Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.06.2014, Az. 6 AZR 1008/12

6. Senat | REWIS RS 2014, 5015

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Gegenstand

Korrigierende Rückstufung bei Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L


Leitsatz

Beruht die Stufenzuordnung auf einer zulässigen Ermessensentscheidung, kann insoweit keine einseitige "korrigierende" Rückstufung erfolgen.

Tenor

1. Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern [X.] - vom 27. September 2012 - 11 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Rückstufung im Entgeltsystem des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]).

2

Der 1963 geborene Kläger ist Diplom-[X.] (FH) und war nach seinem Studium mehrere Jahre in leitender Funktion als [X.] und Informatiker in der Privatwirtschaft tätig. Ab 2006 war er selbständig. Im März 2007 legte er nach einem parallel betriebenen Studium der Wirtschaftsinformatik an der [X.] die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an der Sekundarstufe II ab. Im September 2007 begann er bei der [X.] den Vorbereitungsdienst und bestand im Juli 2009 die Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an beruflichen Schulen. Im Schuljahr 2008/2009 schrieb die Kaufmännische Schule L die Stelle einer Lehrkraft mit den Fächern Betriebswirtschaftslehre und Datenverarbeitung aus. Am [X.] September 2009 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger als Lehrer für diese Fächerkombination eingestellt wurde. Gemäß § 2 dieses Vertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem [X.] in der jeweils geltenden Fassung. Hinsichtlich der Vergütung sah der Arbeitsvertrag die Eingruppierung des [X.] in die [X.] 13 [X.] ohne Angabe einer bestimmten Entgeltstufe vor.

3

§ 16 Abs. 2 [X.] enthält folgende Regelungen zur [X.] bei einer Neueinstellung:

        

1Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die [X.] unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. 3Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. 4Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die [X.] berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.“

4

Der Kläger erhielt ab Beginn des Arbeitsverhältnisses am 11. September 2009 eine Vergütung nach Stufe 4 der [X.] 13 [X.]. Mit Datum vom 27. Oktober 2009 erhielt der Kläger von einem Sachbearbeiter einen Ausdruck aus dem [X.], wonach bei der Position „förderliche Zeiten“ die Zahl „006“ eingepflegt war. Der Ausdruck war handschriftlich um die Bemerkung „6 Jahre 2001 - 2007 anerkannt, ab 2007 Studium“ ergänzt. Nach einer Überprüfung der [X.] teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mit, er werde vorläufig bis zum Abschluss des personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahrens rückwirkend zum 11. September 2009 der Stufe 1 der [X.] 13 [X.] zugeordnet, weil seine berufliche Tätigkeit erst ab der [X.] berücksichtigt werden könne. Unter dem 7. Juli 2010 richtete der Schulleiter der [X.] ein Schreiben an das [X.], mit dem er betonte, dass der Kläger aufgrund seiner Berufserfahrung eingestellt worden sei und wegen dieser Erfahrung in den [X.] und in den Klassen der Fachkräfte für Lagerlogistik uneingeschränkt eingesetzt werden könne. Eine Engpasssituation im Bereich Logistik, Spedition und Lagerhaltung habe sich durch seine Einstellung enorm verbessert. Mit Schreiben vom 15. September 2010 verlangte der Kläger weiterhin Vergütung nach [X.] 13 Stufe 4 [X.]. Dennoch wurde die Rückstufung im Oktober 2010 vollzogen. Zum 30. September 2011 schied der Kläger durch Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land aus.

5

Mit seiner am 4. August 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des beklagten [X.] zur Vergütung nach Stufe 4 der [X.] 13 [X.] verlangt. Die Zuordnung zur Entgeltstufe 4 sei ihm ausweislich der Mitteilung vom 27. Oktober 2009 einzelvertraglich zugesichert worden. Eine korrigierende Rückstufung komme nicht in Betracht. Zudem sei die Zuordnung zur Stufe 4 nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht fehlerhaft. Die Ausführungen des Schulleiters im Schreiben vom 7. Juli 2010 belegten sowohl den zum Zeitpunkt seiner Einstellung bestehenden Personalbedarf als auch die Förderlichkeit seiner erworbenen Berufserfahrung für die spätere Lehrtätigkeit. Eine Beschränkung der Anrechenbarkeit auf Tätigkeiten, die nach dem [X.] Staatsexamen verrichtet wurden, sei § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht zu entnehmen.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihn vom 11. September 2009 bis zum 30. September 2011 aus der [X.] 13 Stufe 4 [X.] zu vergüten.

7

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der Kläger weder einen einzelvertraglichen noch einen tariflichen Anspruch auf Zuordnung zur Stufe 4 der [X.] 13 [X.] habe. Der Mitteilung des Sachbearbeiters vom 27. Oktober 2009 lasse sich keine Zusage einer bestimmten [X.] entnehmen. Der Sachbearbeiter sei auch nicht befugt gewesen, einzelvertragliche Vereinbarungen mit Beschäftigten zu treffen. Auch ein tariflicher Anspruch des [X.] sei nicht gegeben. § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] gewähre dem Arbeitgeber hinsichtlich der Anerkennung förderlicher Beschäftigungszeiten bei der [X.] ein freies Ermessen. Im Falle des [X.] sei von befugter Stelle keine Entscheidung der Vergütung nach Stufe 4 der [X.] 13 [X.] getroffen worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] hätten auch nicht vorgelegen. Zum einen habe bei der Einstellung des [X.] kein Personalbedarf bestanden, da es sich bei dem Unterrichtsfach Betriebswirtschaftslehre nicht um ein sog. „[X.]“ gehandelt habe. Darüber hinaus habe der Kläger bei der Einstellung über keine förderlichen Beschäftigungszeiten verfügt. Als „förderlich“ iSv. § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] könnten nur solche Zeiten anerkannt werden, die nach Ablegung des für die Einstellung maßgeblichen Ausbildungsabschlusses - hier des [X.] Staatsexamens - zurückgelegt worden sind. Die Rückstufung sei daher zu Recht erfolgt. Mit ihr werde nur die falsche Eingabe von Anerkennungszeiten in das Personalverwaltungssystem durch einen Sachbearbeiter korrigiert.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB auf Vergütung nach Stufe 4 der [X.] 13 [X.] in der [X.] vom 11. September 2009 bis zum 30. September 2011. [X.] war nicht berechtigt, die vorgenommene [X.] einseitig im Wege der korrigierenden Rückstufung zu ändern.

I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet [X.] der [X.] in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung.

II. [X.] hat den Kläger bei der Einstellung der Stufe 4 der [X.] 13 [X.] zugeordnet und diese Stufe der Vergütungsberechnung zugrunde gelegt. Das für eine korrigierende Rückstufung erforderliche Nichtvorliegen einer Tatbestandsvoraussetzung des § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] hat das beklagte Land nicht hinreichend dargelegt.

1. Bezüglich Eingruppierungen ist anerkannt, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich berechtigt ist, eine fehlerhafte, der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht entsprechende tarifliche Eingruppierung zu korrigieren ([X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] - Rn. 19, [X.]E 142, 271). Beruft sich der Arbeitnehmer auf die ihm zuvor als maßgebend mitgeteilte und der Vergütung zugrunde gelegte Vergütungsgruppe, muss der Arbeitgeber allerdings die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher gewährten Vergütung darlegen und ggf. beweisen ([X.] 20. März 2013 - 4 [X.] - Rn. 18; 15. Juni 2011 - 4 [X.] - Rn. 29). Dieser Darlegungslast wird genügt, wenn sich aus dessen Vorbringen - einschließlich des unstreitigen Sachverhaltes - ergibt, dass es jedenfalls an einer der tariflichen Voraussetzungen für die mitgeteilte Eingruppierung mangelt (vgl. [X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] - [X.]O; 7. Mai 2008 - 4 [X.]/07 - Rn. 27 f. mwN). Die objektive Fehlerhaftigkeit beinhaltet, dass sich der Arbeitgeber insoweit bei der Rechtsanwendung „geirrt“ hat, als er unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt und/oder eine objektiv unzutreffende rechtliche Bewertung vorgenommen hat (vgl. [X.] 16. Februar 2000 - 4 [X.] - zu II 2 b [X.] (3) der Gründe, [X.]E 93, 340). Diese Grundsätze der korrigierenden [X.] basieren auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Eingruppierung nicht um einen konstitutiven rechtsgestaltenden Akt, sondern um einen Akt der Rechtsanwendung verbunden mit der Kundgabe einer Rechtsansicht handelt (vgl. [X.] 11. September 2013 - 7 [X.] - Rn. 18; 24. Mai 2012 - 6 [X.] - Rn. 19, [X.]E 142, 20; 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 50, [X.]E 130, 286). Die Eingruppierung ist nicht in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt ([X.] 19. Oktober 2011 - 4 [X.] - Rn. 19).

2. Die Grundsätze der korrigierenden [X.] lassen sich auf die [X.] im Sinne einer Rückstufung übertragen, wenn sich die [X.] auf eine bloße Rechtsanwendung im Rahmen tariflicher Vorgaben beschränkt. Erlauben die tariflichen Regelungen dem Arbeitgeber bei der [X.] hingegen ein rechtsgestaltendes Handeln, kommt eine einseitige korrigierende Rückstufung nicht in Betracht. Die [X.] wird dann durch eine bewusste Entscheidung des Arbeitgebers und nicht mehr allein durch die Umsetzung tariflicher Vorgaben bestimmt.

3. In Bezug auf die [X.] nach § 16 Abs. 2 [X.] ist demnach wie folgt zu unterscheiden:

a) Bei den in § 16 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 [X.] geregelten Fällen der [X.] handelt es sich um reine Rechtsanwendung. Der Arbeitgeber hat bei Beachtung der Protokollerklärung zu § 16 Abs. 2 [X.] zu prüfen, ob eine einschlägige Berufserfahrung von bestimmter Länge aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis gegeben ist. Die [X.] richtet sich ausschließlich nach dem Subsumtionsergebnis. Erweist sich die [X.] nach § 16 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 [X.] als fehlerhaft, weil der Subsumtion unzutreffende Tatsachen und/oder eine objektiv unzutreffende rechtliche Bewertung zugrunde lagen, kann der Arbeitgeber diese durch einseitige Rückstufung korrigieren.

b) Bei der [X.] nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] treffen hingegen Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung zusammen. Dementsprechend ist zu differenzieren.

[X.]) Erweist sich die [X.] als fehlerhaft, weil der Arbeitgeber das Vorliegen einer der Tatbestandsvoraussetzungen fehlerhaft bejaht hat, kann er die [X.] durch Rückstufung korrigieren.

(1) Die [X.] nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] ist auf der Tatbestandsebene reine Rechtsanwendung. Bei den Merkmalen der bezweckten Deckung eines Personalbedarfs und der Förderlichkeit einer vorherigen beruflichen Tätigkeit handelt es sich um Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. [X.] 23. September 2010 - 6 [X.] - Rn. 15; zu § 21a Abs. 2 [X.] vgl. [X.] 26. Juni 2008 - 6 [X.] - Rn. 29; zu Nr. 3 Abs. 2 Satz 4 der Anlage [X.] zum TVöD-V vgl. [X.] 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 52; zu § 16 Abs. 2 Satz 6 idF von § 40 Nr. 5 Ziff. 1 [X.] vgl. [X.] 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 47; Sponer/Steinherr [X.] Stand Oktober 2009 § 16 Rn. 26; [X.]/[X.]/Kiefer/Thivessen [X.] Stand August 2012 Teil B 1 § 16 Rn. 19; [X.] [X.]/Felix Stand 1. März 2014 [X.] § 16 Rn. 23b; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Mai 2012 Teil II § 16 Rn. 56; Spelge in [X.] Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 26). Erst wenn diese einschränkenden Voraussetzungen objektiv erfüllt sind, wird dem Arbeitgeber auf der [X.] Ermessen eröffnet.

(2) Die Auffassung der Revision, wonach dem Arbeitgeber bereits auf der Tatbestandsebene des § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] „freies“ Ermessen eingeräumt werde, steht im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Tarifnorm. Mit der Regelung soll erreicht werden, dass der Arbeitgeber etwaigen Personalgewinnungsschwierigkeiten flexibel begegnen kann (vgl. [X.] 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 47; 12. September 2013 - 6 [X.] - Rn. 52). Die Vorschrift schafft einen Rahmen, in dem der Arbeitgeber einen tariflich eröffneten Handlungsspielraum bzgl. der Attraktivität der Vergütung nutzen kann. Damit soll einerseits marktgerechte Flexibilität eröffnet werden, andererseits soll aber in Abgrenzung zur Gewährung übertariflicher Leistungen eine Objektivierung und Vereinheitlichung der [X.] erreicht werden. Anderenfalls wäre die Regelung sinnlos, da der Arbeitgeber - abgesehen von haushaltsrechtlichen Beschränkungen - nicht gehindert ist, übertarifliche Leistungen zu gewähren und einzelvertraglich zu vereinbaren. Könnte der Arbeitgeber frei bestimmen, ob [X.] eine frühere Tätigkeit „förderlich“ iSv. § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] ist, wäre kein tariflicher Maßstab mehr zu wahren.

Gegen ein freies Ermessen des Arbeitgebers auf Tatbestandsebene spricht zudem, dass der öffentliche Arbeitgeber bei der Anerkennung von förderlichen [X.]en dem [X.] verpflichtet ist. Demnach sind objektiv nachvollziehbare Gründe für eine Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] notwendig (vgl. [X.] ZMV 2013, 25). Müssten schon die Tatbestandsvoraussetzungen nicht objektiv erfüllt sein, wäre ein praktischer Anwendungsbereich für die Tarifnorm kaum eröffnet. Der Arbeitgeber müsste eine [X.] nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] dann wie eine übertarifliche Vergütungsabrede rechtfertigen.

bb) Auf der [X.] handelt es sich bei der [X.] nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] demgegenüber um Rechtsgestaltung, die der Arbeitgeber nicht durch eine Rückstufung einseitig verändern kann. Dem Arbeitgeber wird hier Ermessen eingeräumt. Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um freies oder billiges Ermessen handelt (vgl. [X.] 23. September 2010 - 6 [X.] - Rn. 17). Jedenfalls wird die [X.] durch einen [X.] des Arbeitgebers und nicht durch bloßen Tarifvollzug bestimmt. Im Umfang der Ermessensausübung ist daher eine einseitige korrigierende Rückstufung nicht zulässig.

4. Will der Arbeitgeber die durch sein Ermessen bestimmte [X.] verändern, so muss er im Regelfall mit dem betroffenen Arbeitnehmer eine entsprechende Vereinbarung treffen oder die beabsichtigte Änderung im Wege der Änderungskündigung durchsetzen, denn der Arbeitnehmer hat meist einen vertraglichen Anspruch auf die Vergütung nach der vorgenommenen [X.].

a) Hierbei handelt es sich um keine einzelvertragliche Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung. Die Ausübung des Ermessens nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] ist Teil der Tarifanwendung.

b) Das Ermessen wird regelmäßig durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt. Hierzu bedarf es keiner Form, die Ausübung ist also auch durch schlüssiges Verhalten möglich (vgl. zu § 315 Abs. 2 BGB MüKoBGB/Würdinger 6. Aufl. § 315 Rn. 34 mwN). [X.] Verhalten des Arbeitgebers kann eine konkludente Willenserklärung entnommen werden, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann (vgl. [X.] 10. Dezember 2013 - 3 [X.] 832/11 - Rn. 60; 15. Mai 2012 - 3 [X.] 610/11 - Rn. 56, [X.]E 141, 222). Ob in einem tatsächlichen Handeln eine konkludente Willenserklärung zu erblicken ist, muss danach beurteilt werden, inwieweit der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte (vgl. [X.] 10. Dezember 2013 - 3 [X.] 832/11 - Rn. 61; 28. Mai 2008 - 10 [X.] 274/07 - Rn. 15).

c) Im Falle einer [X.] nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] stellt die bloße Lohnzahlung in Höhe einer bestimmten Entgeltstufe regelmäßig ein konkludentes Angebot des Arbeitgebers auf entsprechende Vergütung dar, die der Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung erbringt und diese Vergütung entgegennimmt, konkludent annimmt. Damit erhält er einen vertraglichen Anspruch auf die Bezahlung nach dieser Entgeltstufe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber tariflich verpflichtet ist, eine [X.] vorzunehmen. Erhält der Arbeitnehmer wiederholt eine bestimmte Vergütung ausgezahlt, darf er regelmäßig nach objektivem Empfängerhorizont davon ausgehen, der Arbeitgeber habe ihn verbindlich der entsprechenden Entgeltstufe zugeordnet. Interne Verwaltungsabläufe des Arbeitgebers sind dabei ohne Bedeutung, wenn sie sich der Kenntnis des Arbeitnehmers entziehen. Entgegen der Auffassung der Revision macht es keinen Unterschied, ob eine [X.] auf einer fehlerhaften verwaltungstechnischen Sachbearbeitung oder einer bewussten Entscheidung durch befugte Funktionsträger beruht. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist die faktisch erfolgte und durch die Zahlung belegte [X.] maßgeblich. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt annehmen durfte, es handle sich um eine Willenserklärung des Arbeitgebers (vgl. [X.]/[X.] 37. Aufl. Rn. 85, 137). Auf die Kenntnis des Arbeitgebers kommt es, anders als bei der von der Revision genannten Regelung des § 15 Abs. 5 T[X.]fG, nicht an. Anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitnehmer von [X.] oder Verwaltungsfehlern wusste und der vorgenommenen [X.] deshalb keinen Bindungswillen beimessen durfte.

5. Im vorliegenden Fall hat sich das beklagte Land nicht auf eine Anfechtung der [X.] oder auf deren Änderung durch eine Änderungskündigung berufen, sondern auf die Wirksamkeit einer korrigierenden Rückstufung. Die hierfür erforderliche objektive Fehlerhaftigkeit der [X.] ist jedoch nicht hinreichend dargelegt.

a) Für die Wirksamkeit der korrigierenden Rückstufung ist - wie ausgeführt - allein maßgeblich, dass eine der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der nach § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] vorgenommenen [X.] nicht gegeben ist. Die Rückstufung kann daher für sich genommen nicht mit einer Kompetenzüberschreitung oder einem Arbeitsfehler eines Sachbearbeiters begründet werden.

b) Eine Einstellung zur Deckung des Personalbedarfs iSv. § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] setzt voraus, dass der Personalbedarf sonst quantitativ oder qualitativ nicht hinreichend gedeckt werden kann ([X.] 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 47 mwN). Dies kann im Schuldienst bei einem sog. „[X.]“ der Fall sein. Der Sachvortrag des beklagten [X.] dazu ist aber unzureichend, weil der Kläger nicht nur für das Fach Betriebswirtschaftslehre, sondern auch für das Fach Datenverarbeitung eingestellt wurde. Zu einem fehlenden Personalgewinnungsbedarf für Lehrer dieses Fachs verhält sich der Sachvortrag des beklagten [X.] nicht.

c) Die ursprüngliche [X.] ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Kläger bei der Einstellung nicht über förderliche Vorbeschäftigungszeiten verfügte. Im Gegensatz zur Auffassung des beklagten [X.] sind im Rahmen von § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht nur [X.]en zu berücksichtigen, die nach Ablegung des für die Einstellung maßgeblichen Ausbildungsabschlusses - hier des Zweiten St[X.]tsexamens - zurückgelegt worden sind. Diese Sichtweise entspricht nicht den tariflichen Regelungen.

[X.]) § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] dient dazu, Berufserfahrung zu berücksichtigen, die dem Arbeitnehmer und damit auch seinem Arbeitgeber in der Tätigkeit, für die er neu eingestellt wurde, zugutekommt (vgl. [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 94/12 - Rn. 58; 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 62 ). Inhaltlich kommen als förderliche [X.]en in erster Linie gleichartige und gleichwertige Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer bei einem anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber ausgeübt hat, in Betracht. Sie können insbesondere vorliegen, wenn die frühere berufliche Tätigkeit mit der auszuübenden Tätigkeit in sachlichem Zusammenhang steht und die dabei erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen für die Erfüllung der auszuübenden Tätigkeit offenkundig von Nutzen sind (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Mai 2012 Teil II § 16 Rn. 58; [X.]/[X.]/Kiefer/Thivessen [X.] Stand August 2012 Teil B 1 § 16 Rn. 24; [X.] ZMV 2010, 173; zur Anlehnung dieser Definition an das Verständnis des Begriffs der „förderlichen Tätigkeit“ in § 10 Satz 1 Nr. 2 [X.] vgl. Spelge in [X.] Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 29; [X.] in [X.] Bd. IV Stand Februar 2010 E § 16 Rn. 27). Auch eine selbständige Tätigkeit kann demnach eine förderliche berufliche Tätigkeit iSd. § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] sein ([X.] ZMV 2013, 25, 26; [X.] [X.]O; [X.]/Neffke/[X.] TVöD/[X.] 4. Aufl. § 16 Rn. 20). Die vorherige förderliche Tätigkeit muss nicht unmittelbar vor der Einstellung verrichtet worden sein (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.]O Rn. 59; [X.]/[X.]/Kiefer/Thivessen [X.]O Rn. 23).

bb) Der Begriff der „förderlichen Tätigkeit“ iSv. § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] ist damit weiter als der Begriff der „einschlägigen Berufserfahrung“ iSv. § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 [X.] (vgl. [X.] öAT 2012, 51; [X.] in [X.]/[X.] 2. Aufl. § 16 Rn. 11). Einschlägige Berufserfahrung ist nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 [X.] eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit. Um einschlägige Berufserfahrung handelt es sich demnach, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die er nach seiner Einstellung auszuüben hat (vgl. [X.] 27. März 2014 - 6 [X.] 571/12 - Rn. 17; 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 45). Dabei kommt es nicht auf die formale Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber, sondern auf die entgeltrechtlich zutreffende Bewertung an (vgl. [X.] 24. Oktober 2013 - 6 [X.] 964/11 - Rn. 20). Demgegenüber verlangt eine förderliche Tätigkeit nur eine Nützlichkeit für die auszuübende Tätigkeit, ohne dass es auf die eingruppierungsmäßige Gleichwertigkeit der beruflichen Tätigkeiten ankommt. Auch eine geringer oder anders qualifizierte berufliche Tätigkeit kann in diesem Sinne nützlich sein.

cc) § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] setzt entgegen der Ansicht der Revision damit nicht voraus, dass die förderlichen Tätigkeiten nach dem für die Einstellung maßgeblichen Ausbildungsabschluss absolviert wurden. Die berufliche Tätigkeit des [X.] in der Privatwirtschaft bis zum Jahre 2007 ist im Rahmen von § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.] berücksichtigungsfähig. Dass es sich dabei um für die spätere Lehrtätigkeit nützliche Tätigkeiten handelt, wird vom beklagten Land nicht in Abrede gestellt und ist durch das Schreiben des Schulleiters vom 7. Juli 2010 hinreichend belegt. Es kann hier deshalb unentschieden bleiben, ob und ggf. welche Ausbildungs- und Studienzeiten als förderliche Tätigkeiten anerkannt werden können.

III. [X.] hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Augat    

        

    W. Kreis     

                 

Meta

6 AZR 1008/12

05.06.2014

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Lörrach, 27. März 2012, Az: 2 Ca 266/11, Urteil

§ 16 Abs 2 TV-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.06.2014, Az. 6 AZR 1008/12 (REWIS RS 2014, 5015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5015

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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