenser-satzpflicht des Beklagten. Das [X.] hat dem Hilfsantrag stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Anschlussberufung der Kläger hin wurde der Beklagte zur Zahlung von 17.858,43 Euro nebst Zin-sen verurteilt. Dieser Betrag entspricht der [X.]nsteuermehrbelastung abzüg-lich des Sonderausgabenabzugs im Folgejahr. Mit seiner zugelassenen [X.] verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der [X.]eile der [X.] und zur Abweisung der Klage. 3 - 4 - [X.] 4 Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Im Zeitpunkt der Beratung am 10. Dezember 2001 sei die [X.]nsteuer für das Veranlagungsjahr 2001 nicht mehr zu vermeiden gewesen. Aufgrund des allgemeinen Beratungsmandats sei der Beklagte jedoch bereits in der ersten Hälfte des Monats Dezember 2000 verpflichtet gewesen, die Kläger auf den Anfall von [X.]nsteuer im Zusam-menhang mit einer Gewinnausschüttung der GmbH hinzuweisen; denn nur bei einer Belehrung zu diesem Zeitpunkt hätten die Kläger noch Gelegenheit [X.], durch Erklärung des [X.]naustritts vor Ablauf des Monats Dezember 2000 gemäß § 3 Abs. 2 [X.] NW ihre [X.]nsteuerpflicht für das gesamte Veranlagungsjahr zu vermeiden. Die unterlassene Belehrung sei ursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen. Dass die Kläger am 19. Dezember 2002 aus der [X.] ausgetreten seien, lasse mit der nach § 287 ZPO ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass sie bereits im [X.] ausgetreten wären, wenn sie ausreichend belehrt worden wären. I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Im Dezember 2000 bestand schon deshalb keine Verpflichtung des Beklagten, auf eine mit Gewinnausschüttungen im Jahre 2001 verbundene [X.]nsteuerbe-lastung hinzuweisen, weil die Gesetzeslage, welche diese Belastung nach sich zog, erst im Verlauf des Jahres 2001 eingetreten ist. 5 1. Aufgrund des ihm erteilten Dauermandats in Steuersachen war der Beklagte verpflichtet, die Kläger auch ungefragt auf eine für sie so wichtige 6 - 5 - steuerrechtliche Entwicklung wie die Änderung des [X.] und des Einkommensteuerrechts durch das Steuerentlastungsgesetz und dessen Folgen hinzuweisen. 7 a) Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflich-tet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten [X.] vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwen-digen Schritte vorzuschlagen (vgl. [X.], 386, 396; [X.], [X.]. v. 15. Juli 2004 - [X.] ZR 472/00, [X.], 896). b) Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 konnte ein Steuerbera-ter erkennen, dass im [X.] Gewinnausschüttungen für vergangene Jahre empfehlenswert werden könnten. Das Steuersenkungsgesetz vom 26. Oktober 2000 ersetzte das Vollanrechnungsverfahren durch das [X.]. Die Gewinne einer Körperschaft unterfallen seither einem gegenüber dem früheren Recht abgesenkten Steuersatz von 25 % unabhängig davon, ob sie ausgeschüttet oder einbehalten werden. Auf [X.] der Anteilseigner wird der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne da-durch Rechnung getragen, dass die entsprechenden Einkünfte nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für die persönliche Einkommensteuer einberechnet werden. 8 Unter bestimmten Voraussetzungen - je nach der Struktur des [X.] und der persönlichen Steuersituation des [X.] - war das alte Körperschaftsteuerrecht für die Gesellschafter güns-tiger als das neue Recht (vgl. im Einzelnen [X.], 1686, 1687). Das 9 - 6 - neue Recht bewirkte eine Umgliederung des Eigenkapitals; dadurch konnte es zu einer Reduzierung des "[X.]" kommen. Durch rechtzeitig vorbereitete Gewinnausschüttungen konnten diese Nachteile vermieden werden (sog. "[X.]" des belasteten Eigenkapitals). Die [X.] verbundenen Fragen wurden in der Fachliteratur bereits im Jahr 2000 disku-tiert (vgl. die Nachweise bei [X.], [X.]O S. 1688). 2. Eine Beratung zu diesem Thema musste aus damaliger Sicht aber nicht notwendig bereits in der ersten Hälfte des Monats Dezember 2000 erfol-gen. 10 a) Nach der Übergangsregelung des § 36 Abs. 10a [X.] galt für Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschrif-ten entsprechenden [X.] für ein abgelaufenes Wirt-schaftsjahr beruhen und im [X.] erfolgten, noch das alte Körper- schaftsteuerrecht. Die endgültige Entscheidung darüber, wie mit thesaurierten Gewinnen aus früheren Jahren verfahren werden sollte, konnte - körper-schaftsteuerrechtlich gesehen - auf das [X.] verschoben werden. [X.] gilt für die vorbereitenden Beratungen, die der Beklagte aufgrund des [X.] möglicherweise schuldete. Noch im Dezember 2001 konnten Gewinne früherer Jahre nach altem Recht ausgeschüttet werden. 11 b) Dass etwa im [X.] vorzunehmende Gewinnausschüttungen für vergangene Jahre zu ungewöhnlich hohen [X.]nsteuerbelastungen führen könnten, die nur durch einen sofort zu erklärenden [X.]naustritt abgewendet werden konnten, war im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Steuerentlastungs-gesetzes vom 23. Oktober 2000 und in den folgenden Monaten nicht abzuse-hen. 12 - 7 - 13 [X.]) Die im Vergleich zur Einkommensteuer besonders hohe [X.]n-steuer, welche die Kläger für das [X.] zu entrichten hatten, ist auf das bis zum Steuersenkungsgesetz vom 26. Oktober 2000 geltende sog. Vollanrech-nungsverfahren zurückzuführen. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. war auf die [X.] die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körper-schaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung anzurechnen. Die [X.]nsteuer wurde jedoch auf der Grundlage der ursprünglichen, nicht durch Anrechnungen verminderten [X.] berechnet (§ 51a Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von [X.]nsteuern im [X.], fortan: [X.] NW). [X.]) Nach dem im [X.] geltenden [X.]nsteuerrecht des [X.] ließ sich die durch Gewinnausschüttungen im [X.] entstehende [X.]nsteuerbelastung nur durch einen [X.]naustritt bereits im Jahr 2000 vollständig vermeiden. Die [X.]nsteuerpflicht endete bei einem nach Maßgabe der st[X.]tlichen Vorschriften erklärten [X.]naustritt mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem die Erklärung des [X.]naustritts wirksam geworden ist (§ 3 Abs. 2 [X.] NW). Nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Rege-lung des Austritts aus [X.]n, Religionsgemeinschaften und Weltanschau-ungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts des [X.] wurde die Austrittserklärung mit dem Ablauf des [X.] wirksam, an dem die Niederschrift der Austrittserklärung unterzeichnet worden oder an dem die schriftliche Erklärung beim Amtsgericht eingegangen war. Wären die Kläger im Verlauf des Jahres 2001 aus der [X.] ausgetreten, wären sie vom Folgemo-nat an nicht mehr kirchensteuerpflichtig gewesen. Bei der Berechnung der [X.] wäre eine Gewinnausschüttung im Dezember 2001 jedoch gleich-wohl berücksichtigt worden. Besteht die [X.]nsteuerpflicht nicht während des 14 - 8 - ganzen Kalenderjahres, wird für jeden Kalendermonat, in dem die [X.]nsteu-erpflicht noch bestand, je ein Zwölftel des Betrages erhoben, der sich bei ganz-jähriger [X.]nsteuerpflicht als Jahressteuerschuld ergeben hätte (§ 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] NW; sog. [X.]). Die [X.]nsteuer wäre also nicht nach der Einkommensteuer berechnet worden, die auf das während des Beste-hens der [X.]nsteuerpflicht erzielte Einkommen entfiel, sondern nach der Einkommensteuer für das ganze Jahr. Um jegliche [X.]nsteuerpflicht für [X.] zu vermeiden, hätten die Kläger spätestens im [X.] aus der [X.] austreten müssen. [X.]) In der ersten Hälfte des Monats Dezember 2000 konnte der Beklagte jedoch deshalb nicht auf diese Problematik hinweisen, weil die [X.] erst durch das [X.] [X.]nsteuern im [X.] vom 6. März 2001 in das [X.]gesetz des [X.] aufgenommen worden ist. Zuvor hatte es möglicherweise entsprechende Verwaltungsanordnungen gege-ben (vgl. [X.]/[X.], [X.]nsteuerrecht in der Praxis (1993), [X.]). Ohne eine gesetzliche Grundlage durfte die [X.] aber nicht uneinge-schränkt angewandt werden ([X.]E 117, 331, 337 zum früheren bremischen [X.]nsteuerrecht; [X.] 1991, 215; [X.]/[X.], [X.]O [X.]). [X.] die Dauer der [X.]nsteuerpflicht einerseits, der unbeschränkten Einkom-mensteuerpflicht andererseits auseinander, war die Einkommensteuer als Maß-stabsteuer der [X.]nsteuer so aufzuteilen, dass der Berechnung und Festset-zung der [X.]nsteuer nur diejenige (fiktive) Einkommensteuer zugrunde ge-legt werden durfte, die auf die während der [X.] der [X.]n-steuerpflicht erzielten Einkünfte entfiel. Einkünfte nach Ende der [X.]nsteuer-pflicht - etwa durch eine nach Wirksamwerden des [X.]naustritts erhaltene Gewinnausschüttung - durften nicht berücksichtigt werden. 15 - 9 - 16 Im Monat Dezember 2000 und in den folgenden Monaten durfte ein Steuerberater also davon ausgehen, dass eine umfassende Beratung im Laufe des Jahres 2001 dem Mandanten eine Vermeidung der auf die Gewinnaus-schüttung entfallenden [X.]nsteuer durch Erklärung des [X.]naustritts vor Dezember 2001 ermöglichen würde, wenn die Ausschüttung erst im Dezember 2001 vorgenommen werden würde. Ohne besonderen Auftrag war der Beklagte daher im Dezember 2000 nicht verpflichtet, die Kläger über die Folgen einer Gewinnausschüttung im Jahre 2001 umfassend steuerrechtlich zu beraten. 3. Auf unterlassene Hinweise im Zusammenhang mit der Verabschie-dung des Dritten Gesetzes zur Änderung des [X.]nsteuergesetzes vom 6. März 2001 haben die Kläger ihre Klage nicht gestützt. Es fehlt jeglicher Vor-trag dazu. 17 II[X.] Das angefochtene [X.]eil kann daher keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Weil die Aufhebung des [X.]eils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte [X.] erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann 18 - 10 - der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Beru-fung des Beklagten ist auch das landgerichtliche [X.]eil aufzuheben; die Klage ist abzuweisen. Dr. [X.] [X.] Ri[X.] [X.] ist in Urlaub
und daher verhindert zu unterschrei-
ben. Dr. [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.08.2004 - 14d [X.]/03 - [X.], Entscheidung vom 18.03.2005 - [X.]/04 -

Meta

IX ZR 77/05

20.07.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2006, Az. IX ZR 77/05 (REWIS RS 2006, 2484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2484

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