Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 5 AZR 456/10 (F)

5. Senat | REWIS RS 2010, 1776

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Gegenstand

Wiedereinsetzung - Anwaltsverschulden - Postausgangskontrolle


Tenor

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten zu tragen.

3. Der Streitwert bleibt auf 86,40 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 ZPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet. Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden bzw. ohne ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung einer Revisionsbegründungsschrift verhindert war, § 233 ZPO.

2

1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die [X.] ohne ihr Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Dabei steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der [X.] gleich.

3

2. Nach der eigenen Darlegung der Beklagten ist ein Verschulden der Beklagten bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten nicht auszuschließen.

4

a) Im Rahmen der [X.] gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen [X.] führen. Die Kontrolle muss gewährleisten, dass der fristwahrende [X.] rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ein Nachweis dafür, dass ein Schriftstück tatsächlich in den Postlauf gelangt ist, ist bei zuverlässig organisiertem Postausgang nicht nötig, es genügt die Glaubhaftmachung, dass der Verlust mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Bereich, für den die [X.] - auch über § 85 Abs. 2 ZPO - verantwortlich ist, eingetreten ist ([X.] 11. Februar 1957 - VII ZB 3/57 - [X.]Z 23, 291, 292 f.; 16. Februar 2010 - [X.]/09 - NJW 2010, 1378). Die weitere Beförderung der ausgehenden Post muss aber organisatorisch zuverlässig vorbereitet werden, sodann darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die einzelnen Schriftsätze müssen so zur Versendung fertig gemacht sein, dass damit eine sichere Vorsorge verbunden ist, dass die Beförderung nicht mehr durch ein Versehen verhindert werden kann. Ein der [X.] zuzurechnendes Verschulden ist nur dann auszuschließen, [X.]n die Kanzleiorganisation des Prozessbevollmächtigten, insbesondere durch die Auswahl und Überwachung zuverlässigen Personals ordnungsgemäß ist (vgl. [X.] 10. Dezember 2008 - XII ZB 132/08 - Rn. 11; 16. Februar 2010 - [X.]/09 - aaO). Die Erledigung fristgebundener Sachen ist schließlich am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des [X.]s zu überprüfen ([X.] 22. Mai 2003 - I [X.] - NJW-RR 2003, 1004 f.; 22. April 2009 - XII ZB 167/08 - Rn. 15, NJW-RR 2009, 937).

5

b) Die Sachverhaltsdarstellung zum Ablauf im konkreten Fall und zur ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation im Allgemeinen belegt nicht, dass die Beklagte ohne zurechenbares Verschulden die Frist zur Begründung der Revision versäumt hat.

6

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat anwaltlich versichert, dass sie am 3. Mai 2010 verfügt habe, entgegen der anfänglichen Absicht den bereits gefertigten und unterzeichneten [X.] getrennt von dem Revisionsschriftsatz und im Gegensatz zu diesem nicht per Fax, sondern per Post zu übermitteln. Die von ihr beauftragte [X.] hat eidesstattlich versichert, dass sich der unterzeichnete [X.] in der Postmappe befunden habe, den sie an den [X.] weitergeleitet habe. Der weitere Ablauf bleibt jedoch offen. Wie der [X.] zum [X.] gelangt sein soll und durch [X.] dies erfolgt ist, ist nicht dargelegt. Auch aus der beigefügten Ablaufbeschreibung der Kanzlei ergeben sich keine genauen Angaben, wie der Weg zum [X.] organisiert ist. Außerdem ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung der [X.] nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass bei dem [X.], auf den es ankommt, keine Post liegen geblieben ist und woher sie diese Kenntnis bezieht. Sollte sich die anwaltliche Versicherung der Beklagtenvertreterin selbst hierauf beziehen, ist nicht dargelegt, woher die Prozessbevollmächtigte diese Kenntnis erlangt hat, denn die Abläufe am [X.] liegen auch bei ihr grundsätzlich außerhalb ihrer persönlichen Wahrnehmung. Die zu den Akten gereichte allgemeine Ablaufbeschreibung und die behauptete Zertifizierung nach [X.] [X.] 9001 reichen als Beleg für ein fehlendes Verschulden insoweit nicht aus.

7

Zudem hat die Beklagte nicht dargelegt, ob, von wem und wann aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen die [X.] im [X.] gestrichen worden ist.

8

Im Übrigen ist die Behauptung der Beklagten, die Post sei von einem der sechs Auszubildenden einkuvertiert, frankiert und zum Briefkasten gebracht worden, nicht hinreichend belegt worden. Insbesondere nicht durch die anwaltliche Versicherung, denn aus dieser ergibt sich nicht, woher die [X.] ihre Kenntnis bezogen haben könnte. Schließlich fehlen Angaben zur Zuverlässigkeit der Auszubildenden und zu einer entsprechenden, sei es auch nur stichprobenartigen, Überwachung und Kontrolle durch die Prozessbevollmächtigte.

9

II. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

5 AZR 456/10 (F)

02.11.2010

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hagen (Westfalen), 1. April 2009, Az: 3 Ca 2461/08, Urteil

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 74 Abs 1 S 1 Alt 2 ArbGG, § 236 Abs 2 S 1 Halbs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 5 AZR 456/10 (F) (REWIS RS 2010, 1776)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1776

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