Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.08.2011, Az. XI B 39/11

11. Senat | REWIS RS 2011, 4153

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Gegenstand

Erfolgreiche Beschwerde gegen die Ablehnung einer AdV - AdV gegen Sicherheitsleistung


Leitsatz

1. NV: Eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer AdV durch das FG hat Erfolg, wenn das FG in einer Parallelsache zwischen den Beteiligten am selben Tag die Revision gegen sein klageabweisendes Urteil mit der - nicht von der Hand zu weisenden - Begründung zulässt, die Rechtslage sei noch nicht geklärt .

2. NV: Zur Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung .

Tatbestand

1

I. Die [X.]ntragstellerin und Beschwerdeführerin ([X.]ntragstellerin), eine [X.]G mit Sitz im Inland, vertrieb in den Jahren 2001 bis 2005 (Streitjahre) im [X.] Raum Fondsanteile der [X.] Fondsgesellschaften [X.] und B. Sie war dazu von ihrer Schwestergesellschaft, der … mit Sitz in [X.], beauftragt worden, die Inhaberin der [X.]lleinvertriebsrechte dieser Fondsgesellschaften war.

2

Die [X.]ntragstellerin sah in ihrer Tätigkeit umsatzsteuerfreie Vermittlungen von Fondsanteilen i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e oder f des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Leistungen seien nicht steuerbar, weil sie gemäß § 3a [X.]bs. 4 Nr. 6 Buchst. a i.V.m. § 3a [X.]bs. 3 UStG dort erbracht worden seien, wo die … als Leistungsempfängerin ihren Sitz habe ([X.]).

3

Nach [X.]uffassung des [X.]ntragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --F[X.]--) stellte dagegen die ausgeübte Tätigkeit der Klägerin --mit [X.]usnahme von einvernehmlich abgegrenzten [X.] keine Vermittlungstätigkeit i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. e oder f UStG dar. Vielmehr lägen anderweitige sonstige Leistungen vor, die teilweise nicht steuerbar und teilweise steuerpflichtig seien. Das F[X.] setzte die Umsatzsteuer für 2001 bis 2005 durch [X.] vom 6. [X.]pril 2009 entsprechend fest.

4

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage der [X.]ntragstellerin wegen Umsatzsteuer 2005 mit Urteil vom 24. März 2011 abgewiesen ([X.]z. 6 K 2456/09, juris) und die Revision zugelassen ([X.]z. des Bundesfinanzhofs --BFH-- [X.]).

5

Es hat ferner den bei ihm gestellten [X.]ntrag der [X.]ntragstellerin, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2005 auszusetzen, durch den angefochtenen Beschluss (ebenfalls) vom 24. März 2011 als unbegründet abgelehnt und die Beschwerde gemäß § 128 [X.]bs. 3 i.V.m. § 115 [X.]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zugelassen.

6

Die [X.]ntragstellerin beantragt, unter [X.]ufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom 6. [X.]pril 2009 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Revision [X.] ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 [X.]O zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Sie führt zur Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide gegen Sicherheitsleistung.

8

1. Es bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom 6. April 2009. Denn bei der gebotenen summarischen Prüfung treten neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung der zugrunde liegenden Rechtsfragen bewirken (vgl. die ständige Rechtsprechung des [X.] seit dem Beschluss vom 10. Februar 1967 [X.]/66, [X.]E 87, 447, [X.] 1967, 182).

9

Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist zur AdV nicht erforderlich (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 26. Mai 2010 [X.]/09, [X.]/NV 2010, 2079; vom 12. April 2011 [X.], [X.]/NV 2011, 1374, unter II.1.).

2. Diese Zweifel ergeben sich aus dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil des [X.] wegen Umsatzsteuer 2005 ([X.]. 6 K 2456/09, juris).

a) Das [X.] hat die Revision gegen dieses Urteil "gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.]O" zugelassen und zur Begründung u.a. ausgeführt, es sei der Rechtsprechung des [X.] gefolgt, erachte es --auch vor dem Hintergrund der immensen wirtschaftlichen Folgen nicht nur im [X.] aber für angezeigt, dass der [X.] seine Rechtsprechung weiter präzisiere. Insbesondere weiter klärungsbedürftig sei die Frage, wo die Grenze zwischen bloßer Sacharbeit und Vermittlungstätigkeit verlaufe. Darauf werde auch in der Literatur hingewiesen.

Unabhängig davon sehe der Senat auch Klärungsbedarf in der Frage, in welchem Umfang die Ausführungen des [X.] im Urteil vom 9. Juli 1998 [X.]/97 ([X.]E 187, 56, [X.] 1999, 253) in dem hier interessierenden Zusammenhang weiterhin gültig seien. Der [X.] habe sich im Urteil vom 30. Oktober 2008 [X.] ([X.]E 223, 507, [X.] 2009, 554) mit dieser Frage nicht beschäftigt.

b) Angesichts dieses vom [X.] selbst dargelegten --und nicht von der Hand zu weisenden-- Klärungsbedarfs besteht Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Rechtsfragen (vgl. auch [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2011, 1374, unter II.2.b).

Darüber ist nicht im summarischen Verfahren auf AdV eines Verwaltungsaktes zu entscheiden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 30. Oktober 2007 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 627; in [X.]/NV 2011, 1374, unter II.2.a).

3. Allerdings war die somit zu gewährende AdV --wie vom [X.] in der Beschwerdeerwiderung hilfsweise geltend gemacht-- von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 [X.]O kann auch die finanzgerichtliche AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Durch die Verknüpfung mit einer Sicherheitsleistung sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Eine diesbezügliche Gefahr kann insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bestehen. Andererseits entfällt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 26. Mai 1988 [X.], [X.]/NV 1989, 403, unter 1.b aa; vom 24. Oktober 2000 [X.]/00, [X.]/NV 2001, 493; vom 29. November 2004 [X.], [X.]E 208, 93, [X.] 2005, 535, und vom 25. November 2005 [X.], [X.]E 212, 176, [X.] 2006, 484, unter II.4.a).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt es im Rahmen sachgerechter Ausübung des richterlichen Ermessens, die der Antragstellerin zugebilligte AdV mit der Anordnung einer Sicherheitsleistung in Höhe des Umfangs der Aussetzung zu verknüpfen.

Eine Gefährdung der umstrittenen [X.] ergibt sich aus den dazu --auch im [X.] unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des [X.] im Schriftsatz vom 20. Mai 2010 vor dem [X.] und aus dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin, wonach die Vollziehung zu einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. dazu [X.]-Beschlüsse vom 3. Februar 1993 [X.], [X.]E 170, 197, [X.] 1993, 426, 430; in [X.]E 212, 176, [X.] 2006, 484, unter [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 69 [X.]O Rz 388).

Davon, dass mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für die Antragstellerin günstiger Prozessausgang zu erwarten ist, kann nicht ausgegangen werden.

Die Antragstellerin hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie ohne Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht in der Lage wäre, Sicherheit zu leisten (vgl. dazu Gräber/ [X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 157).

Meta

XI B 39/11

08.08.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 24. März 2011, Az: 6 V 1409/10, Beschluss

§ 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 2 S 3 FGO, § 128 Abs 3 FGO, § 4 Nr 8 Buchst e UStG 1999, § 4 Nr 8 Buchst f UStG 1999, § 4 Nr 8 Buchst e UStG 2005, § 4 Nr 8 Buchst f UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.08.2011, Az. XI B 39/11 (REWIS RS 2011, 4153)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4153

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