Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. XII ZB 674/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7484

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

28. Juli 2015

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 1896; FamFG § 303 Abs. 4
a)
Der Betreuer kann eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese [X.] als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist (Abgrenzung zu den Senatsbeschlüssen vom 13.
November
2013

XII
ZB
339/13

FamRZ 2014, 192 und vom 1.
August
2012

XII
ZB
438/11

FamRZ
2012, 1631).
b)
Dieser Aufgabenkreis darf einem Betreuer nur dann übertragen werden, wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen.
c)
Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 15.
April
2015

XII
ZB
330/14

FamRZ 2015, 1015 und vom 5.
November
2014

XII
ZB
117/14

FamRZ 2015, 249).

BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 -
XII [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 28.
Juli
2015
durch den Vorsitzenden
[X.] Dose, die [X.]in Weber-Monecke
und die [X.] Schilling,
Dr. Günter
und
Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 9.
Zivilkammer des [X.] vom 13.
November
2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre
Beschwerde verworfen
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbe-schwerde, an das [X.] zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe:
I.
Die 84jährige Betroffene leidet an einer Demenz nach hirnorganischer Veränderung durch einen Hirninfarkt, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Um ihre Belange kümmerte sich zunächst der Beteiligte zu 3 (im Folgenden: Bevollmächtigter), bis die Betroffene im Laufe des Jahres 2010 den Verdacht schöpfte, von ihm hintergangen zu werden. [X.]
-
3
-
wa
im
März
oder im April 2010 widerrief die Betroffene eine ihm erteilte [X.].
Am 10.
November
2010 bestellte das [X.] (im [X.]: erster Betreuer) als ehrenamtlichen Betreuer für die [X.] der Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten und Vertretung bei [X.] und Ämtern.
Mit Anwaltsschreiben vom 10. Februar 2012 zeigte der Bevollmächtigte an, dass die Betroffene ihm, ersatzweise [X.], bereits am 19. Juli 2004 [X.] Vorsorgevollmacht erteilt hatte. In derselben Urkunde ist für den Fall der trotz Vorsorgevollmacht notwendigen Einrichtung einer Betreuung der Bevoll-mächtigte, hilfsweise die Ersatzbevollmächtigte, als Betreuer vorgeschlagen.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 und vom 1. März 2012 widerrief [X.] der erste Betreuer die dem Bevollmächtigten erteilte Vorsorgevollmacht. In der Folgezeit äußerte die Betroffene gegenüber der Betreuungsbehörde den Wunsch, dass die Vollmacht Bestand haben solle.
Mit Beschluss vom 16. Januar 2013
bestellte das Amtsgericht den Betei-ligten zu 2 (im Folgenden: jetziger [X.]) als Berufsbetreuer für die
[X.] Vermögensangelegenheiten und Vertretung bei Behörden und Gerichten und Sozialversicherungsträgern sowie den Bevollmächtigten als Betreuer für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge einschließlich Zustim-mung zu unterbringungsähnlichen Maßnahmen. Mit weiterem Beschluss vom 24. Januar 2014 hat das Amtsgericht die Betreuung durch den
Bevollmächtig-ten aufgehoben und die [X.] des jetzigen [X.]s um den Punkt "Widerruf der durch den Notar [...] beurkundeten Vorsorgevollmacht betreffend die [X.] Vermögensangelegenheiten und Vertretung vor Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern"
erweitert. Der Beschluss 2
3
4
5
-
4
-
wurde dem jetzigen [X.] am 10.
Februar
2014 zugestellt. Mit Schreiben vom darauffolgenden Tag widerrief dieser die Vorsorgevollmacht gegenüber dem Bevollmächtigten in Bezug auf die vorgenannten [X.].
Gegen den Beschluss vom 24.
Januar
2014 hat die Betroffene, vertreten durch den
Bevollmächtigten,
Beschwerde
mit dem Ziel der Aufhebung der Be-treuung, zumindest aber einer Auswechslung des Betreuers,
eingelegt, die
das [X.] verworfen
hat. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer

ebenfalls vom Bevollmächtigten
in ihrem Namen eingelegten

Rechtsbe-schwerde.

II.
1. Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1
und 2
FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Betroffe-ne wirksam durch den Bevollmächtigten gemäß § 303 Abs. 4 FamFG, der auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde anzuwenden ist ([X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 61), vertreten. Nach dieser Vorschrift kann der [X.] gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis [X.], auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
Die
Vertretungs-macht ist
nicht durch einen Widerruf der Vorsorgevollmacht entfallen.

a) Einen möglicherweise im [X.] erklärten Widerruf der [X.] durch die Betroffene
selbst hat das [X.] nicht festgestellt.
So-weit das Amtsgericht auf eine Mitteilung des ersten Betreuers über einen [X.]widerruf Bezug nimmt, berichtet er hierin nur von dem Widerruf einer 6
7
8
-
5
-
Bankvollmacht. In diesem liegt aber nicht auch der Entzug der Vorsorgevoll-macht.
b) Zutreffend ist weiterhin bereits das Amtsgericht davon ausgegangen,
dass die Vollmacht auch nicht durch den ersten Betreuer wirksam widerrufen worden war.
[X.])
Diesem waren zwar die [X.] Gesundheitsfürsorge, Ver-mögensangelegenheiten und Vertretung bei Behörden und Ämtern zugewiesen worden. Das schloss jedoch
die Befugnis zum Widerruf einer Vorsorgevoll-macht
bzw. des zugrundeliegenden Auftragsverhältnisses

auch beschränkt auf die
[X.] des Betreuers

nicht ein. Diese Befugnis beinhaltet ei-nen schwerwiegenden Grundrechtseingriff und muss deswegen dem Betreuer als eigener Aufgabenkreis zugewiesen werden.
(1) Der ([X.], der den Widerruf erklärt, trifft
seine Entschei-dung in öffentlicher Funktion aufgrund eines ihm st[X.]tlich übertragenen
Amtes. Bereits die Zuweisung
des [X.]s des [X.] stellt damit letztlich einen gewichtigen st[X.]tlichen Eingriff in das von Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
1 Abs. 1 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen dar, des-sen Ausfluss die erteilten Vorsorgevollmachten sind, weshalb sich der Eingriff am Grundrechtsschutz messen lassen muss ([X.] FamRZ 2008, 2260, 2261
f.; vgl. [X.], 337 = [X.], 1366, Rn
27
ff.; kritisch [X.] FamRZ
2013, 913, 916).
(a) Der Grundrechtseingriff ist besonders weitreichend, weil die [X.] nach Ausübung der Befugnis irreversibel sind.
([X.]) Nach zutreffender
Auffassung führt der Widerruf durch den
mit die-sem Aufgabenkreis betrauten Betreuer zum Erlöschen der Vollmacht, ohne 9
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11
12
13
-
6
-
dass dies rückgängig gemacht werden könnte
(vgl. [X.] 2009, 110; OLG Frankfurt [X.] 2009, 67, 68). Das ergibt sich aus
der Rechtsstellung des Betreuers, der
im Außenverhältnis
als gesetzlicher Vertreter im Rahmen der zugewiesenen [X.] die Rechte des Betroffenen wie dieser [X.] kann. Der
Betreuer
kann daher die Vorsorgevollmacht nach § 168 Satz
2 BGB widerrufen, sofern sich nicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsver-hältnis ein anderes ergibt. Da dieses Rechtsverhältnis in der Regel ein [X.] ist, das
für den Betroffenen
selbst frei widerrufbar ist (§
671 Abs.
1 Alt.
1 BGB), ergibt sich hieraus nichts anderes. Das Erfordernis eines wichtigen Grundes oder anderer Widerrufsbeschränkungen kann allenfalls durch den Betroffenen bei Erteilung der Vollmacht bzw.
durch besondere [X.] im
zugrundeliegenden Rechtsverhältnis begründet werden ([X.], 1589, 1593
ff.).
Die weitergehende Auffassung, wonach
der [X.] durch den Betreuer unter der materiellen Voraussetzung des Vorliegens eines wichtigen Grundes stehe,
ohne dessen Vorliegen der [X.] die Grenzen seiner gesetzlichen
Vertretungsmacht überschreite und der Widerruf dann von vornherein unwirksam sei ([X.] Festschrift [X.] 2005 S. 1043, 1050 f.),
findet im Gesetz keine Stütze.
(bb) Der in der Literatur vertretenen Auffassung, auf den Widerruf von Vorsorgevollmachten sei die Vorschrift des §
47 FamFG in [X.] Auslegung dann nicht anzuwenden, wenn auf die Beschwerde hin die [X.]bestellung oder jedenfalls der Aufgabenkreis des [X.] auf-gehoben werde, so dass mit der Aufhebung des Beschlusses der [X.] als nichtig anzusehen sei (so [X.]/[X.] FamFG §
303 Rn.
59; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
303 Rn.
12; [X.]/[X.] Be-treuungsrecht 4. Aufl.
§ 303 FamFG Rn. 173; [X.] FamRZ 2015, 251, 252), ist nicht zu folgen. § 47 FamFG schützt das Vertrauen im Rechtsverkehr auf den Bestand einer wirksam gewordenen Gerichtsentscheidung ([X.]/
14
-
7
-
Engelhardt FamFG 18.
Aufl. §
47 Rn.
1; [X.]/[X.] [Stand: 15.
April
2015] §
47 FamFG Rn.
9; MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
47 Rn.
1
f.). Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn in Bezug auf den [X.] Widerruf der Vorsorgevollmacht eine
Situation einträte, die
der schwe-benden Unwirksamkeit vergleichbar
wäre.
Zum anderen widerspräche
die einschränkende Auslegung
des §
47 FamFG dem Wortlaut der Norm. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm
findet aber dort ihre Grenze, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennba-ren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Ausle-gung einem nach Sinn und Wortlaut eindeutigen Gesetz einen entgegengesetz-ten Sinn beizulegen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen ([X.] NJW 2015, 1359 Rn. 132 mwN). Hinzu kommt, dass
dem Betroffenen auch nach Ausübung des Widerrufsrechts die Möglich-keit offensteht, nach § 62 FamFG die Verletzung seiner Rechte feststellen zu lassen.
(cc) Hat der Betreuer die Vollmacht einmal widerrufen, ist eine [X.] in der Regel nicht möglich. Ein Betreuer ist hierzu nicht befugt, denn die Erteilung einer Vorsorgevollmacht wäre
im Ergebnis die unzulässige Übertra-gung der [X.] auf eine dritte Person ([X.] Betreuungsrecht

5. Aufl. § 1902 BGB Rn. 22; [X.]/[X.] 6. Aufl.
§ 1902 Rn. 51).
Dem Betroffenen selbst wird in vielen Fällen die für eine Neuerteilung der [X.] erforderliche Geschäfts-
bzw. Handlungsfähigkeit fehlen.
(b) Der Eingriff wird weiter dadurch verstärkt, dass die Ermächtigung des Betreuers zum [X.] sofort mit deren Bekanntgabe an den [X.] wirksam wird

287
Abs.
1 FamFG). Das versetzt den Betreuer in den 15
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17
-
8
-
Stand, den [X.] zu erklären, noch bevor der Betreute oder der [X.] eine einstweilige Anordnung des [X.] nach §
64 Abs. 3 FamFG erwirken könnte.
(2) Diese Schwere des in der Ermächtigung zum
[X.] lie-genden Grundrechtseingriffs erfordert zur Wahrung des aus
Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Selbstbestimmungsrechts des Vollmachtgebers eine gesonderte
ge-richtliche Feststellung der Notwendigkeit der Maßnahme. Die Ermächtigung ist daher weder in allgemein zugewiesenen
[X.]n eines [X.]s noch in dem allgemeinen Aufgabenkreis eines [X.]s nach §
1896 Abs.
3 BGB enthalten. Sie bedarf vielmehr einer besonderen Zuweisung als eigenständiger Aufgabenkreis (vgl. [X.] FamRZ 2015, 955, 956; Nedden-Boeger
FamRZ 2014, 1589, 1592; [X.] Betreuungsrecht 3.
Aufl. §
1896 BGB Rn.
107; HK-BUR/[X.]
[Stand: Februar 2015] §
1896 BGB Rn. 259
für den [X.]; anders noch BayObLG FamRZ 1994, 1550; [X.] 2001, 91, 92; [X.], 1041 sowie offenbar [X.]/[X.] BGB [2013] § 1896 Rn. 337). Denn das Gericht darf dem Betreuer nicht die Rechtsmacht an die Hand geben, anstelle des Vollmachtgebers nach eigenem Belieben Vorsorgedispositionen aus dem persönlichen [X.] zu treffen. Zwischen einem [X.] und einem [X.] nach § 1896 Abs. 3 BGB ist insoweit auch nicht zu unterscheiden. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks.
11/4528 S.
226) ist nicht dahingehend zu verstehen, dass dem [X.] nach §
1896 Abs.
3 BGB die Widerrufsbefugnis automatisch
verliehen sei (a.[X.]/[X.]/[X.] [Stand: Februar 2015] §
1896 Rn.
262). Denn die Gesetzesbegründung geht an anderer Stelle davon aus, mit der Bestellung eines [X.]s sei keinerlei Rechtseingriff verbunden (BT-Drucks. 11/4528 S. 97 f.);
auch im Gesetzestext findet sich keine ausdrück-liche Zuweisung dieser Befugnis.
Entsprechend hat das Bundesverfassungsge-richt
den in der ([X.]bestellung als solcher liegenden Eingriff 18
-
9
-
einerseits
und den durch Ermächtigung zum [X.] darüber hinaus gehenden Eingriff andererseits als
unterschiedlich
schwerwiegend bewertet (vgl. [X.] FamRZ 2008, 2260, 2261). Soweit die Ausführungen des Senats in den Senatsbeschlüssen vom 13.
November
2013

[X.] 339/13

FamRZ 2014, 192 Rn.
14
und vom 1.
August
2012

[X.] 438/11

[X.], 1631 Rn. 8 dahingehend verstanden werden könnten, dass der [X.] ggf. auch ohne ausdrückliche Zuweisung dieses [X.]s zum Widerruf der Vollmacht berechtigt sei, hält er hieran nicht fest.
(3) Das gleiche gilt für die Ermächtigung zur Beendigung des der [X.] zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, wodurch
gemäß §
168 Satz
1 BGB die Vollmacht ebenfalls erlischt
(vgl. auch [X.] FamRZ 2015, 251).
bb) Da im vorliegenden Fall dem ersten Betreuer
nicht der Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht ausdrücklich zugewiesen war, konnte ein
von ihm ausgesprochener
Widerruf keine Wirksamkeit entfalten.
c)
Auch durch den vom jetzigen [X.] am 11.
Februar
2014 erklärten (teilweisen) Widerruf der Vorsorgevollmacht ist die Vertretungsmacht zur Einlegung der Beschwerde
und der Rechtsbeschwerde
nicht entfallen.
[X.])
Zwar ist der Teilwiderruf wirksam. Denn der Aufgabenkreis des (teil-weisen) [X.] war dem Betreuer ausdrücklich zugewiesen. Dabei kann offen bleiben, ob im Falle einer Kontrollbetreuung (§
1896 Abs.
3 BGB) auch ein Rechtspfleger im Rahmen der ihm nach §§
3 Nr.
2, 15 Abs.
1 S.
2 RPflG übertragenen Geschäfte den Aufgabenkreis des [X.] zu-weisen
könnte oder ob dies

im Hinblick auf das besondere Gewicht des Grundrechtseingriffs und zur Wahrung der in Art.
19 Abs.
4 GG
statuierten Rechtsweggarantien

dem [X.] vorbehalten ist (vgl. [X.] NJW 1967 19
20
21
22
-
10
-
1219, 1221; [X.], 554, 555). Denn im vorliegenden Fall hat der [X.] entschieden. Aufgrund der ausdrücklichen richterlichen Zu-weisung des [X.]s konnte der Betreuer den [X.] erklären.
bb)
Durch den Widerruf der Vorsorgevollmacht entfällt aber nicht die Vertretungsmacht nach §
303 Abs.
4 FamFG.
Diese Vertretungsmacht endet erst mit dem Abschluss des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der [X.] bzw. wenn dieses nicht mehr in zulässiger Weise eingelegt bzw. wei-terverfolgt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
April
2015

XII
ZB
330/14

FamRZ
2015, 1015
Rn.
13 f.).
Nach der Rechtsprechung des [X.] erfordert der nach Art.
19 Abs.
4 GG gebotene effektive Rechtsschutz

auch
im Fall des [X.]

,
ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen ([X.] FamRZ 2008, 2260, 2261). Daraus wird zu Recht gefolgert, §
303 Abs.
4 FamFG müsse [X.] dahin ausgelegt werden, dass der Widerruf der Vollmacht durch den [X.] nicht die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten im [X.] zur Überprüfung eben dieser Betreuerbestellung beseitigt (Prütting/
[X.]/[X.] FamFG §
303 Rn.
59; Bahrenfuss/[X.] FamFG §
303 Rn.
10; [X.] [X.], 1741 ([X.]); vgl. auch [X.] 2014, 416, 417; aA Bassenge/[X.] FamFG 12.
Aufl. §
303 Rn.
8; [X.] in [X.] Betreuungsrecht 3. Aufl. § 303 Rn. 51; [X.]/Kretz
Betreuungsrecht
5.
Aufl.
§
303 FamFG Rn.
13). Da dem Bevollmächtigten durch die Befugnis, im Namen
des Betroffenen Beschwerde einzulegen, gerade die Überprüfung der [X.]bestellung ermöglicht werden soll, steht der Widerruf der Vollmacht durch ei-nen Betreuer dem Beschwerderecht nicht entgegen ([X.]/[X.] §
303 FamFG Rn.
53).
Damit soll gewährleistet werden, dass 23
24
-
11
-
dem Rechtsmittel nicht durch einen
vom Betreuer
erklärten Widerruf der [X.] die Grundlage entzogen werden kann ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
303 Rn.
12). Ein Wegfall der Vertretungsmacht
wäre angesichts des schwe-ren Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht mit dem nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz
vereinbar
(vgl. [X.] FamRZ 2008, 2260, 2261). Das Recht, die Interessen des Betroffenen im Betreuungsverfahren wahrzunehmen, in dem es um den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht geht, ist daher ein der [X.] immanentes und der Verfügungsgewalt des Betreuers entzoge-nes Recht, so wie es dem Betreuer auch nicht möglich wäre, als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB) ein von diesem persönlich oder durch den Vorsorgebevollmächtigten ergriffenes Rechtsmittel zurückzunehmen (vgl. auch [X.] Festschrift [X.] 2005 S. 1043, 1058 f.). Dies berücksichtigt auch, dass der Betroffene mit der Vorsorgevollmacht gerade dafür sorgen will, dass er sich nicht selbst gegen st[X.]tliche Eingriffe wehren muss, sondern dass dies der Vorsorgebevollmächtigte in seinem Namen kann
([X.] FamRZ 2015, 251, 252).
Weil die Vertretungsmacht
des Bevollmächtigten im [X.]
Ausdruck des grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen ist, kann sie auch durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Interessenwahrnehmung für den Betroffenen nicht ersetzt, sondern nur ergänzt werden.
2. [X.] ist auch begründet.
a) Das [X.] hat die Beschwerde der Betroffenen als unzulässig verworfen, weil der Bevollmächtigte nicht berechtigt gewesen sei, Beschwerde im Namen der Betroffenen einzulegen. Das Beschwerderecht nach §
303 25
26
27
-
12
-
Abs.
4 Satz 1 FamFG bestehe dann nicht mehr, wenn die Vorsorgevollmacht hinsichtlich der den Beschwerdegegenstand bildenden [X.]

wie hier

durch einen gerichtlich bestellten Betreuer wirksam widerrufen worden sei.
b) Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[X.]) Aus den oben ausgeführten, für das Beschwerdeverfahren in gleicher Weise geltenden
Gründen hat das [X.] mit unzutreffenden Erwägungen die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten
für die Betroffene
im Beschwerde-verfahren
nach § 303 Abs. 4 FamFG verneint.
bb) Die Beschwerde ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Durch die wirksame Erklärung des Widerrufs ist zwar die Betreuerbestellung hinsichtlich des [X.]s [X.] erledigt. Insoweit besteht aber noch die Möglichkeit, die Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung einer Verletzung von Rechten der Betroffenen nach § 62 FamFG fortzuführen. Das Beschwerdegericht hat der Betroffenen bislang noch keine Möglichkeit gewährt, den hierfür erforderlichen Antrag (Senatsbeschluss vom 8.
Juni
2011

XII
ZB
245/10

FamRZ 2011, 1390 Rn. 8) zu stellen. Darüber hinaus ist die Vertretungsmacht nach § 303 Abs. 4 FamFG nicht darauf beschränkt, dass der Bevollmächtigte im Namen der Betroffenen nur gegen die Betreuerstellung im Hinblick auf den Aufgabenkreis des Widerrufs vorgehen könnte. Der [X.] des Bevollmächtigten ist auch insoweit betroffen, als für die [X.], in denen er bevollmächtigt war, Betreuung angeordnet und ein Betreuer be-stellt wurde. Insoweit kann er im Namen der Betroffenen weiterhin das Ziel ver-folgen, dass die Betreuung aufgehoben oder der Bevollmächtigte nunmehr als Betreuer für die
betroffenen
Aufgabenbereiche eingesetzt wird (vgl. [X.], 1589, 1596).
28
29
30
-
13
-
3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen, da der Senat über die Beschwerde der Betroffenen nicht abschließend entscheiden kann.

III.
1. Bei
der erneuten Befassung
wird das [X.] im Falle entspre-chender Antragstellung folgendes zu berücksichtigen haben:
a) Gerechtfertigt ist eine gerichtliche Ermächtigung zum [X.] allein zu dem Zweck, eine Gefährdungslage für den Betroffenen [X.]. Der Aufgabenkreis [X.] kann daher einem Betreuer nur dann übertragen werden, wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahr-scheinlichkeit und in
erheblicher Schwere befürchten lässt.
b) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert ferner, dass mit hinrei-chender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass mildere Mittel
nicht
zur Abwehr eines Schadens zur Verfügung stehen.
[X.]) Der mit der Ermächtigung des Betreuers zum [X.] ver-bundene Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen ist dann ver-hältnismäßig, wenn er geeignet, erforderlich und angemessen ist, um Schaden vom Betroffenen abzuwenden und er dadurch dessen Wohl gemäß den Zielen des [X.] dient. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der [X.] seinerseits eine Betreuungsnotwendigkeit begründen oder perpetuieren kann und dieses gerade dem mit der Vorsorgevollmacht verfolgten und durch § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB geförderten Zweck widerspricht, eine Be-treuung zu vermeiden.
31
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-
14
-
bb)
Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung
festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)betreuer auf den Bevollmächtigten posi-tiv einzuwirken, insbesondere durch
Verlangen nach Auskunft und Rechen-schaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender
Weisungsrechte. Die Ausübung der Kontroll-
und Steuerungsmöglichkeiten ist als geringerer Grundrechtseingriff grundsätzlich
vorrangig vor einer Ermächtigung zum
[X.]widerruf (vgl. auch BT-Drucks.
11/4528, S.
123).
Nur wenn diese [X.] fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinrei-chender Sicherheit
als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese [X.] abzuwenden, ist
die Ermächtigung zum
[X.],
der die ultima ratio
darstellt,
verhältnismäßig.
2. Ferner wird zu berücksichtigen sein, dass zwar das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise einen schwerwiegenden Interessenkonflikt zwi-schen der Betroffenen und ihrem Bevollmächtigten festgestellt hat, aufgrund dessen er als Betreuer für Vermögensangelegenheiten nicht in Betracht [X.] dürfte.
Es
fehlt
jedoch an einer Prüfung, weshalb nicht die mit der Vorsor-gevollmacht eingesetzte Ersatzbevollmächtigte [X.] ihre Ersatzvollmacht zum

36
37
-
15
-
Wohle der Betroffenen einsetzen kann, wodurch der Betreuungsbedarf, was die Vermögensangelegenheiten und Vertretung bei Behörden und Gerichten und Sozialversicherungsträgern
betrifft, entfallen könnte (§
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB).
Dose
Weber-Monecke
Schilling

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.01.2014 -
7 [X.] 339/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 13.11.2014 -
9 [X.]/14 -

Meta

XII ZB 674/14

28.07.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. XII ZB 674/14 (REWIS RS 2015, 7484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7484

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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