Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2017, Az. I ZR 106/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13950

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Gegenstand

Urheberrechtsabgabe: Wirksamkeit einer rückwirkenden Festlegung von Vergütungstarifen für Speicherkarten durch Verwertungsgesellschaften; Vergütungsanspruch kraft Gesetzes


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 7. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss [X.] Verwertungsgesellschaften, der ihre Gesellschafter das Inkasso der von ihnen wahrgenommenen Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten auf Zahlung einer Vergütung für Vervielfältigungen nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.] übertragen haben. Die Beklagte hat im [X.]raum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 insgesamt 3.448.172 Speicherkarten hergestellt und importiert und in [X.] veräußert oder in Verkehr gebracht.

2

Die Klägerin sowie die [X.] Wort und [X.] haben in den Jahren 2008 und 2009 mit dem [X.] (IM), dem [X.] ([X.]) und dem [X.] (BWL) Verhandlungen über den Abschluss eines Gesamtvertrages für [X.]s und Speicherkarten geführt. An diesen Gesprächen war auf Seiten des IM die Beklagte als dessen verhandlungsführende Gesellschafterin unmittelbar beteiligt. Da sich die Verhandlungspartner nicht über den Beginn einer gesamtvertraglich zu regelnden Vergütungspflicht einigen konnten, ist in der Folge kein Gesamtvertrag für den [X.]raum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 zustande gekommen. Allerdings haben die Klägerin, die [X.] und die [X.] zum einen mit dem IM und zum anderen mit dem [X.], dem BWL sowie dem [X.] (Vere) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 [X.] geschlossen. Darin ist jeweils ein Vergütungssatz (vor Abzug eines [X.]) von 0,10 € zuzüglich 7% Umsatzsteuer für jeden [X.] und jede Speicherkarte vereinbart worden, die während der Geltung des Vertrages veräußert oder in Verkehr gebracht werden. Die Beklagte ist dem mit dem IM geschlossenen Gesamtvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2010 beigetreten.

3

Auf Grundlage dieser [X.] haben die Klägerin, die [X.] und die [X.] am 20. April 2010 einen gemeinsamen Tarif über Vergütungen für [X.]s und Speicherkarten für die [X.] ab dem 1. Januar 2008 aufgestellt, der am 27. April 2010 veröffentlicht worden ist. Der tarifliche Vergütungssatz beträgt für jeden [X.] und jede Speicherkarte, die in [X.] veräußert oder in Verkehr gebracht werden, 0,10 € zuzüglich 7% Umsatzsteuer.

4

Die Klägerin hat die Beklagte - nach Durchführung des in § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehenen Verfahrens vor der Schiedsstelle ([X.] vom 9. Januar 2013 - [X.] 49/11) - auf Zahlung von 368.954,41 € (3.448.172 Speicherkarten x 0,10 € pro Speicherkarte, zuzüglich 7% Umsatzsteuer) nebst Zinsen in Anspruch genommen.

5

Das [X.] ([X.], [X.], 1 = ZUM 2016, 453) hat der Klage stattgegeben.

6

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

A. Das [X.] hat angenommen, die Klägerin könne von der [X.] auf der Grundlage des [X.] der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010, der rückwirkend für die [X.] und 2009 eine Vergütung nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1, § 54a [X.] von 0,10 € pro Speicherkarte und [X.] vorsehe, den geltend gemachten Betrag von 368.954,41 € verlangen. Dazu hat es ausgeführt:

8

Die Klägerin könne ihren Vergütungsanspruch auf den Gemeinsamen Tarif der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010 stützen. Die [X.] könne dem nicht entgegenhalten, dieser Tarif hätte ohne Durchführung einer empirischen Untersuchung durch die [X.] nicht aufgestellt werden dürfen. Ebenso wenig könne sich die [X.] darauf berufen, der Vergütungsansprüche für die Vergangenheit begründende Tarif sei rechtswidrig, weil er der [X.] die Möglichkeit versage, die Vergütung auf den Einzelhandel oder den Endverbraucher als den eigentlichen Nutzer abzuwälzen. Davon abgesehen folge der Anspruch der Klägerin bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.].

9

Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch sei auch der Höhe nach begründet. Die Höhe der Klageforderung folge - unter Zugrundelegung der seitens der [X.] erteilten Auskünfte für 2008 und 2009 - aus der Anwendung des ab 1. Januar 2008 geltenden [X.] der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010, der eine Vergütung von 0,10 € pro Speicherkarte vorsehe. Dieselbe Vergütung ergäbe sich, wenn die Klägerin nicht auf ihren Tarif verweisen könnte, sondern auf die gesetzliche Regelung in § 54a [X.] zurückgreifen müsste.

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.] hat keinen Erfolg.

I. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin von der [X.] dem Grunde nach gemäß § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.] die Zahlung einer angemessenen Vergütung verlangen kann.

1. Die Vergütungspflicht für Vervielfältigungsgeräte und Speichermedien ist durch das am 1. Januar 2008 in [X.] getretene Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 ([X.] I, [X.]) neu geregelt worden (§§ 54 ff. [X.]). Diese Regelungen sind auf ab dem 1. Januar 2008 veräußerte oder in Verkehr gebrachte Geräte und Speichermedien (vgl. § 54f Abs. 1 Satz 1 [X.]) anwendbar. Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes nach § 54 Abs. 1 [X.] gegen den Hersteller und nach § 54b Abs. 1 [X.] gegen den Importeur und den Händler von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung.

2. Die Klägerin ist als Inkassogesellschaft der gemäß § 54h Abs. 1 [X.] wahrnehmungsberechtigten Verwertungsgesellschaften berechtigt, den mit der Klage erhobenen Anspruch auf Zahlung der Vergütung gegen die [X.] als Herstellerin und Importeurin von Speichermedien geltend zu machen (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 2011 - [X.], [X.], 705 Rn. 19 = [X.], 954 - [X.] als Bild- und [X.]; vgl. auch § 3 [X.]).

3. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, bei den von der [X.] in den Jahren 2008 und 2009 hergestellten und importierten Speicherkarten handele es sich um Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 Abs. 1 bis 3 [X.]) benutzt werde.

4. Das [X.] hat weiter angenommen, die Klägerin könne ihren Vergütungsanspruch auf den Gemeinsamen Tarif der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010 stützen. Die [X.] könne dem nicht entgegenhalten, dieser Tarif hätte ohne Durchführung einer empirischen Untersuchung durch die [X.] nicht aufgestellt werden dürfen. Ebenso wenig könne sich die [X.] darauf berufen, der Vergütungsansprüche für die Vergangenheit begründende Tarif sei rechtswidrig, weil er der [X.] die Möglichkeit versage, die Vergütung auf den Einzelhandel oder den Endverbraucher als den eigentlichen Nutzer abzuwälzen. Mit dieser Begründung kann ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht bejaht werden.

Entgegen der Ansicht des [X.]s kann die Klägerin ihren Vergütungsanspruch nicht auf den Gemeinsamen Tarif der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010 stützen. Dem steht bereits entgegen, dass es sich bei dem Tarif einer Verwertungsgesellschaft um ein einseitiges Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags handelt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 2013 - [X.], [X.], 1037 Rn. 23 = [X.], 1357 - Weitergeltung als Tarif, mwN). Daher kommt nur bei einer Annahme dieses Angebots durch den Erklärungsempfänger ein entsprechender Vertrag zustande, der Grundlage eines Anspruchs der Verwertungsgesellschaft sein kann.

Ein solcher Anspruch kommt hier nicht in Betracht, da die [X.] das in dem Tarif liegende Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags nicht angenommen hat. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Tarif aus anderen Gründen für die [X.] bindend ist. Das [X.] hat offengelassen, ob sich die am Aufstellen des [X.] vom 20. April 2010 beteiligten Verwertungsgesellschaften und Verbände in einer die [X.] bindenden Weise - wie von der Klägerin behauptet - darauf verständigt haben, die Vergütungshöhe von 0,10 € pro Speicherkarte nicht nur zum Gegenstand der mit Wirkung zum 1. Januar 2010 in [X.] getretenen Gesamtverträge zu machen, sondern auch für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 außer Streit zu stellen. Mangels entsprechender Feststellungen des [X.]s ist für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz daher zugunsten der [X.] zu unterstellen, dass der Tarif sie nicht bindet.

Es kommt daher nicht darauf an, ob der Gemeinsame Tarif der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010 - wie die Revision geltend macht - unwirksam ist, weil ihm keine empirischen Untersuchungen der [X.] zugrunde liegen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.] Rn. 76 bis 80 - externe Festplatten).

5. Das [X.] hat weiter angenommen, der Anspruch der Klägerin ergebe sich dem Grunde nach bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.]. [X.] allein davon abhängig, dass Geräte und Speichermedien, von denen zu erwarten sei, dass sie zur Vornahme von unter § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] fallenden Vervielfältigungshandlungen verwendet würden, im Inland veräußert oder in Verkehr gebracht würden. Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung stand.

a) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, seit dem 1. Januar 2008 folge ein Vergütungsanspruch nicht bereits allein aus der gesetzlichen Regelung, sondern setze außerdem voraus, dass die Vergütung aufgrund eines Gesamtvertrags oder eines [X.] feststehe, der zwingend die Durchführung eines [X.]nverfahrens und die Erhebung empirischer Untersuchungen voraussetze.

aa) Nach Art. 7 [X.] ist mit Wirkung zum 1. Juni 2016 das Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften - Verwertungsgesellschaftengesetz ([X.]) an die Stelle des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten - Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ([X.]) getreten. Auf Verfahren, die am 1. Juni 2016 bei der [X.] anhängig sind, sind nach § 139 Abs. 1 [X.] nicht die §§ 92 bis 127 [X.], sondern die §§ 14 bis 15 [X.] und die Urheberrechtsschiedsstellenverordnung, jeweils in der bis zum 31. Mai 2016 geltenden Fassung, weiter anzuwenden. Auf das dem vorliegenden Rechtsstreit vorausgegangene und durch den Einigungsvorschlag vom 9. Januar 2013 abgeschlossene Verfahren vor der [X.] waren danach die §§ 14 bis 15 [X.] anwendbar.

bb) Die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien besteht auch nach neuem Recht kraft Gesetzes (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.]) und wird nicht erst durch das Aufstellen eines [X.] oder den Abschluss eines [X.] begründet. Desgleichen ergibt sich die Höhe dieser Vergütung auch nach neuem Recht aus dem Gesetz (§ 54a [X.]; vgl. § 13a Abs. 1 Satz 1 [X.], § 40 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und wird nicht erst durch von Verwertungsgesellschaften aufgestellte Tarife oder die als Tarife geltenden Vergütungssätze in [X.] bestimmt.

(1) Der Tarif einer Verwertungsgesellschaft weist die Vergütung aus, die die Verwertungsgesellschaft auf Grund der von ihr wahrgenommenen Rechte fordert (§ 13 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 38 Satz 1 [X.]). Tarife sind als bloße Angebote zum Abschluss eines Nutzungsvertrages unverbindlich. Die Angemessenheit eines von einer Verwertungsgesellschaft einseitig aufgestellten [X.] ist durch die ordentlichen Gerichte nachprüfbar (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 1973 - [X.], [X.], 35, 37 f. - Musikautomat; Urteil vom 19. Mai 1983 - [X.], [X.]Z 87, 281, 284 - Tarifüberprüfung I; [X.], [X.], 1037 Rn. 23 - Weitergeltung als Tarif). Soweit Hersteller, Importeure und Händler das in dem Tarif einer Verwertungsgesellschaft liegende Vertragsangebot nicht angenommen haben, ergibt sich ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar aus dem Gesetz. Gleiches gilt, wenn die Verwertungsgesellschaft keinen Tarif aufgestellt hat. Selbst wenn die Verwertungsgesellschaft damit gegen ihre Verpflichtung zur Aufstellung von Tarifen (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 13a [X.], § 38 Satz 1, § 40 [X.]) verstoßen hat, führt dies nicht dazu, dass sie daran gehindert ist, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte eine Vergütung zu fordern (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2011 - [X.], [X.], 715 Rn. 19 = [X.], 950 - [X.] Weihnachtsmarkt). Die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung und die Höhe der Vergütung ergeben sich auch dann unmittelbar aus dem Gesetz.

(2) Entsprechendes gilt für die in [X.] vereinbarten Vergütungssätze, soweit diese als Tarife gelten. Die in [X.] (vgl. § 12 [X.], § 35 [X.]) von den Verwertungsgesellschaften mit [X.]en vereinbarten Vergütungssätze haben eine Doppelnatur. Sie sind zwar im Verhältnis der Vertragspartner des [X.] zueinander als vereinbarte Vergütungssätze bindend; die Gesamtvertragspartner können ihre Angemessenheit daher grundsätzlich nicht mit Erfolg in Frage stellen ([X.]Z 87, 281, 284 f. - Tarifüberprüfung I; [X.], Urteil vom 15. Juni 2000 - I ZR 231/97, [X.], 872, 873 - [X.]nanrufung; [X.], [X.], 1037 Rn. 24 - Weitergeltung als Tarif). Im Verhältnis der Verwertungsgesellschaft zu Mitgliedern der [X.], die sich dem Gesamtvertrag nicht unterworfen haben, sind die Vergütungssätze dagegen als bloße Angebote zum Abschluss eines Nutzungsvertrages unverbindlich; solche Mitglieder der [X.] können ihre Angemessenheit bestreiten und versuchen, einen individuellen Nutzungsvertrag durchzusetzen. Im Verhältnis zu ihnen gelten die in [X.] vereinbarten Vergütungssätze nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 38 Satz 2 [X.] als Tarife, deren Angemessenheit - ebenso wie die Angemessenheit einseitig aufgestellter Vergütungssätze - gerichtlich nachprüfbar ist ([X.], [X.], 1037 Rn. 25 - Weitergeltung als Tarif). Die Verpflichtung der nicht durch den Gesamtvertrag gebundenen Mitglieder der [X.] zur Zahlung einer Vergütung ergibt sich ebenso wie die Höhe dieser Vergütung unmittelbar aus dem Gesetz.

cc) Die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.]) besteht auch in den Fällen bereits kraft Gesetzes und nicht erst nach Aufstellung und Veröffentlichung eines entsprechenden [X.], in denen die Verwertungsgesellschaft einen solchen Tarif erst nach Vorliegen (§ 13a Abs. 1 Satz 3, § 14 Abs. 5a [X.]) oder nur auf Grundlage (§ 40 Abs. 1 Satz 2, § 93 [X.]) einer von der [X.] durchzuführenden empirischen Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 [X.] maßgeblichen Nutzung aufstellen darf.

(1) Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 [X.] hat die Verwertungsgesellschaft mit den Verbänden der betroffenen Hersteller vor Aufstellung der Tarife für Geräte und Speichermedien über die angemessene Vergütungshöhe und den Abschluss eines [X.] zu verhandeln. Scheitern die Gesamtvertragsverhandlungen, so können Verwertungsgesellschaften gemäß § 13a Abs. 1 Satz 3 [X.] in Abweichung von § 13 [X.] Tarife über die Vergütung nach § 54a [X.] erst nach Vorliegen der empirischen Untersuchungen gemäß § 14 Abs. 5a [X.] aufstellen. Gemäß § 14 Abs. 5a [X.] hat die [X.] in Verfahren über den Abschluss oder die Änderung eines [X.] (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c [X.]) die nach § 54a Abs. 1 [X.] maßgebliche Nutzung durch empirische Untersuchungen zu ermitteln. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 [X.] stellen die Verwertungsgesellschaften für die Vergütung nach § 54a [X.] Tarife auf Grundlage einer empirischen Untersuchung aus einem Verfahren gemäß § 93 [X.] auf. Nach § 93 [X.] können Verwertungsgesellschaften die [X.] anrufen, um eine selbständige empirische Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 des [X.] maßgeblichen Nutzung durchführen zu lassen.

(2) Auch in den Fällen, in denen die Verwertungsgesellschaft Tarife erst nach Vorliegen oder nur auf Grundlage einer empirischen Untersuchung aufstellen darf, entsteht die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung der Vergütung nicht erst, nachdem die Verwertungsgesellschaft den Tarif aufgestellt und veröffentlicht hat. Vielmehr besteht diese Verpflichtung unabhängig davon bereits kraft Gesetzes. Der Umstand, dass diese Tarife auf empirischen Untersuchungen beruhen, ändert nichts daran, dass es sich dabei nur um einseitige Angebote der Verwertungsgesellschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrages handelt.

b) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, die [X.] habe darauf vertrauen dürfen, nicht rückwirkend und jedenfalls nicht in der aus dem Tarif ersichtlichen Höhe in Anspruch genommen zu werden, weil es ihr bis zur Veröffentlichung des [X.] am 27. April 2010 nicht möglich gewesen sei, die Vergütung für 2008 und 2009 einzupreisen und weiterzugeben oder dafür Rückstellungen zu bilden.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] steht es den Mitgliedstaaten angesichts der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den den Rechtsinhabern entstandenen Nachteil zu vergüten, frei, mit der Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs auch diejenigen zu belasten, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen zur Verfügung stellen. Das Interesse der Hersteller, Importeure und Händler, nicht anstelle der Nutzer als eigentlichen Schuldnern des gerechten Ausgleichs mit einer Abgabe zugunsten der Rechtsinhaber belastet zu werden, ist innerhalb eines solchen Systems regelmäßig dadurch gewahrt, dass sie die für die Privatkopie zu entrichtende Abgabe in den Preis für die Überlassung der vergütungspflichtigen Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung einfließen lassen können ([X.], Urteil vom 21. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] = GRUR 2011, 50 Rn. 48 - Padawan/[X.]; Urteil vom 16. Juni 2011 - [X.]/09, [X.]. 2011, [X.] = GRUR 2011, 909 Rn. 23 und 29 - Stichting/Opus; Urteil vom 11. Juli 2013 - [X.]/11, [X.], 1025 Rn. 23 bis 25 = [X.], 1169 - [X.]/[X.]; Urteil vom 10. April 2014 - [X.]/12, [X.], 546 Rn. 52 = [X.], 682 - [X.]/Thuiskopie).

bb) Der Umstand, dass eine nachträgliche Weiterbelastung der Gerätevergütung durch Hersteller, Importeure oder Händler an den eigentlichen Vergütungsschuldner nicht mehr möglich sein mag, schließt eine rückwirkende Geltendmachung und Durchsetzung des Vergütungsanspruchs nicht aus. Mussten die Hersteller, Importeure oder Händler damit rechnen, dass die Geräte oder Speichermedien vergütungspflichtig sind, können sie sich grundsätzlich nicht mit Erfolg darauf berufen, eine nachträgliche Weiterbelastung der Gerätevergütung sei unmöglich ([X.], [X.], 705 Rn. 54 - [X.] als Bild- und [X.]; [X.], Urteil vom 3. Juli 2014, [X.], 984 Rn. 48 = [X.], 1203 - [X.] III; Urteil vom 21. Juli 2016 - [X.], [X.], 172 Rn. 91 = [X.], 206 - [X.]). Danach kann sich die [X.] nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei es bis zur Veröffentlichung des [X.] am 27. April 2010 nicht möglich gewesen, die Vergütung für 2008 und 2009 einzupreisen und weiterzugeben oder dafür Rückstellungen zu bilden.

(1) Die [X.] kann sich nicht darauf berufen, sie habe nicht gewusst oder nicht wissen können, dass es sich bei den von ihr im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 importierten und in [X.] veräußerten oder in Verkehr gebrachten Speicherkarten um vergütungspflichtige Speichermedien handelte. Diese Speicherkarten stellten zweifellos Speichermedien dar, deren Typ zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch benutzt wird. Der [X.] war aus den von der Klägerin sowie den Verwertungsgesellschaften [X.] und [X.] in den Jahren 2008 und 2009 mit dem [X.], dem [X.] und dem BWL geführten Verhandlungen über den Abschluss eines [X.] für [X.]s und Speicherkarten bekannt, dass die Verwertungsgesellschaften für Speicherkarten eine Vergütung fordern. Die [X.] war an diesen Gesprächen auf Seiten des [X.] als dessen verhandlungsführende Gesellschafterin unmittelbar beteiligt. Sie kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe angenommen, eine Vergütung werde erst nach Aufstellen eines [X.] durch die Verwertungsgesellschaften geschuldet. Ein dahingehender Rechtsirrtum konnte kein schutzwürdiges Vertrauen begründen.

(2) Die [X.] macht vergeblich geltend, sie habe die Höhe der für die Speicherkarten zu zahlenden Vergütung nicht kennen können. Die [X.] musste nach den Feststellungen des [X.]s damit rechnen, von der Klägerin auf Zahlung einer Vergütung in einer Größenordnung zwischen acht und zwölf Cent pro Speicherkarte in Anspruch genommen zu werden. Davon abgesehen waren der [X.] die gesetzlichen Kriterien des § 54a [X.] zur Ermittlung der Vergütungshöhe bekannt. Selbst bei Aufstellung eines [X.] hätte die Vergütungshöhe nicht verbindlich festgestanden, da die Angemessenheit eines [X.] von vergütungspflichtigen Unternehmen hätte bestritten werden können. Auch wenn für die hier in Rede stehenden Speicherkarten kein Tarif und kein nach § 27 Abs. 1 [X.] als Tarif weitergeltender Gesamtvertrag bestand, hätte sich die [X.] im Übrigen hinsichtlich der Höhe der Vergütung an den nach altem Recht in der Anlage zu § 54d Abs. 1 [X.] aF gesetzlich bestimmten Vergütungssätzen orientieren können. Danach betrug die Vergütung für jede Stunde Spieldauer bei üblicher Nutzung bei Tonträgern 0,0614 € und bei Bildträgern 0,0870 €. Die [X.] handelte, wie das [X.] mit Recht angenommen hat, auf eigenes Risiko, wenn sie die Gerätevergütung weder bei der Bemessung ihrer Preise berücksichtigte noch entsprechende Rückstellungen bildete, obwohl sie damit rechnen musste, auf Zahlung einer Gerätevergütung in Anspruch genommen zu werden ([X.], [X.], 705 Rn. 54 - [X.] als Bild- und [X.]).

II. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch auch der Höhe nach begründet ist.

1. Das [X.] hat angenommen, die Höhe der Klageforderung folge - unter Zugrundelegung der seitens der [X.] erteilten Auskünfte für 2008 und 2009 - bereits aus der Anwendung des ab 1. Januar 2008 geltenden [X.] der Klägerin, der [X.] und der [X.] vom 20. April 2010, der eine Vergütung von 0,10 € pro vergütungspflichtiger Speicherkarte vorsehe. Mit dieser Begründung kann die Höhe der Klageforderung nicht gerechtfertigt werden. Der Tarif ist für die [X.] nicht verbindlich (vgl. Rn. 15 bis 18).

2. Das [X.] hat angenommen, eine hiervon abweichende Beurteilung der Vergütungshöhe sei im Übrigen auch nicht veranlasst, wenn die Klägerin nicht auf ihren Tarif verweisen könnte, sondern auf die gesetzliche Regelung in § 54a [X.] zurückgreifen müsste. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision dringen nicht durch.

a) Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 [X.] ist maßgebend für die Vergütungshöhe, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] genutzt werden. Dabei ist nach § 54a Abs. 1 Satz 2 [X.] zu berücksichtigen, inwieweit technische Schutzmaßnahmen nach § 95a [X.] auf die betreffenden Werke angewendet werden. Nach § 54a Abs. 4 [X.] darf die Vergütung Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen.

b) Das [X.] hat angenommen, die Klägerin habe nach § 54a Abs. 1 [X.] auf der Grundlage des Ergebnisses der von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchungen der [X.] zum Nutzerverhalten in den Jahren 2010 und 2011 in Bezug auf vergütungspflichtige Vervielfältigungshandlungen mit Hilfe von Speicherkarten und [X.]s zutreffend eine Vergütung in Höhe von 5 € ermittelt. Auch unter Berücksichtigung einer nach Maßgabe von § 54a Abs. 4 [X.] veranlassten Korrektur sei die von der Klägerin geforderte Vergütung in Höhe von 0,10 € pro vergütungspflichtigem Speichermedium nicht zu beanstanden, da sie sich auf weniger als 1% der maßgeblichen Endverbraucherpreise (14 € im [X.] und 12 € im Jahre 2009) belaufe.

c) Die Revision macht geltend, einer Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten [X.] zum Nutzerverhalten stehe entgegen, dass sich diese Studie nicht auf die hier in Rede stehenden [X.] und 2009, sondern auf das [X.] beziehe. Das [X.] habe verkannt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Speicherkarten um ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des [X.] am 1. Januar 2008 noch vergleichsweise junges Medium gehandelt habe, das zuvor keiner Vergütungspflicht unterlegen habe. Aus diesem Grund könne mangels gegenteiliger Feststellungen oder sonstiger konkreter Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass das nach § 54a [X.] für die Vergütungshöhe maßgebliche Maß der Nutzung der Speichermedien bereits in den Jahren 2008 und 2009 demjenigen entsprochen habe, das in der von der Klägerin vorgelegten Studie für das [X.] ermittelt worden sei.

d) Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Das [X.] hat den Einwand der [X.], die Studie der [X.] könne für die Ermittlung der Höhe der Vergütung nicht herangezogen werden, weil sie nicht die hier in Rede stehenden [X.] und 2009, sondern das [X.] betreffe, berücksichtigt. Es hat diesen Einwand nicht für durchgreifend erachtet, weil nach dem Vorbringen der [X.] keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sich das Nutzerverhalten in den Jahren 2008 und 2009 in einer Weise vom Nutzerverhalten im [X.] unterschieden habe, dass die nach dem Maß der tatsächlichen Nutzung (§ 54a Abs. 1 [X.]) und unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze (§ 54a Abs. 4 [X.]) zu ermittelnde Vergütung geringer sei als die von der Klägerin geforderte Vergütung in Höhe von 0,10 € pro Speichermedium. Die Revision zeigt keinen vom [X.] übergangenen Vortrag der [X.] auf, aus dem sich solche Anhaltspunkte ergeben. Allein der Umstand, dass es sich bei den streitgegenständlichen Speicherkarten um ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des [X.] am 1. Januar 2008 noch vergleichsweise junges Medium gehandelt haben mag, bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt.

III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.

C. Danach ist die Revision gegen das Urteil des [X.]s auf Kosten der [X.] (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Büscher     

       

Schaffert     

       

Koch   

       

Schwonke     

       

Feddersen     

       

Meta

I ZR 106/15

16.03.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 7. Mai 2015, Az: 6 Sch 12/13 WG, Urteil

§ 13 UrhWahrnG, § 13a UrhWahrnG, § 14 UrhWahrnG, § 15 UrhWahrnG, § 16 UrhWahrnG, § 53 Abs 1 UrhG, § 53 Abs 2 UrhG, § 53 Abs 3 UrhG, § 54 Abs 1 UrhG, § 54a Abs 1 UrhG, § 54b Abs 1 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2017, Az. I ZR 106/15 (REWIS RS 2017, 13950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13950

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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