Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2012, Az. VIII ZB 41/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8030

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
VIII ZB 41/11

vom

20. März
2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 20. März
2012
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterinnen Dr.
Milger, Dr.
Hessel und Dr.
Fetzer sowie
den Richter Dr.
Bünger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 14.
Zivilkammer des [X.] vom 11.
Mai 2011 auf-gehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand we-gen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.509,95

Gründe:
I.
Der Beklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts zur Zahlung von 1.509,95

Das Urteil ist dem Beklagten am 19.
Januar 2011 zugestellt worden. Am 21.
Februar 2011, einem Montag, hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Begründung der [X.] um einen Monat bis zum 19.
April 2011 verlängert worden. Am Tag des 1
2
-
3
-
Fristablaufs ist
per Telefax die Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen; auf dem Schriftsatz hat die Unterschrift des Prozessbevollmäch-tigten des Beklagten
gefehlt. Am 21.
April 2011 (Donnerstag) ist
beim Beru-fungsgericht
der Originalschriftsatz -
ebenfalls ohne Unterschrift
-
nebst den
mit Unterschrift versehenen beglaubigten Abschriften
eingegangen. Nach Hinweis des Gerichts auf die fehlende Unterschrift hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 26.
April 2011 (erneut) eine -
diesmal unterschriebene
-
Beru-fungsbegründung per Fax bei Gericht eingereicht.
Am 27.
April 2011 hat
das Berufungsgericht den Beklagten darauf [X.], dass die Berufung wegen Versäumens der Berufungsbegründungs-frist als unzulässig zurückzuweisen sei. Mit am 9.
Mai 2011 per Telefax einge-gangenem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist beantragt. Zur Begründung des [X.] hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht, er habe den Text der Berufungsbegrün-dung bereits unterschrieben und die Rechtsanwaltsgehilfin K.

angewiesen
gehabt, das Original per Telefax abzusenden und die beglaubigte und einfache Abschrift zu erstellen und alles in den Postausgang zu geben. Anschließend sei ihm jedoch aufgefallen, dass das Geschäftszeichen des [X.] im Eingang der Berufungsbegründung gefehlt habe. Daher habe er die [X.] angewiesen, dieses noch hinzuzusetzen, was auch geschehen sei. Dadurch habe sich der Seitenumbruch verändert mit der Folge, dass der ge-samte Text nochmals ausgedruckt worden sei, so dass die Unterschrift auf dem erneuten Ausdruck gefehlt
habe. Dieser Ausdruck sei dann versehentlich per Telefax übermittelt und mit der Post abgesandt worden. Da der [X.] davon ausgegangen sei, das Original bereits unterschrieben zu haben, habe er dann nur noch die beglaubigte Abschrift unterzeichnet.
3
-
4
-
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. [X.] richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforder-lich. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar konnte die
am 19.
April 2011
bei dem Berufungsgericht
per Telefax
eingegangene Berufungs-begründung die Frist nicht wahren, weil sie
nicht vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten gemäß §
130 Nr.
6 ZPO unterzeichnet war.
Das [X.] hat aber zu Unrecht dem Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe infolge ei-nes ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens seines Pro-4
5
6
7
8
-
5
-
zessbevollmächtigten die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Zwar dürfe ein Rechtsanwalt einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangten, zur selbständigen Erledigung seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal übertragen. Versehen dieses Personals, die nicht auf eigenes
Verschulden
des Anwalts zurückzuführen seien, habe die [X.] nicht zu [X.]. Vorliegend handele es sich jedoch nicht allein
um ein Verschulden der [X.], da der Anwalt selbst bemerkt habe, dass das Geschäftszeichen gefehlt
habe
und deshalb
ein Neuausdruck erforderlich gewesen sei. Diesen hätte er auf seine Unterschrift kontrollieren und
unterzeichnen müssen.
b) Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Sorgfalts-pflichten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten überspannt.
aa) Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] im Falle einer Fristversäumung den Rechtsanwalt ein der [X.] zurechenbares Verschulden nicht trifft, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete [X.] erteilt hat, die
bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Der Prozess-bevollmächtigte des Beklagten hat seiner Mitarbeiterin die klare Anweisung er-teilt, das Geschäftszeichen des [X.]
der bereits von ihm unter-schriebenen Berufungsbegründung
hinzuzusetzen. Ihm kann
nicht als [X.] vorgehalten werden, dass er die [X.] vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. [X.], [X.] vom 30.
Oktober 2008 -
III
ZB 54/08, [X.], 296 Rn.
9 mwN). Ebenso ist er dabei regelmäßig nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auch bei einem so wichtigen [X.] wie der Anfertigung einer [X.] darf der Rechtsanwalt einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete [X.] erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss ([X.], Be-9
10
-
6
-
schlüsse
vom 8.
Februar 2012 -
XII
ZB 165/11, juris Rn.
29, 31; vom 21.
April 2010 -
XII
ZB 64/09, [X.], 1067 Rn.
11; vom 9.
Dezember 2009 -
XII
ZB 154/09, [X.], 89 Rn.
16; vom 30.
Oktober 2008 -
III
ZB 54/08, aaO Rn.
9
f.).
bb) Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Bü-roangestellte, die sich bisher -
wie hier vom Berufungsgericht zugrunde gelegt
-
als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete [X.] befolgt. Die [X.] an die anwaltliche Sorgfaltspflicht würden überspannt, wollte man stets verlangen, dass der Rechtsanwalt bei einer Angestellten, an deren Zuver-lässigkeit keine Zweifel bestehen, die Vornahme einer einfachen Berichtigung zu kontrollieren hätte. Eine besondere Kontrolle ist nur dann erforderlich, wenn die [X.] mehrere für die Zulässigkeit relevante Fehler enthält ([X.], Beschluss vom 30.
Oktober 2008 -
III
ZB 54/08, aaO Rn.
10 mwN). Dies war hier nicht der Fall. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat lediglich die Kanzleiangestellte zu einer
einzelnen
Korrektur des Schriftsatzes angewie-sen.
Im vorliegenden Fall lagen auch keine zusätzlichen Umstände vor, die Anlass zu der Befürchtung gegeben hätten, die Büroangestellte werde
die er-teilte [X.] nicht ordnungsgemäß befolgen. Zwar musste
dem Pro-zessbevollmächtigten des Beklagten klar
sein, dass der Berufungsbegrün-dungsschriftsatz infolge des Hinzusetzens des Geschäftszeichens des Gerichts neu auszudrucken war. Er durfte jedoch davon ausgehen, dass die im Übrigen zuverlässige Bürokraft entweder nur die erste Seite des bereits unterschriebe-nen Originalschriftsatzes austauschen
oder aber, falls es zu einem
veränderten
Seitenumbruch
kommen sollte, ihm den Schriftsatz erneut
zur Unterschrift vor-legen würde. Einer weiteren Weisung durch den Rechtsanwalt bedurfte es in-soweit nicht, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelte.
11
12
-
7
-
Allerdings war der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Hinblick [X.], dass er die Anweisung nur mündlich erteilt hat, gehalten, ergänzende [X.] dagegen zu treffen, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die rechtzeitige Einreichung des Schriftsatzes beim Gericht unterbleibt ([X.], Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 -
VI
ZB 43/08, juris Rn. 12; vom 8. Februar 2012 -
XII
ZB 165/11, aaO
Rn. 31; jeweils
mwN). Ob er dieser Pflicht nachge-kommen ist, kann dahin stehen, denn eine mögliche Pflichtverletzung ist nicht kausal geworden. Die Kanzleikraft hat die ihr erteilte Anweisung ausgeführt.
3. Da der Beklagte somit die Frist zur Begründung der Berufung ohne ei-genes oder ihm nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines zweitinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten versäumt hat, ist ihm auf seinen Antrag gemäß §
233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Soweit die Berufung gemäß §
522 ZPO als unzulässig verworfen worden ist, ist der angegriffene

13
14
-
8
-
Beschluss des [X.] damit
gegenstandslos ([X.], Beschluss vom 13.
Juli 2005 -
XII
ZB 80/05, NJW-RR 2006, 142
unter [X.]
mwN).
[X.]
Dr. Milger
Dr. Hessel

Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.01.2011 -
2 [X.] 893/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.05.2011 -
14 S 36/11 -

Meta

VIII ZB 41/11

20.03.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2012, Az. VIII ZB 41/11 (REWIS RS 2012, 8030)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8030

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZB 41/11 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Fehlerhafte Umsetzung einer Einzelanweisung durch eine Kanzleiangestellte zur Ergänzung der …


III ZB 51/12 (Bundesgerichtshof)


V ZB 86/15 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in versäumte Berufungsfrist: Anwaltliche Anweisungen zur Ausgangskontrolle fristwahrender per Fax übermittelter Schriftsätze


VIII ZB 46/12 (Bundesgerichtshof)


VI ZB 49/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VIII ZB 41/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.