Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2018, Az. 5 StR 623/17 und 5 StR 624/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8695

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Anforderungen an eine Einziehung von Taterträgen) 


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 4. August 2017 dahin geändert, dass gegen den Angeklagten [X.]  als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten [X.]    die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 19.270,63 € angeordnet wird; weiterhin wird das vorgenannte Urteil, auch soweit es die Mitangeklagten [X.].    , [X.]t.    und [X.]betrifft, dahin geändert, dass diese Mitangeklagten in Höhe der gegen sie angeordneten Einziehungen mit den Angeklagten [X.]   und [X.]    sowie untereinander gesamtschuldnerisch haften.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 18. August 2017 dahin geändert, dass gegen den Angeklagten [X.]   die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 19.270,63 € angeordnet wird und er – insoweit auch auf seine Revision – mit dem Angeklagten [X.] sowie im Umfang der gegen die Mitangeklagten [X.].    , [X.]t.    und [X.]angeordneten Einziehungen als Gesamtschuldner haftet.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]    wird verworfen.

4. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten [X.]   und [X.]   die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. Auch wird davon abgesehen, dem Angeklagten [X.]   die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen; er hat jedoch die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]  mit Urteil vom 4. August 2017 des schweren Raubes sowie des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung und (im abgetrennten Verfahren) den Angeklagten [X.]mit Urteil vom 18. August 2017 des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten [X.]  zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, und den Angeklagten [X.]unter Einbeziehung von zwei früheren Urteilen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen den Angeklagten [X.]   die Einziehung eines Geldbetrages von 3.800 € sowie gegen den Angeklagten [X.]die Einziehung eines Geldbetrages von 8.000 € angeordnet.

2

Der Angeklagte [X.]wendet sich gegen seine Verurteilung mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die ebenfalls jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen die [X.] des [X.]s und sind jeweils auf die zur Tat vom 30. November 2016 auszusprechende Höhe der Einziehung des Wertes der [X.] beschränkt. Während die vom [X.] vertretenen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu der von ihr angestrebten Änderung der [X.] führen, bleibt das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]überwiegend erfolglos.

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s überfielen die Angeklagten [X.]    und [X.]  am Abend des 30. November 2016 ein Möbelgeschäft, in dem der Mitangeklagte [X.].    angestellt war und ihnen den Zugang zum [X.] verschaffte. Die [X.] sollte nach dem gemeinsamen [X.] unter [X.].   , [X.]    und [X.]  zu gleichen Anteilen aufgeteilt werden, wobei auch dem als Fahrer an der Tat mitwirkenden Mitangeklagten [X.].    eine Entlohnung in Aussicht gestellt wurde. [X.]  war für die Tat von dem weiteren Mitangeklagten [X.], der die Angeklagten auf der Fahrt zum Tatort begleitete, mit zwei Messern und einer Rolle Klebeband ausgerüstet worden. Nachdem [X.]und [X.]  mit Hilfe des Mitangeklagten [X.].    in das [X.] eingedrungen waren, zeigten sie den beiden dort tätigen Kassiererinnen drohend ihre Messer und forderten sie auf, sich auf den Boden zu legen. Mit einem im [X.] vorgefundenen Schlüsselbund und einem von [X.]  mitgebrachten Rucksack ging [X.] in einen angrenzenden Tresorraum. Er öffnete einen der Tresore und entnahm diesem 11.835 €, die er in den Rucksack steckte. Die Öffnung eines weiteren Tresors gelang ihm nicht. Währenddessen forderte [X.]  die Kassiererinnen auf, ihren Schmuck abzunehmen. Danach fesselte er sie mit dem Klebeband. Nachdem [X.]  in das [X.] zurückgekehrt war und beide Angeklagte die Festnetztelefone unbenutzbar gemacht hatten, nahmen sie von einem Schreibtisch ein „Safebag“, in dem sich Tageseinnahmen in Höhe von 7.415,53 € befanden, und aus einer Wechselgeldkasse 220,10 € an sich. Sie steckten dieses Geld ebenfalls in den Rucksack des Angeklagten [X.]  . Beim anschließenden Verlassen des Tatorts trug [X.] den Rucksack mit der [X.] von 19.470,63 € und hielt ihn auch im Fluchtfahrzeug bis zum Erreichen einer Tiefgarage als Fahrtziel. Dort schütteten beide Angeklagte sowie die Mitangeklagten [X.].   und [X.]das Geld aus dem Rucksack in den Kofferraum des Fahrzeuges und sortierten und stapelten es gemeinsam. Die Mitangeklagten [X.].    und [X.] erhielten jeweils mindestens 1.300 €, der Angeklagte [X.]  mindestens 4.000 € aus der [X.]. [X.] nahm für sich einen Anteil von mindestens 4.000 € sowie weitere 4.000 €, die er später dem Mitangeklagten [X.].    als dessen Anteil übergab. Der Verbleib des restlichen Geldes konnte nicht festgestellt werden.

4

2. Das [X.] ist bei seinen jeweils auf § 73 Abs. 1 StGB nF gestützten [X.] hinsichtlich des Angeklagten [X.]  nur von einer eigenen Verfügungsgewalt bezüglich seines Anteils an der [X.] in Höhe von 4.000 € ausgegangen. Über die restliche [X.] habe er nicht verfügen können, da sie sich nach dem Verstauen des Geldes im Rucksack bei [X.]befunden habe. In der Tiefgarage habe zwar jeder der Angeklagten einen Teil der Beute sortiert. Eine direkte Verfügungsgewalt über die gesamte Beute habe sich hieraus aber nicht abgeleitet, weil das Sortieren nur dazu gedient habe, den Beuteanteil der Beteiligten zu ermitteln und die [X.] umgehend aufzuteilen.

5

Hinsichtlich des Angeklagten [X.] hat das [X.] eine faktische Verfügungsgewalt nur hinsichtlich seines eigenen Beuteanteils in Höhe von 4.000 € sowie hinsichtlich des von ihm für mehrere Stunden in Verwahrung genommenen Anteils des ehemaligen Mitangeklagten [X.].   in gleicher Höhe angenommen. Das Mitsichführen der weiteren Gelder sei über einen kurzfristigen Beutetransport nicht hinausgegangen. Es habe zudem von vornherein zwischen den Beteiligten Einigkeit bestanden, dass die [X.] unmittelbar nach der Tat habe aufgeteilt werden sollen.

II.

6

Die wirksam (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 [X.], [X.]St 55, 174, 175 f.) auf die Höhe der Einziehung des Wertes der [X.] beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.

7

1. Das [X.] ist bei den beiden unmittelbar die Tat ausführenden Angeklagten [X.]  und [X.]    zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese nur ihre eigenen Beuteanteile (sowie bei [X.]den des Mitangeklagten [X.].   ) als [X.] erlangt haben.

8

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. zu § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF [X.], Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227, 246, und vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], [X.]St 56, 39, 45 f. [X.]; siehe zur insoweit unveränderten Rechtslage nach § 73 StGB [X.], [X.], 497, 498 f. mit [X.]. 27). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch [X.] gemindert wurde (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], aaO S. 46 [X.]; Beschlüsse vom 7. Januar 2003 – 3 [X.], und vom 10. Januar 2008 – 5 [X.], [X.], 565).

9

b) Nach diesem Maßstab hatten beide Angeklagte tatsächliche Verfügungsgewalt über die [X.] bereits am Tatort erlangt. Sie gingen dort arbeitsteilig vor, entwendeten die im [X.] aufgefundenen Gelder im Zusammenwirken und nutzten den von [X.]  zur Verfügung gestellten Rucksack zur Verwahrung und zum Abtransport der Beute. [X.]  begleitete den Angeklagten [X.] bis zum Ort der planmäßigen Beuteteilung. Der zufällige Umstand, dass er dabei seinen Rucksack nicht selbst trug, schloss ihn vom [X.] an den gesamten erst noch aufzuteilenden [X.] und der diesbezüglichen Mitverfügungsgewalt nicht aus.

Die vom [X.] für seine Auffassung herangezogene Rechtsprechung gebietet keine andere Beurteilung. In den beiden angeführten Entscheidungen des [X.] vom 27. April 2010 (3 [X.], [X.], 568 f.) und vom 8. August 2013 (3 [X.], [X.], 44) hatten die dortigen [X.] jeweils nur eine kurze Transportfahrt durchgeführt, während die unmittelbare Tatausführung mit der Inbesitznahme der Beute von anderen Tätern vorgenommen worden war (vgl. zu Kurierfällen aber auch [X.], Urteile vom 14. September 1989 – 4 [X.], [X.]St 36, 251, 253, und vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65, 68).

c) Die Angeklagten [X.]  und [X.] haben danach ursprünglich die [X.] von 19.470,63 € aus der Raubtat vom 30. November 2016 erlangt. Da die gegenständliche Einziehung dieses Geldes nach § 73 Abs. 1 StGB nicht mehr möglich ist, unterliegt der dem Wert dieses [X.] entsprechende Geldbetrag gemäß § 73c Abs. 1 StGB der Einziehung. Hiervon ist nach Maßgabe des § 73e Abs. 1 StGB der vom Angeklagten [X.] auf den Schadenersatzanspruch des geschädigten Möbelhauses geleistete Betrag von 200 € abzuziehen.

Der Senat bestimmt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen den Wert des von den Angeklagten [X.]  und [X.]aus der Raubtat vom 30. November 2016 [X.] selbst (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

2. Bei der Anordnung einer Einziehung von [X.]n oder einer Einziehung von [X.]n nach §§ 73, 73c StGB bei mehreren Beteiligten, die an demselben Vermögenswert unmittelbar aus der Tat (Mit-)Verfügungsmacht gewonnen haben, ist von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen. Damit wird ermöglicht, dass den Beteiligten das aus der Tat [X.] entzogen wird, aber zugleich verhindert, dass dies mehrfach erfolgt (vgl. zur früheren Verfallsregelung der §§ 73, 73a StGB [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], aaO S. 46 ff. [X.]; Beschlüsse vom 10. September 2002 – 1 [X.], [X.], 198, 199, und vom 5. Juli 2011 – 3 [X.], [X.], 413, 414; siehe zur insoweit unveränderten Rechtslage nach §§ 73, 73c [X.], aaO).

Auch insoweit ordnet der Senat selbst die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Angeklagten untereinander an (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Abänderung des Rechtsfolgenausspruchs des Urteils vom 4. August 2016 im Hinblick auf die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung auf die Mitangeklagten [X.].    , [X.].    und [X.]zu erstrecken, da die [X.] auch bei ihnen auf dem aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangel beruhen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. November 2011 – 4 [X.], [X.], 382, 383 [X.]).

III.

Die Revision des Angeklagten [X.]    erzielt lediglich den sich aus der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung ergebenden Teilerfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.]s unbegründet.

Der Senat schließt aus, dass die [X.] bei einer rechtsfehlerfreien Bestimmung der Höhe des [X.] die gegen den Angeklagten [X.] zu erkennende Jugendstrafe niedriger festgesetzt hätte. Für die frühere Regelung des Verfalls entsprach es der ständigen Rechtsprechung, dass diese Maßnahme trotz bisweilen erheblicher Belastungen für den Verurteilten keinen Strafcharakter hat und keinen Genugtuungs-, sondern einen Präventionszweck verfolgt (vgl. [X.], Urteile vom 21. August 2002 – 1 [X.], [X.]St 47, 369, 371 ff.; vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227, 248, und vom 17. Juni 2010 – 4 [X.], aaO S. 176). Die umfassende Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat ihren Rechtscharakter unberührt gelassen, so dass auch die mit einer Anordnung der Einziehung nach §§ 73, 73c StGB nF verbundene [X.] keinen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2018 – 5 [X.]/17 [X.]).

[X.]     

      

[X.]     

      

König 

      

Berger     

      

Köhler     

      

Meta

5 StR 623/17 und 5 StR 624/17

24.05.2018

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 24. Mai 2018, Az: 5 StR 623/17, Beschluss

§ 25 Abs 2 StGB, § 46 StGB, § 73 Abs 1 StGB, § 73c StGB, § 73e Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2018, Az. 5 StR 623/17 und 5 StR 624/17 (REWIS RS 2018, 8695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8695

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 624/17 (Bundesgerichtshof)


2 StR 522/18 (Bundesgerichtshof)

Rechtsfolgenausspruch im Strafurteil u.a. wegen besonders schweren Raubs: Einziehung von Taterträgen bei Mittäterschaft


1 StR 170/19 (Bundesgerichtshof)

Erlangung: faktische Verfügungsgewalt oder transitorischer Erhalt


3 StR 128/21 (Bundesgerichtshof)

Vermögensabschöpfung in Strafsachen: Tenorierung einer Einziehungsanordnung bei Gesamtschuldnerschaft der Angeklagten


5 StR 645/17 (Bundesgerichtshof)

Absehen von einer Einziehung des Werts der Taterträge


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.