Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.01.2012, Az. I R 25/10

1. Senat | REWIS RS 2012, 10248

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Gegenstand

Kapitalertragsteuer bei beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der französischen "societe par actions simplifiee" (S.A.S.): Unionsrechts- und Verfassungsmäßigkeit - Freistellungs- und Erstattungsverfahren - Zuständigkeit


Leitsatz

1. Eine französische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer "societe par actions simplifiee" (S.A.S.) war bis zum 15. Dezember 2004 nicht als "Gesellschaft eines Mitgliedstaats" i.S. von Art. 2 Buchst. a i.V.m. Buchst. f des Anhangs der Richtlinie 90/435/EWG anzusehen. Dividendenzahlungen an eine solche Gesellschaft durch ihre deutsche Tochtergesellschaft erfüllten damit weder unmittelbar noch analog die Voraussetzungen des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 zu § 43b EStG 2002 (Anschluss an EuGH-Urteil vom 1. Oktober 2009 C-247/08, Slg. 2009, I-9225).

2. Die Körperschaftsteuer für Kapitalerträge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002, die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 dem Steuerabzug unterliegen, ist bei einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Bezieherin der Einkünfte nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002 durch den Steuerabzug abgegolten. Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, werden infolgedessen wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterworfen als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden. Darin liegt ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EG (Anschluss an EuGH-Urteil vom 20. Oktober 2011 C-284/09 "Kommission ./. Deutschland", DStR 2011, 2038, sowie an Senatsurteil vom 22. April 2009 I R 53/07, BFHE 224, 556).

3. Die nachträgliche Erstattung einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer kann, wenn die Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 EStG 2002 nicht erfüllt sind, die Einbehaltung und Abführung aber gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verstößt, auf eine analoge Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG 2002 gestützt werden. Zuständig für die Entscheidung über ein solches Erstattungsbegehren ist das FA, nicht das BZSt (Bestätigung und Fortführung der ständigen Senatsrechtsprechung). Eine vorherige Freistellung von der Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer nach § 50d Abs. 2 EStG 2002 ist unter diesen Umständen hingegen ausgeschlossen.

Tatbestand

1

I. Es geht im Streitfall um die Konsequenzen im [X.] an die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, jetzt des Gerichtshofs der [X.], ([X.]) vom 1. Oktober 2009 [X.]/08, "[X.]" ([X.]. 2009, [X.]) sowie vom 20. Oktober 2011 [X.]/09 "[X.]" ([X.] Steuerrecht --DStR-- 2011, 2038).

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in [X.] ansässige Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer "société par actions simplifiée" ([X.]). Sie ist alleinige Anteilseignerin einer inländischen GmbH, der F-GmbH.

3

Am 13. Juni 2002 stellte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten, dem (früheren) [X.] (seit dem 1. Januar 2006: [X.]), einen Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der [X.] [X.] auf Kapitalerträge nach § 43b Abs. 1 i.V.m. § 50d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002). Am 27. Juni 2002 erteilte das [X.] daraufhin eine Freistellungsbescheinigung für den [X.]raum vom 13. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005. Darin bescheinigte das [X.], dass die F-GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge berechtigt sei, den Steuerabzug für die Kapitalerträge der Klägerin [X.] des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 nach dem Abkommen zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 ([X.] 1961, 398) in der Fassung des [X.] vom 20. Dezember 2001 ([X.] 2002, 2370) --DBA-[X.]-- in ermäßigter Höhe von 5 v.H. des Bruttoertrags vorzunehmen. Die F-GmbH hatte daraufhin --am 12. August 2002-- Kapitalertragsteuer in Höhe von 5 v.H. der an die Klägerin geleisteten Dividendenzahlungen angemeldet.

4

Mit ihrem Einspruch gegen die erteilte Freistellungsbescheinigung beanspruchte die Klägerin die volle Freistellung von der [X.]. Zwar sei die "[X.]" in der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/[X.], [X.], 6, berichtigt [X.], 20) --Mutter-/Tochter-Richtlinie ([X.] und in Einklang damit auch in der Anlage 2 zu § 43b EStG 2002 als begünstigte Rechtsform nicht aufgeführt. Doch sei sie einer Aktiengesellschaft im Sinne der Richtlinie gleichzustellen. Sie berief sich dazu u.a. auf ein (nicht veröffentlichtes, an das [X.] gerichtetes) Schreiben des [X.] vom 14. Juni 2000 IV B -0 1000- 3/00, in welchem --allerdings bezogen auf [X.] nach § 23 Abs. 4 des [X.] eine derartige Gleichstellung als gerechtfertigt angesehen wurde. Das [X.] lehnte das ab.

5

Während des anschließenden Klageverfahrens bescheinigte das BZSt der Klägerin mit geändertem Bescheid vom 8. Januar 2010, dass die F-GmbH als Schuldnerin für Kapitalerträge, die in der [X.] vom 16. Dezember 2004 bis 23. Mai 2005 zugeflossen seien, berechtigt sei, den Steuerabzug für die Kapitalerträge in Höhe von 0 v.H. der Bruttoerträge vorzunehmen. Grund für diese Änderung war die Einbeziehung auch der [X.] in den Katalog der Gesellschaften [X.] der Richtlinie 90/435/[X.] in Anlage 2 zu § 43b EStG 2002 durch das Gesetz zur Umsetzung von [X.] in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften ([X.]) vom 9. Dezember 2004 ([X.], 3310) mit Wirkung vom 16. Dezember 2004 an. Im Übrigen verblieb es bei der Ablehnung, die beantragte Bescheinigung zu erteilen.

6

Die fortgeführte Klage blieb mit ihrem entsprechend angepassten und eingeschränkten Antrag erfolglos (Finanzgericht --FG-- Köln, Urteil vom 28. Januar 2010  2 K 4220/03). Begründet wurde ihre Abweisung mit dem [X.]-Urteil in [X.]. 2009, [X.], das auf Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls des [X.] (Beschluss vom 23. Mai 2008  2 K 3527/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1391) in einem --zwischenzeitlich ebenfalls durch Klageabweisung rechtskräftig abgeschlossenen ([X.], Urteil vom 28. Januar 2010  2 K 3527/02, [X.], 971)-- Parallelverfahren wie folgt entschieden hatte:

7

"1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs dahin auszulegen, dass eine [X.] Gesellschaft in der Rechtsform einer 'société par actions simplifiée' nicht als 'Gesellschaft eines Mitgliedstaats' im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann, bevor diese durch die Richtlinie 2003/123 geändert wurde.

8

Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 ist 'Gesellschaft eines Mitgliedstaats' jede Gesellschaft, die eine der im Anhang der Richtlinie aufgeführten Formen aufweist. Die Technik, die im Anhang in den meisten Fällen und insbesondere in Buchst. f dieses Anhangs für die Gesellschaften [X.]n Rechts verwendet wird und die darin besteht, die Bezeichnungen der von der Richtlinie erfassten Rechtsformen aufzuzählen, ohne dass es eine Klausel gibt, die es ermöglicht, die Richtlinie auf andere nach dem Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten gegründete Gesellschaften anzuwenden, wobei in Bezug auf das [X.] Recht eine Ausnahme für staatliche Betriebe und Unternehmen besteht, bedeutet, dass die fraglichen Bezeichnungen abschließend aufgezählt werden.

9

Außerdem zielt die Richtlinie 90/435 nicht darauf ab, ein gemeinsames Steuersystem für alle Gesellschaften der Mitgliedstaaten oder für alle Arten von Beteiligungen einzuführen. Bei nicht unter diese Richtlinie fallenden Beteiligungen ist es Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne vermieden werden soll, und dazu einseitig oder durch Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten Mechanismen zur Vermeidung oder Abschwächung dieser wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einzuführen.

2. Es gibt nichts, was die Gültigkeit von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs und mit Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie im Hinblick auf die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs beeinträchtigen könnte.

Zwar obliegt die in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Verpflichtung zur [X.] von jedem Steuerabzug an der Quelle den Mitgliedstaaten nur in Bezug auf die Gewinnausschüttungen an Gesellschaften, die als Gesellschaften im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden können, doch gestattet diese Richtlinie einem Mitgliedstaat nicht, an Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, ausgeschüttete Gewinne ungünstiger zu behandeln als die an vergleichbare inländische Gesellschaften ausgeschütteten Gewinne.

Folglich ist eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 90/435 --wie sie sich aus ihrem Art. 2 Buchst. a und aus Buchst. f ihres Anhangs ergibt--, mit der andere Gesellschaften, die nach nationalem Recht gegründet werden können, von vornherein ausgeschlossen werden, nicht geeignet, die Niederlassungsfreiheit oder den freien Kapitalverkehr einzuschränken."

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), das [X.] aufzuheben und unter Abänderung der erteilten [X.] das BZSt zu verpflichten, auch für den [X.]raum vom 13. Juni 2002 bis 15. Dezember 2004 die Freistellung für den Gesamtbetrag der Kapitalerträge ohne Steuerabzug zu gewähren.

Das BZSt beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat der Klägerin im Ergebnis zutreffend einen Freistellungsanspruch gemäß § 50d Abs. 2 EStG 2002 versagt.

1. Die von der F-GmbH im Streitjahr an die Klägerin ausgeschütteten Gewinne unterlagen als inländische Kapitalerträge gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002, § 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 ([X.] 2002) der Kapitalertragsteuer. Als Schuldnerin der Kapitalerträge hatte die F-GmbH gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 den Steuerabzug für Rechnung der beschränkt steuerpflichtigen Klägerin (§ 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 [X.] 2002 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG 2002) --und zugleich der Schuldnerin der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002)-- vorzunehmen.

Für Ausschüttungen an die Klägerin als [X.] Muttergesellschaft gelten die Sonderregeln des § 43b EStG 2002, mit dem Art. 5 [X.] in nationales Recht umgesetzt worden ist. Danach wird die Kapitalertragsteuer gemäß § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 auf Antrag für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 2002 zufließen, nicht erhoben. Für die hiernach mögliche Nichterhebung von Kapitalertragsteuer sieht § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 (i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes) ein Freistellungsverfahren --ursprünglich-- beim [X.] und --nunmehr-- beim BZSt vor, welches die Berechtigung zum Unterlassen des [X.] auf Antrag zu bescheinigen hat. Fehlt es an einer derartigen Freistellungsbescheinigung und wurde der Steuerabzug vom Kapitalertrag deswegen in Einklang mit der Regelungslage (vgl. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) ungeachtet des § 43b EStG 2002 vorgenommen, bleibt der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer unberührt; er ist gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 durch entsprechenden Antrag geltend zu machen. Zuständig für die Entscheidung auch über diesen Antrag war ebenfalls das [X.] bzw. ist ebenfalls das BZSt.

2. Vor diesem Regelungshintergrund war das [X.] --und ist jetzt das BZSt-- nicht verpflichtet, der Klägerin eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 2 EStG 2002 zu erteilen.

a) Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 2 EStG 2002 scheidet aus. Denn das setzt nach Satz 1 der Vorschrift (u.a.) voraus, dass die betreffenden Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen und nach § 43b EStG 2002 oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden können. Beides ist vorliegend --über den bereits verbeschiedenen Teil der in Rede stehenden Dividende hinaus-- jedoch nicht der Fall. § 43b EStG 2002 ist insoweit nicht einschlägig, weil eine Kapitalgesellschaft [X.]n Rechts in der Rechtsform der [X.] im streitgegenständlichen Bescheinigungszeitraum nicht unter den entsprechenden Katalog begünstigter Kapitalgesellschaften fiel und weil --wie sich abschließend aus dem [X.]-Urteil in [X.]. 2009, [X.] ergibt-- in diesem Umstand kein Verstoß gegen Unionsrecht zu sehen ist.

b) Aus letztlich eben diesem Grunde verbietet es sich zugleich, § 43b EStG 2002 und den dazu ergangenen, abschließenden Katalog begünstigter Kapitalgesellschaften aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gründen erweiternd oder aber aufgrund der Annahme einer Regelungslücke analog auf die hier in Rede stehende Gesellschaftsform anzuwenden.

aa) Der [X.] Gesetzgeber wollte die Mutter/Tochter-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Er hat sich dabei auf das Mindestmaß der einzuräumenden Begünstigung beschränkt und insbesondere davon abgesehen, den Kreis der begünstigten Gesellschaftsformen über das infolge der Richtlinie Gebotene hinausgehend zu erweitern. Das mag nicht "alternativlos" gewesen sein, zumal der Richtliniengeber --in Art. 3 der [X.] den nationalen Gesetzgeber mit der Aufforderung, "wenigstens jede Gesellschaft eines Mitgliedstaates, die die Bedingungen des Art. 2 (der Richtlinie) erfüllt ..." nur mit jenem Mindestmaß in Pflicht nahm. Das entsprach aber ersichtlich der Umsetzungsabsicht des [X.]n Gesetzgebers. So gesehen gibt es aber keinen Grund, diesen über die Annahme einer Regelungslücke und über eine Regelungsanalogie zur Anordnung einer "Öffnungsklausel" für andere --gegenwärtige oder zukünftige-- Gesellschaftsformen zu zwingen, auch wenn solche --de lege [X.] nicht begünstigten-- Gesellschaftsformen der Sache nach vergleichbar mit begünstigten Gesellschaftsformen sein mögen.

bb) In Anbetracht dessen erkennt der Senat auch nicht, dass die so verstandene Umsetzung der Richtlinie gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes --GG-- (Art. 3 Abs. 1 GG) verstieße, was gleichermaßen eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung als auch ein entsprechendes Normenkontrollersuchen nach Art. 100 Abs. 1 GG ausschließt: Die Klägerin räumt selbst ein, dass die Rechtsform der [X.] seinerzeit bei Verabschiedung der Richtlinie und bei deren Umsetzung in nationales Recht noch nicht existierte. Der [X.] Gesetzgeber hatte also keine Veranlassung, diese --oder andere, noch nicht existente-- Rechtsformen in den Kreis der begünstigten Gesellschaften einzubeziehen. Ihn traf ebenso wenig eine Verpflichtung, das ausländische Gesellschaftsrecht zu beobachten und eine dortige Rechtsentwicklung innerstaatlich nachzuvollziehen. Das war vielmehr Aufgabe des Richtliniengebers, wie es dann in der Folgezeit von diesem ja auch zugunsten der [X.] nachvollzogen worden ist. Durch die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht geschaffene Ungleichbehandlungen innerstaatlicher Sachverhalte können jedoch nicht dem nationalen Gesetzgeber zugerechnet werden, da dieser lediglich gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen in die nationale Rechtsordnung zu übernehmen hat (vgl. auch für den Fall der sog. umgekehrten Inländerdiskriminierung z.B. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2005 [X.], [X.], 43, [X.] 2005, 716; Senatsurteil vom 18. März 2009 [X.], [X.], 1613). Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist deswegen davon auszugehen, dass es umgekehrt gleichheitsgerecht ist, die [X.] mit anderen nichtbegünstigten Gesellschaften [X.] und ihr nicht eine Begünstigung zu gewähren, die ihr aufgrund richtlinienkonformer Anwendung nicht zusteht. Dass in Art. 3 [X.] davon die Rede ist, als Muttergesellschaft im Sinne der Richtlinie gelte "wenigstens" jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Art. 2 der Richtlinie erfüllt, ändert daran auch insoweit nichts. Gleichwohl trifft den richtlinienumsetzenden Mitgliedstaat keine Pflicht, über den aufgelisteten Katalog einschlägiger Gesellschaftsformen hinauszugehen. Und so gesehen belässt das Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie auch keinen Auslegungsspielraum, der [X.] [X.] eine Ungleichbehandlung nach sich zu ziehen vermöchte (s. zur insoweit notwendigen Differenzierung auch [X.], Beschluss vom 4. Oktober 2011  1 [X.], [X.], 2141).

cc) Schließlich besteht keine Veranlassung, den [X.] zur abermaligen Auslegung der Mutter/Tochter-Richtlinie anzurufen, auch wenn der [X.] sich in seinem Urteil in [X.]. 2009, [X.] nicht ausdrücklich dazu geäußert hat, dass die Richtlinie den nationalen Gesetzgeber nur auf das beschriebene Mindestmaß verpflichtet. Doch hat er in der Nichteinbeziehung der Rechtsform der [X.] in die Richtlinie keinen Verstoß gegen unionsrechtliches Primär- und Sekundärrecht erkannt. Diese Antwort auf die ihm gestellte Vorlagefrage belässt keine Auslegungszweifel.

c) Die Klägerin wendet sich allerdings zu Recht dagegen, dass Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, in [X.] anders als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in [X.] ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterworfen werden, weil die einbehaltene Kapitalertragsteuer bei ihr weder angerechnet (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 2002) noch vergütet (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002) wird, sondern nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 [X.] 2002 abgeltenden Charakter hat und sonach bei ihr definitiv wird. Der Senat verweist dazu im Einzelnen und zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 22. April 2009 [X.] ([X.], 556, m.w.N.).

aa) Dieser Vorwurf ist nach Lage der Dinge begründet; der [X.] hat in seinem Urteil in [X.], 2038 auf einen entsprechenden [X.] durch Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrages zur Gründung der [X.] i.d.[X.] C 325, 1-- (jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.], Amtsblatt der [X.] 2007 C 306/01) erkannt. [X.] darf danach Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich keiner höheren Belastung unterwerfen als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in [X.] ausgeschüttet werden. In [X.] wurden vergleichbare Dividenden im streitgegenständlichen Zeitraum aber --unbeschadet des auch hier praktizierten Abzugs von [X.] nach § 8b Abs. 1 [X.] 2002 und infolge der beschriebenen Anrechnung bzw. Vergütung der Kapitalertragsteuer prinzipiell vollen Umfangs von der Körperschaftsteuer befreit. Erst seit dem Veranlagungszeitraum 2004 wird der Steuervorteil wirtschaftlich geschmälert; seitdem gelten 5 v.H. der Dividenden nach § 8b Abs. 5 Satz 1 [X.] 2002 (i.d.[X.] zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003, [X.], 2840) als nicht abziehbare Betriebsausgaben.

Diese Steuerfreistellung ist --vom Veranlagungszeitraum 2004 an in entsprechendem Umfang gleichermaßen geschmälert-- nunmehr auch ausländischen Kapitalgesellschaften als Dividendenempfängern einzuräumen. Dass das (bislang) unterblieben ist, ist [X.] als Quellenstaat anzulasten. Der [X.] kann zwar prinzipiell gerechtfertigt werden, indem [X.] sich mit dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers bilateral darauf verständigt, dass jener Staat die [X.] Quellensteuer in voller Höhe anrechnet oder erstattet (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 2038; s. auch Senatsurteil in [X.], 556, m.w.N.). Das aber ist im Hinblick auf [X.] nicht geschehen; Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-[X.] sieht insofern lediglich eine Steueranrechnung begrenzt auf den Betrag der auf die Dividenden entfallenden [X.]n Steuer vor.

bb) Für die Verfahrenskonstellation des Streitfalls hilft dieser materiell-rechtliche Befund der Klägerin indessen nicht weiter. Denn deren Begehren stützt sich insoweit nicht auf § 43b Abs. 1 EStG 2002 und somit auch nicht unmittelbar auf das tatbestandlich vorgegebene Verfahren nach § 50d Abs. 2 EStG 2002. Es stützt sich vielmehr --davon losgelöst-- darauf, dass der Steuerabzug als solcher abweichend von einer vergleichbaren Inlandskonstellation bei der ausländischen Muttergesellschaft definitiv wird und deswegen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. In dieser Situation ist die Einleitung des [X.] nach § 50d Abs. 2 EStG 2002 ausgeschlossen (vgl. auch § 43b Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz EStG 2002). Nicht anders als [X.] ist die Klägerin vielmehr gehalten, den Steuerabzug zunächst hinzunehmen (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002) und ihr Begehren sodann im Rahmen eines (nachträglichen) [X.] auf anderer Rechtsgrundlage --in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 und gerichtet auf Erlass eines entsprechenden Freistellungsbescheides gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung ([X.] durchzusetzen (vgl. zur Abgrenzung auch Senatsurteil vom 11. Oktober 2000 [X.], [X.], 336, [X.] 2001, 291).

Die Entscheidungszuständigkeit darüber obliegt dem örtlich und sachlich zuständigen Finanzamt (vgl. § 20 Abs. 3 und 4 AO), nicht aber dem BZSt, dessen Sachzuständigkeit im Finanzverwaltungsgesetz abschließend bestimmt wird. Letzteres entspricht ständiger Spruchpraxis des Senats (vgl. z.B. --ebenfalls bezogen auf das Erstattungsverfahren analog § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 und zu einer mit dem Streitfall vergleichbaren Ausgangslage-- Urteil in [X.], 556, m.w.N.; s. zur Abgrenzung demgegenüber Senatsurteil vom 20. Dezember 2006 [X.], [X.] 216, 259, [X.] 2007, 616, dort unter [X.], speziell unter bbb der Entscheidungsgründe) und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Zuständigkeit des BZSt im Sinne einer funktionalen Aufgabenteilung auf die positiv-rechtlich angeordneten Anwendungsfälle beschränkt. Freistellungen und Erstattungen von Kapitalertragsteuer, welche darüber hinausgehen und welche sich auf eine andere Rechtsgrundlage stützen, sind institutionell hingegen allein vom zuständigen Finanzamt zu verantworten. Sie lassen sich [X.] einer Art "Annexkompetenz" noch einer zuständigkeitsbegründenden Analogie auf das BZSt übertragen. Das gebietet der auch und insbesondere bei Zuständigkeitsregelungen maßgebliche allgemeine Vorbehalt des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. z.B. [X.] in [X.]/ [X.]/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Aufl., § 84 Rz 11 ff.), und das gilt auch dann, wenn eine anderweitige Zuständigkeitsregelung im Einzelfall, namentlich bei Fonds- und Streubesitzbeteiligungen --und damit nicht im [X.], durchaus sachdienlich sein mag.

cc) Ihrerseits unionsrechtliche Einwände gegen diese Zweiteilung des Verfahrens --vorheriger Steuerabzug und anschließende [X.] wären ebenso unbegründet wie gegen die verlagerte Verfahrenszuständigkeit: Die hintereinander geschaltete Verfahrenszweiteilung hat der [X.] prinzipiell ausdrücklich akzeptiert (vgl. [X.]-Urteil vom 3. Oktober 2006 Rs. [X.]/04 "[X.]", [X.] 2007, Beilage 1, 36); das gilt insbesondere dann, wenn --wie beim Abzug der [X.] In- wie Ausländer gleichbehandelt werden (vgl. Senatsurteil in [X.] 216, 259, [X.] 2007, 616, dort unter [X.] der Entscheidungsgründe). Und die verfahrensrechtliche Umsetzung unionsrechtlicher Anforderungen an das nationale Steuerrecht obliegt mangels einer einschlägigen Unionsregelung ohnehin autonom den einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 30. Juni 2011 [X.]/09, [X.] u.a., [X.] 2011, 1467, dort Rz 55, m.w.N.). Es darf dem Steuerpflichtigen nur nicht unmöglich gemacht werden, seinen unionsrechtlich begründeten Anspruch durchzusetzen. Das aber ist jedenfalls infolge der voneinander abweichenden Zuständigkeitsregelungen nicht der Fall.

Meta

I R 25/10

11.01.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 28. Januar 2010, Az: 2 K 4220/03, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 36 Abs 2 Nr 2 EStG 2002, § 36 Abs 4 S 2 EStG 2002, § 43 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 43b Abs 1 EStG 2002, § 43b Abs 2 S 3 EStG 2002, § 44 Abs 1 S 1 EStG, § 44 Abs 1 S 3 EStG, § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst a EStG, § 50d Abs 1 EStG, § 50d Abs 2 EStG, § 2 Nr 1 KStG 2002, § 8b KStG 2002, § 31 Abs 1 KStG 2002, § 32 Abs 1 Nr 2 KStG 2002, § 5 Abs 1 Nr 2 FVG, § 20 Abs 3 AO, § 20 Abs 4 AO, § 155 Abs 1 S 3 AO, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 108 GG, Art 56 Abs 1 EG, Art 2 Buchst a EWGRL 435/90, Art 5 EWGRL 435/90, Art 20 Abs 2 Buchst a DBuchst bb DBA FRA, § 43 Abs 1 S 3 EStG 2002, Art 63 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.01.2012, Az. I R 25/10 (REWIS RS 2012, 10248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10248

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

6 K 1390/16

7 K 100/19

Zitiert

1 BvL 3/08

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