Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2014, Az. IX ZR 147/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7101

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Gegenstand

Insolvenzeröffnungswirkung: Unwirksamkeit einer Leistungsbestimmung des Schuldners


Leitsatz

Eine vom Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Leistungsbestimmung zugunsten eines Dritten ist unwirksam.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 9. September 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wurde, als diese beantragt hatte, den Beklagten zu verurteilen, an sie in ihrer Eigenschaft als Verwalterin über das Vermögen des Schuldners [X.]    15.000 € nebst Zinsen zu zahlen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt als Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.](nachfolgend: Schuldner) die Rückzahlung von 15.000 € zur Insolvenzmasse, die dem beklagten Amt (nachfolgend: Beklagter) über ein [X.] zur Erfüllung eines notariellen Grundstückskaufvertrages zugeflossen sind.

2

Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, folgender Sachverhalt zugrunde:

3

Am 9. Januar 2008 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am 22. Dezember 2008 schloss der Schuldner mit dem Beklagten namens und in Ausübung einer notariellen Generalvollmacht des [X.]     vom 11. Dezember 2004 einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück, wobei er der beurkundenden Notarin sofort einen Betrag von 15.000 € in bar als Anzahlung auf den Kaufpreis von 65.000 € aushändigte, den diese umgehend auf ein von ihr hierfür errichtetes [X.] einzahlte. Am 19. Februar 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aufgehoben und die Restschuldbefreiung angekündigt. Auf Antrag der Klägerin wurde mit Beschluss vom 23. Juli 2009 die [X.] wegen der 15.000 € angeordnet und der Vollzug der Klägerin übertragen.

4

Die Klägerin hat von dem Beklagten in erster Instanz unter anderem Freigabe dieses Geldes auf dem [X.] verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat die Klägerin - nach Auszahlung des Geldes vom [X.] an den Beklagten - Zahlung begehrt. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Wegen der vom Schuldner übergebenen 15.000 € hat der Senat die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, ausgeführt:

7

Ein Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 [X.] in Verbindung mit § 81 [X.] hinsichtlich der Geldscheine scheide aus, weil das Geld auf das [X.] eingezahlt worden sei. Ein Anspruch nach § 812 ff [X.] stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 [X.] (Leistungskondiktion) scheitere daran, dass nicht der Beklagte als Empfänger der Leistung anzusehen sei. Hätte nämlich der Schuldner eigenes Geld einbezahlt, liege eine Zahlung auf fremde Schuld gemäß § 267 Abs. 1 [X.] vor. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die [X.] gemäß § 81 [X.] unwirksam sei. Die [X.] sei keine Verfügung. Maßgebend sei allein, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstelle. Jedenfalls im Zeitpunkt des Eingangs des Geldes auf dem [X.] hätten die Vertreter der Beklagten noch nichts von einem angeblichen Missbrauch der Generalvollmacht des [X.]    gewusst. Eine spätere Kenntnis sei unerheblich.

8

Habe der Schuldner fremdes Geld übergeben, liege eine direkte Leistung des [X.]      an den Beklagten vor. Die Klägerin könne deshalb in jedem Fall nur vom [X.]     eine Rückzahlung verlangen.

9

Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 2. Altern. [X.] komme wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nicht in Betracht. Ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung scheide gemäß § 129 Abs. 1 [X.] aus, weil die fragliche Handlung nach Eröffnung vorgenommen worden sei. Auch ein solcher Anspruch könne sich zudem nur gegen den [X.]     richten.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die vom Schuldner an die Notarin übergebenen 15.000 € eigenes Geld des Schuldners oder im Eigentum des [X.]     stehendes Geld war. Dies durfte indessen nicht dahinstehen, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Klage im Falle, dass es sich um Geld des Schuldners handelte, begründet ist.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass ein Anspruch der Klägerin ausscheidet, wenn es sich um Geld des [X.]      gehandelt hat. Dann hat der Schuldner als Vertreter des Zeugen gehandelt und für diesen das Geld über die Notarin und die Bank als [X.] an den Beklagten geleistet. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung an die Masse im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners scheidet dann aus. Das wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

2. Handelte es sich dagegen um Geld des Schuldners, ist ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gegeben.

a) Dem steht nicht schon die Auffassung der Revisionserwiderung entgegen, es liege auch in diesem Falle eine Leistung des [X.]    an den Beklagten vor, weil der Schuldner das Geld zunächst durch Insichgeschäft dem [X.]    übereignet habe, bevor er es der Notarin als dessen Vertreter übereignet habe. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil eine solche Übereignung an den [X.]     gemäß § 81 Abs. 1 [X.] unwirksam gewesen wäre. Stand das Geld zuvor im Eigentum des Schuldners, war es gemäß § 35 Abs. 1 [X.] vom [X.] erfasst. Anhaltspunkte für eine Unpfändbarkeit liegen nicht vor. Jedenfalls konnten gemäß § 91 [X.] weder der Zeuge L.     noch die Notarin Eigentum an den Geldscheinen erwerben.

b) Liegt, wie das Berufungsgericht angenommen hat, eine wirksame (Teil-)Erfüllung des Anspruch des Beklagten gegen den [X.]     aus dem Kaufvertrag vor, hat die Klägerin allerdings nur einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 [X.] (Leistungskondiktion) gegen den [X.]    ([X.], Urteil vom 22. Oktober 1975 - [X.], [X.], 1235; vom 23. Februar 1978 - [X.], [X.]Z 70, 389, 396 f; vom 4. November 1997 - [X.], [X.]Z 137, 89, 94 f; [X.]/[X.], [X.], 73. Aufl. § 267 Rn. 7). Diesem Anspruch kann der Schuldner der befriedigten Forderung auch nicht § 814 [X.] entgegenhalten ([X.], je aaO).

Eine derartige Leistung eines [X.] setzt allerdings voraus, dass der Dritte den Willen hat und zum Ausdruck bringt, auf die Verpflichtung des Schuldners zu leisten; maßgeblich ist, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt ([X.], Urteil vom 26. September 1994 - [X.], [X.], 128, 129; vom 4. November 1997, aaO je mwN).

Allerdings gilt auch hier der allgemeine Grundsatz der Rechtsscheinslehre, dass der gutgläubige Vertragsgegner bei Fehlen der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins nicht geschützt werden kann. Der Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers kann die fehlende wirksame Tilgungs- und Zweckbestimmung nicht ersetzen ([X.], Urteil vom 20. März 2001 - [X.], [X.]Z 147, 145, 151 mwN; vom 21. Januar 2010 - [X.], [X.], 473 Rn. 13; vom 21. November 2013 - [X.], [X.], 21 Rn. 17).

c) Es liegt danach - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - keine wirksame Schuldtilgung gegenüber dem Beklagten vor. Deshalb besteht der Anspruch des Beklagten aus dem Kaufvertrag weiter. In diesem Fall findet der [X.] zwischen dem scheinbar Leistenden, hier dem Insolvenzschuldner, und dem Gläubiger statt ([X.], Urteil vom 4. November 1997, aaO [X.]; vom 20. März 2001, aaO S. 149; [X.]/[X.], aaO § 267 Rn. 3; vgl. auch [X.], Urteil vom 21. November 2013, aaO Rn. 11; MünchKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl. § 267 Rn. 23).

Der Beklagte hat, weil keine Leistung des Schuldners vorliegt, auf sonstige Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 2 [X.]).

aa) Die Erfüllungshandlung des Schuldners war gemäß § 81 Abs. 1 [X.] unwirksam. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens war der Schuldner gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht mehr berechtigt, im Verhältnis zu dem Beklagten eine wirksame Erfüllungszweckbestimmung zu treffen. Bedient sich der Schuldner zur Begleichung einer Verbindlichkeit eines Zahlungsmittlers, hängt die Erfüllung von der konstitutiven Wirksamkeitsvoraussetzung ab, dass er eine entsprechende [X.] verlautbart. Diese [X.] hat verfügungsähnliche Wirkung. Sie erfordert deshalb die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis des Schuldners ([X.], Urteil vom 21. November 2013, aaO Rn. 21).

Unwirksam nach § 81 Abs. 1 [X.] ist auch eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der Senat hat unter Verfügungen in diesem Sinne alle Rechtshandlungen verstanden, die auf das Vermögen des Schuldners unmittelbar einwirken. Daher sind alle Zahlungen des Schuldners sowie die Genehmigung im Einzugsermächtigungsverfahren betroffen ([X.], Urteil vom 25. Oktober 2007 - [X.], [X.]Z 174, 84 Rn. 19 mwN). Es werden auch verfügungsähnliche Geschäfte erfasst ([X.], Urteil vom 21. November 2013, aaO mwN; [X.], [X.], 13. Aufl. § 81 Rn. 2 f). Auch die Ermächtigung eines [X.] durch den Schuldner, für ihn eine Leistung entgegenzunehmen, ist nach § 81 [X.] unwirksam ([X.], Beschluss vom 12. Juli 2012 - [X.], [X.], 1565 Rn. 7; vom 12. Juli 2012 - [X.], [X.], 1517 Rn. 14). Für die Leistungsbestimmung nach § 267 Abs. 1 [X.] gilt dasselbe. Auch sie ist eine verfügungsähnliche Handlung. Da somit eine wirksame Leistung durch den Schuldner als [X.] nicht vorliegt, trat durch die [X.] an den Beklagten auch keine Erfüllungswirkung ein ([X.], Urteil vom 4. November 1997, aaO [X.]).

Ob die Klägerin eine Leistungsbestimmung nach § 267 [X.] hätte nachholen können (vgl. dazu [X.], Urteil vom 14. Juli 1964 - [X.], NJW 1964, 1898, 1899; vom 15. Mai 1986 - [X.], NJW 1986, 2700; vom 4. November 1997, aaO; Beschluss vom 12. Juli 2012, aaO Rn. 15 f) kann dahinstehen. Eine solche Leistungsbestimmung, die in einer Klage gegen den [X.]    möglicherweise hätte gesehen werden können, ist vorliegend jedenfalls nicht erfolgt.

bb) Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach Bereicherungsrecht. § 143 [X.] ist entgegen der Ansicht der Revision nicht analog anwendbar. Diese Vorschrift gilt nur für das Insolvenzanfechtungsrecht, das hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil es gemäß § 129 Abs. 1 [X.] nur Rechtshandlungen betrifft, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Im Übrigen fehlt es für die Bemessung der Höhe des [X.] an einer Regelungslücke, weil der Umfang des Anspruchs in den §§ 812 ff [X.] ausreichend geregelt ist.

III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird nunmehr festzustellen haben, ob es sich bei den 15.000 € um eigenes Geld des Schuldners oder um Geld des [X.]    gehandelt hat.

[X.]                        Vill

             Lohmann                       Fischer

Meta

IX ZR 147/11

13.03.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 9. September 2011, Az: 1 U 34/10

§ 81 Abs 1 InsO, § 267 Abs 1 S 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2014, Az. IX ZR 147/11 (REWIS RS 2014, 7101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7101

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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