Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2003, Az. StB 7/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1975

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[X.]StB 7/03 vom5. August 2003in dem Ermittlungsverfahrengegenwegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung u. a.; hier: Beschwerde des Beschuldigten gegen die richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung von Gegenständen zum Zwecke der Durchsicht- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 5. August 2003 gemäß § [X.]. 5 StPO beschlossen:Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den [X.] des [X.] vom2. Mai 2003 - 2 [X.]/2003 - wird mit der Maßgabeverworfen, daß es in der Beschlußformel an Stelle von"die Beschlagnahme folgender Gegenstände richterlichbestätigt" heißt "die vorläufige Sicherstellung folgenderGegenstände zum Zwecke der Durchsicht richterlich [X.] Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittelszu tragen.Gründe:[X.] führt gegen den Beschwerdeführer R. sowie gegen die Mitbeschuldigten [X.], K. , S. u. a. ein Ermittlungsver-fahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung(§ 129 a Abs. 1 StGB).- 3 -Der zwischenzeitlich in Untersuchungshaft genommene [X.]soll Anfang 2003 unter anderem mit der Absicht nach B. gekom-men sein, im Auftrag eines internationalen terroristischen Netzwerks gewaltbe-reiter Islamisten eine selbständige terroristische Vereinigung zu gründen. [X.] Zweck habe er gewaltbereite [X.] Studenten und [X.], sie zu einem selbständigen Verband auf Dauer zusammenschließenund ausbilden sollen, um in den folgenden Monaten, insbesondere nach Be-ginn des "[X.]", in [X.] Sprengstoffanschläge zu verüben. [X.] habe diese Pläne gekannt, gebilligt und aktiv unterstützt. [X.] er Räumlichkeiten der [X.] in B. , an der er [X.] sei, zumindest kurzzeitig zur Anwerbung und Ausbildung der künftigenTerroristen zur Verfügung gestellt, bevor diese Aktivitäten aus Angst vor Ent-deckung an einen anderen Ort verlagert worden seien.Der Ermittlungsrichter des [X.] hat mit Beschluß vom20. März 2003 - 2 [X.] 82/2003 - die Durchsuchung der Wohnung des [X.] in der [X.]. 2 a, B. angeordnet. Die Anordnungwurde am selben Tag - zeitgleich mit weiteren Durchsuchungen - vollzogen.Hierbei wurden handschriftliche Notizen, [X.], persönliche Unterlagen,elektronische Datenträger, Visitenkarten sowie ein [X.] sichergestellt. Wegender Einzelheiten wird auf die Formel des angefochtenen Beschlusses Bezuggenommen.Nachdem der Beschwerdeführer die Freigabe dieses Materials begehrte,hat der [X.] beantragt, gemäß § 94 Abs. 1 und 2, § 98 Abs. 2Satz 2, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO "die Beschlagnahme richterlich zu bestäti-- 4 -gen". Diesem Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Be-schluß vom 2. Mai 2003 - 2 [X.]/2003 - entsprochen.Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen [X.] Beschluß und beantragt, ihn aufzuheben.II.Die auf Freigabe der bei der Durchsuchung sichergestellten [X.] gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber [X.] Mit dem angefochtenen Beschluß hat der Ermittlungsrichter des [X.] im Ergebnis zu Recht die vom Beschwerdeführer angestrebteFreigabe der bei der Durchsuchung sichergestellten Gegenstände, wie sie inder Beschlußformel aufgelistet sind, abgelehnt. Allerdings bedürfen der [X.] und der ihm zugrundeliegende Antrag des Generalbundes-anwalts der Auslegung und Klarstellung. Entgegen dem Wortlaut der Entschei-dungsformel und des Antrags handelt es sich noch nicht um die [X.] einer Beschlagnahme. Die Durchsicht des sichergestellten [X.], die erst der Klärung und Entscheidung dient, ob die vorläufig sicherge-stellten Unterlagen zurückzugeben sind oder die richterliche [X.] erwirken ist (vgl. BGHR StPO § 304 Abs. 5 Rechtsschutzbedürfnis 1), war -wie sich aus der Begründung des Antrags des [X.]s vom17. April 2003 ergibt - wegen des Umfangs der Asservate noch nicht abge-schlossen, sondern dauerte an, so daß die Beweisbedeutung der [X.] die Untersuchung noch ungeklärt war. Entsprechend dieser [X.] -tuation sind der Antrag des [X.]s und der angefochtene Be-schluß dahin auszulegen, daß nicht die richterliche Bestätigung der Beschlag-nahme, sondern der vorläufigen Sicherstellung der Gegenstände zum [X.] Durchsicht beantragt und beschlossen wurde. Der [X.] hat dies [X.] der Beschlußformel klargestellt.Da das Verfahren in diesem Stadium der Durchsuchung zugeordnet ist(vgl. [X.] NStZ-RR 2002, 144, 145 m. w. N.), ist die Rechtmäßigkeit der [X.] Entscheidung nicht anhand der Beschlagnahmevorschriften (§ 94,§ 98 StPO), sondern anhand der rechtlichen Voraussetzungen der Durchsu-chung (§ 102, § 103 StPO) und der Durchsicht von Papieren (§ 110 StPO) zubeurteilen.2. Die Voraussetzungen für die gegen den Beschwerdeführer als Be-schuldigten gerichtete Durchsuchungsanordnung liegen vor (§ 102, § 105StPO).a) Der Beschwerdeführer ist nach den bisherigen Ermittlungen jedenfallsder Beihilfe zur versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung ver-dächtig (§ 129 a Abs. 1, § 22, § 23 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB). Für die [X.] einer Durchsuchung gemäß § 102 StPO reicht der durch Tatsachen kon-kretisierte Verdacht aus, daß eine Straftat begangen worden ist und der [X.] als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. [X.] in [X.] 102 Rdn. 1 m. w. N.). Ein derartiger Verdacht ergibt sich hier insbesondereaus Berichten von Vertrauenspersonen über Treffen des [X.] anderen Mitbeschuldigten und den Inhalt der dabei geführten Gespräche, indenen unter anderem ein geplanter Sprengstoffanschlag des [X.]gebilligt wurde, sowie zu der mit Einverständnis des [X.] erfolgten Anwerbung und Ausbildung gewaltbereiter islamischer Studentenund Asylbewerber in Räumen der [X.], in der er [X.] und somitHausherr war. Mit Blick auf die Tat, derer der Beschwerdeführer verdächtig ist,sowie auf das für sie generell typische, konkret auch durch Angaben der [X.] belegte konspirative Zusammenwirken der Beteiligten [X.] tatsächliche Anhaltspunkte vor, daß sich in der Wohnung des [X.] Gegenstände befinden, die - etwa weil sie Erkenntnisse zu [X.] und Mitgliedern der zu gründenden Vereinigung vermitteln - als Be-weismittel für das Verfahren in Betracht kommen können.b) [X.] vom 20. März 2003, in dem der Beschuldigte als [X.] einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a Abs. 1 StGB ver-dächtig bezeichnet wird, erfüllt auch die formellen Voraussetzungen einesDurchsuchungsbefehls. Die tatsächlichen Umstände, aus denen sich der [X.] gegen den Beschuldigten ergab, sind mit Blick auf den zumZeitpunkt der Anordnung vorhandenen Erkenntnisstand entgegen der [X.] des Beschwerdeführers ausreichend dargestellt. Insbesondere sind dievon Vertrauenspersonen geschilderten Treffen und die dabei geführten [X.] in der Beschlußbegründung enthalten. Die [X.] auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie steht ineinem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der dem [X.] liegenden Straftat und der Bedeutung des sich daraus ergebendenAufklärungsinteresses.3. Die vorläufige Sicherstellung der Gegenstände des [X.] sowie ihre Mitnahme zur Durchsicht sind ebenfalls nicht zu beanstanden.- 7 -a) Die vorläufige Sicherstellung der in der angefochtenen Entscheidungbezeichneten Gegenstände hält sich in den Grenzen des Beschlusses des Er-mittlungsrichters des [X.] vom 20. März 2003, mit dem [X.] der Wohnung des Beschwerdeführers gestattet wurde. [X.] nannte als Zweck der Durchsuchung unter anderem die [X.] und elektronischer Unterlagen, etwa von Korrespondenz zwischenden Beschuldigten, Notizen, Telefonbücher sowie Reise- und Kontounterlagen,die die mögliche Einbindung des Beschwerdeführers in die terroristische [X.] und seine engen Kontakte zu anderen Vereinigungsmitgliedern bele-gen.b) Die vorläufig sichergestellten Unterlagen sind Papiere im Sinne von§ 110 StPO oder ihnen gleichzusetzen. Die Vorschrift erfaßt alle Gegenstände,die wegen ihres [X.] Bedeutung haben, namentlich alles [X.] berufliche Schriftgut, aber auch Mitteilungen und Aufzeichnungen aller Art,gleichgültig auf welchem Informationsträger sie festgehalten sind, somit auchalle elektronischen Datenträger und Datenspeicher (vgl. [X.] in [X.] 110 Rdn. 2 m. w. N.).c) Schließlich konnten die Unterlagen aus der Wohnung des [X.] mitgenommen werden, weil ihre Beschaffenheit eine sofortige Durch-sicht an Ort und Stelle nicht ermöglichte. In welchem Umfang die inhaltlicheDurchsicht des Materials notwendig ist, wie sie im Rahmen von § 110 StPO imeinzelnen zu gestalten und wann sie zu beenden ist, unterliegt zunächst derEntscheidung der Staatsanwaltschaft, die hierbei einen eigenverantwortlichenErmessensspielraum hat (vgl. [X.], 3397). Nach Mitteilung des [X.] 8 -neralbundesanwaltes ist die erforderliche Prüfung noch nicht abgeschlossen.Für eine Überschreitung des Ermessensspielraumes der [X.] sich derzeit keine Anhaltspunkte.Indessen verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß [X.] zügig durchgeführt wird, um abhängig von der Menge des vorläufigsichergestellten Materials und der Schwierigkeit seiner Auswertung in [X.] zu dem Ergebnis zu gelangen, was als potentiell beweiserheb-lich dem Gericht zur Beschlagnahme angetragen und was an den [X.] herausgegeben werden soll (vgl. [X.], 117, 118). [X.] der entsprechenden Entscheidungsgrenzen stehtdem Beschwerdeführer der Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog offen(vgl. [X.] NStZ 2002, 377, 378).4.Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der Grundsatz desrechtlichen Gehörs nicht verletzt. Der [X.] hat der Verteidi-gung in rechtlich unbedenklicher Weise bisher nur teilweise Akteneinsicht ge-währt (§ 147 Abs. 2 StPO). Die Ermittlungen dauern derzeit noch an. Das Ein-sichtsrecht in die vollständigen Akten gemäß § 147 StPO steht dem [X.] erst nach Abschluß der Ermittlungen zu. Ein gegenüber dem [X.] vorläufig bestehender Informationsvorsprung der [X.] ist wegen ihres Auftrags, den Sachverhalt zu erforschen und die Wahr-heit zu finden, grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. [X.]NStZ 1994, 551, 552). Im übrigen hat der Verteidiger des Beschuldigten [X.] vom 20. März 2003, die Niederschrift über die [X.] des Beschwerdeführers vom 21. März 2003 und den Antrag des [X.] auf "richterliche Beschlagnahme" erhalten, in welchen die- 9 -wesentlichen Gesichtspunkte zusammengefaßt und dargestellt sind. [X.] er auch darüber informiert worden, auf welchen tatsächlichen [X.] beruht, und hat die Informationen erhalten, die erbenötigt, um die Belange des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren [X.] vertreten. Eine solche Form der Mitteilung von Tatsachen und Beweismittelnreicht unter den gegebenen Umständen aus. Dies gilt insbesondere mit [X.] darauf, daß die Ermittlungen sich noch in der Anfangsphase befinden unddie bei den Durchsuchungen aufgefundenen und vorläufig sichergestelltenUnterlagen noch nicht vollständig ausgewertet worden sind (vgl. [X.] 147 Abs. 2 Teilakteneinsicht 2). Soweit der Beschwerdeführer die Verletzungvon Art. 5 Abs. 4 [X.] und Art. 6 Abs. 1 und 3 Buchst. a [X.] rügt, nimmt der[X.] auf die zutreffenden Ausführungen des [X.]s in seinerStellungnahme vom 20. Mai 2003 zu der Beschwerdeschrift Bezug und tritt [X.] bei.[X.] [X.]

Meta

StB 7/03

05.08.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2003, Az. StB 7/03 (REWIS RS 2003, 1975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1975

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