Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.02.2020, Az. KZR 6/17

Kartellsenat | REWIS RS 2020, 891

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Gegenstand

Kartellrechtsverstoß: Wirksamkeitsprüfung für die Kündigung eines entgeltlichen Einspeisungsvertrages einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mit einem Breitbandkabelnetzbetreiber - Einspeiseentgelt II


Leitsatz

Einspeiseentgelt II

Beruht die Kündigung eines Vertrags auf einem abgestimmten Verhalten im Sinne des § 1 GWB, ist die Kündigung auch dann gemäß § 134 BGB nichtig, wenn einer Vertragspartei, die aus mehreren Mitgliedern besteht, nach dem Vertrag nur ein einheitliches Kündigungsrecht zusteht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des [X.] vom 29. Dezember 2016 im Kostenpunkt und im Umfang der folgenden Änderungen des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 13. Dezember 2013 im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit abgeändert, als die Klage gegen die Beklagte zu 13 abgewiesen worden ist.

Die Beklagte zu 13 wird verurteilt, an die Klägerin 600.950 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2013 zu zahlen.

Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 92 %, die Beklagte zu 12 zu 1 % und die Beklagte zu 13 zu 7 %. Die Gerichtskosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Die Gerichtskosten der zugelassenen Revision tragen die Klägerin und die Beklagte zu 12 zu jeweils 9 % und die Beklagte zu 13 zu 82 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in der ersten und zweiten Instanz tragen die Klägerin zu 93 % und die Beklagte zu 13 zu 7 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin der dritten Instanz tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 13 zu 10 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 12 und 13 tragen diese in allen Instanzen selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 bis 11 trägt die Klägerin in allen Instanzen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Einspeisevergütung für das [X.].

2

Die Klägerin betreibt in [X.] [X.]. Über diese verbreitet sie [X.] bis zu den Übergabepunkten der Netzebene 4 (Hausverkabelung).

3

Die Beklagte zu 13 veranstaltet den [X.] Teil des Fernsehprogramms des deutsch-französischen Kulturkanals [X.]. Ihre Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die in der [X.] ([X.], der Beklagten zu 1) zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten (die Beklagten zu 2 bis 10) und das [X.] ([X.], die Beklagte zu 11).

4

Die Beklagten zu 2 bis 13 zahlten der Klägerin auf der Grundlage eines am 25. März 2008 geschlossenen Vertrags (im Folgenden: Einspeisevertrag) ein jährliches Entgelt in Höhe von insgesamt 6,55 Millionen € für die im Vertrag vereinbarte digitale und analoge Einspeisung ihrer Programmsignale in die Kabelnetze der Klägerin. Davon entfielen nach einem von den Beklagten untereinander vereinbarten [X.] 110.000 € netto auf die Beklagte zu 12 und 270.000 € netto auf die Beklagte zu 13. In der Präambel des [X.] hielten die Parteien ihre unterschiedlichen Auffassungen darüber fest, ob die Klägerin ihre digitalen [X.] künftig nicht nur durch Zahlungen der Endnutzer, sondern auch durch Einspeiseentgelte der Rundfunkveranstalter finanzieren könne. Zur Laufzeit enthält der [X.] folgende Regelung:

"Das Vertragsverhältnis beginnt am 01.01.2008 und läuft bis zum [X.] Es verlängert sich jeweils um zwölf Monate, wenn der Vertrag nicht von einer der beiden Parteien spätestens sechs Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. (…)"

5

Die Klägerin sowie die Beklagte zu 13 und [X.] G.E.I.E. (im Folgenden: [X.]) schlossen im Juli 2009 einen Ergänzungsvertrag, wonach sich [X.] zu einer weiteren jährlichen Zahlung von 235.000 € netto für die Erweiterung der Einspeisung auf eine 24-stündige Verbreitung verpflichtete.

6

Am 22. März 2011 besprachen die Intendanten und Programmdirektoren der Beklagten zu 1 und 11, dass an dem in der Präambel des [X.] angekündigten Paradigmenwechsel festgehalten und die [X.] gekündigt werden sollten. Die Beklagten zu 1 bis 13 erklärten mit gesonderten Schreiben vom 18., 19., 20. und 21. Juni die Kündigung des [X.]. Die Kündigung der Beklagten zu 13 wurde auch von [X.] G.E.I.E erklärt und bezog sich auch auf die [X.]. Die Kündigungsschreiben wurden gemeinsam in einem Umschlag von der Beklagten zu 4 verschickt und gingen der Klägerin am 25. Juni 2012 zu.

7

Die Klägerin hält die Kündigungen für unwirksam. Sie nimmt die Beklagte zu 13 auf Zahlung einer Einspeisevergütung für das [X.] in Höhe von 505.000 € zuzüglich Umsatzsteuer aus dem Einspeisevertrag in Anspruch, wobei sie den Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz hilfsweise auch auf einen Schadensersatzanspruch gestützt hat. Weiter hilfsweise begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zu 13 zur Annahme eines von ihr vorgelegten Angebots zum Abschluss eines neuen [X.] ab dem 1. Januar 2013, höchst hilfsweise beantragt sie die Verurteilung zur Annahme eines Angebots zum Abschluss eines neuen [X.] zu vom Gericht festzusetzenden angemessenen Konditionen.

8

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Senat nach Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde im Übrigen - im Umfang der Klage gegen die Beklagten zu 12 und 13 - zugelassene Revision, mit der die Klägerin - nach Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 12 - ihre zuletzt gestellten Berufungsanträge gegen die Beklagte zu 13 weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat in der Sache Erfolg.

A. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit sie die Beklagte zu 13 betrifft, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich nicht aus dem Einspeisevertrag oder aus der mit der Beklagten zu 13 getroffenen Ergänzungsvereinbarung. Denn diese Verträge seien von den Beklagten wirksam gekündigt worden. Ein Verstoß gegen § 1 GWB liege nicht vor, da die Entscheidung über eine Kündigung des Vertrags nicht bei den einzelnen Rundfunkanstalten gelegen habe. Nach der Regelung in § 11 Abs. 1 des [X.] seien die einzelnen Rundfunkanstalten nicht je für sich, sondern nur in ihrer Gesamtheit zur Kündigung des [X.] berechtigt gewesen. Eine Verpflichtung der Beklagten, sogleich einen neuen Vertrag gleichen Inhalts abzuschließen, die der Wirksamkeit der Kündigung entgegenstehen könne, bestehe nicht. Eine solche Verpflichtung ergebe sich weder aus den Regelungen des Rundfunkrechts noch aus kartellrechtlichen Bestimmungen.

Dem [X.] könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 33 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB in der bis 29. Juni 2013 geltenden Fassung entsprochen werden. Dem Erfolg der Klage stehe zwar nicht entgegen, dass die Klägerin den [X.] erstmals im [X.] auch auf diesen Klagegrund gestützt habe; die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs seien aber nicht dargelegt. Klägerin und Beklagte erbrächten für die jeweils andere Vertragspartei wirtschaftlich werthaltige Leistungen. Die Frage, in welchem Verhältnis die beiderseitigen Leistungen stünden, lasse sich nicht anhand ausländischer Vergleichsmärkte beantworten, sondern sei nach den Verhältnissen zwischen der Klägerin und privaten [X.]n zu bemessen; die unterschiedliche Finanzierung privater Sender einerseits und öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten andererseits schließe die Vergleichbarkeit nicht aus. Die Klägerin habe zu den Einspeiseentgelten von privaten [X.]n nicht ausreichend vorgetragen. Ihrem Vortrag lasse sich nicht entnehmen, welches Entgelt die Beklagten der Klägerin hätten bezahlen müssen. Soweit die Klägerin ihren Vortrag hierzu nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergänzt habe, sei dies von ihrem [X.] nicht gedeckt gewesen.

Auch die Hilfsanträge seien unbegründet. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Abschluss eines [X.] zu den von ihr aufgestellten Bedingungen noch darauf, dass das Gericht über den Inhalt und die Konditionen eines zwischen den Parteien zu schließenden Vertrags entscheide.

B. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin für das [X.] kein Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Einspeiseentgelt gegen die Beklagte zu 13 zusteht. Die von der Beklagten zu 13 erklärte Kündigung hat den Vertrag nicht beendet. Der Kündigung der Verträge zum 31. Dezember 2012 durch die Beklagten lag eine nach § 1 GWB verbotene Abstimmung unter Wettbewerbern zugrunde. Die von der Beklagten zu 13 erklärte Kündigung ist daher gemäß § 134 BGB nichtig.

1. Nach § 1 GWB sind aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des [X.] bezwecken oder bewirken, verboten. Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der Austausch von Informationen über wettbewerbsrelevante Parameter mit dem Ziel, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des Konkurrenten auszuräumen. Die Abstimmung muss ursächlich für ein entsprechendes Marktverhalten sein, doch gilt insoweit die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres [X.] berücksichtigen ([X.], Urteil vom 16. Juni 2015 - [X.], [X.]Z 205, 354 Rn. 64 - Einspeiseentgelt; Urteil vom 12. April 2016 - [X.], juris Rn. 44 - Gemeinschaftsprogramme).

2. [X.] ist wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme Unternehmen i.S.d. § 1 GWB. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Soweit die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich des [X.] [X.]ellrechts ausnimmt, sofern die erworbenen Waren oder Dienstleistungen nicht für wirtschaftliche, sondern für hoheitliche Tätigkeiten verwendet werden sollen ([X.], Urteil vom 3. März 2011 - [X.], juris Rn. 41 ff. - [X.]), entspricht dies nicht der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 6. November 2013 - [X.]; [X.]Z 199, 1 Rn. 52 - [X.] I mwN).

Der [X.] hat bisher offengelassen, ob diese Rechtsprechung der Unionsgerichte Anlass gibt, die gefestigte Rechtsprechung zum [X.] im [X.] Recht zu überprüfen. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung, da die Erstellung und Ausstrahlung der Programme gebührenfinanzierter Rundfunkanstalten keine Ausübung hoheitlicher Befugnisse darstellt ([X.]Z 205, 354 Rn. 37 - Einspeiseentgelt). Im Übrigen ist das [X.] nach § 8 [X.] erlaubte Sponsoring ebenso eine wirtschaftliche Tätigkeit wie das Erzielen von Einnahmen durch die Einräumung des Rechts zur Kabelweitersendung ([X.]Z 205, 354 Rn. 37 - Einspeiseentgelt).

3. Die Beklagte zu 13 steht mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Vertragspartei des [X.] sind, im Wettbewerb.

a) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen hinsichtlich der Finanzierung ihres Programmangebots grundsätzlich sowohl untereinander als auch mit den privaten Rundfunkanbietern im Wettbewerb ([X.]Z 205, 354 Rn. 56 - Einspeiseentgelt).

b) Bei [X.] handelt es sich auch nicht um ein Gemeinschaftsprogramm, für dessen Veranstaltung und Verbreitung der [X.] entschieden hat, dass die Rundfunkanstalten insoweit untereinander nicht im Wettbewerb stehen und sich daher insoweit abstimmen dürfen (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2016 - [X.], juris Rn. 47 - Gemeinschaftsprogramme). Die Beklagte zu 13 ist wie [X.] G.E.I.E. eine eigenständige juristische Person. [X.] ist daher selbst Veranstalter eines eigenen Programms (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl., § 11b [X.] Rn. 114).

4. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten zu 13 auf einem abgestimmten Verhalten im Sinne des § 1 GWB beruhte. Sie ist deshalb entgegen seiner Auffassung unwirksam ([X.]Z 205, 354 Rn. 59 ff. - Einspeiseentgelt).

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Rundfunkanstalten, die Gesellschafter der Beklagten zu 13 sind, bei einer Besprechung am 22. März 2011 Einvernehmen darüber erzielt, dass an dem in der Präambel des [X.] angekündigten Paradigmenwechsel festgehalten und künftig keinem Kabelnetzbetreiber mehr Entgelt für die Einspeisung von [X.] gezahlt werden solle.

b) Zwar hat das Berufungsgericht offengelassen, ob auch Vertreter der Beklagten zu 13 an dem Treffen am 22. März 2011 teilgenommen haben. Aus der Tatsache, dass die Beklagte zu 13 in der Folge ihre Kündigungserklärung der Beklagten zu 4 zugeleitet hat und diese alle Kündigungserklärungen der am Einspeisevertrag beteiligten Rundfunkanstalten in einem einheitlichen Umschlag an die Klägerin übersandt hat, hat das Berufungsgericht aber ohne Rechtsfehler geschlossen, dass auch die Beklagte zu 13 an dem abgestimmten Verhalten beteiligt war.

c) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte zu 13 und die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, indem sie mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben die Kündigung des [X.] mit der Klägerin erklärten, sich so verhalten haben, wie es der Verhaltensabstimmung aus dem März 2011 entsprach. Die Verhaltensabstimmung unter Wettbewerbern war daher kausal für die abgegebenen Kündigungserklärungserklärungen.

5. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, ein Verstoß gegen § 1 GWB scheide aus, weil der Einspeisevertrag eine einheitliche Kündigung durch die Beklagte zu 13 und die weiteren am Vertrag beteiligten [X.] erfordert habe.

a) Da die Kündigung des [X.] durch die Beklagte zu 13 auf einer verbotenen Verhaltensabstimmung mit den weiteren Beklagten beruht und deren weiterer Umsetzung dient, ist die Kündigung unabhängig davon gemäß § 134 BGB nichtig, ob den Beklagten als einheitlicher Vertragspartei nach dem Vertrag nur ein einheitliches Kündigungsrecht zusteht.

b) Im Übrigen beruht die Auslegung des [X.] durch das Berufungsgericht, dass der Vertrag eine einheitliche Kündigung durch die Beklagten erfordere, auf einer unvollständigen Würdigung der maßgeblichen Umstände.

aa) Das Berufungsgericht hat seine Auffassung damit begründet, aus § 11 des [X.], der die Vertragslaufzeit und die Kündigung des Vertrags regelt, ergebe sich, dass sich die öffentlich-rechtlichen [X.] als eine Vertragspartei und die Klägerin als die andere Vertragspartei einander gegenübergestanden hätten. Nach § 8 des [X.] sei ein einheitliches Entgelt vereinbart worden, das von allen [X.]n gemeinsam aufzubringen sei. Die Aufteilung des Gesamtbetrags auf die einzelnen [X.] sei ohne Mitwirkung der Klägerin nach einer internen Absprache der [X.] erfolgt. Dies alles spreche gegen eine unabhängige Kündigungsmöglichkeit des Vertrags durch jeden [X.] (anders zu vergleichbaren Einspeiseverträgen [X.], Urteil vom 12. Juli 2017 - [X.] ([X.]) 20/14, juris Rn. 169; [X.], Urteil vom 29. Dezember 2016 - 6 U 61/13, juris Rn. 70).

bb) Die tatrichterliche Auslegung eines Vertrages ist für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder der Tatrichter verfahrenswidrig wesentliches Auslegungsmaterial unberücksichtigt gelassen hat. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz der vollständigen Würdigung der maßgeblichen Umstände (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2005 - [X.], juris Rn. 12; Urteil vom 28. Oktober 1997 - [X.], [X.]Z 137, 69, 72).

cc) Das Berufungsgericht hat seine Auslegung des [X.] nur auf einzelne Bestimmungen des Vertrags gestützt, ohne den Einspeisevertrag insgesamt und die Interessenlage der Parteien zu betrachten. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die erforderliche Auslegung selbst vornehmen.

(1) In § 11 Abs. 1 des [X.] findet sich bis auf den Halbsatz "wenn der Vertrag nicht von einer der beiden Parteien (…) gekündigt wird" keine Regelung über die Modalitäten der Kündigung. Allein aus diesem Halbsatz ist aber nicht zu schließen, dass die Rundfunkanstalten als einheitliche Vertragspartei aufgefasst werden sollten und daher nur gemeinsam kündigen könnten.

(2) Auch die Entgeltregelung des [X.] lässt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zwingend auf ein Vertragsverhältnis schließen, das nach dem Willen der Vertragsparteien nur gemeinsam von allen am Vertrag beteiligten Rundfunkanstalten sollte beendet werden können. Zwar haben die Parteien einen von allen [X.]n zu leistenden Gesamtbetrag als Einspeisevergütung vereinbart, die [X.] sollten sich aber auf eine interne Kostenverteilung verständigen, die der Klägerin übermittelt wurde. Diese diente als Grundlage für eine individuelle jährliche Rechnungsstellung durch die Klägerin. Dies lässt nicht erkennen, dass die [X.] sich als Gesamtschuldner zur Zahlung der vereinbarten Einspeisevergütung verpflichtet hätten. Die Klägerin hat die Beklagte zu 13 zusammen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Streitfall auch nicht als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Damit hatten weder die Klägerin noch die am Einspeisevertrag beteiligten Rundfunkanstalten ein erkennbares Interesse daran, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagten nur einheitlich erfolgen könnte.

(3) Die Regelung in § 11 Abs. 3 Satz 2 des [X.], wonach der Vertrag insgesamt als nicht genehmigt gilt, wenn nur die Genehmigung eines [X.]s nicht erfolgt, zeigt nur, dass die Vertragsparteien einen einheitlichen Vertragsbeginn gegenüber allen [X.]n vereinbaren wollten. Auch hieraus ergibt sich nicht, dass die Beendigung des Vertrags nur einheitlich erfolgen sollte. Zwar hat das Berufungsgericht angenommen, dass es technische Umstände geben könnte, die eine einheitliche Vertragsgeltung erforderten, allerdings hat es diese nur hinsichtlich der Gemeinschaftsprogramme der Beklagten zu 2 bis 11 festgestellt, zu denen [X.] aber nicht gehört und die keine über die Gemeinschaftsprogramme hinausreichenden Schlussfolgerungen zulassen.

(4) Da es insgesamt keinen Anhaltspunkt im Vertrag dafür gibt, dass die Parteien eine einheitliche Kündigung hätten vorsehen wollen und es den Interessen der Klägerin, aber auch aller beteiligten [X.], entsprach, ihr Vertragsverhältnis unabhängig voneinander beenden zu können, rechtfertigt dies die Schlussfolgerung, dass es keiner einheitlichen Kündigung des [X.] durch alle [X.] bedurfte.

6. Der Unwirksamkeit der Kündigung stünde auch nicht entgegen, wenn bereits der Einspeisevertrag auf einer verbotenen Verhaltensabstimmung beruhte. Dieser Vertrag wäre im Zweifel mit Rücksicht auf das Schutzbedürfnis der Klägerin als eines Mitglieds der Marktgegenseite, die im Interesse der Rechtssicherheit nicht der Ungewissheit über die Gültigkeit ihrer Vertragsbeziehungen und der von ihr erworbenen Ansprüche ausgesetzt werden soll, als wirksam zu betrachten (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 1984 - [X.], [X.]/E [X.] 2100, juris Rn. 20). Jedenfalls wäre es der Beklagten zu 13 im Verhältnis zur Klägerin nach [X.] (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine solche Nichtigkeit des Vertrags zu berufen (vgl. [X.]Z 205, 354 Rn. 63 - Einspeiseentgelt).

II. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 1. Februar 2013 gemäß Art. 229 § 34 EGBGB i.V.m. § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB in der bis 28. Juli 2014 geltenden Fassung zu. Da nach dem Einspeisevertrag, auf den auch die Ergänzungsvereinbarung Bezug nimmt, die Einspeisevergütung nach Zugang einer ordnungsgemäßen Rechnung jährlich im Voraus bis zum 31. Januar zu zahlen war, trat Verzug mit dem für 2013 zu zahlenden Einspeiseentgelt am 1. Februar 2013 ein. Da die Klägerin am 19. Dezember 2012 bereits Zahlungsklage gegen die Beklagte zu 13 erhoben hatte, war eine gesonderte Rechnungsstellung entbehrlich.

III. [X.] folgt aus § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3, § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Klägerin und die Beklagte zu 12 haben in ihrem Verhältnis Kostenaufhebung vereinbart.

[X.]     

      

[X.]     

      

Tolkmitt

      

Picker     

      

Linder     

      

Meta

KZR 6/17

18.02.2020

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Karlsruhe, 29. Dezember 2016, Az: 6 U 4/14 (Kart)

§ 1 GWB, § 134 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.02.2020, Az. KZR 6/17 (REWIS RS 2020, 891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 891


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. KZR 6/17

Bundesgerichtshof, KZR 6/17, 18.02.2020.


Az. 6 U 4/14

Oberlandesgericht Köln, 6 U 4/14, 18.07.2014.


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