Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2014, Az. XI ZR 259/12

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2976

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 259/12
vom
16.
September 2014
in dem Rechtsstreit

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2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat am 16.
September 2014
durch den Vorsitzenden Richter [X.], die Richter Dr.
Ellenberger, Maihold
und
Dr.
[X.] sowie die Richterin Dr.
Derstadt

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Be-schluss des 14.
Zivilsenats des
Oberlandesgerichts [X.] vom 29.
Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Streitwert:
bis 22.000

Gründe:

I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen [X.] in Anspruch.
Der Bruder der Klägerin und seine Ehefrau, die Zeugen
K.

, unter-hielten bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der

Bank
(im [X.]: Beklagte),
ein Wertpapierdepot mit Einzelverfügungsberechtigung. 1
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Nach Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten
erwarben die Eheleute 20
Stück "G.

"-Zertifikate
der [X.] ([X.] .

)
zum Preis von insgesamt 20.170,60

Infolge der Insolvenz von Emittentin und Garantin sind die Zertifikate mittlerweile
weitgehend wertlos.
Am 22.
September 2009 unterzeichneten der Zeuge K.

und die Klä-gerin eine schriftliche "Abtretungsvereinbarung", mit der der Zeuge erklärte, seine gesamten derzeitigen und zukünftigen Schadensersatz-
und sonstigen Ansprüche, die ihm im Zusammenhang mit der Zeichnung der Zertifikate gegen alle Beteiligten, insbesondere gegen die Beklagte, zustehen, an die Klägerin abzutreten.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 20.170,60

insen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Zertifikate, die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz aller weiteren Schäden, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie Ersatz vorgerichtlicher [X.].
Das [X.] hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausge-führt, es könne dahinstehen, dass sich in der Beweisaufnahme ergeben habe, dass auch die Zeugin K.

Inhaberin des Depots gewesen sei, da den [X.] Schadensersatzansprüche, die sie an die Klägerin hätten abtreten können, nicht zustünden. Zwar sei zwischen den
beiden
Zeugen und der Beklagten ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte habe jedoch keine sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten verletzt. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben sei die
Beratung der Zeugen sowohl anleger-
als auch objektgerecht erfolgt.
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Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss gemäß §
522
Abs.
2 ZPO zurückge-wiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es könne dahin-stehen, ob etwaige Schadensersatzansprüche berechtigt wären, da die Klägerin
bereits nicht aktiv legitimiert sei. Eine Abtretung der geltend gemachten Scha-densersatzansprüche durch beide Zeugen, wie pauschal vorgetragen werde, sei nicht erfolgt. Dem stehe der Inhalt der erstinstanzlich vorgelegten [X.] vom 22.
September 2009 entgegen, in der jeglicher Hinweis auf die Ehefrau und die Forderungsgemeinschaft fehle
und die daher
auch nicht als Abtretung durch beide Ehegatten ausgelegt werden könne. Eine allein dem Ehemann zustehende Forderung habe nicht bestanden, weil der [X.] nur gemäß §
432 BGB hätte gefordert werden können. Eine Gesamtgläu-bigerschaft komme hier nicht in Betracht. Insbesondere ergebe diese sich nicht aus der vertraglichen Abrede über das Depot, da dort eine Einzelverfügungsbe-rechtigung nur im Zusammenhang mit der Konto-
und Depotführung vorgese-hen sei, worunter aber keine Schadensersatzansprüche fielen.
Der Vortrag zu einem "gemeinsamen Willen" der Zeugen und der Klägerin betreffe allein die Frage der Prozessführungsbefugnis und nicht die Aktivlegitimation
der Klägerin, die allein aus einer wirksamen Abtretung durch beide Zeugen abgeleitet werden könne, zu der die Klägerin aber nicht hinreichend vorgetragen habe.
Schließlich sei der Verweis der Klägerin
auf ein bloßes anwaltliches Redaktionsversehen bei Erstellung der schriftlichen
Abtretungsvereinbarung vom 22.
September 2009 nicht vereinbar mit dem Vortrag, die Zeugen seien davon ausgegangen, aufgrund der [X.] reiche die Unterschrift eines Ehegatten aus. Denn bei [X.] wäre es kein Versehen, sondern gera-de gewollt gewesen, nur den Zeugen K.

und nicht auch
seine Ehefrau zur Unterschrift heranzuziehen.

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II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Revision ist nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da
der angegrif-fene Beschluss den Anspruch der Klägerin
auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 [X.] verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.
Mai 2004

XI
ZB 39/03, [X.], 135, 139
f. und vom 9.
Februar 2010

XI
ZR 140/09, [X.], 515, 516). Aus
demselben Grund ist dieser Beschluss
gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1.
Art.
103 Abs.
1 [X.] verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.] 65, 293, 295; 83, 24, 35; 96, 205, 216; [X.], NJW-RR 2001, 1006, 1007). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm ent-gegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art.
103 Abs.
1 [X.] nicht ver-pflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 [X.] setzt eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder über-haupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.] 65, 293, 295
f.; 86, 133, 146; 96, 205, 216
f.; [X.], [X.], 131; Senatsbeschluss vom 20.
Januar 2009

XI
ZR 510/07, [X.], 405 Rn.
8).
2.
Nach diesen Maßgaben ist Art.
103 Abs.
1 [X.] hier verletzt.

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Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin, beide Ehegatten [X.] die geltend gemachten Schadensersatzansprüche an sie abgetreten, als zu pauschal und nicht hinreichend angesehen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass die Klägerin auch

und sogar wiederholt

darauf hingewiesen hat, die Beklagte habe die Aktivlegitimation der Klägerin nicht bestritten.
Dieser Hinweis ist
zutreffend. Die Beklagte ist weder in ihrer Stellung-nahme zur Beweisaufnahme in erster Instanz noch in ihrer Berufungserwide-rung

ihrem einzigen Schriftsatz in der Berufungsinstanz

auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin bzw. des Vorliegens einer Abtretung der [X.]) Ansprüche der Zeugen K.

eingegangen, sondern hat sich darauf be-schränkt,
geltend zu machen, die Beratung sei ordnungsgemäß gewesen, ob-wohl ihr vor Einreichung der [X.] sowohl der Hinweis an die Klägerin auf Bedenken des Berufungsgerichts hinsichtlich deren [X.] als auch die Stellungnahme der Klägerin zu diesem Hinweis übermittelt [X.] waren.
Unter diesen Umständen war die Klägerin nicht gehalten, ihre Behaup-tung einer Abtretung der Schadensersatzansprüche durch beide Ehegatten an sie durch weitere Tatsachen näher zu substantiieren (vgl. [X.], Urteile vom 16.
Mai 1962

VIII
ZR 79/61, [X.], 719
f.; vom 12.
Juli 1984

VII
ZR 123/83, [X.], 1380
f. und vom 17.
Juli 2003

IX
ZR 250/02, [X.], 437
f.).
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf dieser Gehörsver-letzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlos-sen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des über-gangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. [X.] 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392
f.). Dies ist hier der Fall, weil 11
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7
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das Berufungsgericht aufgrund der Gehörsverletzung die Aktivlegitimation der Klägerin verneint und deshalb nicht geprüft hat, ob die geltend gemachten Be-rufungsangriffe gegen die Verneinung von Schadensersatzansprüchen der
Zeugen durch das [X.] begründet sind.

[X.]
Ellenberger
Maihold

[X.]
Derstadt

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.02.2011 -
8 O 234/10 -

O[X.], Entscheidung vom 29.05.2012 -
I-14 [X.] -

Meta

XI ZR 259/12

16.09.2014

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2014, Az. XI ZR 259/12 (REWIS RS 2014, 2976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2976

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