Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2012, Az. 3 AZR 684/10

3. Senat | REWIS RS 2012, 527

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) LEBENSPARTNERSCHAFT (EINGETRAGENE) RENTE

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Gegenstand

Hinterbliebenenversorgung für einen eingetragenen Lebenspartner eines Dienstordnungsangestellten


Tenor

Die Revision der [X.]eklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. September 2010 - 3 [X.]/10 [X.] - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die [X.]eklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die [X.] vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang zu zahlen, wie dies die [X.]estimmungen des [X.]eamtenversorgungsgesetzes für einen Ehepartner vorsehen.

Die [X.]eklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die [X.]eklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

2

Der 1945 geborene [X.] war bei der [X.]eklagten als Dienstordnungsangestellter beschäftigt. Am 13. November 2003 begründete er mit dem Kläger eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. [X.] verstarb am 12. September 2007.

3

§ 6 Abs. 1 der Dienstordnung der [X.]eklagten lautet:

        

„§ 6 Geld- und geldwerte Leistungen, Versorgung

        

(1)     

Für Geld- und geldwerte Leistungen und die Versorgung gelten die Vorschriften für [X.]eamte des [X.]undes entsprechend.“

4

Mit der vorliegenden Feststellungsklage hat der Kläger von der [X.]eklagten die Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung verlangt und die Auffassung vertreten, dass er als eingetragener Lebenspartner ebenso zu behandeln sei wie ein hinterbliebener Ehegatte.

5

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die [X.]eklagte verpflichtet ist, an ihn seit Oktober 2007 eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang zu zahlen, wie dies die [X.]estimmungen des [X.]eamtenversorgungsgesetzes für einen Ehepartner vorsehen.

6

Die [X.]eklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, für einen Anspruch des [X.] gebe es keine gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung der für hinterbliebene Ehegatten bestehenden [X.]estimmungen des [X.]eamtenversorgungsgesetzes scheide aus. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die [X.]erufung der [X.]eklagten zurückgewiesen. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat die [X.]eklagte zunächst ab dem 1. November 2010 eine Hinterbliebenenversorgung an den Kläger geleistet und nach Inkrafttreten des [X.] Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften vom 14. November 2011 ([X.]G[X.]l. I S. 2219) auch für den [X.]raum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2010. Daraufhin hat der Kläger seinen Klageantrag auf die [X.] vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 eingeschränkt und den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Übrigen für erledigt erklärt. Die [X.]eklagte hat sich der Erledigungserklärung des [X.] angeschlossen und verfolgt mit ihrer Revision im Übrigen ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]n ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie noch rechtshängig ist, zu Recht stattgegeben. Die [X.] ist verpflichtet, an den Kläger für die [X.] ab dem 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang zu zahlen, wie dies nach den [X.]estimmungen des [X.]eamtenversorgungsgesetzes für hinterbliebene Ehegatten vorgesehen ist.

9

I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des [X.]estehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Versorgungsverpflichtung der [X.]n dem Grunde nach. Er hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da die [X.] die geltend gemachte Pflicht zur Versorgung des [X.] leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfachere Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. [X.] 15. November 2011 - 3 [X.] - Rn. 18, [X.] [X.]etrAVG § 1 Auslegung Nr. 27; 18. November 2003 - 3 [X.] - zu A der Gründe).

II. Die Klage ist im noch streitigen [X.]raum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 begründet. Der Kläger kann von der [X.]n verlangen, dass sie an ihn auch für diese [X.] eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang leistet, wie dies die [X.]estimmungen des [X.]eamtenversorgungsgesetzes für einen hinterbliebenen Ehepartner vorsehen. Der Kläger kann seinen Anspruch auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen seines Lebenspartners und der [X.]n iVm. § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der [X.]n, den Vorschriften des [X.]eamtenversorgungsgesetzes und der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in [X.]eschäftigung und [X.]eruf (A[X.]l. [X.] 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden [X.] 2000/78/[X.]) stützen.

1. Nach den zwischen dem verstorbenen [X.] und der [X.]n getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einschließlich der in § 6 Abs. 1 der Dienstordnung erfolgten [X.]ezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften über die Versorgung der [X.]eamten kann der Kläger als eingetragener Lebenspartner des verstorbenen Dienstordnungsangestellten [X.] für die [X.] vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2008 zwar keine Hinterbliebenenversorgung von der [X.]n beanspruchen.

§ 6 Abs. 1 der auf das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Dienstordnungsangestellten [X.] und der [X.]n anwendbaren Dienstordnung sicherte dem verstorbenen [X.] eine Versorgung entsprechend den „Vorschriften für [X.]eamte des [X.]“ zu. Zum [X.]punkt des Vertragsschlusses und auch noch zum [X.]punkt des Todes von [X.] im September 2007 galt § 85 [X.] (aufgehoben mit Wirkung zum 12. Februar 2009 durch Art. 17 Abs. 11 des [X.] vom 5. Februar 2009, [X.]G[X.]l. I S. 160), der auf das [X.]eamtenversorgungsgesetz verwies. Dieses Gesetz ist deshalb für die Versorgung des [X.] als hinterbliebenem eingetragenen Lebenspartner von [X.] im hier streitgegenständlichen [X.]raum maßgeblich. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.]eamtVG sah in seiner bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung eine Hinterbliebenenversorgung nur für Ehepartner, nicht aber für eingetragene Lebenspartner vor.

2. Diese im Arbeitsvertrag iVm. der Dienstordnung der [X.]n und dem [X.]eamtenversorgungsgesetz angelegte Unterscheidung zwischen Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern hält jedoch einer Prüfung anhand der [X.] 2000/78/[X.] nicht stand mit der Folge, dass der Kläger so zu behandeln ist, als wäre er mit dem verstorbenen Dienstordnungsangestellten [X.] verheiratet gewesen.

a) Der Anwendungsbereich der [X.] 2000/78/[X.] ist eröffnet. Der streitgegenständliche Anspruch fällt in den Geltungsbereich dieser Richtlinie, weil die Hinterbliebenenversorgung ein [X.]estandteil des Arbeitsentgelts nach Art. 3 Abs. 1 [X.]uchst. c der [X.] 2000/78/[X.] ist. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Regelung sind nach Art. 157 Abs. 2 AEUV ua. Gehälter und alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Dazu können auch Leistungen zählen, die erst nach dem Ende der aktiven Dienstzeit gewährt werden ([X.] 23. Oktober 2003 - [X.]-4/02 - und - [X.]-5/02 - [Schönheit und [X.]] Rn. 56 ff., [X.]. 2003, [X.]; [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 12, [X.] 2011, 192).

Die Geltung der [X.] 2000/78/[X.] für den vorliegenden Fall wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gewährung der Hinterbliebenenversorgung ua. davon abhängt, in welchem Familienstand der Dienstordnungsangestellte lebt. Zwar lässt die [X.] 2000/78/[X.] nach ihrem Erwägungsgrund 22 einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt. Gleichwohl fällt die Hinterbliebenenversorgung aufgrund ihres Entgeltcharakters in den Geltungsbereich der [X.] 2000/78/[X.] ([X.] 1. April 2008 - [X.]/06 - [[X.]] Rn. 58 f., [X.]. 2008, [X.]; [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 13, [X.] 2011, 192).

b) Der Ausschluss der Lebenspartner im Sinne des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft von der Gewährung der Hinterbliebenenversorgung gegenüber der Gewährung dieser Versorgungsleistung an hinterbliebene Ehepartner eines Dienstordnungsangestellten stellt jedenfalls ab dem 1. Januar 2005 eine unmittelbare Diskriminierung iSd. [X.] 2000/78/[X.] dar (vgl. zur [X.]eamtenversorgung ab dem 1. Juli 2009: [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 14, [X.] 2011, 192).

aa) Nach Art. 2 Abs. 2 [X.]uchst. a der [X.] 2000/78/[X.] liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige [X.]ehandlung als eine andere Person erfährt. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu entscheiden, ob eine vergleichbare Situation gegeben ist ([X.] 1. April 2008 - [X.]/06 - [[X.]] Rn. 72 f., [X.]. 2008, [X.]; [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 15, [X.] 2011, 192).

bb) Vorliegend wird der Kläger als vormals in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einem Dienstordnungsangestellten Lebender im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Hinterbliebenenversorgung nach den [X.]estimmungen des [X.]eamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung gegenüber einem Hinterbliebenen eines verheirateten Dienstordnungsangestellten benachteiligt, weil ihm als hinterbliebenem Lebenspartner eine Hinterbliebenenversorgung nicht gewährt wird, während hinterbliebene Ehepartner verheirateter [X.] eine solche beanspruchen können.

(1) Die [X.]enachteiligung erfolgt wegen der sexuellen Ausrichtung. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist Personen gleichen Geschlechts vorbehalten, während die Ehe nur von Personen unterschiedlichen Geschlechts geschlossen werden kann; regelmäßig entspricht die Wahl des [X.] der sexuellen Orientierung der Partner. Durch diese unterschiedliche [X.]ehandlung werden Dienstordnungsangestellte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, gegenüber verheirateten Dienstordnungsangestellten unzulässigerweise diskriminiert, weil beide Gruppen sich im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung seit dem 1. Januar 2005 in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. für die [X.]eamtenversorgung ab dem 1. Juli 2009: [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 16, [X.] 2011, 192).

(2) Nach [X.] Recht befinden sich hinterbliebene Lebenspartner jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung in einer Eheleuten vergleichbaren Situation. Art. 6 Abs. 1 GG steht nicht entgegen. Danach ist es dem Gesetzgeber zwar verwehrt, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu begünstigen. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, im Sinne eines „Abstandsgebots“ andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen ([X.]VerfG 17. Juli 2002 - 1 [X.]vF 1/01, 1 [X.]vF 2/01 - zu [X.] II 1 c cc der Gründe, [X.]VerfGE 105, 313; 7. Juli 2009 - 1 [X.]vR 1164/07 - Rn. 105, [X.]VerfGE 124, 199). Damit ist es Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob und inwieweit er zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine vergleichbare Situation schafft ([X.] 15. September 2009 - 3 [X.] - Rn. 23, [X.] GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5).

Eine solche vergleichbare Situation hat der Gesetzgeber nicht bereits durch das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) in der ursprünglichen, am 1. August 2001 in [X.] getretenen Fassung (Art. 1, 5 des Gesetzes zur [X.]eendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16. Februar 2001, [X.]G[X.]l. I S. 266) geschaffen. Dieses Gesetz sah zwar in § 5 bereits eine Unterhaltspflicht für Lebenspartner vor, hatte jedoch Fragen der Altersversorgung nicht zum Gegenstand. Das änderte sich erst durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 ([X.]G[X.]l. I S. 3396), das nach seinem Art. 7 Abs. 1 am 1. Januar 2005 in [X.] trat. Durch dieses Gesetz wurde ein Versorgungsausgleich wie bei der Ehescheidung auch bei der Aufhebung der Lebenspartnerschaft eingeführt (§ 20 LPartG einerseits und früher §§ 1587 ff. [X.]G[X.] sowie jetzt [X.] andererseits). Weiter wurde § 46 SG[X.] VI ergänzt und damit die eingetragene Lebenspartnerschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehe gleichgestellt. Dadurch wurde „das Recht der Lebenspartnerschaft weitgehend an das Recht der Ehe angeglichen“ ([X.]T-Drucks. 15/3445 S. 14).

Diese vergleichbare Rechtslage ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt auch für die Hinterbliebenenversorgung im [X.]etriebsrentenrecht. Abzustellen ist dabei auf das Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers, der die der Versorgungszusage zugrunde liegende [X.]etriebszugehörigkeit zurückgelegt und entsprechende Arbeitsleistungen erbracht hat. Das knüpft an das [X.] zwischen dem Arbeitnehmer und der durch die Hinterbliebenenversorgung begünstigten Personen an. Dabei können sich zwar zu einer Differenzierung berechtigende Unterscheidungen auch aus einer unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung dieses [X.]ses ergeben. Ist die gesetzliche Ausgestaltung jedoch gerade nicht unterschiedlich sondern vergleichbar, rechtfertigt sie keine unterschiedliche [X.]ehandlung im Arbeits- und im daran anknüpfenden [X.] ([X.] 15. September 2009 - 3 [X.] - Rn. 25, [X.] GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5).

(3) Es bestehen seit dem 1. Januar 2005 keine maßgeblichen Unterschiede zwischen Lebens- und Ehepartnern hinsichtlich der gegenseitigen Unterhalts- und [X.]eistandspflichten. In beiden Fällen soll der Dienstordnungsangestellte in die Lage versetzt werden, sich selbst und seine Familie angemessen zu unterhalten. Zu den Unterhaltspflichten zählt auch die Vorsorge für den Todesfall (vgl. für [X.]eamte: [X.]VerwG 28.Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 16, [X.] 2011, 192). Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, dass Ehepartner häufig vorübergehend mit der Erziehung von Kindern befasst sind und sie deshalb zum Teil zeitweise keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einer Ehe keine Kinder erzogen werden oder dies nicht zu erheblichen Versorgungsnachteilen für einen Ehepartner führt. Andererseits ist Kindererziehung auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht ausgeschlossen, wovon bereits § 9 LPartG ausgeht ([X.] 15. September 2009 - 3 [X.] - Rn. 26, [X.] GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5).

c) Die Richtlinie 2000/78/[X.] ist unmittelbar anwendbar. Der Kläger kann sich auch auf diese berufen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] kann sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die [X.]estimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese [X.]estimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine Unionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine [X.]edingungen geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahme der [X.] oder der Mitgliedstaaten bedarf. Sie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt ([X.] 1. Juli 2010 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 44 [X.], [X.]. 2010, [X.]). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn der Mitgliedstaat zwar Umsetzungsmaßnahmen ergriffen hat, diese aber keine vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten ([X.] 11. Juli 2002 - [X.]/00 - [Marks & [X.]] Rn. 23 ff., [X.]. 2002, [X.]; [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 18, [X.] 2011, 192).

bb) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die [X.] 2000/78/[X.] wurde, was die Hinterbliebenenversorgung bis zum 31. Dezember 2008 angeht, nicht vollständig in [X.] Recht umgesetzt. Die maßgeblichen Richtlinienvorschriften sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Die Umsetzungsfrist ist im Jahr 2003 abgelaufen.

(1) Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel zur Erreichung dieses Ziels. Dabei hat der Mitgliedstaat sicherzustellen, dass die vollständige und effektive Anwendung der Richtlinie gewährleistet ist. Rechtsvorschriften, die der Richtlinie entgegenstehen, müssen daher aufgehoben oder geändert werden oder es muss auf andere geeignete Weise und für die von der Richtlinie [X.]egünstigten erkennbar erreicht werden, dass die sich aus der Richtlinie ergebende Rechtslage [X.]estandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung wird (vgl. zur [X.]eamtenversorgung: [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 20, [X.] 2011, 192).

(2) Diesen Anforderungen wird die Umsetzung der [X.] 2000/78/[X.] in den §§ 18 ff. und § 28 [X.]eamtVG in ihrer bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung, die nach § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der [X.]n im Streitfall entsprechend anwendbar sind, nicht gerecht. Die Vorschriften schließen den hinterbliebenen Lebenspartner des Dienstordnungsangestellten von der Gewährung der Hinterbliebenenversorgung nach den für Ehepartner geltenden Vorschriften aus. Insofern ist die Umsetzung der Richtlinie unvollständig geblieben; es wäre erforderlich gewesen, die einer Einbeziehung der Lebenspartnerschaften entgegenstehenden Vorschriften zu ändern und einen entsprechenden Anspruch im [X.] Recht zu verankern (vgl. zur [X.]eamtenversorgung: [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 21, [X.] 2011, 192).

(3) Die maßgeblichen Vorschriften der [X.] 2000/78/[X.] - insbesondere Art. 1 bis 3 und Art. 16 - sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Aus Art. 16 ergibt sich zweifelsfrei die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufenden Rechtsvorschriften aufzuheben und dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarende [X.]estimmungen ua. in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und [X.]etriebsordnungen für nichtig erklärt oder geändert werden. Die Umsetzungsfrist ist nach Art. 18 Satz 1 der [X.] 2000/78/[X.] seit dem 3. Dezember 2003 abgelaufen (vgl. zum [X.]eamtenversorgungsrecht: [X.]VerwG 28. Oktober 2010 - 2 [X.] 47.09 - Rn. 22, [X.] 2011, 192).

d) Dies hat zur Folge, dass die §§ 18 ff. und § 28 [X.]eamtVG iVm. dem Dienstvertrag des verstorbenen eingetragenen Lebenspartners des [X.] insoweit unanwendbar sind, als diese Regelungen mit Unionsrecht nicht in Einklang stehen. Die Vorschriften über die Hinterbliebenenversorgung müssen daher so angewandt werden, dass sie nicht zu einer Diskriminierung von Dienstordnungsangestellten führen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben bzw. gelebt haben und sich im Übrigen in einer mit Eheleuten vergleichbaren Situation befinden. Dies kann nur dadurch geschehen, dass in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Dienstordnungsangestellte so behandelt werden wie verheiratete Dienstordnungsangestellte. Dass dies über die bloße Nichtanwendung eines Teils des [X.] hinausgeht und dadurch ein vom Normgeber geregelter Anspruch einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von [X.]egünstigten gewährt wird, ist nicht zu beanstanden, denn anders lässt sich die volle Wirksamkeit der [X.] 2000/78/[X.] nicht herstellen (vgl. zur [X.]eamtenversorgung: [X.]VerwG 25. März 2010 - 2 [X.] 72.08 - [X.]VerwGE 136, 165).

III. Die [X.] hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, trifft die [X.] nach § 91a Abs. 1 ZPO die Kostenlast. Da die Klage auch für die [X.] ab dem 1. Januar 2009 bis zur Zahlung der Hinterbliebenenversorgung seit diesem [X.]punkt durch die [X.] zulässig und begründet war, entspricht es unter [X.]erücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der [X.]n die Kosten auch insoweit aufzuerlegen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    S. Hopfner    

        

    H. Frehse    

                 

Meta

3 AZR 684/10

11.12.2012

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 3. Februar 2010, Az: 8 Ca 199/09 Ö, Urteil

Art 6 Abs 1 GG, §§ 18ff BeamtVG, § 28 BeamtVG, § 5 LPartG, § 9 LPartG, § 20 LPartG, Art 157 Abs 2 AEUV, Art 288 Abs 3 AEUV, Art 1 EGRL 78/2000, Art 2 Abs 2 Buchst a EGRL 78/2000, Art 3 Abs 1 Buchst c EGRL 78/2000, Art 16 EGRL 78/2000, Art 18 S 1 EGRL 78/2000, § 19 Abs 1 S 2 Nr 1 BeamtVG, § 19 Abs 1 S 2 Nr 2 BeamtVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2012, Az. 3 AZR 684/10 (REWIS RS 2012, 527)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 527

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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