Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2004, Az. II ZR 316/01

II. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4220

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL II ZR 316/01 Verkündet am: 8. März 2004 [X.] Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

GmbHG § 35 Abs. 4; BGB § 181

Zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Aktivlegitimation des geschäftsführenden [X.] einer [X.] im Hinblick auf eine durch Selbstkontrahieren an sich abgetretene For-derung der Gesellschaft.

[X.], Urteil vom 8. März 2004 - II ZR 316/01 - OLG Düsseldorf

LG Wuppertal

- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 8. März 2004 durch [X.] h.c. Röhricht und [X.], [X.], [X.], und [X.]
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 7. März 2001 aufgeho-ben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist seit 1978 Mitgesellschafter der beklagten GmbH, die sich bundesweit mit der Akquisition und dem "Abschluß von Industrieaufträgen für Verkaufsförderung und Schauwerbung für die Unternehmen der Gesellschafter" (§ 2 Nr. 1 der Satzung) befaßt. Die Gesellschafter der Beklagten - sämtlich na-türliche Personen - betreiben ihre Unternehmen überwiegend als [X.]en mbH und ansonsten als Einzelfirmen. Jedem Gesellschafter ist nach § 11 Nr. 1 der Satzung eine bestimmte Region mit [X.] 3 - recht zugewiesen. Das Arbeitsgebiet des [X.], der als alleiniger Gesell-schafter und Geschäftsführer die [X.] betreibt, trägt in der Anlage zur Satzung (Landkarte) die Bezeichnung [X.] ([X.]). Seit 1990 kam es zwischen dem Kläger und dem damaligen Geschäftsführer der [X.] (nachfolgend: Streithelfer), der ebenfalls Mitgesellschafter der Beklagten ist, zu Auseinandersetzungen. In der [X.] von 1992 bis 1995 vergab der Streithelfer namens der Beklagten Aufträge aus dem Arbeitsgebiet des [X.] an den [X.] [X.]. in [X.], der nicht Gesellschafter der Be- klagten ist. Nach den Geschäftsunterlagen der Beklagten wurden an [X.]. in diesem [X.]raum [X.] in einer Gesamthöhe von 278.290,37 DM ausgezahlt. Der Kläger hat durch - rechtskräftiges - Urteil des [X.]. vom 23. März 1994 der Beklagten die vertragswidrige Vergabe von Aufträgen aus seinem "Arbeitsgebiet" an Drittfirmen untersagen lassen.
Mit der vorliegenden Klage hat er die Beklagte auf Schadensersatz in Form entgangenen Gewinns von 80.185,87 DM wegen der mit der satzungs-widrigen Vergabe an [X.]. verbundenen [X.] in Anspruch ge- nommen. Das [X.] hat nach Einholung eines Sachverständigengutach-tens zur Höhe des der GmbH des [X.] entstandenen Schadens der Klage in Höhe von 72.204,28 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die vom Streithelfer zugunsten der Beklagten eingelegte Berufung hat das Ober-landesgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Kläger mit der Revision, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtli-chen Urteils erstrebt. - 4 - Entscheidungsgründe:

[X.] Da die Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Be-kanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des [X.] durch [X.] zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO a.F.). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.] 37, 79, 82).
Die Revision des [X.] ist begründet und führt zur Aufhebung und [X.] an das Berufungsgericht.
I[X.] Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger sei zur Geltendma-chung des durch die Vertragsverletzung der Beklagten nicht ihm persönlich, sondern seiner GmbH entstandenen Schadens nicht aktivlegitimiert. § 2 der Satzung enthalte eine vertragliche Schutzregelung zugunsten der Unternehmen der einzelnen Gesellschafter, so daß diese Unternehmen selbst, sofern sie ei-gene Rechtspersönlichkeit hätten, über eigene Schadensersatzansprüche bei Vertragsverletzung verfügten. Da der Kläger erstmals - und damit verspätet - in der Berufungsverhandlung die Abtretung der Ersatzansprüche seiner GmbH an sich behauptet, jedoch nicht nachgewiesen habe, sei er insoweit beweisfällig geblieben. Das Gericht sei weder zu einem Hinweis vor dem Termin noch zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf das nicht nachgelassene schriftsätzliche Vorbringen des [X.] verpflichtet gewesen.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II[X.] Das Berufungsgericht hat bei seiner auf das Fehlen der Aktiv-legitimation des [X.] gestützten Entscheidung wesentlichen Prozeßstoff un-- 5 - berücksichtigt gelassen und zudem im Anschluß an eine offensichtlich unzurei-chende Ausübung der ihm obliegenden Hinweispflicht (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO a.F.) die beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO a.F.) zu Unrecht abgelehnt.
1. Folgt man dem Verständnis des Berufungsgerichts, daß der [X.] ein eigener Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen eines [X.] mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustehe, bedurfte es zwar zur Gel-tendmachung ihres Schadens durch den Kläger im eigenen Namen und auf Leistung an sich einer wirksamen Abtretung dieser Rechte "seiner" GmbH an ihn oder zumindest - vom Berufungsgericht außer Betracht gelassen - seiner Ermächtigung im Sinne einer gewillkürten Prozeßstandschaft, die je nach Inhalt der Ermächtigung auch zur Forderung der Leistung an sich selbst berechtigen kann (vgl. zur letztgenannten Konstellation im Verhältnis zwischen GmbH und beherrschendem Gesellschafter: [X.], Urt. v. 14. Juli 1965 - [X.], NJW 1965, 1962). Das Berufungsgericht hat jedoch an die danach dem Kläger obliegende Darlegungs- bzw. Beweislast in Anbetracht der besonderen tatsäch-lichen und rechtlichen Verhältnisse offensichtlich überzogene Anforderungen gestellt. Als Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der [X.] konnte der Kläger - von hier nicht vorliegenden Rechtsmißbrauchsfällen, etwa einer verbotenen Einlagenrückgewähr gemäß §§ 30, 31 GmbHG, abgesehen - die Schadensersatzforderung seiner [X.] jederzeit an sich abtreten bzw. sich auch nur die Ermächtigung im Sinne gewillkürter Prozeßstandschaft verschaffen; soweit wegen des in solchen Fällen vorliegenden Insichgeschäfts (§§ 35 Abs. 4 GmbHG, 181 BGB) eine [X.] vom Verbot des Selbstkontra-hierens erforderlich ist, spricht bei der üblichen notariellen Satzungsgestaltung eine tatsächliche Vermutung für deren Vorliegen. Dementsprechend ergab sich nach dem zu unterstellenden Willen des [X.] ein - ausreichender - konklu-- 6 - denter Vortrag dieser Umstände bereits aus der Tatsache der vorgerichtlichen Geltendmachung des Schadens sowie der anschließenden Klageerhebung selbst. In diesem Sinne ist die Aktivlegitimation bzw. Ermächtigung des [X.] zur Geltendmachung des Schadens seiner [X.] im eigenen Namen erstinstanzlich zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Dies geschah er-sichtlich auch vor dem Hintergrund, daß die Beklagte angesichts ihrer persona-listischen Gesamtstruktur offensichtlich von den persönlichen und rechtlichen Verhältnissen ihrer Mitglieder und der von diesen betriebenen "Unternehmen" von Anfang an informiert war, schon weil es für den Bestand der [X.] auf die Inhaberverhältnisse an den Unternehmen ihrer Gesellschafter ankam (vgl. § 11 Nr. 7 der Satzung). Dementsprechend hat auch das [X.] die Aktivlegitimation bzw. Prozeßstandschaft des [X.] zu Recht als unstreitig behandelt und sich nur mit "der Sache selbst" befaßt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält auch die Berufungsbegründung keine ausdrückliche Rüge des nunmehr den Prozeß führenden Streithelfers der [X.] im Hinblick auf eine angeblich fehlende Aktivlegitimation des [X.]; vielmehr hat der Streithelfer dort sogar selbst vorgebracht, es komme - abgesehen von der Frage der schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten - darauf an, "ob dadurch gegebenenfalls welcher Schaden der Höhe nach beim Kläger oder gegebenenfalls bei einem im Gesellschaftsvertrag geschützten [X.] im Sinne der Schadensdrittliquidation entstanden ist".
Die auf den erstmaligen Hinweis des Gerichts in der [X.] des [X.] abgegebene Erklärung, der Klä-ger habe ihm - offensichtlich auf vorsorgliche Nachfrage - fernmündlich kurz vor dem Termin erklärt, daß die [X.] ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an ihn abgetreten habe, stellt daher - zumal in Anbetracht des bisherigen [X.] - einen ausreichend substantiierten Vortrag in - 7 - bezug auf seine Aktivlegitimation aus abgetretenem Recht bzw. auf eine Pro-zeßstandschaft dar. Da zudem weder die Beklagte noch deren Streithelfer als ihr ehemaliger Geschäftsführer die [X.] des [X.] vom [X.] irgendwie in Abrede gestellt und das Berufungsgericht offensicht-lich diese Frage auch nicht problematisiert hatte, bedurfte es hierzu angesichts der weiterhin bestehenden tatsächlichen Vermutung zugunsten des [X.] - eine solche [X.] lag im übrigen ausweislich des später eingereichten [X.] seit Gründung der [X.] vor - jedenfalls bis zu einem ausdrücklichen Bestreiten der Beklagten keines weiteren [X.].
Das modifizierte Bestreiten der vom Kläger schlüssig behaupteten Abtre-tung durch den Streithelfer der Beklagten in der Berufungsverhandlung ist - entgegen der Ansicht des [X.] - prozessual unbeachtlich (§ 138 ZPO). Der Streithelfer hat - nach anfänglichem Bestreiten "in [X.] und Bogen" - sein Bestreiten dahin modifiziert, er bestreite nicht, daß der Kläger die Erklärung über die Abtretung seinem Prozeßbevollmächtigten gegenüber abgegeben habe, er bestreite jedoch deren Wahrheitsgehalt.
Dieses modifizierte Bestreiten geht in zweifacher Hinsicht ins Leere:
Es ist schon als bloße "Behauptung ins Blaue hinein" zu beanstanden, weil für eine "Lüge" des [X.] hinsichtlich der von ihm behaupteten [X.] - zumal vor dem Hintergrund der allen Beteiligten geläufigen rechtlichen Verhältnisse der [X.] als [X.] - über- haupt kein Anhaltspunkt bestand. - 8 - Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, daß der Kläger als [X.]er und Geschäftsführer "seiner" GmbH jederzeit durch "[X.]" die betreffenden Erklärungen wirksam abgeben konnte. Ein [X.] wäre hier sogar im Zweifel konkludent aus der unstreitigen Tatsache des Telefonats des [X.] mit seinem Prozeßbevollmächtigten und dessen Inhalt abzuleiten.
Schon angesichts dessen ist die sofortige Schließung der mündlichen Verhandlung und die daran anschließende Beweislastentscheidung zum Nach-teil des [X.] hinsichtlich seiner "Aktivlegitimation" rechtsfehlerhaft.
2. Zumindest hätte das Berufungsgericht - das offensichtlich die beson-deren Verhältnisse der [X.] als [X.] nicht hinreichend bedacht hat - auf die nicht nachgelassenen Schriftsätze des [X.] dessen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO a.F.) stattgeben müssen, da spätestens jetzt die Unzulänglichkeit der bisherigen Ausübung der gerichtlichen Hinweispflicht offen zutage lag (vgl. [X.].Urt. v. 8. Februar 1999 - [X.], NJW 1999, 2123, 2124).
3. Entsprechendes gilt sinngemäß auch für die - vom Berufungsgericht nicht in Betracht gezogene - Möglichkeit einer gewillkürten Prozeßstandschaft des [X.].
[X.] Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Aktivlegitimation oder Prozeßstandschaft des [X.] kann in der neuen Berufungsverhandlung von dem Gericht und dem Streithelfer nicht mehr in Zweifel gezogen werden, nachdem der Kläger bereits im zweiten - nicht - 9 - nachgelassenen - Schriftsatz sowohl eine schriftliche Bestätigung über die Ab-tretung als auch einen Handelsregisterauszug hinsichtlich seiner [X.] von den Beschränkungen des Selbstkontrahierens vorgelegt hat. Das [X.] wird sich daher nunmehr "in der Sache selbst" mit den Einwendungen des Streithelfers der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu befassen haben.

[X.]

[X.] Gehrlein

Meta

II ZR 316/01

08.03.2004

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2004, Az. II ZR 316/01 (REWIS RS 2004, 4220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4220

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