Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2022, Az. XII ZB 423/21

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2618

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Gegenstand

Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels: Beschwerde mit der Begründung der Unzuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges; Exequaturverfahren


Leitsatz

1. Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 65 Abs. 4 FamFG, im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. September 2021 - XII ZB 495/20, FamRZ 2021, 1908).

2. Dies gilt auch im Exequaturverfahren, wenn das Beschwerdegericht in der Sache selbst entscheidet.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 5. August 2021 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Wert: 788.031 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Vollstreckbarerklärung einer [X.] Gerichtsentscheidung zum Ehegatten- und Kindesunterhalt.

2

Die Antragstellerin zu 2 (im Folgenden: Ehefrau) und der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) sind getrenntlebende Ehegatten. Ihre letzte gemeinsame Wohnung war in [X.], wo die Ehefrau, die die [X.] Staatsangehörigkeit besitzt, noch heute lebt. Aus der Ehe ist ein 11jähriger [X.] (Antragsteller zu 1) hervorgegangen, der bei der Ehefrau lebt. Der Ehemann hatte im [X.]punkt der Einleitung des [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

3

Durch Entscheid des [X.] vom 18. August 2020 wurde unter anderem das Getrenntleben der Ehegatten bewilligt und die Obhut des [X.]es bei der Ehefrau festgelegt. Der Ehemann wurde zudem für die [X.] ab Februar 2018 zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt an die Ehefrau verpflichtet.

4

Die Ehefrau hat unter Vorlage einer für sie als Gläubigerin ausgestellten Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit beim Vorsitzenden der Zivilkammer des [X.] beantragt, den Entscheid mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen. Das [X.] hat die Sache zuständigkeitshalber an das Amtsgericht - Familiengericht - abgegeben. Vor dem Amtsgericht hat - auf eine Anregung des [X.] zurückgehend - auch der [X.] als Antragsteller zu 1 den Antrag gestellt. Das Amtsgericht hat dem gemeinsamen Antrag unter Anwendung des [X.] vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von [X.] ([X.] 73 - vgl. [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 9 Rn. 611) stattgegeben. Das [X.] hat die Beschwerde des Ehemanns unter Anwendung des Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]) zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Ehemann mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Zurückweisung des [X.] begehrt.

II.

5

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

6

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 57 i.V.m. § 46 Abs. 1 [X.] zulassungsfrei statthaft, weil sich der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel gegen die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 c) bzw. 2 b) [X.] wendet (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 - [X.] 102/20 - FamRZ 2020, 1293 Rn. 5). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

7

2. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Antragsteller hätten die Wahl, die Vollstreckbarerklärung entweder im Verfahren nach dem [X.] oder nach dem für die [X.] noch geltenden [X.] 73 zu verfolgen. Mit ihrem Antrag, dem sie das Formblatt V [X.] beigefügt haben, hätten sie den Weg der Vollstreckbarerklärung nach diesem Abkommen beschritten. Soweit der Antragsgegner mit seiner Beschwerde die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt habe, sei dies unbeachtlich, da eine Beschwerde nicht darauf gestützt werden könne, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Versagungsgründe gegen die Vollstreckbarerklärung lägen nicht vor. Soweit der Antragsgegner die internationale Zuständigkeit des [X.]er Kreisgerichts und die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung gerügt habe, seien diese vom Zweitgericht grundsätzlich nicht nachzuprüfen.

8

3. Die hiergegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

9

a) Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht in sachlicher Unzuständigkeit entschieden, da der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach dem [X.] gemäß Art. 39 i.V.m. [X.] des Abkommens an den Vorsitzenden des [X.] zu richten sei. Die in dem Abkommen geregelte Zuständigkeitsbestimmung werde als unmittelbar geltendes Recht der [X.] durch die Durchführungsbestimmungen des [X.] nicht berührt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 [X.]), weshalb sie der in § 35 Abs. 1 [X.] abweichend geregelten Zuständigkeitsbestimmung vorgehe.

Hiermit zeigt die Rechtsbeschwerde bereits keinen Verfahrensfehler des [X.]s auf. Gemäß § 2 [X.] i.V.m. § 65 Abs. 4 FamFG kann die Beschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Ausnahmen davon hat der Senat in verfassungskonformer Auslegung des § 65 Abs. 4 FamFG bisher nur für Fälle der Willkür zugelassen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2010 - [X.] 227/10 - FamRZ 2011, 282 Rn. 19 mwN). Selbst wenn man mit der Rechtsbeschwerde annähme, dass eine weitere Ausnahme von § 65 Abs. 4 FamFG auch dann zuzulassen sei, wenn ein Beteiligter - wie hier der Antragsgegner aufgrund Art. 41 Satz 2 [X.], § 58 [X.] - im erstinstanzlichen Verfahren kein rechtliches Gehör zur Frage der Gerichtszuständigkeit hatte, wäre dieses nicht rechtserheblich. Denn gemäß §§ 2, 45 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Beschwerdegericht in der Sache grundsätzlich selbst zu entscheiden. Entscheidet es in der Sache selbst, fungiert es verfahrensordnungsgemäß als [X.] und wirkt sich die vermeintliche Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts nicht aus.

b) Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass hinsichtlich des Kindesunterhalts die Vollstreckbarerklärung auf Antrag des minderjährigen [X.]s erteilt worden sei, obgleich nicht er, sondern insoweit ebenfalls die Ehefrau Gläubigerin des [X.] sei. Denn die Ehefrau als Gläubigerin hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung unbeschränkt unter Beifügung einer für sie ausgestellten Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit (Formblatt V [X.]) gestellt, weshalb diese bereits allein auf ihren Antrag ausgesprochen werden konnte. Der daneben zusätzlich im Namen des [X.]s gestellte Antrag geht ins Leere, ohne die Wirksamkeit der Vollstreckbarerklärung auf Antrag der Ehefrau als die im Titel bezeichnete Gläubigerin in Frage zu stellen.

Dose    

        

Schilling    

        

Günter

        

Nedden-Boeger    

        

Guhling    

        

Meta

XII ZB 423/21

11.05.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 5. August 2021, Az: 17 UF 142/21

§ 65 Abs 4 FamFG, § 69 Abs 1 S 1 FamFG, § 2 AUG, § 45 Abs 1 AUG, § 58 AUG, Art 41 S 2 VollstrZustÜbk 2007, UhEntschÜbk Haag

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2022, Az. XII ZB 423/21 (REWIS RS 2022, 2618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2618 MDR 2022, 908 REWIS RS 2022, 2618

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XII ZB 227/10

XII ZB 102/20

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