Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2017, Az. 6 B 50/17

6. Senat | REWIS RS 2017, 5063

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Gegenstand

Rundfunkbeitrag im privaten Bereich


Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO vorliegen.

2

Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid, durch den der Beklagte Rundfunkbeiträge für die Monate April 2014 bis Juni 2014 in Höhe von 53,94 € nebst 8 € Säumniszuschlag festgesetzt hat. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des [X.] blieb erfolglos. Die anschließend erhobene Klage hat in den Vorinstanzen ebenfalls keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision gegen den Beschluss nicht zugelassen.

3

1. [X.] wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [[X.]:[X.]:[X.]] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht für eine bundesgerichtlich bereits beantwortete Rechtsfrage nur, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 - 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224).

4

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, da zum einen der Kläger schon keine Rechtsfrage formuliert hat und zum anderen die mit der Beitragserhebung im privaten Bereich als grundsätzlich zu erachtenden Fragestellungen durch die Urteile des [X.] vom 18. März 2016 - 6 [X.] 6.15 [[X.]:[X.]:[X.]] - (BVerwGE 154, 275), vom 15. Juni 2016 - 6 [X.] 35.15 [[X.]:[X.]:[X.]] und vom 25. Januar 2017 - 6 [X.] 18.16 [[X.]:[X.]:[X.]] - geklärt sind. Der Kläger setzt im Wesentlichen nur der jeweiligen Rechtsauffassung des [X.] seine eigene, abweichende Rechtsauffassung entgegen und kritisiert die Ausführungen des [X.] zum Bestehen einer Gegenleistung für die Beitragspflicht auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung als nicht haltbar und widersprüchlich zur Rechtsprechung des [X.] und des [X.]s der [X.].

5

Bei dem [X.] handelt es sich nicht um eine Steuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 GG, sondern um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe in Gestalt einer Vorzugslast, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt. Der [X.] wird nicht voraussetzungslos erhoben und das [X.] wird nicht in die Landeshaushalte eingestellt. Der [X.] wird ebenso wie die frühere Rundfunkgebühr für die konkrete Gegenleistung der [X.]möglichkeit erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die [X.]möglichkeit ist ein Vorteil, der jedem Wohnungsinhaber im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 [X.]sstaatsvertrag ([X.]) individuell zugerechnet werden kann. Auf die Größe des bevorteilten Personenkreises kommt es nicht an. Die Beitragspflicht kann sich auf eine unbestimmte Vielzahl von Personen erstrecken, sofern nur jeder einzelnen Person ein individueller Vorteil zugeordnet werden kann. Die in den §§ 2 ff. [X.] geregelte Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung erfasst den individuell zurechenbaren Vorteil der [X.]möglichkeit, weil nahezu alle Wohnungsinhaber von der Möglichkeit des [X.] Gebrauch machen, das heißt den Vorteil persönlich in Anspruch nehmen. Der durch das Innehaben einer Wohnung vermittelte Vorteil der [X.]möglichkeit stellt die verfassungsrechtlich gebotene besondere Rechtfertigung für die Erhebung der Vorzugslast [X.] dar. Es liegen hinreichende Erkenntnisse vor, die die tatsächliche Annahme der nahezu flächendeckenden Verbreitung von [X.]geräten in Wohnungen stützen. Zu verweisen ist vor allem auf die Angaben des [X.] über die Ausstattung privater Haushalte insbesondere mit Fernsehgeräten, daneben mit [X.], Internetzugang und Zugang zu einer Internet-Breitbandverbindung (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 [X.] 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 12 ff., 25 ff. und vom 15. Juni 2016 - 6 [X.] 35.15 - juris Rn. 13 ff., 26 ff.).

6

Der Kläger zeigt insoweit keine neuen Gesichtspunkte mit seinem Verweis auf das Urteil des [X.]s der [X.] vom 13. Dezember 2007 ([X.]-337/06 [[X.]:[X.]:[X.]:2007:786] - EuZW 2008, 80) auf. In dem Urteil (Rn. 32 ff.) nimmt der [X.] zur Auslegung des in Art. 1 Buchst. b Abs. 2 dritter Gedankenstrich der [X.]/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge enthaltenen Begriffs der "überwiegenden Finanzierung durch den Staat" Stellung. Der [X.] führt in diesem Zusammenhang aus (Rn. 45), dass die den Rundfunkanstalten zur Verfügung gestellten Rundfunkgebühren ohne spezifische Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung des [X.]s ausgezahlt werden, weil diese Zahlungen nicht von einer vertraglichen Gegenleistung abhängen und die Verbraucher allein wegen des Bereithaltens eines Empfangsgeräts zur Zahlung der Gebühr verpflichtet, selbst wenn sie die Leistungen dieser Anstalten niemals in Anspruch nehmen. Diese Ausführungen sind nach der [X.]srechtsprechung zum [X.] als Vorzugslast nicht geeignet, den Gegenleistungscharakter der Beitragspflicht in Frage zu stellen.

7

2. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverfassungs- oder [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverfassungs- oder [X.] aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

8

Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Weder das [X.] noch das ihm folgende Berufungsgericht haben von der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung abweichende abstrakte Rechtssätze aufgestellt. Die [X.] des [X.] erschöpfen sich in der Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der angeblichen, zu anderen Rechtsvorschriften gemachten Vorgaben des [X.], ohne sich mit der unter Einbeziehung der Rechtsprechung des [X.] ergangenen [X.]srechtsprechung zum [X.] für den privaten Bereich im Einzelnen auseinanderzusetzen.

9

Eine Divergenz zur Rechtsprechung des [X.]s der [X.] kann der Kläger nicht als Zulassungsgrund geltend machen, weil dessen Entscheidungen nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO divergenzfähig sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2001 - 6 B 35.00 - [X.] 2001, 377 Rn. 10).

3. Die vom Kläger mit [X.] vom 18. September 2017 neu vorgetragenen Zulassungsgründe verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der [X.] hat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nur über die fristgemäß und ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe zu entscheiden. Nach Ablauf der im vorliegenden Fall am 17. Juli 2017 endenden Beschwerdebegründungsfrist hat der [X.] neu vorgetragene Gründe, die nach Auffassung des [X.] die Zulassung der Revision rechtfertigen sollen, nicht zu prüfen. So verhält es sich hier. Der Kläger macht sich mit [X.] vom 18. September 2017 die Vorlagefragen des [X.] und deren Begründung zu eigen. Damit rügt er erstmals nach Ablauf der Begründungsfrist die Unvereinbarkeit der Beitragspflicht mit europarechtlichen Bestimmungen. Deshalb kommt auch die beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des [X.]s der [X.] im Verfahren unter dem dortigen [X.]. EuGH [X.]-492/17 nicht in Betracht. Der Ausgang des hiesigen Beschwerdeverfahrens hängt nicht von der Entscheidung des [X.]s über das Vorabentscheidungsersuchen des [X.] mit Beschluss vom 3. August 2017 (- 5 [X.]/17 u.a. -) ab.

Ungeachtet dessen weist der [X.] darauf hin, dass die vom [X.] im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellten Vorlagefragen auf der dortigen Rechtsauffassung beruhen, dass die Einführung des [X.]s für den privaten Bereich nach Art. 108 Abs. 3 A[X.]V der Zustimmung der Kommission der [X.] bedürfe und es sich bei dem [X.] um eine typische Zwecksteuer handele, für die eine individuelle Gegenleistung nicht vorliege. Beides ist nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht der Fall.

Weder handelt es sich bei dem [X.] um eine Steuer (s.o. unter 1.) noch bedurfte die Einführung des [X.]s für den privaten Bereich nach §§ 2 ff. [X.] der Zustimmung der Kommission der [X.]. Eine genehmigungsbedürftige Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 A[X.]V liegt vor, wenn die ursprüngliche Finanzierungsregelung durch spätere Änderungen in [X.], d.h. hinsichtlich der Art des Vorteils, der Finanzierungsquelle, des Ziels der Beihilfe, des [X.] oder der Tätigkeitsbereiche der Begünstigten betroffen ist. Diese maßgebenden Faktoren hat der Übergang von der Rundfunkgebühr zum [X.] nicht verändert. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der [X.] als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen herangezogen, die die Möglichkeit des [X.] haben. Insoweit hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Erfassung der Pflichtigen geändert. Bei der Einbeziehung der sehr kleinen Gruppe, die nicht im Besitz eines herkömmlichen oder neuartigen Empfangsgeräts, aber ebenfalls beitragspflichtig ist, handelt es sich nicht um eine Änderung der ursprünglichen Finanzierungsregelung in [X.] (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 [X.] 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f., vom 15. Juni 2016 - 6 [X.] 35.15 - juris Rn. 53 f. und vom 25. Januar 2017 - 6 [X.] 18.16 - juris Rn. 53 f. jeweils m.w.[X.]). Weder das [X.] in seinem Beschluss vom 3. August 2017 noch der Kläger im hiesigen Verfahren setzen sich mit dieser Rechtsprechung des [X.] im Einzelnen auseinander.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

6 B 50/17

20.09.2017

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. Mai 2017, Az: 2 A 2591/15, Beschluss

Art 105 Abs 2 GG, Art 108 Abs 3 AEUV, §§ 2ff RdFunkBeitrStVtr NW, § 2 RdFunkBeitrStVtr NW

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2017, Az. 6 B 50/17 (REWIS RS 2017, 5063)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5063

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3 B 208/18

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