Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.06.2011, Az. VII S 1/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 5563

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Gegenstand

Ende der Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid im Insolvenzverfahren der GmbH - Bindung des BFH an Feststellungen des FG - Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer als Jahressteuer - Gesetzliche Vertreter und Geschäftsführer als Steuerpflichtige


Leitsatz

1. NV: § 191 Abs. 3 Satz 4 AO ist dahin auszulegen, dass die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nicht endet, solange die Steuer noch geltend gemacht werden kann, sei es durch Festsetzung, sei es in anderer, im Einzelfall durch Gesetz vorgeschriebenen Weise. Deshalb ist im Insolvenzverfahren/Gesamtvollstreckungsverfahren entscheidend, dass die Feststellung der angemeldeten Steuerforderung zur Tabelle wie die Steuerfestsetzung wirkt, der Feststellungsvermerk der Tabelle gilt als Titel für die nachfolgende Einzelzwangsvollstreckung, wenn bzw. soweit die Forderung im Gesamtvollstreckungsverfahren ausgefallen ist .

2. NV: § 191 Abs. 3 Satz 4 2. Variante AO, der das Ende der Festsetzungsfrist für die Haftung in den Fällen, in denen die Steuer festgesetzt ist, entsprechend § 171 Abs. 10 AO bestimmt, regelt keinen absoluten Endzeitpunkt, sondern den frühesten Zeitpunkt des Verjährungseintritts. Auf den Beginn des Fristlaufs hat die Regelung keine Auswirkung .

3. NV: Der BFH ist an Feststellungen des FG in den Entscheidungsgründen in einem Revisionsverfahren nicht gebunden, wenn diese zu den vom FG selbst im Tatbestand seines Urteils getroffenen Feststellungen in Widerspruch stehen .

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller beantragt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der gegen ihn ergangenen [X.] während des vom [X.] ([X.]) zugelassenen Revisionsverfahrens.

2

Der Antragsteller war zunächst zusammen mit einem weiteren Gesellschafter ([X.]) Geschäftsführer einer GmbH, bis [X.] die Geschäftsführung zum 9. Juni 1997 niederlegte. [X.]. für die Jahre 1996 und 1997 hatte der Antragsgegner (das Finanzamt --[X.]--) mangels Abgabe von Umsatzsteuererklärungen gegen die GmbH Schätzungsbescheide erlassen.

3

Im April 1999 eröffnete das Amtsgericht das [X.] über das Vermögen der GmbH. [X.]it Haftungsbescheid vom 30. August 1999 nahm das [X.] den Antragsteller gemäß §§ 191, 69, 34 der Abgabenordnung ([X.]) u.a. für Umsatzsteuerschulden der [X.] bis 1997 in Anspruch. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Antragsteller dagegen Klage. Nachdem vom [X.] wegen Zweifeln am ordnungsgemäß ausgeübten [X.] AdV gewährt worden war, führte das [X.] im [X.] 2000 bei der GmbH im Beisein des Antragstellers eine Außenprüfung u.a. für die Umsatzsteuer 1993 bis 1997 durch, die zusätzliche Umsatzsteuerschulden für das [X.] in Höhe von rd. 105.000 D[X.] und für das [X.] in Höhe von rd. 150.000 D[X.] ergab.

4

Den Haftungsbescheid vom 30. August 1999 hob das [X.] am 16. [X.]ärz 2001 auf und die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit vor dem [X.] für in der Hauptsache erledigt.

5

Im Dezember 2001 wurde das [X.] über das Vermögen der GmbH mangels [X.]asse eingestellt.

6

Wegen unterlassener Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die [X.]onate Oktober bis Dezember 1996 und für die [X.]onate Januar bis August 1997 erließ das [X.] unter dem 29. Oktober und 10. Dezember 2003 erneut [X.] gegen den Antragsteller, weil erst durch die Betriebsprüfung bei der GmbH festgestellte Abschlagszahlungen, die in den [X.]n jeweils im Einzelnen aufgeführt waren, nicht zeitgerecht angemeldet und versteuert worden seien.

7

Die Einsprüche des Antragstellers blieben erfolglos.

8

Die vom Antragsteller gegen die [X.] erhobene Klage wies das [X.] ab. Auf eine von der Rechtsprechung zugelassene Begrenzung seiner Haftung durch eine interne Verteilung von Aufgabenbereichen könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil eine solche nicht in der gebotenen Weise klar und eindeutig schriftlich festgelegt worden sei. Als Geschäftsführer sei er verpflichtet gewesen, den nach seinem Vorbringen für den kaufmännischen Bereich zuständigen [X.]itgeschäftsführer [X.] zu überwachen. Da er nicht einmal versucht habe, sich um die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH selbst zu kümmern oder jedenfalls [X.] zu kontrollieren, habe er seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem [X.]aße verletzt. Soweit der Antragsteller die Höhe der den [X.]n zu Grunde liegenden Umsatzsteuern infrage stelle, müsse er zwar nicht die zu Grunde liegenden bestandskräftigen [X.] gegen sich gelten lassen, soweit er während der für die Rechtsbehelfe gegen die Festsetzungen zur Verfügung stehenden [X.] zur Vertretung der GmbH nicht befugt gewesen sei, jedoch sei er seiner Obliegenheit, substantiierte Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung im Rahmen seiner Verteidigung gegen die [X.] zu erheben, in keiner Weise nachgekommen. Auch habe der Antragsteller versäumt, substantiiert darzulegen, ob und warum das [X.] die Haftung auf eine angemessene Tilgungsquote habe beschränken müssen. Dies sei erforderlich gewesen, da das [X.] anhand von Kontoauszügen der GmbH und Aufstellungen über Geldeingänge bei der GmbH festgestellt habe, dass die GmbH in der Lage gewesen wäre, bei fristgerechter Anmeldung der Umsatzsteuer die Steuerschulden auch zu zahlen.

9

Die Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheids vom 30. August 1999 durch [X.] vom 16. [X.]ärz 2001 habe das [X.] nicht gehindert, aufgrund des Ergebnisses der 2000 durchgeführten Außenprüfung erneut [X.] zu erlassen. Insbesondere sei ein zu Gunsten des Antragstellers wirkender Vertrauenstatbestand deshalb ausgeschlossen, weil er bei der Außenprüfung des [X.] zugegen gewesen sei und das [X.] in der Folge ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet habe. Der Antragsteller habe danach keinerlei Anlass gehabt anzunehmen, mit der Aufhebung des ursprünglichen Haftungsbescheids sei die Sache für ihn erledigt.

Auch durch Eintritt der Festsetzungsverjährung sei das [X.] nicht gehindert gewesen, den Antragsteller erneut in Haftung zu nehmen.

Nach Einlegung der vom [X.] zugelassenen Revision gegen dieses Urteil hat der Antragsteller AdV der angefochtenen [X.] beantragt, nachdem das [X.] einen entsprechenden Antrag mit [X.] vom 17. Dezember 2010 abgelehnt hatte. Zur Begründung bezieht sich der Antragsteller auf die Revisionsbegründung, mit der er vorträgt:

Der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid für Steuerschulden der GmbH aus den Jahren 1996 und 1997 stehe der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Die Verjährung bestimme sich nach § 191 Abs. 3 Satz 3 [X.]. Danach beginne die Verjährung mit der haftungsbegründenden Pflichtverletzung, also mit der Nichtabgabe der Steuererklärungen und der Nichtabführung der sich insoweit ergebenden Zahlungen. Die Umsatzsteuerjahreserklärung habe der Antragsteller in Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH gemäß § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 149 Abs. 2 [X.] spätestens zum 31. [X.]ai des jeweiligen Folgejahres abgeben und die Zahlung bis zum 30. Juni entrichten müssen. Demnach sei die Festsetzungsverjährung bezüglich der Umsatzsteuer 1996 am 31. Dezember 2001 und bezüglich der Umsatzsteuer 1997 am 31. Dezember 2002 eingetreten. Eine Hemmung nach § 191 Abs. 3 Satz 4 [X.] greife bei der gebotenen teleologischen Auslegung nicht ein, auch wenn vorliegend keine Steuerfestsetzung erfolgt sei. Denn die aufgrund der Außenprüfung festgestellten [X.]ehrsteuern hätten nur deshalb keinen Eingang in eine Steuerfestsetzung gefunden, weil nach Eröffnung des [X.]s eine Steuerfestsetzung auf Basis der Feststellungen der Betriebsprüfung nicht mehr möglich gewesen sei. In diesem Falle greife die Festsetzungsverjährungsfrist ins Leere. Die nach dem Wortlaut des § 191 Abs. 3 Satz 4  1. Variante [X.] möglicherweise eintretende Ablaufhemmung führe zu einem Rechtsnachteil für den Antragsteller, der mit Sinn und Zweck der Norm nicht vereinbar sei. Die reguläre [X.] könne deshalb nicht nach § 191 Abs. 3 Satz 4  1. Variante [X.] im Ablauf gehemmt sein.

Abgesehen davon beruhe das Urteil auf einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung und das [X.] habe den Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht ausreichend gewürdigt. Die Feststellungslast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des [X.] trage das [X.]. Das [X.] habe --obwohl aufgrund des eröffneten [X.]s erkennbar gewesen sei, dass wegen der sich abzeichnenden Krise die Gläubiger der GmbH nicht vollständig würden befriedigt werden [X.] nicht berücksichtigt, dass das [X.] lediglich geprüft habe, ob die Umsatzsteuerschulden der GmbH nach den jeweiligen Kontoständen aus den vorhandenen [X.]itteln hätten bezahlt werden können; die aus den Bilanzen der GmbH ersichtlichen Verbindlichkeiten habe das [X.] außer Acht gelassen und damit den Grundsatz der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger "evident" und unter Verletzung der Denkgesetze und Erfahrungssätze missachtet. Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Antragstellers, die in der Nichtverwendung vorhandener [X.]ittel zur vollen oder anteiligen Befriedigung des [X.] gelegen habe, trage, was das [X.] verkannt habe, das [X.] die objektive Beweislast. Das [X.] habe ermitteln müssen, mit welcher Quote das [X.] den Antragsteller habe in Haftung nehmen dürfen.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der [X.] des [X.] in Gestalt der [X.] vom 4. Januar 2006 auszusetzen.

Das [X.] beantragt, den Antrag abzulehnen.

Es hält den Antrag und die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag, die Vollziehung der Haftungsbescheide auszusetzen, hat keinen Erfolg.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O bestehen u.a. dann, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 10. Februar 1967 [X.]/66, [X.], 447, [X.] 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).

Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen im Streitfall nicht.

1. Das [X.] war nicht wegen Festsetzungsverjährung gehindert, die angefochtenen Haftungsbescheide zu erlassen.

a) Gegenstand der Haftungsbescheide, für welche der Antragsteller Vollziehungsaussetzung begehrt, sind ausschließlich die durch die Betriebsprüfung ermittelten [X.], die in den [X.] für 1996 und 1997 nicht erfasst worden sind. Das wird an der betragsmäßigen Übereinstimmung der in der Außenprüfung ermittelten zusätzlichen [X.] (104.702 [X.]-- bzw. 149.862 DM --76.623 €--) und den in den [X.] geltend gemachten Steuern (52.428,40 € bzw. 72.280 €) deutlich und ist vom [X.] in diesem Verfahren ausdrücklich klargestellt worden. Die vom [X.] in seinem Urteil erörterte Frage, ob bei Erlass des Haftungsbescheids die Festsetzungsfrist hinsichtlich der Haftung für die nicht erst durch die Betriebsprüfung ermittelten, sondern bereits zuvor (durch [X.]) festgesetzte Steuer abgelaufen war, deretwegen das [X.] die Revision zugelassen hat, stellt sich mithin weder in diesem noch in dem Revisionsverfahren. Soweit den Ausführungen des [X.] unter 1.f der Entscheidungsgründe entnommen werden soll, der Antragsteller sei vom [X.] auch in Haftung für die bereits vom ersten, aufgehobenen Haftungsbescheid erfassten Steuern in Anspruch genommen worden, wäre der beschließende Senat daran in dem Revisionsverfahren nicht gebunden, weil eine solche Feststellung zu den vom [X.] selbst im Tatbestand seines Urteils getroffenen Feststellungen in Widerspruch steht.

Hinsichtlich dieser [X.] hat das [X.] zutreffend erkannt, dass der Lauf der Haftungsfestsetzungsfrist für die im Jahr 1996 entstandenen Steuern mit Ablauf des Jahres 2003 und für die im Jahr 1997 entstandenen Steuern mit Ablauf des Jahres 2004 endete. Denn nach § 191 Abs. 3 Satz 4 [X.] endet die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer beginnt, wenn --wie im [X.] keine Steuererklärung eingereicht worden ist, gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr der Entstehung der Steuer folgt. Die Umsatzsteuer entsteht --unbeschadet der Entstehung mit Ablauf des [X.] gemäß § 13 UStG-- als Jahressteuer jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 UStG berechenbar ist. Das ist das Ende des [X.], mithin das Ende des Kalenderjahres (BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 [X.]/94, [X.], 188, [X.] 1996, 662). Für die im Jahr 1996 entstandenen Steuern begann die Festsetzungsfrist also mit Ablauf des Jahres 1999 und für die im Jahr 1997 entstandenen Steuern mit Ablauf des Jahres 2000. Sie endete gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] nach vier Jahren, also 2003 bzw. 2004, und damit erst nach Ergehen der Haftungsbescheide.

b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht der Anwendung des § 191 Abs. 3 Satz 4 [X.] nicht entgegen, dass nach Eröffnung des [X.] eine Steuerfestsetzung auf Basis der Feststellungen der Betriebsprüfung nicht mehr möglich gewesen ist. Zwar ist richtig, dass § 191 Abs. 3 Satz 4 [X.] darauf abzielt, die [X.] nicht vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist eintreten zu lassen [X.]/ Rüsken, [X.], 10. Aufl., § 191 Rz 95 bis 95c, m.w.N.). Gleichwohl ist die Anwendung der Norm nicht deshalb ausgeschlossen, weil mit Eröffnung des [X.] das Steuerfestsetzungsverfahren unterbrochen ist (vgl. zur Unterbrechung: [X.]/[X.]/[X.], Gesamtvollstreckungsordnung --[X.]--, § 5 Rz 43) und deshalb eine Steuerfestsetzung --jedenfalls einstweilen-- nicht erfolgen kann. Denn § 191 Abs. 3 Satz 4 [X.] ist dahin auszulegen, dass die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nicht endet, solange die Steuer noch geltend gemacht werden kann, sei es durch Festsetzung, sei es in anderer, im Einzelfall durch Gesetz (hier: die Insolvenzordnung) vorgeschriebenen Weise. Deshalb ist hier entscheidend, dass die Feststellung der angemeldeten Steuerforderung zur Tabelle wirkt wie die Steuerfestsetzung, der Feststellungsvermerk der Tabelle gilt als Titel für die nachfolgende Einzelzwangsvollstreckung, wenn bzw. soweit die Forderung im [X.] ausgefallen ist ([X.]/[X.]/ [X.], [X.], § 18 Rz 93, 97).

Sollte das [X.] die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerforderungen wirksam zur Tabelle angemeldet haben --was im Urteil des [X.] nicht festgestellt, nach den Angaben des [X.] aber anzunehmen ist-- und damit die einer Steuerfestsetzung vergleichbare Wirkung eingetreten sein, schlösse dies nicht die Anlaufhemmung nach § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] aus.

§ 191 Abs. 3 Satz 4  2. Variante [X.], der das Ende der Festsetzungsfrist für die Haftung in den Fällen, in denen die Steuer festgesetzt ist, entsprechend § 171 Abs. 10 [X.] bestimmt, steht dem nicht entgegen. Denn danach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Steuerbescheids. Die Norm bestimmt demnach keinen absoluten Endzeitpunkt, sondern den frühesten Zeitpunkt des [X.]. Auf den Beginn des [X.] hat die Regelung keine Auswirkung.

c) [X.] nach § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nr. 1 [X.] ist auch --wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat-- trotz der Bestimmung des § 191 Abs. 3 Satz 3 [X.] zu beachten, wonach die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die [X.] knüpft. Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers knüpft an die Nichtabgabe der Steuererklärung für die GmbH an. Die betreffende Pflicht begründet § 34 [X.], und zwar im Rahmen eines eigenen Pflichtverhältnisses zur Finanzverwaltung; die gesetzlichen Vertreter und Geschäftsführer sind Steuerpflichtige i.S. des § 33 Abs. 1 [X.] kraft eigener steuerrechtlicher Pflichten und nicht kraft abgeleiteter Pflichten (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 [X.], [X.], 103, [X.] 1989, 955; [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 34 Rz 1 f.). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die vom [X.] zitierte BFH-Rechtsprechung folglich entsprechend anwendbar (vgl. Beschluss vom 22. Januar 2003 [X.]/02, [X.] 2003, 645; Urteil vom 9. August 2000 [X.]/99, [X.], 12, [X.] 2001, 13).

2. Das [X.] ist auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das [X.] den Kläger in voller Höhe der rückständigen Steuern in Haftung nehmen durfte.

Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass das [X.] die Haftungsvoraussetzungen nach § 69 [X.] i.V.m. § 34 [X.] dem Grunde nach zu Recht bejaht und einen auf der Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheids vom 30. August 1999 beruhenden Vertrauenstatbestand verneint hat. Da der Kläger dagegen keine Einwände erhoben hat, bezieht sich der Senat insoweit auf die Ausführungen im finanzgerichtlichen Urteil.

Auch die Ausführungen zur vollen Haftung des [X.] ohne Berücksichtigung einer Tilgungsquote halten einer summarischen Überprüfung stand. Anders als der Kläger meint, hat das [X.] ihm nicht die Feststellungslast für eine nur anteilige, der Befriedigung der übrigen Gläubiger entsprechende Haftung auferlegt. Es hat seiner Entscheidung vielmehr ausdrücklich die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 27. Februar 2007 [X.], [X.], 487, [X.] 2008, 508) zu Grunde gelegt, dass das [X.] unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder --soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden [X.] im Schätzungswege die Quote festzustellen habe, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt. Dieser demnach dem [X.] auferlegten Feststellungsverpflichtung ist das [X.] nach Überzeugung des [X.] in dem ihm nach Auswertung des [X.] möglichen Umfang nachgekommen, indem es anhand von Kontoauszügen der GmbH und Aufstellungen über Geldeingänge bei der GmbH festgestellt habe, dass die GmbH in der Lage gewesen wäre, bei fristgerechten Anmeldungen der Umsatzsteuer die Steuerschulden zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen auch zu zahlen. Der Vorwurf des [X.], das [X.] habe nicht beachtet, dass das [X.] wegen Nichtberücksichtigung der aus den [X.] ersichtlichen Verbindlichkeiten den Grundsatz der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger "evident" und unter Verletzung der Denkgesetze und Erfahrungssätze unberücksichtigt gelassen habe, geht fehl. Da das [X.] das Vorbringen des [X.] dahin gewürdigt hat, dass er die Richtigkeit der Feststellungen des [X.] nur unsubstantiiert bezweifele, insbesondere nicht dargelegt habe, ob und warum nur eine Haftung in Höhe eines bestimmten Teils der [X.] in Betracht komme, bestand keine Veranlassung für das [X.] zu weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen nach § 76 [X.]O. Insbesondere musste sich diese dem [X.] nicht wegen der Eröffnung des [X.] im April 1999 aufdrängen, da das [X.] die Zahlungsfähigkeit zu den Fälligkeitsterminen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen 1996 und 1997, also weit vor Eröffnung des [X.], ermittelt hatte. Es wäre vielmehr Aufgabe des nach § 90 [X.] insoweit zur Mitwirkung verpflichteten [X.] gewesen, substantiierte Einwände, wie im Rahmen der Revisionsbegründung angedeutet, spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren vorzubringen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2000 [X.]/99, [X.] 2000, 1322). Die Folgen der mangelnden Mitwirkung hat der Kläger zu tragen.

Meta

VII S 1/11

22.06.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

§ 34 AO, § 69 AO, § 191 AO, § 170 AO, § 171 AO, § 16 Abs 1 UStG 1993, § 16 Abs 2 UStG 1993, § 33 Abs 1 AO, § 118 Abs 2 FGO, § 13 UStG 1993

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.06.2011, Az. VII S 1/11 (REWIS RS 2011, 5563)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5563

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