Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2018, Az. XII ZB 109/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 3022

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Gegenstand

Familiensache: Rechtsschutzbedürfnis für den auf einen ausländischen vollstreckbaren Unterhaltsvertrag gestützten Leistungsantrag


Leitsatz

Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsantrag, der auf einen ausländischen vollstreckbaren Unterhaltsvertrag gestützt ist, kann im Hinblick auf eine mögliche Vollstreckbarerklärung im Inland jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn und soweit ein entsprechender Antrag bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Das gilt auch, wenn der Antragsteller nicht alle ihm im Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 21. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 30. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin macht gegen den Antragsgegner Ansprüche auf Kindesunterhalt geltend.

2

Die Antragstellerin ist die im August 2008 in [X.] geborene nichteheliche Tochter des Antragsgegners. Sie besitzt wie ihre Mutter die [X.], [X.] und [X.] Staatsangehörigkeit. Der Antragsgegner ist [X.] Staatsangehöriger und wohnt in Bonn.

3

Am 3. September 2009 schlossen der Antragsgegner und die durch ihre Mutter vertretene Antragstellerin in [X.] einen von der dortigen Vormundschaftsbehörde genehmigten [X.]. Darin verpflichtete sich der Antragsgegner, für die Antragstellerin ab deren Geburt bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Ausbildung, mindestens bis zu ihrer Mündigkeit, monatlichen Unterhalt von 600 [X.] ([X.]) zu zahlen. Sollte sich das Kind in [X.] aufhalten, so sollte der Unterhalt monatlich 900 [X.] betragen.

4

Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren zunächst Ansprüche auf rückständigen und laufenden Kindesunterhalt geltend gemacht. Nachdem der [X.] vom 3. September 2009 unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags nur in Höhe von monatlich 600 [X.] im Inland für vollstreckbar erklärt worden ist, verlangt sie noch die Zahlung von weiteren 300 [X.] für 35 näher bezeichnete Monate seit 2009, in denen sie sich in [X.] aufgehalten habe.

5

Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.

II.

6

Da der Antragsgegner als Rechtsbeschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin durch [X.] zu entscheiden (§§ 74 Abs. 4, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 331 ZPO). Dieser beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt von Rechts wegen den gesamten Sach- und Streitstand (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - [X.]/13 - FamRZ 2014, 1355 Rn. 5 [X.]).

7

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

8

1. Nach Auffassung des [X.]s fehlt dem Begehren der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie bereits einen vollstreckbaren Titel über den geltend gemachten Anspruch besitze und daraus die Zwangsvollstreckung betreiben könne. Dass die Antragstellerin trotz bestehenden Vollstreckungstitels ausnahmsweise einen verständigen Grund oder ein anerkennenswertes Interesse für eine Klage habe, habe sie nicht dargetan.

9

Für das auf den [X.] gestützte Begehren sei der Antragstellerin bereits eine Teilvollstreckungsklausel über monatlich 600 [X.] für die [X.] ab Januar 2009 erteilt worden. Sie habe nicht aufgezeigt, dass sie gehindert sei, auch wegen der weiteren Unterhaltsforderung über monatlich 300 [X.] für die [X.] von Januar 2009 bis 2015, in der sie sich nach ihrem Vorbringen in [X.] aufgehalten habe, gemäß §§ 36 ff. [X.] iVm Art. 1, 2 und 21 HUntVÜ die Vollstreckbarerklärung des [X.]n Vollstreckungstitels in [X.] zu betreiben. Im Vergleich zu einem Leistungsantrag auf Zahlung von Unterhalt handele es sich dabei um einen einfacheren und auch kostengünstigeren Weg. Die im durchgeführten Exequaturverfahren ausgesprochene Teilzurückweisung hinsichtlich der rückständigen [X.] sei nicht auf die fehlende Eignung des Verfahrens, sondern darauf zurückzuführen, dass die Antragstellerin einen möglichen Antrag nach § 39 Abs. 2 [X.] trotz richterlichen Hinweises ausdrücklich nicht gestellt habe. Infolge eines solchen Antrags wären zwar durch die [X.]örung des Gegners, eine mögliche mündliche Verhandlung und die Vernehmung von Zeugen weitere Kosten entstanden. Diese wären aber nicht höher gewesen als die in der vorliegenden Familienstreitsache anfallenden Kosten einer Beweisaufnahme.

Die Klärung des Aufenthalts der Antragstellerin in [X.] als aufschiebende Bedingung ihres Mehrunterhaltsanspruchs habe das [X.] nicht etwa wegen unzureichender Bestimmtheit ablehnen können. Werde ein ausländischer Titel den nach [X.] Vollstreckungsrecht zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen nicht gerecht, ergäben sich jedoch die Kriterien, nach denen sich die titulierte Leistungspflicht bestimme, aus ausländischen Bestimmungen oder ähnlichen im Inland gleichermaßen zugänglichen und sicher feststellbaren Umständen, so sei es grundsätzlich zulässig und geboten, diese Feststellungen nach Möglichkeit im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu treffen und den ausländischen Titel in der Entscheidung über seine Vollstreckbarkeit entsprechend zu konkretisieren. So liege es auch hier. Ob die vertragliche Bedingung für die Verpflichtung zur Zahlung eines um 300 [X.] über dem Regelbetrag liegenden Unterhalts ("Sollte sich das Kind in [X.] aufhalten") eingetreten sei, könne im Verfahren nach Art. 39 Abs. 2 [X.] mit den zulässigen Beweismitteln nicht weniger fundiert und zugleich prozessökonomischer geklärt werden als in einem neuen inländischen Erkenntnisverfahren. Auch die zwischen den Beteiligten bestehende Streitfrage über die Auslegung des Begriffs des Aufenthalts könne ebenso gut im einfacheren Verfahren der Vollstreckbarerklärung geklärt werden.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ist gegeben. Diese ergibt sich entweder aus Art. 3 lit. [X.] oder aus Art. 2 Abs. 1 [X.] Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 ([X.] 2007).

Ob Art. 3 [X.] in den Mitgliedstaaten der [X.] gegenüber dem von der [X.] ratifizierten und im Verhältnis zur [X.] anwendbaren [X.] Übereinkommen 2007 vorrangig ist (so etwa [X.] Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. 1. Teil [X.] Rn. 343, 409 ff.; MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. [X.]. zu Art. 3 ff. [X.] Rn. 5, Art. 69 [X.] Rn. 9 ff. [X.] und [X.]/[X.] FamFG 4. Aufl. [X.]. 3 zu § 110 Rn. 24, 181 [X.]), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn beide Rechtsgrundlagen führen im vorliegenden Fall zur internationalen Zuständigkeit der [X.] Gerichte. Da der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] hat, ist nach Art. 3 lit. [X.] die internationale Zuständigkeit gegeben. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1, 59 Abs. 1 [X.] 2007 iVm § 7 BGB, weil auch der danach maßgebliche Wohnsitz des Antragsgegners in [X.] ist.

b) Dem Antrag fehlt entgegen der Auffassung des [X.]s nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

aa) [X.] (bzw. -anträge), mit denen fällige Ansprüche verfolgt werden, sind grundsätzlich ohne Darlegung eines besonderen Interesses an einer Entscheidung zulässig. Nur wenn das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise aus besonderen Gründen fehlt, ist eine solche Klage als unzulässig abzuweisen. Dies kann der Fall sein, wenn der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Forderung besitzt und daraus unschwer die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Allerdings ist dem Gläubiger trotz eines Vollstreckungstitels die Erhebung der Klage nicht verwehrt, wenn er hierfür einen verständigen Grund hat (vgl. [X.] Urteil vom 19. Dezember 2006 - [X.], 588 Rn. 10 [X.]; Senatsurteil vom 10. November 2010 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 97 Rn. 19).

Das Rechtsschutzbedürfnis kann nach diesen Grundsätzen auch fehlen, wenn der Gläubiger einen ausländischen Titel besitzt und diesen im Inland auf einfachere und kostengünstigere Weise für vollstreckbar erklären lassen kann (Senatsurteil vom 26. November 1986 - [X.] - FamRZ 1987, 370; vgl. [X.] Beschluss vom 4. Februar 2010 - [X.]/09 - NJW-RR 2010, 571 Rn. 10; [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis 9. Aufl. § 9 Rn. 704 ff.). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine neue Klage (Antrag) im Inland ist aber jedenfalls dann und insoweit zu bejahen, als ein vom Gläubiger gestellter Antrag auf Vollstreckbarerklärung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Denn für das Rechtsschutzbedürfnis genügt, dass ein anderer Weg zur Durchsetzung des Anspruchs im Inland aktuell nicht zur Verfügung steht, weil der Gläubiger bei Unzulässigkeit des Leistungsantrags andernfalls rechtlos gestellt wäre (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1986 - [X.] - FamRZ 1987, 370).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das [X.] nicht von der Unzulässigkeit des Antrags wegen fehlenden [X.] ausgehen.

Da der von den Beteiligten geschlossene [X.] nur im Hinblick auf den monatlichen Betrag von 600 [X.] für im Inland vollstreckbar erklärt und der weitergehende Antrag auf Vollstreckbarerklärung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist, hat die Antragstellerin keine Möglichkeit, auf einfacherem oder kostengünstigerem Weg zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen. Entgegen der Auffassung des [X.]s ist es nicht von Bedeutung, ob die Antragstellerin im [X.] gemäß § 39 Abs. 2 [X.] eine Beweisaufnahme hätte erwirken und aufgrund dessen letztlich dasselbe Ergebnis hätte erzielen können, wie sie es im vorliegenden Verfahren erstrebt. Denn das Erfordernis eines [X.] soll nur überflüssige Verfahren vermeiden, wenn und soweit dem Gläubiger einfachere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Es rechtfertigt indessen keine Sanktion für eine im Vorverfahren unzureichende Verfahrensführung. Da der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Mehrforderung materiell rechtskräftig zurückgewiesen worden ist, ist ein [X.] insoweit nicht mehr möglich und kann daher dem Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegenstehen.Aufgrund der Ansicht des [X.]s würde dagegen die Zurückweisung des Antrags im [X.] nicht nur die [X.] entfalten, dass der Titel im Inland insoweit nicht vollstreckbar ist (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1986 - [X.] - FamRZ 1987, 370), sondern hätte darüber hinausgehend im Ergebnis sogar die gleiche Wirkung wie eine rechtskräftige Abweisung des [X.]. Eine solche Bedeutung kommt der Entscheidung im [X.] nicht zu.

Dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Antrag auf Zahlung von monatlich weiteren 300 [X.] fehlt mithin nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

3. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. Das Verfahren ist an das [X.] zurückzuverweisen, weil dieses sich mit dem auf den [X.] vom 3. September 2009 gestützten Antrag noch nicht in der Sache befasst hat. Soweit das [X.] im angefochtenen Beschluss Bedenken gegen die Begründetheit des Antrags geäußert hat, teil der Senat diese Bedenken nicht.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen [X.] steht dem säumigen Beteiligten der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des [X.]es bei dem [X.], [X.] 45 a, [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dose     

      

[X.]     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 109/17

10.10.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 30. Januar 2017, Az: 21 UF 162/16

§ 110 FamFG, § 36 AUG, §§ 36ff AUG, § 39 Abs 2 AUG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2018, Az. XII ZB 109/17 (REWIS RS 2018, 3022)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 246 REWIS RS 2018, 3022

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 141/13

XII ZR 37/09

IX ZB 57/09

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