Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2016, Az. B 4 AS 2/15 R

4. Senat | REWIS RS 2016, 16120

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - erhöhter Raumbedarf aufgrund der Ausübung des Umgangsrechts mit dem getrennt lebenden Kind - Unterkunftsbedarf des umgangsberechtigten Elternteils - Leistungsausschluss für Auszubildende - Leistungen für Auszubildende


Leitsatz

Höhere Wohnkosten, die einem umgangsberechtigten Elternteil wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Kind entstehen (hier: Kosten für eine größere Wohnung), stellen einen zusätzlichen Bedarf dieses Elternteils dar und sind nicht dem Wohnbedarf des Kindes zuzurechnen, wenn dieses seinen Lebensmittelpunkt bei dem anderen Elternteil hat.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem [X.] für die [X.] vom 1.4. bis [X.] wegen der Mitnutzung der Wohnung seines umgangsberechtigten [X.] während der Besuchszeiten.

2

Die Eltern des am [X.] geborenen [X.] trennten sich im Jahr 2008. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge einigten sie sich in einem gerichtlichen Vergleich vom 10.11.2008 darauf, dass der ständige Aufenthalt des [X.] bei der Mutter sein sollte. Der Vater verblieb alleine in der ursprünglichen Ehewohnung. Sein Umgang mit dem Kläger erfolgte alle 14 Tage in dieser Wohnung jeweils von Freitagnachmittag bis Montag.

3

Der Kläger und seine Mutter erhielten in dem streitbefangenen [X.]raum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.], darunter auch Kosten der Unterkunft und Heizung für die neue, von beiden gemeinsam bewohnte Wohnung.

4

Der Vater des [X.] studierte seit dem [X.] an der [X.], zunächst als Gasthörer und nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Juni 2009 rückwirkend zum Semesterbeginn mit dem Status als Vollzeitstudent. Das Studentenwerk bewilligte ihm für die Monate Juni 2009 bis März 2010 Leistungen nach dem BAföG. Zuvor hatte der Beklagte dem Vater des [X.] für den [X.]raum 1.4. bis [X.] ua Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Abzug der Einnahmen aus einer Untervermietung bewilligt (Bescheid vom 17.3.2009). Für die Monate Juli bis September erfolgte eine Erhöhung der Regelleistung entsprechend der gesetzlichen Anpassung (Bescheid vom [X.]). Den Widerspruch wegen der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.7.2009).

5

Dagegen haben der Kläger und sein Vater Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte seine Leistungsbewilligung gegenüber dem Vater des [X.] für den streitbefangenen [X.]raum zurückgenommen, weil dieser als Student vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei (Bescheid vom 2.12.2009). Gegenüber dem Kläger hat sich der Beklagte verpflichtet, Sozialgeld in Höhe von 42,20 Euro für die Monate April bis Juni 2009 und 50,20 Euro für die Monate Juli bis September 2009 (1/5 des monatlichen Leistungssatzes) zu zahlen (Teilanerkenntnis vom [X.]). Darüber hinaus hat er sich bereit erklärt, auch Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 34,26 Euro für die Monate April bis September 2009 zu erbringen (Teilanerkenntnis vom [X.]). Der Kläger habe unabhängig vom Leistungsausschluss seines [X.] Anspruch auf anteiliges Sozialgeld und anteilige Leistungen für Unterkunft und Heizung für jeweils lediglich 6 Tage im Monat, an denen er sich bei seinem Vater aufhalte.

6

Der Kläger hat beide [X.] angenommen, aber die Klage, mit der er weitere Ansprüche geltend gemacht hat, aufrechterhalten. Das [X.] hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die [X.] vom 1.4. bis [X.] weitere 764,43 Euro für Unterkunft und Heizung (für April bis Juni jeweils 127,48 Euro, für Juli bis September jeweils 127,33 Euro) zu zahlen (Urteil vom 10.2.2011). Der Kläger könne nach dem Kopfteilprinzip die Hälfte der im Monat anfallenden Gesamtkosten für die Wohnung des [X.] als Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Sächsische L[X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.1.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe sich im [X.]raum vom 1.4. bis [X.] überwiegend bei seiner Mutter aufgehalten. Er habe daher schon dem Grunde nach keine Ansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in einer Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater. Der "Mehrbedarf" für Unterkunft und Heizung infolge der Ausübung des Umgangsrechts durch einen Elternteil sei in Fällen, in denen sich das Kind überwiegend beim anderen Elternteil aufhalte, dem umgangsberechtigten Elternteil und nicht dem Kind zuzurechnen. Das Kind habe insoweit keine eigenen Ansprüche.

7

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 22 [X.]. Da es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um Individualansprüche handele, müsse der Wohnbedarf des Kindes in beiden Haushalten berücksichtigt werden. Das B[X.] habe bereits klargestellt, dass nicht ausschlaggebend sei, wem die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts unterhaltsrechtlich zuzuordnen seien. Das L[X.] gehe auch zu Unrecht davon aus, die Rechtsauffassung des [X.] führe zu [X.]. Dies sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn jeweils tatsächlich vorliegende Bedarfe in verschiedenen Bedarfsgemeinschaften nebeneinander bestünden und befriedigt werden müssten. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass der Vater des [X.] nach § 7 Abs 5 [X.] von Leistungen ausgeschlossen und die Zuerkennung eines isolierten Mehrbedarfs für die Ausübung des Umgangsrechts in § 27 [X.] nicht vorgesehen sei.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2015 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2011 zurückzuweisen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen im Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G). Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 [X.]B II für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2009. Das [X.] hat daher zu Recht das Leistungen zusprechende Urteil des [X.] aufgehoben und die [X.]lage abgewiesen.

Streitgegenstand sind allein Leistungen für Unterkunft und Heizung für den [X.]läger in einer in Betracht kommenden (temporären) Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2009. Der Vater des [X.] hat seine Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 17.2.2016 zurückgenommen und der [X.]läger hat sein Begehren zulässigerweise auf Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 [X.]B II begrenzt (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung nur Senatsurteil vom 16.6.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 27 [X.] - Rd[X.] 12). Er begehrt Leistungen für Unterkunft und Heizung, die über den Betrag von monatlich 34,26 Euro, den der Beklagte durch [X.] vom [X.] anerkannt hat, hinausgehen. Soweit durch zuvor gegenüber dem Vater des [X.] ergangene Bescheide eine Ablehnung von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung für den [X.]läger erfolgt ist, sind diese Bescheide durch das [X.] ersetzt und damit erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]B X).

Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, selbst wenn in dem streitgegenständlichen Zeitraum von einer temporären Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater auszugehen sein sollte. Nach § 28 Abs 1 S 1 [X.]B II (in der hier anwendbaren Normfassung des [X.] in [X.] vom [X.] - [X.]) erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten [X.]apitel des [X.]B XII haben. Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 S 1 [X.]B II (in der Normfassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] - [X.] 1706) ergebenden Leistungen (§ 28 Abs 1 S 2 [X.]B II), zu denen die angemessenen [X.]osten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 [X.]B II (in der Normfassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 - [X.] 2917) gehören. [X.] kann hier, ob der Vater des [X.] diesem überhaupt (zumindest temporär) einen Anspruch auf Leistungen nach dem [X.]B II als "[X.]opf" einer Bedarfsgemeinschaft vermitteln konnte, obwohl er selbst im streitigen Zeitraum nach § 7 Abs 5 S 1 [X.]B II (in der Normfassung des [X.] zur Änderung des [X.] vom 23.12.2007 - [X.] 3254) von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen war. Es mangelt vorliegend bereits an einem entsprechenden Bedarf des [X.].

Inhaber des [X.] auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (grundlegend B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 217, 219 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] 1 - Rd[X.] 12), einschließlich des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, ist derjenige, bei dem der notwendige Bedarf in eigener Person vorliegt. Nach § 22 Abs 1 S 1 [X.]B II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Erfasst sind davon sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus einem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]4/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]0 Rd[X.] 19 ff). [X.] wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 31/07 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]1 - Rd[X.] 16 ff; B[X.] Urteil vom 22.9.2009 - [X.] AS 8/09 R - B[X.]E 104, 179 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]4 - Rd[X.] 16; B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 15).

Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, können diese Aufwendungen unabhängig von Alter und Nutzungsintensität, anteilig pro [X.]opf - worauf sich die Revision stützt - aufzuteilen sein (vgl nur B[X.] Urteil vom 23.11.2006 - B 11a [X.]/06 R - B[X.]E 97, 265 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 3 - Rd[X.]8 f), was auch unabhängig davon ist, ob alle Personen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 ff = [X.] 4-4200 § 22 [X.] 68 - Rd[X.] 18 mwN). Bei der Aufteilung nach [X.]opfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 [X.]B II handelt es sich jedoch um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der [X.], die nicht gesetzlich festgeschrieben ist. Eine grundsätzliche Festlegung auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der [X.]dU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen sieht die Vorschrift nicht vor (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 ff = [X.] 4-4200 § 22 [X.] 68 - Rd[X.] 18 f mwN).

Doch fehlt es hier an der gemeinsamen Nutzung der Wohnung des Vaters des [X.] durch den [X.]läger und seinen Vater, sodass schon aus diesem Grund eine Aufteilung der allein den Vater treffenden Zahlungsverpflichtungen aus dessen Mietvertrag nicht in Betracht kommt. Eine gemeinsame Nutzung würde voraussetzten, dass der [X.]läger seinen Lebensmittelpunkt in dieser Wohnung hat. Denn nach Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 [X.]B II in Verbindung mit der Gesetzessystematik ist ein eigener notwendiger Wohnbedarf nur bezogen auf den Lebensmittelpunkt des [X.] anzuerkennen. Die Nutzung der Wohnung nur im Rahmen der Besuchszeiten während des Umgangsrechts, nicht aber als ständiger Mitbewohner, reicht für die Annahme, dass hier der Lebensmittelpunkt liegt, nicht aus.

Sinn und Zweck der im Rahmen des [X.]B II zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist die Befriedigung des [X.], eine Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt zu besitzen (vgl nur Luick in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 22 Rd[X.] 7; Piepenstock in [X.]/Voelzke, [X.]B II, 4. Aufl 2015, § 22 Rd[X.] 46 f; jeweils mwN). Werden mehrere Wohnungen genutzt, ist daher grundsicherungsrechtlich ein Wohnbedarf nur für die Wohnung anzuerkennen, die den Lebensmittelpunkt bildet, also (nur) für die Wohnung, die überwiegend genutzt wird. Durch Leistungen für diese Wohnung wird der Grundbedarf gedeckt. Unterkunftskosten sind daher stets nur für eine einzige Wohnung anzuerkennen, selbst wenn tatsächlich zwei Wohnungen als Unterkunft zur Verfügung stehen (so [X.] Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16.6.2006 - L 10 [X.]/06 [X.] - Rd[X.] 5; Hessisches [X.] Beschluss vom 8.10.2007 - L 7 [X.]49/07 ER - Rd[X.] 31; [X.] Thüringen Beschluss vom 15.4.2008 - L 9 [X.]438/07 ER - Rd[X.] 17). Dem steht mangels Vergleichbarkeit der Fallkonstellationen nicht entgegen, dass ausnahmsweise auch die Übernahme von [X.]osten für die Anmietung zusätzlicher Räume zur Lagerung von persönlichen Gegenständen von der Rechtsprechung als [X.]osten der Unterkunft anerkannt wurden (so im Fall B[X.] Urteil vom 16.12.2008 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] 14 - Lagerraum bei Übergangswohnheim); solche Räume sind nämlich für sich genommen schon nicht selbstständig als Wohnung geeignet.

Bei einem [X.]ind, dessen Eltern getrennt leben, liegt der Lebensmittelpunkt des [X.]indes in der Wohnung des Elternteils, bei dem es sich überwiegend aufhält. Durch die Sicherstellung des [X.] bei diesem Elternteil wird sein Grundbedürfnis auf Wohnen bereits vollständig befriedigt. Eine Aufteilung des [X.] je nach dem Umfang des Aufenthalts bei dem einen oder anderen Elternteil kommt nicht in Betracht.

Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Rechtsprechung des Senats zur Aufteilung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 [X.]B II, wenn sich das [X.]ind zeitweise bei dem einen oder bei dem anderen Elternteil aufhält. Danach ist - abgesehen von den Fällen des echten Wechselmodels mit etwa hälftigem Aufenthalt bei beiden Elternteilen (dazu B[X.] Urteil vom 3.3.2009 - [X.] [X.]/07 R - B[X.]E 102, 290 = [X.] 4-4200 § 21 [X.] 5 - Rd[X.] 15 ff) - keine Aufsplittung dieses Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit bei dem einen oder anderen Elternteil vorzunehmen. Vielmehr ist auch der Mehrbedarf nach § 21 Abs 3 [X.]B II nur dem Elternteil zuzugestehen, bei dem das [X.]ind den Lebensmittelpunkt hat (vgl B[X.] Urteil vom 11.2.2015 - [X.] [X.]6/14 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]0 - Rd[X.] 15). Hierfür spricht, dass auch während einer zeitweisen Abwesenheit eines [X.]indes zur Wahrnehmung des Umgangsrechts die wesentlichen Belastungen und [X.]osten bei dem anderen Elternteil verbleiben. Für Wohnkosten gilt das in besonderer Weise, denn sie fallen - insbesondere wenn es sich um monatliche Mietzahlungspflichten handelt - unabhängig davon an, wie viele Tage das [X.]ind bei dem umgangsberechtigten Elternteil verbringt.

Dass im Allgemeinen während der Wahrnehmung des Umgangsrechts von einer zeitweisen (temporären) Bedarfsgemeinschaft zwischen dem [X.]ind und dem umgangsberechtigten Elternteil auszugehen ist (grundlegend dazu B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.]4/06 R - B[X.]E 97, 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 1 - Rd[X.]7 ff; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 13 - Rd[X.] 15 ff), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Rechtsprechung zur temporären Bedarfsgemeinschaft lässt zwar eine tageweise Zuordnung von Leistungen zu. Doch bezieht sich dies allein auf Leistungen, die in Erfüllung monetärer Bedarfe zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten erbracht werden (vgl zur Zuordnung der Regelleistungen zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 35 - Rd[X.] 17 f). Auf den Wohnbedarf kann wegen dessen fehlender Teilbarkeit diese Rechtsprechung indes nicht übertragen werden. Aus dem Befund, dass der Wohnbedarf eines [X.]indes nicht durch dessen zeitweisen Aufenthalt im Wohnraum des umgangsberechtigten Elternteils sichergestellt wird, folgt umgekehrt, dass die Wohnung des umgangsberechtigten Elternteils - unabhängig von ihrer Größe - auch nur dessen eigenen Wohnbedarf befriedigt (so auch B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] 42 - Rd[X.] 19, in dem Fall, dass ein Lebenspartner als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine Wohnung nicht mehr bewohnt), entsprechende [X.]osten also auch nur von ihm zu decken sind.

Soweit dem umgangsberechtigten Elternteil gerade wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts zusätzliche oder höhere Wohnkosten entstehen, stellen diese - ebenso wie andere ihm entstehende [X.]osten im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht, beispielsweise Fahrtkosten (vgl dazu B[X.] Urteil vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 240 = [X.] 4-4200 § 21 [X.] 19 - Rd[X.] 13 ff; B[X.] Urteil vom 11.2.2015 - [X.] [X.]7/14 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4-4200 § 21 [X.]1 vorgesehen - Rd[X.] 17 ff) einen zusätzlichen Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils dar (so etwa [X.] in jurisP[X.]-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 21 Rd[X.] 114; [X.] jM 2014, 22, 28 f; noch offen gelassen B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 36/08 R - B[X.]E 104, 41 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]3 - Rd[X.]5; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 35 - Rd[X.] 19). Besteht wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts etwa ein zusätzlicher Wohnraumbedarf, kann dieser im Rahmen der konkreten Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizaufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 iVm S 3 [X.]B II zu berücksichtigen sein (vgl nur [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/ Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 [X.]B II, Rd[X.]3 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], Stand X/2012, [X.] § 22 [X.]B II, Rd[X.] 126; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 21, Rd[X.] 114).

Diese grundsätzliche Zuordnung wird durch die zum 1.4.2011 eingeführten Satzungsregelungen (§§ 22a ff [X.]B II; eingefügt durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011 - [X.] 453) indirekt bestätigt. § 22b Abs 3 S 1 [X.]B II bestimmt, dass bei Erlass einer Satzung über die angemessenen Wohnkosten für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung eine Sonderregelung getroffen werden soll. Als Beispiel für einen solchen besonderen Bedarf wird ausdrücklich auch ein erhöhter Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts genannt (§ 22b [X.] [X.] [X.]B II). Zwar handelt es sich insoweit nur um eine normative Vorgabe für die Inhaltsgestaltung der Satzung nach § 22a [X.]B II, nach der die Länder die [X.]reise und kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten können, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind. Auch ist der Raumbedarf nur eine Hilfsgröße für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten. Dass die Neuregelung einen erhöhten Raumbedarf insbesondere für Personen anerkennen will, die wegen der Ausübung des Umgangsrechts zusätzliche Wohnfläche bereithalten, weist jedoch [X.] darauf hin, dass der Gesetzgeber diesen Bedarf dem umgangsberechtigten Elternteil und dessen Unterkunftsbedarf zuordnet. Dies gilt unabhängig davon, ob ein solcher Bedarf bei der Festlegung der abstrakten [X.] berücksichtigt werden darf, wie es die Festlegung in einer Satzung nahelegt (nur bei realitätsgerechter Ermittlung B[X.] Urteil vom 17.10.2013 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 114, 257 = [X.] 4-4200 § 22a [X.] 1 - Rd[X.] 35), oder Teil der Prüfung der konkreten Angemessenheit ist (siehe B[X.] Urteil vom 11.12.2012 - [X.] [X.]4/12 R - Rd[X.] 14). Denn hier steht nur die Bedarfszuordnung im Zentrum der Betrachtung und nicht die konkrete Bedarfsermittlung.

Eine abweichende Zuordnung des Bedarfs wegen zusätzlicher oder höherer Wohnkosten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts ist auch nicht veranlasst, wenn - wie hier - der umgangsberechtigte Elternteil als Auszubildender vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs 5 [X.]B II ausgeschlossen ist. Auszubildende sind gehalten, ihre Bedarfe in den jeweiligen Systemen der Ausbildungsförderung sicherzustellen; durch den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 [X.]B II ist bezweckt, eine (verdeckte) Ausbildungsförderung durch [X.]B II-Leistungen zu verhindern (vgl nur Leopold in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 7 Rd[X.]87; Spellbrink/[X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 7, Rd[X.] 166). Erweisen sich die Ausbildungsförderleistungen, die teilweise im Übrigen auch Bedarfe wegen [X.]inderbetreuung in temporären Bedarfsgemeinschaften berücksichtigen (vgl § 14 b [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 14b Rd[X.] 7), im Einzelfall als nicht bedarfsdeckend, können sich jedenfalls dann, wenn nichtausbildungsgeprägte Bedarfe betroffen sind, ausnahmsweise ergänzende Leistungsansprüche nach dem [X.]B II ergeben (vgl nur Spellbrink/ [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 7, Rd[X.] 168 ff). Ebenso wie die Anerkennung erhöhter [X.]osten der Unterkunft und Heizung im Rahmen des regulären Bezugs von Leistungen nach dem [X.]B II sind diese ergänzenden Leistungsansprüche geeignet, auch einen zusätzlichen Bedarf wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts, der als nichtausbildungsgeprägt zu werten ist, zu befriedigen. Bezogen auf erhöhte Unterkunftskosten konnten sich bis zum [X.] etwa Ansprüche aus § 22 Abs 7 [X.]B II (in der Normfassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] - [X.] 1706, der dem heute geltenden § 27 Abs 3 [X.]B II entspricht; zur Anwendbarkeit der entsprechenden Gesetzesfassungen vgl B[X.] Urteil vom 16.6.2015 - [X.] [X.]/14 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4-4200 § 27 [X.] vorgesehen - Rd[X.] 15 ff) für den dort genannten Personenkreis - dem der Vater des [X.] allerdings nicht unterfiel - ergeben. Daneben kommen Darlehensleistungen - auch für Bedarfe für Unterkunft und Heizung - in Betracht, wenn der Leistungsausschluss eine besondere Härte bedeutet (§ 7 Abs 5 S 2 [X.]B II in der bis zum [X.] geltenden Fassung; § 27 Abs 4 [X.]B II). Soweit gleichwohl Bedarfsunterdeckungen bestehen, verbunden mit dem möglichen Zwang, die Ausbildung aufgeben zu müssen, ist dies eine Folge der Ausgestaltung der Ausbildungsförderleistungen, und keine das Leistungssystem des [X.]B II berührende Frage (so ausdrücklich [X.] Nichtannahmebeschluss vom [X.] - 1 BvR 1768/11 - Rd[X.]1 ff).

Vorliegend hatte der [X.]läger im streitbefangenen Zeitraum seinen Lebensmittelpunkt bei seiner Mutter, die ihn überwiegend betreute, nicht aber bei seinem Vater. Die [X.]osten für die vom [X.]läger zusammen mit seiner Mutter bewohnten Wohnung wurden ausgehend von einer Bedarfsgemeinschaft des [X.] mit seiner Mutter als Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des [X.]B II vollständig übernommen. Ein darüber hinausgehender Wohnbedarf des [X.] bezogen auf eine mögliche (temporäre) Bedarfsgemeinschaft mit dem umgangsberechtigten Vater, der weitere Ansprüche begründen könnte, besteht nicht.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 2/15 R

17.02.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Leipzig, 10. Februar 2011, Az: S 25 AS 2636/09, Urteil

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 22b Abs 3 S 2 Nr 2 SGB 2, § 7 Abs 5 SGB 2, § 27 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2016, Az. B 4 AS 2/15 R (REWIS RS 2016, 16120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16120

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