Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2012, Az. IX ZB 230/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2358

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Restschuldbefreiungsverfahren: Anforderungen an den Versagungsantrag des absonderungsberechtigten Gläubigers


Leitsatz

Ist über die Restschuldbefreiung im Hinblick auf das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden, kann ein absonderungsberechtigter Gläubiger, dessen Forderung für den Ausfall zur Tabelle festgestellt ist, einen Versagungsantrag stellen, wenn er seinen Ausfall glaubhaft macht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der so bezeichnete Beschluss der Zivilkammer 26 des [X.] vom 7. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 15. April 2003 wurde über das Vermögen des Schuldners, eines selbständig tätigen Architekten, das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestimmt. Im Prüfungstermin am 19. Januar 2006 wurden hinsichtlich der weiteren Beteiligten zu 1, einer S.     (im Folgenden: Gläubigerin), Forderungen aus Kreditverbindlichkeiten in die Insolvenztabelle aufgenommen und mit dem Vermerk versehen, dass sie vom Verwalter für den Ausfall in voller Höhe festgestellt, vom Schuldner allerdings bestritten sind. Das Insolvenzgericht beraumte für den 16. April 2009 eine Gläubigerversammlung "zur Anhörung der Gläubiger zu dem Antrag des Schuldners auf Ankündigung der Restschuldbefreiung sowie auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungserklärung" an. Zugleich wurde darauf hingewiesen, eine gesonderte Anhörung nach § 300 [X.] erfolge nicht mehr. In diesem Termin beantragte die Gläubigerin, dem Schuldner gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] die Restschuldbefreiung zu versagen.

2

Das Insolvenzgericht hat den [X.] als unzulässig zurückgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag, die Restschuldbefreiung zu versagen, weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 4, 6 Abs. 1, § 7 aF, § 300 Abs. 3 Satz 2 [X.], Art. 103 f Satz 1 EG[X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 4 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

4

1. Der angegriffene Beschluss unterliegt der Aufhebung. Er weist, obwohl die zuständige Einzelrichterin am selben Tag mit gesondertem Beschluss die Sache der Kammer übertragen hatte, lediglich die Unterschrift dieser Richterin auf; im [X.] wird dagegen die Kammer in voller Besetzung aufgeführt. Da es sich mithin lediglich um einen Beschlussentwurf der Berichterstatterin handelt, fehlt es an einer richterlichen Entscheidung der zuständigen Kammer (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 1997 - [X.], [X.]Z 137, 49, 51 ff). Dem [X.] kommt keine rechtliche Wirksamkeit zu, er ist unbeachtlich und zur Klarstellung ersatzlos aufzuheben (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 1997, aaO; vom 4. Februar 1999 - [X.], [X.], 1192).

5

2. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

6

a) Der Beschlussentwurf, der in Z[X.] 2009, 2163 veröffentlicht ist, hat gemeint, weil die Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin beantragt werden müsse, sei möglicherweise die Anberaumung eines vorgezogenen Anhörungstermins zur Stellung von Versagungsanträgen verfahrensfehlerhaft. Jedenfalls sei die Gläubigerin nicht berechtigt, einen [X.] zu stellen. Als absonderungsberechtigte Gläubigerin sei sie nur antragsberechtigt, wenn sie ihren Ausfall nachgewiesen hätte. [X.] sei, weshalb sie ihren Ausfall nicht nachweisen oder beziffern könne.

7

b) Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

8

aa) Die Annahme, die Anberaumung eines vorgezogenen Anhörungstermins zur Stellung von Versagungsanträgen erscheine als verfahrensfehlerhaft, ist unzutreffend. Der [X.] hat inzwischen wiederholt ausgesprochen, dass gemäß § 300 Abs. 1 [X.] nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung auch dann zu entscheiden ist, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist ([X.], Beschluss vom 3. Dezember 2009 - [X.], [X.]Z 183, 258 Rn. 14, 20, 28; vom 12. Mai 2011 - [X.] 229/10, Z[X.] 2011, 1126 Rn. 6 f; vom 16. Februar 2012 - [X.] 268/10 Rn. 6, [X.]). Da zu diesem Zeitpunkt noch kein Schlusstermin abgehalten werden kann, muss die Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners in einer Form durchgeführt werden, die dem Schlusstermin entspricht. Dies kann in einer Gläubigerversammlung oder gemäß § 5 Abs. 2 [X.] im schriftlichen Verfahren erfolgen ([X.], Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 28; vom 12. Mai 2011, aaO Rn. 7). Die Gläubiger können zwar hierbei nicht die Versagungsgründe des § 296 [X.] geltend machen, weil der Schuldner die Obliegenheiten des § 295 [X.] nur in der Wohlverhaltensphase zu beachten hat. Sie können sich aber auf die Versagungsgründe des § 290 [X.] berufen ([X.], Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 23 f). Diesen Anforderungen entspricht die vom Insolvenzgericht anberaumte und durchgeführte Gläubigerversammlung vom 16. April 2009.

9

bb) Zu Unrecht wurde davon ausgegangen, die Gläubigerin sei nicht befugt, einen [X.] zu stellen.

(1) Versagungsanträge können nur diejenigen Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben ([X.], Beschluss vom 22. Februar 2007 - [X.] 120/05, [X.] 2007, 327 f; vom 8. Oktober 2009 - [X.] 257/08, [X.] 2010, 30 Rn. 3; vom 10. August 2010 - [X.] 127/10, [X.], 865 Rn. 4). Erst die Teilnahme am Insolvenzverfahren begründet die Antragsberechtigung (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl., [X.]. 41 Rn. 21). Für einen absonderungsberechtigten Gläubiger gilt grundsätzlich nichts anderes. Ein [X.], der seine persönliche Forderung nicht zumindest in Höhe des Ausfalls anmeldet, nimmt allerdings am Insolvenzverfahren nicht teil ([X.], Beschluss vom 17. März 2005 - [X.] 214/04, [X.] 2005, 322, 324; MünchKomm-[X.]/Ganter, 2. Aufl., § 52 Rn. 16). Die Gläubigerin hat dagegen ihre Forderung angemeldet; der Insolvenzverwalter hat die Forderung für den Fall des Ausfalls zur Tabelle festgestellt.

(2) Ob der absonderungsberechtigte Gläubiger zusätzlich den Ausfall nachzuweisen hat, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (befürwortend: FK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 290 Rn. 80; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 290 Rn. 37; HmbKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 290 Rn. 2; ablehnend: [X.]/[X.], [X.], 2010, § 290 Rn. 7; [X.] in [X.]/Wutzke/[X.], [X.], 2. Aufl., § 290 Rn. 42; [X.], Privatinsolvenz, 3. Aufl., § 5 Rn. 67 jew. unter Bezugnahme auf [X.], Z[X.] 2008, 983, 984). Für die hier vorliegende Fallgestaltung, bei der über die Versagung der Restschuldbefreiung im Hinblick auf das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bereits zu entscheiden ist, obwohl das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO; vom 12. Mai 2011, aaO; vom 16. Februar 2012, aaO), kann jedenfalls auf den vollen Nachweis im Sinne einer Bezifferung nicht abgestellt werden.

(a) Der nach § 190 Abs. 1 [X.] zu führende Nachweis des Ausfalls im Rahmen der [X.], mithin zu einem Zeitpunkt, in dem das Insolvenzverfahren abschlussreif ist, setzt die Verwertung des [X.] ([X.], [X.], 13. Aufl., § 190 Rn. 7) oder zumindest den Nachweis, dass ein erfolgloser [X.] unternommen wurde (MünchKomm-[X.]/Ganter, aaO Rn. 35; [X.]/[X.], aaO, § 52 Rn. 18), voraus. Regelmäßig wird die Verwertung bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen (vgl. HK-[X.]/[X.], aaO § 52 Rn. 5) und damit eine genaue Bezifferung des Ausfalls möglich sein.

(b) Handelt es sich dagegen um der [X.] vorausgehende [X.], findet im Hinblick auf die vielfach noch ausstehende Durchführung der Verwertung dieser Maßstab keine Anwendung. Geht es um [X.] (§ 190 Abs. 2 [X.]) oder um das Stimmrecht im Pla[X.]erfahren (§ 237 Abs. 1 Satz 1 [X.]), so genügt die Glaubhaftmachung (HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 6). Erst recht gilt dies, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt und diesen mit einem möglichen Ausfall begründet. Nur dann, wenn der Ausfall nicht glaubhaft gemacht wird, fehlt dem Antrag das Rechtsschutzinteresse (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2007 - [X.] 12/07, [X.], 281 Rn. 12; HK-[X.]/[X.], aaO).

(c) Für die vorliegende Fallgestaltung ist ebenfalls kennzeichnend, dass das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist und mithin ein Schlusstermin (§ 197 [X.]) nicht anberaumt werden kann. Auch hier ist es dem absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger regelmäßig nicht möglich, den vollen Nachweis des Ausfalls zu führen. Es genügt daher auch hier, den Ausfall glaubhaft zu machen.

Im gegenwärtigen Verfahrensabschnitt ist das Zwangsversteigerungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Gläubigerin hat im Beschwerdeverfahren vorgebracht, dass das bislang abgegebene [X.] deutlich unter der Summe der für sie in der Tabelle festgestellten Forderungen liegen wird. Diesem Vortrag muss nachgegangen werden.

(3) Auch ist es nicht erheblich, dass der Schuldner die zur Tabelle festgestellten Forderungen bestritten hat. Für die Beurteilung der Berechtigung eines Gläubigers, einen [X.] zu stellen, ist dies ohne Belang.

Der Widerspruch eines Schuldners gegen eine vom Insolvenzgläubiger zur Tabelle angemeldeten Forderung berührt die Stellung des Insolvenzgläubigers im Insolvenzverfahren nicht. Dies folgt aus § 178 Abs. 1 [X.] (vgl. FK-[X.]/[X.], aaO Rn. 81). [X.] und Insolvenzverfahren sind eng miteinander verbunden, insbesondere, wenn die Versagung der Restschuldbefreiung bereits während des Insolvenzverfahrens nach Ablauf der Abtretungsfrist oder im Schlusstermin nach § 290 [X.] erfolgen sollte. Da der Gesetzgeber die Entscheidung, ob dem Schuldner die Wohltat der Restschuldbefreiung gewährt werden soll, davon abhängig gemacht hat, dass die Insolvenzgläubiger keine begründeten Versagungsanträge stellen, muss entscheidend auf die Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger abgestellt werden, wozu auch der absonderungsberechtigte Gläubiger gehört. Der nachinsolvenzlichen Wirkung des Schuldnerwiderspruchs, etwa nach § 201 [X.], kann hierbei keine Bedeutung zukommen, insbesondere keine den [X.] hindernde Wirkung (so aber FK-[X.]/[X.], aaO).

Vill                                                   Raebel                                              [X.]

                         Fischer                                                  [X.]

Meta

IX ZB 230/09

11.10.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Hamburg, 7. Oktober 2009, Az: 326 T 45/09

§ 290 Abs 2 InsO, § 300 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2012, Az. IX ZB 230/09 (REWIS RS 2012, 2358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2358

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 230/09 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 103/05 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 209/11 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiung: Versagung wegen Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung; Glaubhaftmachung des Versagungsgrund durch Vorlage eines Strafurteils


IX ZB 55/18 (Bundesgerichtshof)

Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nur durch Insolvenzgläubiger mit angemeldeter Forderung zur Insolvenztabelle


IX ZB 86/12 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiungsverfahren für einen GmbH-Geschäftsführer: Befugnis des Insolvenzverwalters in einem aufgehobenen Insolvenzverfahren gegen die ebenfalls insolvente …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.