Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2011, Az. I ZR 191/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2880

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Gegenstand

Namensschutz politischer Parteien: Geltung des strengen Prioritätsprinzips für die Namen von Wählervereinigungen; Verkehrsbedeutung nachgestellter geographischer Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung - Freie Wähler


Leitsatz

Freie Wähler

1. Für die Namen von Wählervereinigungen gilt das strenge Prioritätsprinzip gemäß § 4 Abs. 1 PartG nicht. Für ihre originäre Unterscheidungskraft ist es daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist.

2. Der Verkehr geht davon aus, dass bei Wählervereinigungen nachgestellte geographische Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung ebenso wie bei Parteien auf bestehende organisatorische Verbindungen hinweisen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 17. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22. Oktober 2010 aufgehoben.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 5. März 2010 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Namen „FREIE WÄHLER Nordverband“ für von ihm oder von anderen Personen gegründete Vereinigungen zu führen oder von anderen Personen führen zu lassen.

Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, gegenüber der [X.] auf die Registrierung des Domainnamens „freie-waehler-nordverband.de“ zu verzichten.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der am 21. Februar 1965 gegründete und in das Vereinsregister eingetragene Bundesverband der Freien Wähler der [X.] mit Sitz in [X.]. Seit 2003 führt er gemäß § 1 seiner Satzung den Namen „[X.]“. Nach § 2 Abs. 1 seiner Satzung ist er der Zusammenschluss der [X.], der die gegenseitige Information, Unterstützung und gemeinsame politische Willensbildung der [X.] und in den Ländern zum Ziel hat, und vertritt die Interessen seiner Mitglieder auf Bundesebene. Im Jahre 2009 schloss der Kläger die [X.] und [X.] aus. Zum Ende des Jahres 2009 traten die Landesverbände [X.] und [X.] aus dem Kläger aus.

2

Der Beklagte ist Vorsitzender des im Juni 2009 gegründeten Vereins „FREIE WÄHLER GEMEINSCHAFT Nord Verband [X.] Bund Allianz Gruppe für [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.], kurz [X.]“. Die „[X.] WÄHLER Nordverband“ äußern sich auf der vom Beklagten unter der Internetadresse „freie-waehler-nordverband.de“ betriebenen Website zu politischen Fragen. Als Verantwortlicher für die Äußerungen ist auf der Website der Vorstand der „[X.] WÄHLER Nordverband“ benannt.

3

Der Kläger hat den Beklagten, gestützt auf sein Namensrecht aus § 12 BGB, auf Unterlassung des Führens oder Führenlassens des Namens „[X.]“ für Vereinigungen in Anspruch genommen. Außerdem hat er die Verurteilung des Beklagten begehrt, auf den Domainnamen „freie-waehler-nordverband.de“ zu verzichten und diesen Domainnamen freizugeben.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], Urteil vom 5. März 2010 - 5 [X.], juris). Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 226). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat einen namensrechtlichen Anspruch des [X.] verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

6

Die als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommende Vorschrift des § 12 BGB setze bei einer juristischen Person oder Personenvereinigung wie dem Kläger voraus, dass der Name oder Namensbestandteil, aus dem sie Ansprüche ableite, entweder von sich aus unterscheidungskräftig sei oder aber eine auf den Inhaber bezogene Verkehrsgeltung beanspruchen könne. Die erstere Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil aus der Kombination „Freie Wähler“ lediglich abgeleitet werden könne, dass es sich um eine Vereinigung parteipolitisch nicht gebundener Personen handeln dürfte, die sich gleichwohl durch Ausübung des passiven und aktiven Wahlrechts am politischen Leben beteiligen wollten, und weil die Bezeichnung „Freie Wähler“ auch keine einprägsame Neubildung darstelle. Die Bezeichnung „Freie Wähler“ habe auch keine Verkehrsgeltung erlangt in dem Sinne, dass sie innerhalb der beteiligten Kreise so bekannt geworden sei, dass diese sie dem Kläger zuordneten. Zwar möge der Begriff „Freie Wähler“ bei der wahlfähigen Bevölkerung spätestens seit wiederkehrenden Erfolgen bei Kommunalwahlen und bei den letzten Wahlen zum [X.] eine große Bekanntheit erworben haben. Die für eine Verkehrsgeltung weiterhin erforderliche Voraussetzung, dass diese Bekanntheit auch gerade dem Kläger zugeordnet sei, sei jedoch schon nach dessen eigenem Vortrag nicht erfüllt; denn danach seien nicht alle Organisationen mit der Bezeichnung „Freie Wähler“ in ihm zusammengefasst. Zudem nehme die Bevölkerung die vor Ort tätigen Freien Wähler weit eher als [X.] wahr als die Landesorganisationen oder den Kläger als Organisation der Freien Wähler auf Bundesebene. Vor diesem Hintergrund erscheine dessen Behauptung, über 50% der wahlberechtigten Bevölkerung verbänden den Namen „Freie Wähler“ mit ihm, schon nicht als plausibel.

7

Ein möglicher Anspruch aus § 12 BGB scheitere zudem jedenfalls an mangelnder Verwechslungsgefahr bzw. mangelnder Zuordnungsverwirrung. Der Beklagte bringe dadurch, dass er die Bezeichnung „[X.]“ sowohl in dem von ihm gewählten Domainnamen als auch auf seiner Website verwende, zum Ausdruck, dass er eben nicht als „Freie Wähler [X.]“ auftrete. Einer fälschlichen Einordnung der „FREIEN WÄHLER Nordverband“ in die Verbandsorganisation des [X.] stehe entgegen, dass dieser nach seinem eigenen Vortrag nicht umfassend die [X.] auf Bundesebene darstelle.

8

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.] ist begründet und führt zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten.

9

1. Das Berufungsgericht ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, dass das strenge Prioritätsprinzip gemäß § 4 Abs. 1 PartG, das den uneingeschränkten Vorrang der Namensrechte einer älteren politischen [X.] unabhängig davon normiert, ob ihr Name von Natur aus eine individualisierende Eigenart aufweist oder als Bezeichnung für diese [X.] Verkehrsgeltung erlangt hat (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 1981 - [X.], [X.]Z 79, 265, 270), für den Kläger als [X.] nicht gilt. Die Regelung des § 4 PartG dient nicht nur dem öffentlichen Interesse daran, dass den [X.] durch die deutliche Unterscheidbarkeit der [X.]namen die politische Orientierung erleichtert wird, sondern auch dem Interesse der [X.]en am Schutz ihres Namens ([X.]Z 79, 265, 269 f.). Einen entsprechenden gesteigerten Namensschutz, der der Sonderstellung Rechnung trägt, die den [X.]en nach Art. 21 GG im [X.] Rechtsstaat zukommt, sieht das Gesetz für die [X.]en nicht vor. Der Kläger kann sich daher auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die auf Bundesebene als [X.] registrierte „[X.]“ ihr Namensrecht aus einer mit dem Kläger getroffenen Gestattungsvereinbarung ableitet und mit dem Kläger überdies personell eng verflochten ist.

2. Dagegen kann das Vorliegen einer originären Unterscheidungskraft des im Namen des [X.] enthaltenen Bestandteils „Freie Wähler“ nicht verneint werden.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei [X.] hinsichtlich der (originären) Kennzeichnungskraft weniger strenge Anforderungen gelten als bei anderen Namen. Es hat allerdings im [X.] an eine Entscheidung des [X.] ([X.], 574) zumindest einen Hinweis auf die vom Verband wahrgenommenen Interessen verlangt und gemeint, im Streitfall fehle es an einem solchen Hinweis. Die Bezeichnung „Freie Wähler“ lasse keine Rückschlüsse auf die gemeinsamen Interessen der im Kläger organisierten Mitglieder zu, sondern nur darauf schließen, dass sie parteipolitisch nicht gebunden seien.

b) Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Bei [X.] ist der Verkehr daran gewöhnt, dass sie aus einem Sachbegriff gebildet sind und sich an den jeweiligen Tätigkeitsbereich anlehnen ([X.], Urteil vom 31. Juli 2008 - [X.], [X.], 1108 Rn. 33 = [X.], 1537 - [X.]; Urteil vom 31. März 2010 - [X.], [X.], 1020 Rn. 17 = [X.], 1397 - [X.]). Dementsprechend steht ein bloß beschreibender Anklang der Annahme einer originären Unterscheidungskraft eines [X.]s nicht entgegen; vielmehr reicht es für die Unterscheidungskraft aus, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist ([X.], [X.], 1108 Rn. 32 - [X.]; [X.], 1020 Rn. 17 - [X.]). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn aus der Verbindung von für sich genommen beschreibenden Wörtern - wie hier „Freie“ und „Wähler“ - zu einem einheitlichen Begriff ein einprägsamer Gesamtbegriff entsteht, der das Tätigkeitsgebiet der Vereinigung schlagwortartig umreißt, ohne es konkret zu beschreiben ([X.], [X.], 1108 Rn. 34 - [X.], mwN). Dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist, hat auch das Berufungsgericht angenommen; denn es hat festgestellt, die Bezeichnung „Freie Wähler“ lasse keine Rückschlüsse auf die gemeinsamen Interessen der im Kläger organisierten Mitglieder zu, sondern nur darauf schließen, dass diese parteipolitisch nicht gebunden seien.

3. Die [X.] scheitern entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht daran, dass keine Gefahr einer Zuordnungsverwirrung besteht. Der Umstand, dass der Name des [X.] wegen seiner beschreibenden Anklänge nur in geringem Umfang gegenüber abweichenden Bezeichnungen Schutz genießt, steht dem nicht entgegen. Der Verkehr ist bei politischen [X.]en aufgrund der - den Vorgaben in § 4 Abs. 2 PartG folgenden - Bezeichnungsgewohnheiten darauf eingestellt, dass nachgestellte geographische Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung auf bestehende organisatorische Verbindungen hinweisen. Er wird deshalb davon ausgehen, dass es sich bei - mit den [X.]en auf [X.] und inzwischen teilweise auch bei [X.] konkurrierenden - [X.]en nicht anders verhält. Der Beklagte geriert sich damit, soweit er die Kurzbezeichnung seines Vereins verwendet, so, wie wenn es sich bei diesem um eine regionale Untergliederung des [X.] handelte. Der Kläger braucht das auch deshalb nicht zu dulden, weil es für den Beklagten ohne weiteres möglich ist, für seinen Verein eine andere Kurzbezeichnung zu wählen, die eine solche Gefahr der Zuordnungsverwirrung nicht begründet.

4. Der Beklagte ist danach zum einen verpflichtet, das das Namensrecht des [X.] verletzende Führen oder Führenlassen des Namens „[X.]“ zu unterlassen (§ 12 Satz 2 BGB). Zum anderen hat er - unter dem Gesichtspunkt der Störungsbeseitigung - gegenüber der [X.] auf die Registrierung des Domainnamens „freie-waehler-nordverband.de“ zu verzichten (§ 12 Satz 1 BGB).

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Bornkamm                                               Büscher                                        Schaffert

                              [X.]                                             [X.]

Meta

I ZR 191/10

28.09.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 22. Oktober 2010, Az: 17 U 14/10

§ 12 BGB, § 4 Abs 1 PartG, § 4 Abs 2 PartG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2011, Az. I ZR 191/10 (REWIS RS 2011, 2880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2880

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 U 26/06 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 191/10

1 W 17/17

Zitiert

I ZR 36/08

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