Bundessozialgericht, Urteil vom 12.06.2013, Az. B 14 AS 50/12 R

14. Senat | REWIS RS 2013, 5144

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgeldanspruch eines minderjährigen Kindes für Aufenthaltstage beim getrennt lebenden Elternteil zur Wahrnehmung des Umgangsrechts - Zugehörigkeit zu zwei temporären Bedarfsgemeinschaften - sozialgerichtliches Verfahren - Vertretung des nicht prozessfähigen Kindes - Bevollmächtigung des umgangsberechtigten Elternteils - örtliche Zuständigkeit des Grundsicherungsträgers - Einkommensberücksichtigung während des Aufenthalts in der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit dem umgangsberechtigten Elternteil


Leitsatz

Hält sich ein Kind umgangsbedingt wechselnd in zwei Bedarfsgemeinschaften auf, die nicht personenidentisch sind, bestehen zwei Ansprüche auf Leistungen für Regelbedarfe, die unterschiedlich hoch sein können und sich in zeitlicher Hinsicht ausschließen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Änderung seines Bescheides vom 19. Oktober 2006 in der Gestalt des [X.] vom 25. September 2007 verurteilt wird, an den Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 29,00 Euro für Oktober 2006 und von 1,40 Euro für November 2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des [X.] auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) für die Tage im Oktober und November 2006 streitig, an denen er nicht in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter, sondern in einer (sog temporären) Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater gelebt hat.

2

[X.]er im Mai 2000 geborene Kläger lebt bei seiner Mutter, die allein sorgeberechtigt ist, in [X.] und bezog unter anderem im streitigen [X.]raum wie diese laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. [X.]ie Eltern sind geschieden; auch der in [X.] wohnhafte Vater bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Im Rahmen verschiedener vom Familiengericht getroffener Umgangsregelungen hielt sich der Kläger regelmäßig bei seinem Vater auf, unter anderem für 10 Tage im Oktober 2006 und für 6 Tage im November 2006.

3

Am 5.9.2005 beantragte der Vater bei der Rechtsvorgängerin des beklagten [X.] ergänzend für den Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.], weil für ihn (den Vater) Fahrkosten zur Abholung des [X.] anfielen und er (der Vater) mit den ihm bewilligten Leistungen die Bedarfe des [X.] während der Aufenthalte bei ihm nicht decken könne. [X.]er Antrag blieb zunächst ohne Erfolg; auf [X.]iderspruch hin bewilligte der Beklagte dem Vater höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines "Mehrbedarfs" für den Kläger in Höhe von 90 Euro monatlich, unter anderem für den [X.] vom 1.10.2006 bis zum [X.] (Bescheid vom 19.10.2006). [X.]er Mehrbedarf setze sich aus einer Fahrkostenpauschale in Höhe von 50 Euro und einer Verpflegungspauschale von 40 Euro zusammen. [X.]er [X.]iderspruch gerichtet auf höhere Leistungen wegen der Aufenthalte des [X.] beim Vater blieb ohne Erfolg ([X.]iderspruchsbescheid vom [X.]).

4

Hiergegen hat der Vater Klage zum Sozialgericht ([X.]) [X.]üsseldorf erhoben. Am [X.] hat die Mutter zu Protokoll des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.]uppertal dem Vater Vollmacht erteilt, den vor dem [X.] anhängigen Prozess im Namen des [X.] hinsichtlich der Kosten für die [X.]urchführung des Umgangsrechts zu führen. [X.]ie Klage ist daraufhin als Klage des [X.] fortgeführt worden. Er hat zuletzt die Kosten ausgehend von einem [X.]reißigstel der für ihn maßgeblichen Regelleistung pro Tag, an dem er sich mehr als 12 Stunden bei seinem Vater aufgehalten hat, beziffert und diesen Betrag für 223 Tage im [X.]raum vom [X.] bis [X.] (223 x 6,90 Euro = 1538,70 Euro) sowie für weitere 60 Tage im [X.]raum vom [X.] bis zum 30.6.2008 (60 x 6,93 Euro = 415,80 Euro) geltend gemacht.

5

[X.]as [X.] hat in der mündlichen Verhandlung vom [X.] auf Grundlage des § 1684 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingesetzt gewesenen Umgangspfleger und die Mutter des [X.] als Zeugen dazu vernommen, welcher Umgang mit dem Vater tatsächlich stattgefunden hat. Es hat den Beklagten mit Urteil vom selben Tag unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, für die [X.] vom [X.] bis zum [X.] insgesamt 1954,50 Euro abzüglich in diesem [X.]raum vom Beklagten jeweils monatlich gezahlter 40 Euro zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach [X.]urchführung der Beweisaufnahme stehe fest, dass sich der Kläger im Jahr 2005 an 46 Tagen, im Jahr 2006 an 126 Tagen, im Jahr 2007 an 99 Tagen sowie im [X.] an 12 Tagen jeweils länger als 12 Stunden bei seinem Vater aufgehalten habe. In dieser [X.] sei er hilfebedürftig gewesen, denn weder er noch sein Vater hätten Einkommen erzielt, das zu berücksichtigen gewesen wäre (§ 11 Abs 1, § 9 Abs 2 Satz 2 [X.]). Unerheblich sei, dass bereits Sozialgeld an die Mutter ausgezahlt worden sei, denn dieses habe zur Bedarfsdeckung während des Aufenthalts beim Vater nicht zu Verfügung gestanden. Eine [X.]eiterleitung des [X.] sei tatsächlich nicht erfolgt. Hierzu sei die Mutter auch nicht verpflichtet gewesen; sie habe lediglich für eine angemessene Bekleidung ([X.]echselkleidung) sowie die Mitgabe von unerlässlichen [X.]ingen, wie zB notwendige Medikamente, zu sorgen gehabt. Für jeden Aufenthaltstag habe der Kläger als Teil der Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von einem [X.]reißigstel des maßgeblichen Regelsatzes. Hierauf sei allerdings monatlich ein Betrag von 40 Euro anzurechnen, den der Beklagte bereits geleistet habe.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, die er nach Abschluss eines Vergleichs wegen der übrigen [X.]räume zuletzt auf die [X.] vom 1.10.2006 bis zum [X.] beschränkt hat. Er rügt die Verletzung von §§ 7, 9 [X.], weil der Kläger in der Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater nicht hilfebedürftig gewesen sei. [X.]er bestehende Bedarf sei bereits durch die Bewilligung von Sozialgeld im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft der Mutter gedeckt gewesen. [X.]ie [X.]eiterleitung der Leistungen sei familienintern zu regeln.

7

[X.]er Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts [X.]üsseldorf vom 27. Januar 2012 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.

8

[X.]er Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Eine eventuelle Überzahlung von Sozialgeld bezogen auf die Aufenthalte bei der Mutter sei nicht im vorliegenden Verfahren, sondern im Verhältnis zur Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter zu klären.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Das [X.] hat den Beklagten zutreffend für 10 Tage im Oktober 2006 und 6 Tage im November 2006 zur Gewährung weiterer Regelleistungen an den Kläger verurteilt. Abzüglich der für den jeweiligen Monat bereits geleisteten 40 Euro hat der Beklagte weitere 29 Euro für Oktober 2006 und weitere 1,40 Euro für November 2006 zu zahlen.

1. Streitgegenstand sind nach Abschluss eines sog [X.] wegen der übrigen im Klageverfahren streitig gewesenen [X.]räume noch die geltend gemachten Ansprüche des [X.] auf anteilige Regelleistungen für die [X.] vom 1.10.2006 bis zum 30.11.2006. Gegenstand des Verfahrens ist im Revisionsverfahren noch der Bescheid des Beklagten vom 19.10.2006, der die Höhe der Leistungen für Oktober und November 2006 (als Teil des Bewilligungsabschnitts vom 1.10.2006 bis 31.3.2007) regelt, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2007.

Die Fahrkosten des [X.] im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts hat der Beklagte (und in der Folge der Träger der Sozialhilfe) in beantragter Höhe gewährt; sie sind nicht streitig. Der Beklagte hat zwar mit dem angegriffenen Bescheid beim Vater einen "einheitlichen" Mehrbedarf für den Umgang mit dem Kläger bewilligt, er hat aber eine weitergehende Zuordnung der Bedarfe zu den Bedarfen wegen Fahrkosten einerseits und Regelbedarf andererseits vorgenommen. Da es sich wegen der Fahrkosten um Ansprüche des [X.] handelt, bestehen keine Bedenken gegen ihre Abtrennbarkeit von den vorliegend streitigen Ansprüchen wegen der Regelleistungen für das minderjährige Kind. Kosten der Unterkunft und Heizung, die die Beteiligten übereinstimmend als Bedarfe allein des [X.] ansehen, sind von Beginn an nicht streitig gewesen.

2. Die Revision ist zulässig (§§ 160, 161 [X.]G). Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat der Beklagte insbesondere die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des [X.] zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 [X.]G).

Beteiligt ist auf [X.]eite nur der minderjährige Kläger. Der Vater hat schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, es bestünden unter anderem auch Ansprüche auf Regelleistung des [X.] für die Tage der Aufenthalte bei ihm (dem Vater). Der Beklagte hat Leistungen unter Berücksichtigung dieses Bedarfs zwar als "Mehrbedarf" des [X.] für die Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kläger bewilligt. Wegen der damals bestehenden Schwierigkeiten, eine (temporäre) Bedarfsgemeinschaft rechtlich zutreffend zu erfassen, bestehen aber keine Bedenken, die vom Vater - als Vertreter der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 38 Satz 1 [X.]B II - gestellten Anträge als [X.] des [X.] auf Regelleistung für die [X.] der Aufnahme in die Bedarfsgemeinschaft des [X.] anzusehen und die entsprechenden Bescheide des Beklagten dahingehend auszulegen, dass dem Kläger als Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft 40 Euro monatlich als Regelleistung bewilligt wurden (ähnlich bereits [X.] Urteil vom [X.] - B 14 [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]1). Das Klageverfahren hat der Kläger nach Klärung der Vertretung (dazu sogleich) selbst geführt.

Der selbst nicht prozessfähige Kläger wird im Revisionsverfahren - wie bereits im Klageverfahren - von seiner Mutter allein gesetzlich vertreten (vgl § 1628, § 1629 Abs 1 Satz 3 BGB). Einer Vertretung des minderjährigen, beschränkt geschäftsfähigen [X.] bedarf es, weil dieser nicht selbst prozessfähig iS des § 71 Abs 1 und 2 [X.]G iVm §§ 104 ff BGB ist und die Geltendmachung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II nicht lediglich rechtlich vorteilhaft iS des § 107 BGB ist (im Einzelnen Urteil des [X.]s vom [X.] - B 14 [X.]/08 R - B[X.]E 104, 48 = [X.] 4-1500 § 71 [X.] Rd[X.]9). Zwar hat zunächst der nicht vertretungsberechtigte Vater Klage erhoben. Nach dem vorliegenden Protokoll des Amtsgerichts - Familiengericht - W vom [X.] hat die Mutter dem Vater aber Vollmacht erteilt, den vor dem [X.] anhängigen Prozess im Namen des [X.] hinsichtlich der Kosten für die Durchführung des Umgangsrechts zu führen. Diese Bevollmächtigung bedeutet zugleich eine Genehmigung der bis dahin vorgenommenen Verfahrenshandlungen. Sie ist nicht weiter beschränkt und berechtigt also zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen und schließt die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts und die Beauftragung des jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Vertretung im Revisionsverfahren mit ein (§ 81 Zivilprozessordnung iVm § 73 Abs 6 [X.]G; vgl zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] - B 13 RJ 5/01 R - juris Rd[X.]3).

3. Sachlich und örtlich zuständig für die Erbringung der Regelleistung an den Kläger für die [X.]en, in denen er eine Bedarfsgemeinschaft mit seinem erwerbsfähigen und hilfebedürftigen Vater bildet, ist der Beklagte als Träger der Grundsicherung am Ort des gewöhnlichen Aufenthalt des [X.]. Wegen der örtlichen Zuständigkeit knüpft das Gesetz in § 36 Satz 1 [X.]B II maßgeblich an den gewöhnlichen Aufenthalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an, der die entsprechenden Leistungen an den Empfänger von Sozialgeld vermittelt. Damit ergibt sich für Leistungen an nicht erwerbsfähige Kinder (wie den Kläger), die sich wechselnd bei ihren getrennt lebenden Elternteilen aufhalten, schon nach dem Wortlaut des § 36 Satz 1 [X.]B II für die jeweilige Regelleistung die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Grundsicherung am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Elternteils, mit dem das Kind eine Bedarfsgemeinschaft - sei sie temporär, sei sie dauerhaft - bildet. § 36 Satz 3 [X.]B II in der seit dem 1.1.2011 geltenden Fassung regelt dies (klarstellend) auch für Bedarfsgemeinschaften in Ausübung des Umgangsrechts mit Kindern nach Vollendung des 14. Lebensjahres, die ihrerseits erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 [X.]B II sind und nicht nur abgeleitete Ansprüche auf Sozialgeld, sondern Ansprüche auf [X.] haben (vgl BT-Drucks 17/3404 [X.]; dazu bereits B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] Rd[X.]8 am Ende).

4. Der Kläger hat als nicht erwerbsfähige Person, vermittelt über seinen erwerbsfähigen und hilfebedürftigen Vater, für 10 Tage im Oktober und 6 Tage im November 2006 Anspruch auf Regelleistung nach § 7 Abs 2, § 9, § 19 Satz 1, § 20, § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.]B II (jeweils in der für Oktober und November 2006 maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ). Das [X.] ist nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des [X.] und der Mutter insoweit zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sich unter anderem im Oktober 2006 und im November 2006 für diese Anzahl von ganzen Tagen beim Vater aufgehalten hat. An dessen [X.] nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II bestehen keine Zweifel. Gegen diese Feststellungen haben die Beteiligten bereits im [X.] an die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] keine Einwände mehr erhoben; sie sind dementsprechend zur Grundlage des im Revisionsverfahren geschlossenen [X.] gemacht worden.

Auf Grundlage dieser den [X.] bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen liegen im streitigen [X.]raum die Voraussetzungen einer temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des [X.]s vor. Auch dem Haushalt eines Leistungsberechtigten regelmäßig, aber nur zeitweise angehörende minderjährige Kinder können danach mit diesem eine temporäre Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 [X.] und Nr 4 [X.]B II bilden und also für jeden Tag des Aufenthalts (mit mehr als 12 Stunden) in dieser Bedarfsgemeinschaft (zumindest) Regelleistungen nach dem [X.]B II erhalten (vgl B[X.] vom [X.] - B 14 [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.]). Diese Auslegung des § 7 Abs 3 Nr 4 [X.]B II, die eine wechselnde Aufnahme minderjähriger Kinder in den jeweiligen Haushalt ihrer getrennt lebenden Eltern berücksichtigt, stellt eine [X.]B-II-immanente Lösung des Problems der Umgangskosten sicher, die angesichts der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Art 6 Abs 1 Grundgesetz geboten ist. Bei den in der temporären Bedarfsgemeinschaft tageweise anfallenden [X.] handelt es sich um einen Bedarf des minderjährigen Kindes, das seinen notwendigen Lebensunterhalt auch für die Aufenthalte beim getrennt lebenden Elternteil decken können muss.

Der Gesetzgeber hat zwar entsprechende materielle Regelungen für das Leistungsrecht des [X.]B II nach wie vor nicht geschaffen. Aus der Regelung wegen der örtlichen Zuständigkeit in § 36 Satz 3 [X.]B II zum 1.1.2011 wird jedoch erkennbar, dass auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers entsprechende Regelbedarfe als [X.] des Kindes in der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft zu decken sind. Ob in temporären Bedarfsgemeinschaften für die minderjährigen Kinder daneben berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten bestehen können oder solche Kosten, soweit sie die Möglichkeit des Elternteils zu einem geordneten Umgang mit dem Kind sicherstellen, als angemessene Kosten im Einzelfall dem Elternteil zuzuordnen wären, kann offen bleiben; solche Kosten sind vorliegend nicht streitig.

5. Einem Anspruch auf anteilige Regelleistung steht nicht entgegen, dass dem Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] für jeweils 30 Tage pro Monat Regelleistungen als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter bewilligt worden sind. Zwar ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass dem Kläger auch bei regelmäßigen Aufenthalten in zwei Bedarfsgemeinschaften monatlich insgesamt Ansprüche nur für 30 Tage zustehen. Dies folgt aus dem Pauschalierungsgedanken der Regelleistung. Wie der [X.] bereits entschieden hat, kommen deshalb Abschläge für Bedarfe, die in einer der Bedarfsgemeinschaften regelmäßig oder gar typischerweise nicht zu decken sind (Bekleidung, Haushaltsgeräte, usw), nicht in Betracht (B[X.] Urteil vom [X.] - B 14 [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]7). Das gilt auch für die Konstellation, in der das Kind in beiden Haushalten seiner getrennt lebenden Eltern hilfebedürftig im Sinne des [X.]B II ist. Die Regelleistung deckt den Bedarf für den regelmäßigen Lebensunterhalt ab; insgesamt ergeben sich aber auch bei wechselnden Aufenthalten damit Ansprüche auf Regelleistungen für nicht mehr als 30 Tage. Entstehen nachgewiesenermaßen in einem der Haushalte laufend höhere Bedarfe wegen der wechselnden Aufenthalte des Kindes, die nicht durch vorrangige Unterhaltsleistungen gedeckt sind, kommt hinsichtlich solcher Bedarfe im Einzelfall allenfalls einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 [X.]B II in seiner seit dem [X.] geltenden Fassung in Betracht.

Gleichwohl kann der Beklagte dem Kläger nicht entgegenhalten, sein Bedarf sei durch die Bewilligung von Leistungen für 30 Tage in der Bedarfsgemeinschaft seiner Mutter abschließend gedeckt worden. Lebt ein Kind regelmäßig in zwei Bedarfsgemeinschaften, ist der Bedarf in der einen Bedarfsgemeinschaft nicht deckungsgleich mit dem Bedarf in der anderen Bedarfsgemeinschaft. Dies ist Folge der Regelungen in § 9 Abs 2 Sätze 2 und 3 [X.]B II, wonach der jeweilige Bedarf eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft nur in Abhängigkeit zum Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft festgestellt werden kann (zuletzt Urteil des [X.]s vom 16.4.2013 - B 14 AS 71/12 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]6). Da die Bedarfsgemeinschaften im Falle des umgangsbedingten Wechsels des Aufenthalts eines Kindes nicht personenidentisch sind, handelt es sich um zwei Ansprüche, die unterschiedlich hoch sein können und sich in zeitlicher Hinsicht gerade ausschließen. Die Leistungen für Regelbedarfe an den Tagen des Aufenthalts beim Vater sind nicht lediglich fehlerhaft an die Mutter als Vertreterin der dortigen Bedarfsgemeinschaft ausgezahlt worden. Für die Tage, an denen sich der Kläger weniger als 12 Stunden bei seiner Mutter aufhielt, bestand dort kein (Regel)Bedarf und also der Sache nach kein Anspruch auf Regelleistung. Die Ansprüche auf Leistungen für Kinder, die sich aus den unterschiedlichen Bedarfslagen in wechselnden Bedarfsgemeinschaften ergeben, stellen nicht lediglich "ein Zuordnungsproblem innerhalb familiärer Beziehungen" dar, wie der Beklagte meint. Die Mittellosigkeit des [X.] ist nicht unmittelbare Folge der (vorliegend tiefgreifenden) Auseinandersetzungen zwischen den Eltern, die etwa die Realisierung von zivilrechtlichen Ansprüchen gegen einen der Elternteile erschwert, sondern Konsequenz der Hilfebedürftigkeit in beiden Bedarfsgemeinschaften. Bei zutreffender Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben durch die beteiligten [X.] stellt sich deshalb die vom [X.] diskutierte Frage der Pflicht des [X.] zur vorrangigen Realisierung eines Anspruchs auf Weitergabe der gewährten Regelleistung gegen die Mutter nicht.

Nach den Feststellungen des [X.] sind von der Mutter an den Kläger auch tatsächlich keine Zahlungen wegen der Aufenthalte in der Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater erfolgt. Solche tatsächlichen Zahlungen wären allenfalls wie sonstige Zuwendungen von [X.] nach den Grundsätzen des § 9 Abs 1 iVm § 11 [X.]B II zu berücksichtigen. Da ihr Zufluss aber nicht festgestellt werden kann, scheidet ihre Berücksichtigung als Einkommen aus. Das Kindergeld, das für den Kläger gewährt wird, ist in der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater, der nicht auch der Kindergeldberechtigte ist, nicht als Einkommen des Kindes von dessen Bedarf abzusetzen (B[X.] Urteil vom [X.] - B 14 [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]0). Auch weiteres Einkommen fließt in der Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater nach den Feststellungen des [X.] nicht zu.

6. Die von dem Beklagten bereits bewilligten "Mehrbedarfe" dienten in Höhe von 40 Euro der Deckung des laufenden Lebensunterhalts, wie sich aus der Bezeichnung als "Verpflegungspauschale" ergibt. Sie deckten den Anspruch auf Regelleistung des [X.] in der Bedarfsgemeinschaft des [X.] in entsprechender Höhe monatlich ab. Der verbleibende Anspruch auf Regelleistung errechnet sich für Oktober auf 29 Euro (207 Euro durch 30 Tage = 6,90 Euro pro Tag mal 10 abzüglich 40 Euro) und für November auf 1,40 Euro (6,90 Euro mal 6 abzüglich 40 Euro). Der Tenor des [X.] bedurfte entsprechender Klarstellung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 50/12 R

12.06.2013

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Düsseldorf, 27. Januar 2012, Az: S 21 AS 3986/10 WA, Urteil

§ 28 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 28 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 20 SGB 2, § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2, § 9 Abs 2 S 2 SGB 2, § 9 Abs 2 S 3 SGB 2, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 1 S 3 SGB 2, § 36 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 36 S 3 SGB 2 vom 24.03.2011, § 71 Abs 2 SGG, § 73 Abs 2 SGG, § 73 Abs 6 SGG, § 81 ZPO, § 107 BGB, § 1629 Abs 1 S 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.06.2013, Az. B 14 AS 50/12 R (REWIS RS 2013, 5144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5144

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