Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2005, Az. V ZR 271/04

V. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3200

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]BESCHLUSS [X.]
vom 9. Juni 2005 in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 531 Abs. 2, 544 Abs. 7

a) Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren, ist jedenfalls dann verletzt, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen unter offensichtlich feh-lerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Verhandlung zuläßt (vgl. [X.], NJW 2000, 945, 946 - zur Präklusion).
b) Ein solcher Fehler liegt vor, wenn im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substantiierung zu-rückgewiesen worden ist, ohne daß der [X.] durch einen unmißverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, und das Berufungsgericht auch das neue, nunmehr substantiierte Vorbringen unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 ZPO zurückweist.
c) Wird ein solcher Verfahrensfehler in einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, kann das Berufungsgericht im [X.]ußwege nach § 544 Abs. 7 ZPO das Berufungsurteil aufheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwei-sen.
[X.], [X.]. v. 9. Juni 2005 - [X.] - LG Schweinfurt

AG Bad Neustadt/Saale

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 8. Septem-ber 2004 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 65.344,29 [X.] festgesetzt.

Gründe: [X.] Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer [X.] und von Krankenkassenbeiträgen aus einem Vertrag über die Überlassung landwirtschaftlichen Grundbesitzes unter Übernahme von Leistungen zum voll-ständigen Unterhalt durch den Übernehmer. - 3 - Die Klägerin ist seit dem 20. April 2001 in einem Seniorenheim [X.]. Sie hat nach ihrer Aufnahme in das Heim von dem Beklagten die [X.] einer [X.] für ersparte Leistungen aus dem [X.] sowie die Zahlung der Beiträge zur Krankenversicherung einschließlich des Beitrags zur Pflegeversicherung verlangt, was der Beklagte ablehnte. Die Klage hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt, die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, mit der er auch die Verlet-zung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör wegen der Nichtzulas-sung seines Vortrages zur unzureichenden Leistungsfähigkeit des Betriebes gerügt hat. I[X.] Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. 1. Das [X.] ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Klägerin aus Art. 18 Satz 1 BayAGBGB von dem Beklagten eine [X.] für dessen Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienst-leistungen verlangen kann. Die Erforderlichkeit der Unterbringung der Klägerin in einem Pflegeheim ist in den Vorinstanzen festgestellt worden. Für derartige Fälle hat der [X.] bereits entscheiden, daß der Übernehmer des landwirt-schaftlichen Anwesens, der seine Verpflichtungen zur Gewährung von Unter-kunft und Pflege auf dem Grundstück wegen einer medizinisch notwendigen Unterbringung des Berechtigten in einem Pflegeheim nicht mehr erfüllen kann, sich in Höhe der ersparten Aufwendungen an den Kosten des Pflegeheimes beteiligen muß (vgl. [X.]surt. v. 21. September 2001, [X.], [X.] 2002, 702, 705 und [X.]sbeschl. v. 23. Januar 2003, [X.], NJW-RR 2003, 577, 578). - 4 - 2. Die Entscheidung kann aber nicht bestehen bleiben, weil das [X.] den Einwendungen des Beklagten über die unzureichende Leistungsfähig-keit des übernommenen Hofes für eine Rente in der festgesetzten Höhe nicht nachgegangen ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist wegen des gerügten Verfahrensfehlers begründet. a) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht den Vortrag und die [X.] in den Schriftsätzen vom 25. Mai 2004 und vom 16. Juli 2004 dazu, daß die Leistungsfähigkeit des übernommenen landwirtschaftlichen Anwesens zur Zahlung der zuerkannten [X.] nicht ausreiche, unter Hinweis auf § 531 ZPO nicht zur Verhandlung und Entscheidung zugelassen. Es hätte dem Vor-trag nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nachgehen müssen, weil das Vorbringen auf-grund eines Verfahrensmangels des Erstgerichts nicht geltend gemacht worden war. Nach dieser Vorschrift ist neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn das Eingangsgericht die nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO gebotenen Hinweise unter-lassen hat, damit sich die [X.]en rechtzeitig und vollständig über alle erhebli-chen Tatsachen erklären, ungenügende Angaben ergänzen und die anzubie-tenden Beweismittel bezeichnen können ([X.], [X.] 158, 295, 305, unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/4722, [X.]). Diese Hinweise waren in erster Instanz nicht erteilt worden. Der [X.] vom 8. März 2002, auf den das [X.] verwiesen hat, vermag die Nichtzulassung des neuen Vortrags und der dazu angebotenen Beweise nicht zu tragen. Jener [X.]uß enthielt zwar umfängliche Hinweise zu den für die Entscheidung zu beachtenden rechtlichen Gesichtspunkten und for-derte die [X.]en zu einer Stellungnahme auf. Es fehlte aber jeder Hinweis darauf, daß der Vortrag des Beklagten zu der nicht vorhandenen [X.] nicht den Anforderungen genügte, um im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens durch das Gericht bei der Bestimmung der Höhe der [X.] - 5 - nach Art. 18 Satz 1 BayAGBGB berücksichtigt werden zu können. Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht nicht dadurch, daß es allgemeine und pauschale Hinweise erteilt; es muß vielmehr die [X.]en auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmißverständlich hinweisen und ihnen damit die Möglichkeit eröffnen, dieses Vorbringen zu ergänzen ([X.], Urt. v. 25. Juni 2002, [X.], NJW 2002, 3317, 3320). b) Die Zurückweisung des unter Beweis gestellten Vortrags des [X.] verletzt dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar führt nicht jeder Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht in erster Instanz und jede fehlerhafte Zurückweisung neuen Vorbringens im [X.] auch zu einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts. Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Berufungsgericht jedoch dazu, neues [X.] dann zuzulassen, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht das Ausbleiben des Vorbringens in der [X.] mitverursacht hat (vgl. [X.], NJW 2000, 945, 946). Ist im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserhebli-chen Punkt mangels hinreichender Substantiierung zurückgewiesen worden, ohne daß der [X.] durch einen unmißverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, stellt sich die Zurückweisung des neuen, nunmehr substantiierten Vortrags im [X.] als eine offenkundig unrichtige Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dar. Ein solches Vorgehen des [X.] kommt einer Verhinderung des Vortrages zu entscheidungserheblichen Punkten gleich (vgl. [X.]E 84, 188, 190). c). Das [X.] beruht auch auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies ist bereits dann so, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens [X.] - ders entschieden hätte ([X.]surt. v. 18. Juli 2003, [X.], NJW 2003, 3205 f. unter Hinweis auf die [X.]. des [X.]). Insoweit gilt für die Bemessung einer [X.] anstelle von Unterbrin-gung und der Erbringung von Pflegeleistungen auf dem Grundstück aus Art. 18 Satz 1 BayAGBGB der allgemeine Grundsatz, daß durch einen [X.] dem Verpflichteten nicht höhere Leistungen auferlegt werden sollen, als er aus der Hofstelle bewirken kann ([X.] 25, 293, 298). Ist eine Rente nach Art. 18 Satz 1 BayAGBGB festzusetzen, so ist es geboten, den rechnerischen Wert der Einzelleistungen auch dahin zu überprüfen, ob die sich daraus ergebende mo-natliche Geldleistung vom Verpflichteten aus den Erträgnissen des Hofes [X.] in voller Höhe gewährt werden kann (BayObLGZ 1974, 386, 395 f.). 3. Der [X.] hat von der Möglichkeit der Aufhebung und [X.] durch [X.]uß nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht. Das gibt dem [X.] Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen zur Ertragskraft der überlassenen Hofstelle nachzuholen und im Anschluß daran das Ermessen zur Bestimmung der Höhe der Rente neu auszuüben. - 7 - II[X.] Die Entscheidung über den Streitwert der Beschwerde folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO. [X.]

Krüger

Klein

Stresemann

Czub

Meta

V ZR 271/04

09.06.2005

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2005, Az. V ZR 271/04 (REWIS RS 2005, 3200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3200

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 99/04 (Bundesgerichtshof)


X ZR 32/22 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 377/14 (Bundesgerichtshof)

Hinweispflicht des Berufungsgerichts: Abweichen von der Beurteilung der Vorinstanz


VI ZR 126/11 (Bundesgerichtshof)

Neues Vorbringen im Berufungsverfahren: Gerichtlicher Hinweis an erstinstanzlich obsiegende Partei bei abweichender Ansicht in einem …


I ZR 43/12 (Bundesgerichtshof)

Rechtliches Gehör: Zulassung "neuen" Berufungsvorbringens wegen Verletzung der richterlichen Hinweispflicht im erstinstanzlichen Verfahren


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.