Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.04.2022, Az. I ZR 84/20

1. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6713

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Gegenstand

Urheberrechtliche Vergütung: Indizielle Wirkung gesamtvertraglicher Vereinbarungen gegenüber Außenseitern


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 16. April 2020 wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert für die Revision wird auf 22.316,02 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist ein Zusammenschluss [X.] Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 [X.] in der vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2018 geltenden Fassung (aF) für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Die [X.] und die VG [X.] haben ihre Vergütungsansprüche nach §§ 54 ff. [X.] wegen der Vervielfältigung von stehendem Text und Bild, also Text- und/oder Bildwerken, die nicht Bestandteil von Audiowerken oder audiovisuellen Werken sind, an die Klägerin abgetreten.

2

Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 2. September 2009 gegründet und am 12. November 2009 in das Handelsregister eingetragen. Sie vertreibt im [X.] Produkte der Unterhaltungselektronik, darunter auch [X.]s.

3

Die Klägerin macht gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens von [X.]s in der [X.] vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 Ansprüche auf Auskunft und Zahlung der Vergütung nach §§ 54, 54a [X.] aF geltend.

4

Die Klägerin sowie die [X.] und die [X.] haben für die [X.] vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 mit dem [X.] und neue Medien e.V. ([X.]), mit dem [X.] [X.], dem [X.] und dem [X.] geschlossen, die für [X.]s eine Vergütung von 0,10 € (vor Abzug eines [X.]) zuzüglich 7% Umsatzsteuer pro Exemplar vorsehen. Die Beklagte ist keinem dieser Gesamtverträge beigetreten.

5

Nach Auskunft der [X.] hat sie im November/Dezember 2009 5.986 [X.]s importiert und im Inland in Verkehr gebracht. Hierfür hat die Klägerin am 5. Dezember 2012 einen Betrag von 0,10 € pro Exemplar, insgesamt 640,51 € (598,60 € zuzüglich Umsatzsteuer), in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat diesen Betrag nicht bezahlt.

6

Auf Mahnung der Klägerin hat die Beklagte für die [X.] und 2011 Teilauskünfte dahingehend erteilt, dass sie in den Monaten Januar, März, Juni, Juli, August, September, Oktober und Dezember 2010 insgesamt 129.914 [X.]s importiert und in Verkehr gebracht habe sowie im Januar, März, April, Mai, Juni und Juli 2011 insgesamt 25.932 Exemplare. Die Klägerin hat hierfür am 5. Dezember 2012 Beträge von [X.] und 2.774,72 €, jeweils inklusive Umsatzsteuer, in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat eine Zahlung abgelehnt.

7

[X.] hat die Klägerin wegen der Vergütungspflicht der von der [X.] in Verkehr gebrachten [X.]s ein Schiedsstellenverfahren eingeleitet. Nach dem Einigungsvorschlag vom 12. Mai 2016, gegen den beide Parteien fristgerecht Widerspruch eingelegt haben, fallen für jeden im Inland in Verkehr gebrachten [X.] 0,10 € zuzüglich 7% Umsatzsteuer an.

8

Das [X.] hat die Beklagte dem Antrag der Klägerin gemäß zur Zahlung von 17.316,02 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 10. Dezember 2012 sowie zur Auskunft über die Stückzahl der im Februar, April, Mai und November 2010 sowie im Februar, August, September, Oktober, November und Dezember 2011 veräußerten oder in Verkehr gebrachten [X.]s sowie im Falle des Bezugs im Inland als Händler zur Benennung der Bezugsquelle verurteilt.

9

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der [X.] hat die Beklagte mit Beschluss vom 4. November 2021 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Revision der [X.] gemäß § 552a Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

II. Die zugelassene Revision der [X.] ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht mehr vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.

1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die sich dem [X.] im vorliegenden Fall gestellt hat, ist durch die Rechtsprechung des [X.]s zwischenzeitlich geklärt.

a) Das [X.] hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob und inwieweit gesamtvertragliche Regelungen zwischen der Klägerin und [X.] Indizwirkung für die Angemessenheit der dort vereinbarten Vergütungssätze im Sinne des § 54a [X.] aF auch gegenüber Außenseitern entfalten.

b) Die vom [X.] als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des [X.]s geklärt.

Die Festsetzung einer Vergütung in einem Gesamtvertrag kann einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit dieser Vergütung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 20. März 2013 - [X.], [X.], 1220 Rn. 20 = [X.], 1627 - Gesamtvertrag [X.]; Urteil vom 16. März 2017 - [X.], [X.], 694 Rn. 58 = [X.], 826 - Gesamtvertrag [X.]; Urteil vom 10. September 2020 - [X.], [X.], 604 Rn. 20 bis 22 = [X.], 644 - [X.]). Damit ist geklärt, dass die indizielle Wirkung von [X.] auch gegenüber Vergütungsschuldnern eingreifen kann, die durch den Gesamtvertrag nicht berechtigt und verpflichtet werden ([X.], [X.], 604 Rn. 22 - [X.]). Die Annahme der indiziellen Wirkung vereinbarter Gesamtverträge knüpft an den Umstand an, dass ein im Wege privatautonomer Verhandlungen zwischen sachkundigen Verhandlungspartnern erzieltes Vertragsergebnis ein angemessenes Abbild des den [X.] durch die in § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF genannten Nutzungen tatsächlich entstehenden Schadens darstellt (vgl. [X.], [X.], 604 Rn. 22 - [X.]). Dies gilt auch mit Blick auf Vergütungsschuldner, die durch den Gesamtvertrag nicht berechtigt oder verpflichtet werden.

c) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen daher zwar im [X.]punkt der Entscheidung des [X.]s vor, sind jedoch aufgrund der "[X.]"-Entscheidung des [X.]s vom 10. September 2020 zwischenzeitlich entfallen. Dieser Fall wird vom Regelungsbereich des § 552a ZPO erfasst. Maßgeblich für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der [X.]punkt der Entscheidung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.], 448 [juris Rn. 7] = WRP 2005, 508 - SIM-Lock II).

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Soweit sich die Revision gegen den Ausspruch der Vergütungspflicht der [X.] für die von ihr in Verkehr gebrachten [X.]s nach §§ 54 ff. [X.] aF dem Grunde nach sowie gegen die Verurteilung zur Auskunft wendet, ist sie unzulässig, weil das [X.] die Revision nur beschränkt auf die Höhe des Vergütungsanspruchs zugelassen hat.

Zwar enthält der Entscheidungssatz des angegriffenen Urteils keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des [X.] ist jedoch anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des [X.] erheblich sein kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 7. März 2019 - [X.], [X.], 522 Rn. 9 = [X.], 749 - [X.]; Beschluss vom 25. Juni 2019 - [X.]/18 juris Rn. 3, jeweils mwN).

Der [X.] hält an seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung, dass ein solcher Fall hier vorliegt, auch mit Blick auf die Darlegungen der [X.] in ihrer Stellungnahme vom 19. Januar 2022 fest. Die vom [X.] in den Entscheidungsgründen als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob und inwieweit gesamtvertragliche Regelungen zwischen der Klägerin und [X.] Indizwirkung für die Angemessenheit der dort vereinbarten Vergütungssätze auch gegenüber Außenseitern entfalten, betrifft allein die Höhe der im Streitfall geltend gemachten Vergütungsansprüche gemäß §§ 54 ff. [X.] aF. Damit ist über den Vergütungsanspruch dem Grunde nach und über den Auskunftsanspruch rechtskräftig entschieden, so dass die Revision ohne Erfolg geltend macht, § 54 Abs. 1 [X.] aF sei wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unanwendbar.

b) Soweit sich die Revision gegen die vom [X.] zugesprochene Vergütungshöhe wendet, ist sie unbegründet.

aa) Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 [X.] aF ist maßgebend für die Vergütungshöhe, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF genutzt werden. Dabei ist nach § 54a Abs. 1 Satz 2 [X.] aF zu berücksichtigen, inwieweit technische Schutzmaßnahmen nach § 95a [X.] aF auf die betreffenden Werke angewendet werden. Nach § 54a Abs. 4 [X.] aF darf die Vergütung Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen.

bb) Das [X.] hat zur Bemessung der angemessenen Vergütung maßgeblich auf die von der Klägerin und der [X.] sowie der VG [X.] mit dem [X.] und neue Medien e.V. ([X.]) und weiteren [X.] abgeschlossenen Gesamtverträge über die Vergütungspflicht für [X.]s für die [X.] und 2011 abgestellt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Festsetzung einer Vergütung in einem Gesamtvertrag kann einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit dieser Vergütung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind (vgl. [X.], [X.], 1220 Rn. 20 - Gesamtvertrag [X.]; [X.], 694 Rn. 58 - Gesamtvertrag [X.]; [X.], 604 Rn. 20 bis 22 - [X.]). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

(1) Die vom [X.] indiziell herangezogenen Gesamtverträge betreffen zeitlich und gegenständlich die auch im Streitfall betroffenen Produkte. Sie stellen daher vergleichbare Regelungen dar.

(2) Das [X.] hat eine Indizwirkung dieser Gesamtverträge mit Blick darauf zutreffend bejaht, dass sie unter Beteiligung einer der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits - der Klägerin - abgeschlossen worden sind. Es ist - entgegen der Ansicht der Revision - unschädlich, dass die Beklagte an diesen Vertragsschlüssen nicht beteiligt ist.

(3) Soweit sich die Revision gegen die Würdigung der Untersuchung von [X.] durch das [X.] wendet, ist dies nicht entscheidungserheblich. Der vom [X.] für angemessen erachtete Vergütungssatz beruht maßgeblich auf der Indizwirkung der vorgenannten Gesamtverträge.

(4) Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das [X.] Vortrag der [X.] übergangen hat, der in tatsächlicher Hinsicht der vom [X.] angenommenen Indizwirkung entgegenstünde.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

        

Feddersen     

        

Schmaltz

        

Odörfer     

        

Wille     

        

Meta

I ZR 84/20

07.04.2022

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 4. November 2021, Az: I ZR 84/20, Beschluss

§ 53 Abs 1 UrhG vom 26.10.2007, § 53 Abs 2 UrhG vom 26.10.2007, § 53 Abs 3 UrhG vom 26.10.2007, § 54 UrhG vom 26.10.2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.04.2022, Az. I ZR 84/20 (REWIS RS 2022, 6713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6713

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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