Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2013, Az. 3 StR 496/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 7993

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 496/12

vom
21. Februar
2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

wegen versuchten Mordes u.a.
hier:
Revisionen der Angeklagten [X.]

und A.

sowie

Revision des [X.]

F.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der Beschwerde-führer und des [X.] -
zu
2. auf dessen Antrag
-
am 21.
Fe-bruar
2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
357 [X.] einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]

und A.

wird das Urteil des [X.] vom 21.
Juni 2012 mit den jeweiligen Feststellungen aufgehoben in den Fällen
a)
II.
3.;
b)
II.
4., soweit der Angeklagte A.

verurteilt worden ist;
c)
II.
5., soweit der Angeklagte [X.]

verurteilt worden ist;
d)
II.
6., insofern auch, soweit der Angeklagte O.

verur-teilt worden ist;
sowie in den gesamten Rechtsfolgenaussprüchen.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]

sowie die Revision des [X.] F.

werden verworfen.
3.
Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Angeklagten O.

und A.

hierdurch entstan-denen notwendigen Auslagen zu tragen.
4.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Rechtsmit-tel der Angeklagten, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten [X.]

und A.

sowie den Mit-angeklagten O.

-
jeweils unter Freispruch im Übrigen
-
wie folgt verurteilt:
-
den Angeklagten [X.]

wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit ge-fährlicher Körperverletzung und Diebstahl, wegen gefährlicher Kör-perverletzung in drei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tatein-heit mit Diebstahl und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit beson-ders schwerem Raub, wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls unter Einbeziehung eines anderen Urteils zu einer Jugendstrafe von acht Jahren,
-
den Angeklagten A.

wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Brandstiftung in [X.] mit Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren,
-
den Angeklagten O.

wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Diebstahls sowie wegen Kör-perverletzung in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren.
Es hat neben den verhängten Strafen gegen alle drei Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und -
jeweils mit unter-schiedlicher Dauer
-
den Vorwegvollzug der Strafen bestimmt.

1
2
-
4
-
Die Angeklagten [X.]

und A.

wenden sich mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, gegen ihre Verurteilungen. Der Angeklagte O.

hat kein Rechtsmittel eingelegt.
Die Revisionen der Angeklagten [X.]

und A.

haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie im Fall
II.
6. ihre Verurteilung wegen versuchten Mordes beanstanden.
Darüber hinaus ist das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]

auch insoweit begründet, als er sich gegen seine Verurteilung wegen besonders schweren Raubes im Fall
II.
3. und wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall
II.
5. wendet. Der Angeklagte A.

beanstandet zu Recht auch seine [X.] wegen Brandstiftung im Fall
II.
4., so dass sich seine Revision als insge-samt begründet erweist.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der weitergehenden Revision des Angeklagten [X.]

hat keinen Rechtsfehler zu seinen Ungunsten ergeben. Das Rechtsmittel war daher insoweit gemäß §
349 Abs.
2 [X.] zu verwerfen.
I.
Die Verurteilung der Angeklagten [X.]

und A.

im Fall
II.
6. der Urteilsgründe ist auf die Sachrüge aufzuheben; auf die insoweit erhobenen [X.] kommt es daher nicht an.
1.
Das [X.] hat zum Fall
II.
6. im Wesentlichen festgestellt, dass die alkoholisierten Angeklagten in der [X.] auf den dort [X.] T.

trafen. Sie schlugen und traten in einer vom [X.] nachvollziehbar als "Gewaltorgie" bezeichneten Aktion immer wieder wuchtig 3
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5
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-
5
-
auf ihn ein, auch gegen seinen Kopf. Dadurch verursachten sie massive Verlet-zungen, die ohne eine umgehende, nur durch das zufällige Auffinden des be-wusstlosen Opfers ermöglichte medizinische Versorgung binnen kurzer Zeit zum Tode geführt hätten.
2.
Das [X.] hat auf der Grundlage seiner -
auch zur subjektiven Seite
-
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zutreffend angenommen, dass sich die Angeklagten des versuchten Totschlags schuldig gemacht haben. Die Bewertung, dass sie dabei aus niedrigen Beweggründen handelten, hält der revisionsrechtlichen Prüfung indes nicht stand. Das [X.] hat bei der An-nahme niedriger Beweggründe nämlich allein auf das objektiv äußerst brutale Tatgeschehen abgestellt, ohne
die für die einzelnen Angeklagten maßgeblichen subjektiven Beweggründe zu erörtern. Die Beurteilung, ob ein Beweggrund "niedrig" ist, setzt aber regelmäßig zunächst die Feststellung der Tatmotive
voraus. Daran fehlt es hier.
Zwar geht die [X.] im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Beurteilung niedriger Beweggründe einer Gesamtwürdigung bedarf, die alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen [X.] einschließt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 2.
Dezember 1987 -
2
StR
559/87, [X.]St
35, 116, 127; vom 1.
März 2012 -
3
StR
425/11, NStZ
2012, 691, 692). Jedoch teilt das Urteil die tatsächlichen Beweggründe der Angeklag-ten nicht mit. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe und der Feststellung, den Angeklagten sei zu Beginn des Geschehens unausgespro-chen klar gewesen, dass man dem Geschädigten "nunmehr bei dieser Gele-genheit eine Abreibung verpassen wollte", ergibt sich nicht, welche Motive für die Täter maßgeblich waren. Es bleibt insbesondere offen, ob und
gegebenen-falls für welchen der Täter handlungsleitend war, dass der Geschädigte mehre-9
10
-
6
-
re Jahre vor der Tat die Mutter des Angeklagten A.

über einen längeren Zeitraum körperlich misshandelt hatte. Wäre dies für die [X.] maßgeb-lich gewesen, hätte es jedenfalls in die erforderliche Gesamtwürdigung [X.] werden müssen, wenngleich je nach den weiteren Umständen auch Gefühlsregungen wie Wut, Ärger, Hass und Rache als niedrige Beweggründe in Betracht kommen können (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Juli 2010 -
4
StR
180/10, NStZ
2011, 35 mwN).
3.
Der [X.] kann letztlich nicht sicher ausschließen, dass die [X.] bei Vornahme der erforderlichen Gesamtwürdigung unter Einbe-ziehung der subjektiven Faktoren keine niedrigen Beweggründe angenommen hätte.
Die danach erforderliche Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auf den Mitangeklagten O.

zu erstrecken (§
357 [X.]). Dies ent-zieht der gegen ihn verhängten Jugendstrafe und dem [X.] die Grundlage.
II.
Auf die Revision des Angeklagten [X.]

ist im Übrigen seine [X.] in den Fällen
II.
3. und II.
5. aufzuheben.
1.
Im Fall
II.
3. schlug der Angeklagte [X.]

nach den Urteilsfeststellungen dem zufällig auf einer Straße angetroffenen M.

zunächst kräftig mit der Faust ins Gesicht. Daraufhin trat der Begleiter des Angeklagten H.

auf den inzwischen auf dem Boden liegenden Geschädigten ein; der Angeklag-te [X.]

schlug weiter zu. Während der Übergriffe nahm H.

dem Opfer das Portemonnaie ab und gab es noch am Tatort dem Angeklagten [X.]

.
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14
-
7
-
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch (auch) wegen besonders schweren Raubes (§
249 Abs.
1, §
250 Abs.
2 Nr.
1 und 3a StGB) nicht, da sich ihnen eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz von Gewalt und der [X.] nicht entnehmen lässt (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Mai 2012 -
3
StR
68/12, NStZ-RR
2012, 270 mwN). Die Feststellungen verhalten sich nicht zur subjektiven Tatseite. Auch die (die Wegnahme betreffenden) Erwägungen in der Beweiswürdigung, es habe sich ein gemeinschaftlicher Vorsatz entwickelt, der sukzessive in der Übergabe des Portemonnaies gegipfelt habe, lassen
offen, ob der Gewalteinsatz erfolgte, um die Wegnahme zu ermöglichen. Allein der Umstand, dass die Wirkungen einer ohne Wegnahmeabsicht ausgeübten Gewalt andauern und der Täter dies zur Wegnahme ausnutzt, genügt indes
für die Annahme eines Raubes nicht ([X.], Beschluss vom 10.
Mai 2012
-
3
StR
68/12 aaO).
2.
Die Feststellungen zu Fall
II.
5. tragen den Schuldspruch wegen ge-fährlicher Körperverletzung (§
223 Abs.
1, §
224 Abs.
1 Nr.
2, 4 und 5 StGB) nicht, da aus diesen nicht zu ersehen ist, dass der Angeklagte [X.]

die [X.] verwirklicht hat. Danach schlug der Angeklagte dem Neben-kläger F.

einmal wuchtig mit der Faust ins Gesicht, so dass dieser zu [X.] ging. Daraufhin bildete sich eine Menschentraube um den Geschädigten, aus der heraus er geschlagen und getreten wurde, während der Angeklagte [X.]

drohend in der Menschenansammlung stehen blieb.
Dies allein genügt nicht, um ihm die Handlungen der weiteren, erst nach seiner Tathandlung zusammengekommenen Personen [X.]. Mittäterschaft setzt nämlich voraus, dass jeder Beteiligte im Sinne
eines zumindest konkludent gefassten gemeinschaftlichen Willensentschlusses seine eigene Tätigkeit durch die Handlung des anderen ergänzen und auch 15
16
17
-
8
-
diese sich zurechnen lassen will, dass somit alle im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln ([X.], Beschluss vom 19.
Februar 1997 -
3
StR 21/97, NStZ
1997, 336). Ein solches -
möglicherweise auch unausgesproche-nes
-
gegenseitiges Einverständnis ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die subjektive Tatseite wird insoweit nicht erörtert. Aus der Feststellung, die Gruppe habe den Angeklagten als stadtbekannten [X.] gegenüber dem auswärtigen Studenten F.

unterstützen wollen, ergibt sich nicht, dass im Gegenzug die Handlungen aus der Gruppe mit dem Einverständnis des Ange-klagten geschahen.
3.
Die danach erforderliche Aufhebung der Schuldsprüche im Fall
II.
3. wegen besonders schweren Raubes und im Fall
II.
5. wegen gefährlicher Kör-perverletzung erstreckt sich auch auf die jeweils dazu in Tateinheit stehenden Delikte (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
September 2011 -
3
StR
231/11, NJW
2012, 325, 328 mwN).
Mit der Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.
3., II.
5. und II.
6. ist die Grundlage für die Einheitsjugendstrafe und die Unterbringungsanordnung entfallen, so dass die gesamte Rechtsfolgenentscheidung keinen Bestand ha-ben kann.
III.
Auf die Revision des Angeklagten A.

ist auch die Verurteilung im Fall
II.
4. wegen Brandstiftung in Tateinheit mit Diebstahl (§
242 Abs.
1, §
306 Abs.
1 Nr.
2 Alt.
1 StGB) aufzuheben, weil ein zumindest bedingter Brandstiftungsvorsatz nicht belegt ist.
Nach den Urteilsfeststellungen wollte der Angeklagte A.

mit einem Feuerzeug Brandzeichen an die Wand eines "Hähnchenwagens" schreiben und 18
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-
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-
sich so dort "verewigen". Bei der Aktion geriet der Wagen in Brand und
brannte aus. Dass der Angeklagte A.

diesen Verlauf für möglich hielt und billi-gend in Kauf nahm, folgt daraus nicht ohne Weiteres. Die [X.] hat nicht dargelegt, woraus sie auf den von ihr (im Rahmen der rechtlichen Würdigung) angenommenen Eventualvorsatz geschlossen hat. Entsprechende Ausführun-gen waren hier nach den [X.] nicht entbehrlich, zumal die Ursa-chen für die schnelle Brandentwicklung ungeklärt geblieben sind.
Die Aufhebung der Verurteilung wegen Brandstiftung erstreckt sich auch auf den tateinheitlichen Diebstahl.
IV.
Die Revision des [X.] F.

ist insgesamt zulässig, aber (soweit sie zu Lasten der Angeklagten eingelegt ist) unbegründet.
1.
Das Rechtsmittel des [X.] ist auch hinsichtlich des
Ange-klagten A.

zulässig; denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich, dass sich die Revision gegen dessen Freispruch wendet und eine Verurteilung (zu-mindest) wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung erstrebt. Der [X.] kann über die Revision insoweit ebenfalls durch Beschluss entscheiden, da die vorrangig auf eine Verwerfung nach §
349 Abs.
1 [X.] gerichtete Antrags-schrift des [X.] für den Fall der Zulässigkeit eine Verwerfung nach §
349 Abs.
2 [X.] begehrt.
2.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der -
Fall
II.
5. betreffenden
-
Revisionsbegründung des [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten [X.]

, A.

und O.

erbracht. Die entsprechend
§§
301, 401
Abs.
3 Satz
1 [X.] gebotene Nachprüfung auch zugunsten der Rechtsmit-telgegner (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Oktober 1986 -
3
StR
377/86, NStE Nr.
22 22
23
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-
10
-
zu §
46 StGB; Beschluss vom 12.
Januar 2010 -
4
StR
589/09, NStZ
2010, 512
f.) hat allein den bereits (oben unter II.
2.) aufgezeigten Rechtsfehler
zu Lasten des Angeklagten [X.]

ergeben.
V.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Revision des [X.] beruht auf §
473 Abs.
1 Satz
1 und 3 [X.]. Der Nebenkläger hat lediglich
die durch seine Revision entstandenen Auslagen der Angeklagten O.

und
A.

zu tragen, die hinsichtlich der ihn betreffenden Tat kein Rechtsmittel eingelegt haben. Demgegenüber hat er die Auslagen des Angeklagten [X.]

nicht zu erstatten, da dieser bezüglich der den Nebenkläger betreffenden Tat selbst Revision eingelegt hat und somit kein alleiniges Rechtsmittel des [X.] im Sinne des §
473 Abs.
1 Satz
3 [X.] gegeben ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
473 Rn.
93).
Tolksdorf
Pfister
Es sind durch Urlaub verhindert:
Ri[X.] Hubert an der Unterschrifts-leistung;
Präs[X.] Prof. Dr. Tolksdorf an der Feststellung der Verhinderung.

Pfister

Mayer
Spaniol

26

Meta

3 StR 496/12

21.02.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2013, Az. 3 StR 496/12 (REWIS RS 2013, 7993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7993

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