Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.09.2010, Az. XI S 6/10

11. Senat | REWIS RS 2010, 3672

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Gegenstand

(Unternehmereigenschaft einer Bruchteilsgemeinschaft - Keine Mitunternehmerschaft im Umsatzsteuerrecht - Klagebefugnis - Prozesskostenhilfe - Teilweise Ablehnung i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO bei AdV gegen Sicherheitsleistung)


Leitsatz

1. NV: Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als Gemeinschaft tun. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der Gemeinschaft ausgeführt. Der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die Gemeinschaft ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG .

2. NV: Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Grundstücksgemeinschaft als Steuerschuldnerin, muss eine Klage im Namen der Gemeinschaft, und zwar gemäß § 744 Abs. 1 BGB durch alle Gemeinschafter, erhoben werden .

3. NV: Eine Bruchteilsgemeinschaft besteht in der Regel so lange als Unternehmer i.S. des Umsatzsteuerrechts fort, bis alle Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem Finanzamt beendet sind .

4. NV: Klagt eine Bruchteilsgemeinschaft gegen einen an sie gerichteten Umsatzsteuerbescheid, gehört sie zu den parteifähigen Vereinigungen i.S. des § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO .

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --[[[[[X.].].].].]--) setzte gegen die aus den [[[[[X.].].].].] und [[[[[X.].].].].] bestehende [[[[[X.].].].].] Umsatzsteuer für 2003 --zuletzt durch Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2004-- fest und wies den Einspruch durch die ebenfalls an die [[[[[X.].].].].] gerichtete Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 als unbegründet zurück.

2

Das [[[[[X.].].].].] ging dabei davon aus, dass die [[[[[X.].].].].] bis zum 20. März 2003 umsatzsteuerrechtlicher Organträger der Z-GmbH (GmbH) gewesen sei, deren Gesellschafter (ebenfalls) [[[[X.].].].] und [[[[[X.].].].].] waren. An diesem Tag hatten die Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der GmbH an einen Dritten übertragen.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die von den Gemeinschaftern [[[[X.].].].] und [[[[[X.].].].].] jeweils im eigenen Namen gegen den [[[X.].].] für 2003 vom 5. Oktober 2004 und gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 erhobene Klage als unbegründet ab. Es folgte der Auffassung des [[[[[X.].].].].] und führte aus, "die Kläger als [[[[[X.].].].].]" seien bis zur Veräußerung ihrer Geschäftsanteile am 20. März 2003 Organträger der GmbH gewesen; sie seien daher bis zu diesem Zeitpunkt "Steuerschuldner hinsichtlich aller von der Organgesellschaft verwirklichten Umsatzsteuertatbestände".

4

Daraufhin haben [[[[X.].].].] und [[[[[X.].].].].] jeweils in eigenem Namen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt ([[[[X.].].].]I B 19/10) und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt --[[[[X.].].].]I S 2/10 (PKH) und [[[[X.].].].]I S 3/10 (PKH)--.

5

Das [[[[[X.].].].].] hat mit Bescheid vom 13. April 2010, der ebenfalls an die [[[[[X.].].].].] gerichtet ist, Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer für 2003 in Höhe von … € sowie von [[X.].] in Höhe von insgesamt … € gegen Sicherheitsleistung in Höhe von … € gewährt; die beantragte AdV ohne Sicherheitsleistung lehnte es ab.

6

Im vorliegenden Verfahren beantragen [[[[X.].].].] und [[[[[X.].].].].], unter Änderung des Bescheids des [[[[[X.].].].].] vom 13. April 2010 AdV "der Umsatzsteuer 2003 sowie der darauf berechneten Säumniszuschläge ohne Sicherheitsleistung" zu gewähren.

Entscheidungsgründe

7

II. 1. Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist die [[[X.].].] und [[[X.].].], gegen die der [[[X.].].] des [[[X.].].] vom 5. Oktober 2004, die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 sowie der [[X.].]-Bescheid vom 13. April 2010 ergangen sind [[[X.].].] nicht [[X.].] und [[[X.].].] als Miteigentümer des Grundstücks.

8

a) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann auch eine Bruchteilsgemeinschaft sein. Rechtsfähigkeit im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger im Sinne des UStG nicht erforderlich. Die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstandes der [[X.].]) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der [[X.].] ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten GbR bedarf es nicht (vgl. Urteile des [[X.].] --[[X.].]-- vom 25. März 1993 [[X.].], [[X.].], 134, [[X.].] 1993, 729, unter [[X.].], und vom 23. September 2009 [[X.].]I R 14/08, [[X.].], 218, [[X.].] 2010, 243).

9

b) Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als GbR oder [[X.].] tun. [[X.].] werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der [[X.].] ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die GbR bzw. die [[X.].] ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Personenvereinigung wird im Umsatzsteuerrecht nicht ihrem Mitglied zugerechnet. Eine Mitunternehmerschaft kennt das UStG nicht (vgl. [[X.].]-Urteil vom 16. Mai 2002 [[X.].], [[X.].] 2002, 1347, unter II.1.c).

c) Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Grundstücksgemeinschaft als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich nur diese [[[X.].].] nicht ein [[X.].]er-- einspruchsbefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss eine Klage im Namen der [[X.].], und zwar gemäß § 744 Abs. 1 BGB durch alle [[X.].]er, erhoben werden (vgl. für eine GbR z.B. [[X.].] vom 19. Oktober 2001 [[X.].], [[X.].] 2002, 370).

d) Dass --wie die Antragstellerin vorträgt-- [[X.].] und [[[X.].].] nach dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 18. Juni 2008 in einem Zwangsversteigerungsverfahren mit Eintragung in das Grundbuch vom 22. August 2008 nicht mehr Eigentümer des Grundstücks sind, ändert an der fortbestehenden Unternehmereigenschaft der Antragstellerin nichts.

Eine Personengesellschaft besteht in der Regel so lange als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, beseitigt sind (vgl. [[X.].] vom 21. September 2006 [[X.].], juris). Das gilt auch für eine Bruchteilsgemeinschaft.

2. Der Antrag, die im Bescheid des [[[X.].].] vom 13. April 2010 verfügte [[X.].] ohne Sicherheit zu gewähren, hat Erfolg.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) soll die [[X.].] auf Antrag u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Nach § 69 Abs. 2 Satz 3 [X.]O kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O ist der Antrag nach Abs. 3 beim Gericht der Hauptsache vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf [[X.].] ganz oder zum Teil abgelehnt hat.

b) Im Streitfall ist der zutreffend beim [[X.].] als dem für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde [[X.].]I B 19/10 zuständigen Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 [X.]O gestellte Antrag auf eine [[X.].] ohne Sicherheitsleistung gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O zulässig.

Denn eine teilweise Ablehnung durch die Finanzbehörde liegt auch vor, wenn --wie im [[X.].] das [[[X.].].] eine uneingeschränkt beantragte [[X.].] nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat (vgl. [[X.].]-Beschlüsse vom 28. Oktober 1981 [[X.].]/80, [[X.].]E 134, 239, [[X.].] 1982, 135, und vom 10. Oktober 2002 [[X.].], [[X.].] 2003, 12).

c) Das [[[X.].].] ist in dem Bescheid vom 13. April 2010 davon ausgegangen, dass [[X.].] zu gewähren ist. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

d) Das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 2 Satz 3 [X.]O entfällt u.a. dann, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. [[X.].]-Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 [[X.].]/99, [[X.].] 2000, 827, unter II.2.c, m.w.N.; vom 17. Mai 2005 [[X.].]/04, [[X.].] 2005, 1782, und vom 19. Oktober 2009 [[X.].]I B 60/09, [[X.].] 2010, 58). Entgegen der Ansicht des [[[X.].].] ist diese Voraussetzung im Streitfall gegeben.

Der [[X.].] hat mit Urteil vom 22. April 2010 [[X.].] ([[X.].] 2010, 1581, [[X.].], 1277) entschieden, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorliegt, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und an einer GmbH verfügen; in diesem Fall sei die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert.

Diese Rechtsprechung des [[X.].] ist im vorliegenden Fall anwendbar, weil [[X.].] und [[[X.].].] als [[X.].]er der Grundstücksgemeinschaft an der GmbH mit einem Anteil von jeweils 50 % beteiligt sind und deshalb nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit verfügen. Die von der GmbH verwirklichten [X.] können deshalb --anders als vom [[[X.].].] im [[[X.].].] für 2003 vom 5. Oktober 2004 und vom [X.] in dem angefochtenen Urteil angenommen-- nicht der Antragstellerin zugerechnet werden.

Deshalb ist die Revision aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde [[X.].]I B 19/10 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) zuzulassen. Das [X.]-Urteil weicht von dieser (neuen) Rechtsprechung des [[X.].] ab. Für eine Divergenz ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgebend (vgl. [[X.].] vom 17. Dezember 2007 [[X.].]I B 32/07, juris; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 51).

3. Der Antrag, für das vorliegende Verfahren [X.] zu gewähren, hat keinen Erfolg.

Eine parteifähige Vereinigung kann nach § 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann [X.] erhalten, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

Diese Vorschrift ist vorliegend einschlägig. Die Antragstellerin gehört zu den parteifähigen Vereinigungen i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wenn sie befugt ist, selbständig gegen Umsatzsteuerbescheide Klage zu erheben (vgl. [[X.].]-Beschlüsse vom 30. April 1992 [X.], juris; vom 3. August 2007 [X.] ([X.]), [[X.].] 2007, 2309, und vom 29. Mai 2009 [X.] ([X.]), [[X.].] 2009, 1453). Das ist bei einer Grundstücksgemeinschaft der Fall (vgl. z.B. [[X.].]-Urteile vom 6. September 2007 [X.], [[X.].] 2008, 1710, und in [[X.].], 218, [[X.].] 2010, 243). Ob --wie die Antragstellerin geltend macht-- im Zivilprozess eine Miteigentümergemeinschaft nicht parteifähig und deshalb § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO dort nicht anwendbar ist, ist deshalb hier ohne Bedeutung.

Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass es allgemeinen Interessen zuwiderliefe, wenn sie ihre Rechte nicht durch die Nichtzulassungsbeschwerde [[X.].]I B 19/10 verfolgen würde; dafür ist auch nichts ersichtlich.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O. Die Entscheidung über den Antrag auf [X.] ist gerichtsgebührenfrei (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).

Meta

XI S 6/10

01.09.2010

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

§ 2 Abs 1 UStG 1999, § 744 Abs 1 BGB, § 40 Abs 2 FGO, § 142 Abs 1 FGO, § 116 S 1 Nr 2 ZPO, § 69 Abs 4 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.09.2010, Az. XI S 6/10 (REWIS RS 2010, 3672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3672

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