Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2004, Az. IXa ZB 328/03

IXa- Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3985

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[X.]BESCHLUSS [X.] 328/03
vom 19. März 2004 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

ZPO § 91 Abs. 1; § 788 Abs. 1 Satz 1; § 885 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; § 887
a) Bei der Vollstreckung eines Anspruchs auf Räumung und Herausgabe eines Grundstücks ist der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt, Bauwerke und [X.] beseitigen zu lassen, selbst wenn der Schuldner nach dem Inhalt des Ti-tels zur Beseitigung verpflichtet ist; der Beseitigungsanspruch ist nach § 887 ZPO zu vollstrecken.
b) Ist die Beseitigung im Rahmen der Herausgabevollstreckung durch den [X.] ohne die erforderliche Ermächtigung des Prozeßgerichts des ersten Rechtszuges erfolgt, können die Kosten der Ersatzvornahme nicht als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung festgesetzt werden.

[X.], Beschluß vom 19. März 2004 - [X.] 328/03 - [X.]

AG [X.]

- 2 - [X.] des [X.] hat durch [X.] Kreft, [X.], von [X.], die Richterin [X.] und [X.]

am 19. März 2004 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 82. Zivilkammer
des [X.] vom 10. November 2003 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.

[X.]: 40.824,09 •.

Gründe:
[X.]
Mit Urteil des [X.] vom 23. April 1999 ([X.]: 25 0 750/98) wurden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, die in der [X.]",

, , gelegene Parzelle zu räumen (und zwar einschließlich aller vorhandenen Bau-lichkeiten, unabhängig davon, ob diese fertiggestellt sind) und an den [X.] herauszugeben. Da die Beklagten dieser Verpflichtung nicht nachkamen, erteilte der Gläubiger dem zuständigen Gerichtsvollzieher Vollstreckungsauf-trag. Dieser beauftragte ein auf Umzüge, Räumungen, Entrümpelungen, - 3 - Transporte und Lagerung spezialisiertes Unternehmen mit der Räumung des Grundstücks.

In der Folgezeit räumte das Unternehmen die Parzelle von allen beweg-lichen Sachen, riß die Bauwerke ab, beseitigte Anpflanzungen, entsorgte den Schutt sowie die Abfälle und ließ von einem Elektriker den Stromanschluß ab-klemmen. Für ihre Leistungen verlangte es von dem Gerichtsvollzieher 85.752,07 DM. Der Gerichtsvollzieher stellte seinerseits dem Gläubiger 86.084,95 DM (= 44.014,54 •) in Rechnung und teilte mit, daß gemäß § 2 Abs. 1 GvKostG davon 75.921,63 DM zu überweisen seien. Der Gläubiger zahlte diesen Betrag.

Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht die von den Schuldnern [X.] Kosten der Zwangsvollstreckung auf 44.028,18 • (44.014,54 • gemäß Kostenberechnung des Gerichtsvollziehers zuzüglich 13,64 • für den [X.] angefallene Rechtsanwaltskosten) festgesetzt. Dagegen haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt und die Kosten insbesondere als viel zu hoch gerügt. Das [X.] hat den Kostenfestset-zungsbeschluß des Amtsgerichts abgeändert, die von den Schuldnern als [X.] dem Gläubiger zu erstattenden Zwangsvollstreckungskosten auf 3.204,09 • nebst Zinsen festgesetzt und den darüber hinausgehenden Kosten-festsetzungsantrag des Gläubigers sowie die weitergehende sofortige Be-schwerde der Schuldner zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Gläubiger mit seiner - zugelassenen - Rechtsbeschwerde, mit der er die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts erreichen will.
- 4 - I[X.]

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 Abs. 1 ZPO) könnten nur die Kosten festgesetzt werden, die im Rahmen der Herausgabevollstreckung gemäß § 885 ZPO für die Übergabe des Grundstücks an den Gläubiger und die Wegschaffung der beweglichen Sachen angefallen seien. Dazu gehörten insbesondere nicht die Kosten, die wegen der Beseitigung der mit dem Grundstück fest verbundenen Bauwerke und Anpflanzungen entstanden seien. Zwar seien die Schuldner auch zur Beseitigung der auf dem Grundstück vorhandenen "Baulichkeiten" verpflichtet gewesen, jedoch hätte der Gläubiger insoweit die Zwangsvollstrek-kung für vertretbare Handlungen nach § 887 ZPO durchführen müssen. Betrei-be der Gläubiger die Zwangsvollstreckung auf einem rechtlich nicht vorgese-hen Weg, könne er die entstandenen Kosten nicht als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO geltend machen. Im übrigen [X.] unverhältnismäßig hohe Kosten dadurch entstanden, daß der [X.] ein Transport- und nicht ein Abrißunternehmen beauftragt habe.

Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde die Auffassung, die Schuldner seien nach dem Tenor des zu vollstreckenden Urteils nicht lediglich zur Herausgabe des Grundstücks und zum Entfernen der beweglichen Sachen verpflichtet gewesen, sondern zur Beseitigung sämtlicher "Baulichkeiten". Bei dieser Doppelverpflichtung sei das [X.] an der Durchsetzung der titulierten Ansprüche vorrangig und eine Zwangsvollstreckung nach § 887 - 5 - ZPO entbehrlich. Da die Schuldner ihrer Verpflichtung aus dem Titel nicht frei-willig nachgekommen seien, müßten sie die notwendigen Kosten der Zwangs-vollstreckung auf jeden Fall tragen.

2. Die Entscheidung des [X.] ist richtig.

a) Im Ansatz zutreffend geht die Rechtsbeschwerde von einer Doppel-verpflichtung der Schuldner aus. Wie die Auslegung des Vollstreckungstitels ergibt, waren diese nämlich sowohl zur Herausgabe des Grundstücks an den Gläubiger als auch zur Beseitigung der auf dem Grundstück vorhandenen "Baulichkeiten" verpflichtet. Ist der Schuldner - wie im Streitfall - in einem Titel zur Herausgabe eines Grundstücks und zur Beseitigung von darauf vorhande-nen "Baulichkeiten" verurteilt, erfolgt die Zwangsvollstreckung durch eine An-wendung von § 885 und § 887 ZPO. Beide Verpflichtungen haben eine voll-streckungsrechtlich eigenständige Bedeutung (vgl. auch § 887 Abs. 3 ZPO; [X.], 2. Aufl. § 883 Rn. 8 ff, 10; [X.]/Stöber, ZPO 24. Aufl. § 883 Rn. 9; Musielak/[X.], ZPO 3. Aufl. § 883 Rn. 4).

Der Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks wird dadurch voll-streckt, daß der Gerichtsvollzieher den Schuldner körperlich von dem [X.] entfernt und den Gläubiger in dessen Besitz einweist (§ 885 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gilt auch für den Fall, daß sich auf dem Grundstück [X.] oder sonstige mit dem Grund und Boden fest verbundene Sachen (§ 94 Abs. 1 BGB) befinden (vgl. [X.] NJW 1962, 595; [X.] NJW 1965, 2207). Werden bei der Räumungsvollstreckung bewegliche Sachen vorgefun-den, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, hat der [X.] sie wegzuschaffen und dem Schuldner, seinem Bevollmächtigten oder - 6 - einem erwachsenen Familienangehörigen zu übergeben. Sofern keine dieser Personen anwesend ist, muß er sie - mit Ausnahme von Unrat, Müll oder wert-losem Gerümpel (vgl. [X.]/Stöber, aaO § 885 Rn. 18) - selbst in Verwahrung nehmen (vgl. § 885 Abs. 2 und 3 ZPO).

b) Im Rahmen der Räumungsvollstreckung gemäß § 885 Abs. 1 Satz 1 ZPO war der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt, Bauwerke abreißen, [X.] ausgraben und den dabei anfallenden Schutt und Abfall wegschaffen zu lassen, auch wenn die Schuldner nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels verpflichtet waren, die Kleingartenparzelle - einschließlich aller vorhandenen "Baulichkeiten" - zu räumen und an den Gläubiger herauszugeben. Dabei kann dahinstehen, ob dem zu vollstreckenden Urteil überhaupt ein vollstreckbarer Anspruch des Gläubigers auf Beseitigung der Anpflanzungen entnommen wer-den kann. Denn die Beseitigung von Bauwerken und Anpflanzungen, der ge-genüber der Herausgabe des Grundstücks eine eigenständige Bedeutung zu-kommt, ist nicht Aufgabe des Gerichtsvollziehers im Rahmen der [X.]. Im Regelfall sind Bauwerke und Anpflanzungen als wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) schon keine beweglichen Sa-chen im Sinne des § 885 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Selbst wenn sie ausnahmsweise Scheinbestandteile des Grundstücks sein sollten (§ 95 Abs. 1 BGB), weil sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden wurden, und deshalb bewegliche Sachen im Rechtssinne sind (vgl. [X.]/ [X.], [X.]. § 95 Rn. 1), geht die aufwendige und kostenintensive Beseitigung von Bauwerken und Anpflanzungen über das dem [X.] obliegende "Wegschaffen" von beweglichen Sachen hinaus. Die Beseiti-gungsverpflichtung der Schuldner hätte der Gläubiger vielmehr als vertretbare Handlung nach § 887 ZPO vollstrecken müssen (vgl. [X.] - 7 - 2003, 655; [X.] NJW-RR 2000, 533; [X.] NJW 1965, 2207; [X.] NJW 1962 595; [X.]/Walker, Vollstreckung und [X.] Rechtsschutz 3. Aufl. § 885 Rn. 2). Dazu hätte er der Ermächtigung des Prozeßgerichts des ersten Rechtszuges bedurft, die "Baulichkeiten" und Anpflanzungen auf Kosten der Schuldner beseitigen zu lassen.

c) Zu Recht hat es das Beschwerdegericht abgelehnt, die für den Abriß der Bauwerke, den Abtransport des [X.] sowie die Entfernung der An-pflanzungen angefallenen Kosten als notwendige Kosten der Zwangsvollstrek-kung gemäß § 788 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO festzusetzen, und zwar auch insoweit, als die Schuldner dazu verpflichtet waren und ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen waren. Denn die Beseitigung der "Baulichkeiten" und An-pflanzungen ist rechtsfehlerhaft durch den Gerichtsvollzieher außerhalb des dafür vorgesehenen Verfahrens nach § 887 ZPO erfolgt. Hat der Gläubiger - wie hier - eine dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung ohne die er-forderliche gerichtliche Ermächtigung vornehmen lassen, kann er die Kosten der Ersatzvornahme nicht als notwendige Zwangsvollstreckungskosten beitrei-ben, weil die Zwangsvollstreckung insoweit unzulässig war; vielmehr muß er gegen den Schuldner Klage erheben und einen Vollstreckungstitel erwirken (vgl. [X.] Rpfleger 1993, 84; [X.] 1973, 768; [X.]/ [X.], ZPO 25. Aufl. § 788 Rn. 36).
- 8 - c) Die Höhe der nach § 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO erstat-tungsfähigen Zwangsvollstreckungskosten hat das [X.] zutreffend er-rechnet. Fehler bei der Aufteilung der durch die zulässige Herausgabevoll-streckung und die unzulässige Ersatzvornahme entstandenen Kosten sind nicht ersichtlich und werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.

Kreft

[X.]
v. Lie-nen

[X.]

[X.]

Meta

IXa ZB 328/03

19.03.2004

Bundesgerichtshof IXa- Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2004, Az. IXa ZB 328/03 (REWIS RS 2004, 3985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3985

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